Es ist Frühjahr 2011 und aus den geflüsterten Gesprächsfetzen kann ich nur sowas wie "Überraschung" und "Fete" entnehmen. Na super: die planen die Feierlichkeiten meines 50ten. Da man mir nichts weiter dazu sagt, habe ich also auch keinen Termin und beschliesse, an dieser Feier nicht teilzunehmen!
Aus irgendeinem mir nicht bekannten Grund genehmigt man mir vier Wochen Urlaub, was zu einem Luxusproblem führt, da Anke nur drei Wochen bekommt. So entwickelt sich mit und mit ein Plan, dessen Realisierung die Zeit bis dahin wie im Flug vergehen lässt. Ich fahre eine Woche alleine in meinen Geburtstag rein und habe als Fixpunkt nur den 22.05. / 17:20 in Cagliari, denn da landet Ankes Flieger.
Mein treuer Gefährte vieler Urlaubsreisen hat mittlerweile 130.000 km auf dem Buckel und steht kurz vor dem Erreichen der Pflegestufe 2, was mich nicht daran hindert, ihm die Last für einen mehrwöchigen Trip zweier Personen aufzubürden. Die Diskussionen über die Notwendigkeit meiner Abwesenheit wurden auf den Zeitraum in vier Wochen verschoben und es geht los. Wenn man nach so langer Zeit noch einmal ganz alleine mit sich und der Natur unterwegs ist, entstehen Gedanken und Gefühle, die Bücher füllen könnten. So beschränke ich mich darauf, dass ich innerhalb dieser Woche einen schönen Ausflug durch Eifel, Saarland, Elsass, Vercors und Jura unternommen habe und vor lauter Nachdenken und Genießen erst am Lac d'Annecy einen Fotostop eingelegt habe Mittlerweile habe ich auch am Fuße des Colombier bei einer Pizza und einer Flasche Rotwein mein persönliches Jahrhundert halbiert und quere am Col de Larche die Grenze nach Italien
Durch Ligurien mit einem großen Bogen um Genua nehme ich mir anschließend noch einen Tag Zeit für die Toskana, bevor ich mich doch noch beeilen muß, die Nachtfähre in Livorno zu erreichen
Am nächsten Morgen rolle ich schon um 7:00 Uhr in Olbia von der Fähre und mache mich auf den Weg in Richtung Süden. Hier registriere ich schon im Vorbeifahren die Versprechen der Reiseführer. Immer schön in Küstennähe fahre ich über Siniscola, Orosei und Dorgali über die schwindelerregende SS125, bis ich bei Bari in Torre di Bari auf dem empfehlenswerten Camping "La Pineta" einchecke. Zelt aufbauen, Gepäck abmontieren und im Zelt verstauen und weiter zum Flughafen. Und wieder ist es die SS125, die Suchtgefährdend den Weg weist und trotz sportlicher Gangart einen eher bescheidenen Schnitt zulässt.
Ich schaffe es tatsächlich, entscheidende Minuten vor Anke in der Ankunftshalle zu sein und muss mir zur Begrüßung anhören, dass ich doch alt geworden wäre

Die nächsten Tage gehören Ausflügen an der Ostküste, die uns in das Gennargentu Massiv führen, wo die Straßen Korkenziehern gleichen und eine schöne Berg- und Talbahn bieten. Doch auch die Küste lockt mit kleinen, versteckten Felsbuchten zum Baden Der Strand des Campingplatzes lässt uns bei den herrschenden Temperaturen den Verzicht aufs Motorradfahren leicht fallen. Ganz schön überfüllt Quer über das Dach der Insel zieht es uns an die Ostküste; die Costa Verde. Hier finden wir ausgedehnte Strände und Dünen in einer Berglandschaft, die von ausgedienten Kohle- und Silberminen ausgehöhlt ist und so regelrechte Geisterstädte hinterlassen hat. Unser Campingplatz "Sciopadroxiu" ist ab Ingortosu nur über eine tiefe Sandpiste incl. zweier Bachdurchfahrten zu erreichen und weitet sich in einen unglaublichen Sandstrand am berühmten Hotel Le Dune. Auch hier unternehmen wir wieder Tagesausflüge, wie nach Iglesias mit seiner schönen Altstadt oder nach Buggeru, das in seiner Abgeschiedenheit im Schatten einer hohen Felswand sehr reizvoll ist. Die weitere Strecke südlich nach Masua ist ein landschaftliches Highlight und bietet tolle Ausblicke auf den vorgelagerten Felsen "Pan di Zucchero". Uns zieht es weiter in den Norden nach Bosa. Leider existiert der in den Karten verzeichnete Campingplatz nicht mehr, sodass wir uns auf einem Stellplatz für Wohnmobile direkt am Strand einquartieren und den Sonnenuntergang sehr intensiv geniessen können Bosa mit seinem Kastell oberhalb der sich den Berg hochziehenden mittelalterlichen Altstadt ist für uns der schönste Ort auf Sardinien. Die Häuser sind bunt bemalt und die engen Gassen ziehen sich steil den Berg hinauf. Schon die Lage am einzigen schiffbaren Fluß Sardiniens zwischen flachen Tafelbergen ist schön anzusehen. Umso verwunderlicher, dass hier kaum Tourismus anzutreffen ist.