Reisebericht Düsseldorf Formentera und zurück

Reiseberichte der Iberischen Halbinsel.
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Rene13
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Reisebericht Düsseldorf Formentera und zurück

#1 Ungelesener Beitrag von Rene13 »

Düsseldorf, Barcelona, Ibiza, Formentera
Formentera, Ibiza, Denia, Düsseldorf.

4 Tage hin, 4 Tage zurück.

Vorwort:
Auf die Idee, mit dem Motorrad nach Formentera zu fahren kam ich, als wir planten zu dritt auf der Insel den Urlaub zu verbringen. Eine Freundin wollte ursprünglich mitkommen,
es hätte uns den Urlaub preislich stark reduziert und es wäre ein nettes Urlaubsteam gewesen – ohne Hintergedanken. Bei den ersten Gesprächen entwickelte sich für mich die Idee,
mit dem Motorrad zu fahren, die Planung für meine Tour ging in die erste Runde und dann sprang unsere Susi ab. Von dem Gedanken angefixt, die Strecke zu „erfahren“, konnte ich
meine Freundin überreden, bei der nun bei mir, wie in Stein gemeißelten Idee zu bleiben und die Planung begann dann vollends.

Die Planung.
Das Ziel stand mit Formentera fest, aber bei weitem noch nicht der Weg dorthin. Fest stand auch, dass ich mir für Hin- und Rückweg jeweils vier Tage Zeit nehmen wollte. Was
unbekannt war, war die Durchführung der Reise, denn erstmals sollte es alleine auf Tour gehen und ebenso erstmalig, eine solch lange Tour in Angriff genommen werden. Neu
war auch das Mopped: Zwar nicht neu vom Baujahr her gesehen, denn meine GS1150 erblickte schon 2001 das Licht der Welt, aber neu für mich, denn seit Kauf im letzten Jahr aus
erster Hand hatte ich gerade erstmal 5000 Kilometer damit zurück- gelegt. Ich konnte also nicht behaupten, dass ich die Q kannte, denn von den ein oder anderen Ausflügen ins
Bergische Land, was mehr oder weniger direkt bei mir vor der Haustüre liegt, konnte ich keine großartige Erfahrung gesammelt haben.

Ich las diverse Reiseberichte, versuchte mir ein Bild davon zu machen, durch welche Regionen es ging und kaufte mir zu Weihnachten einen neuen Satz Reifen und Kartenmaterial.
Mit dem Finger fuhr ich diverse Pässe ab und fing an, die ersten Etappen „nur mal so“ unter Zuhilfenahme von „Motoplaner“ zu planen.
Ich stellte dann schnell fest, dass am ersten Tag eine Autobahnetappe anstehen würde, die von der Länge her gesehen schon knapp an die 1000 Kilometer herankam. Autobahn!
Und das mir.
Durch meinen Job bin ich mehr oder weniger gezwungen viel Autobahn zu fahren aber das mache ich eben, weil ich es muss und nicht weil ich Spaß daran habe.
Ich biss also in den sauren Apfel und nahm dies in Kauf, denn schließlich sollten dann an den darauf folgenden drei Tagen wesentlich schönere Strecken gefahren werden.

Mit der Zeit nahm die Routenplanung Gestalt an und in Abstimmung mit diversen Leuten (u.a. Holger von „Maison las Clauzes“ und dem Reiseforum von Mimoto) konnte ich diese
noch optimieren.

Da ich ja auch mit dem Motorrad zum ersten Mal eine solche Strecke bewältigen sollte, hatte ich keinerlei Ahnung, was denn an Equipment mitzunehmen war. Also ging ich
ebenfalls wieder auf die Suche im Netz und versuchte für meine Zwecke Packlisten zu erhalten, an denen ich mich orientieren konnte. Das stellte sich als relativ schwer
heraus, denn da macht halt jeder– so auch ich – seine eigenen Erfahrungen (nebenbei schon jetzt bemerkt: NIEMALS werde ich wieder so viel an Krempel mitschleppen....).

Ich packe meinen Koffer.
Eines musste auf jeden Fall mit: Meine Boule-Kugeln, denn wir treffen uns auf Formentera abends immer am Strand, um dort besagtes Spiel zu spielen – nicht auf glatt
gebügelten Plätzen, sondern, na, ich umschreibe es mal als Cross-Boule. Damit war schon mal gut und gerne eine Hälfte eines Seitenkoffers belegt und da auch meine
Freundin mitspielt, sollten direkt auch ihre Kugeln mit, was im Klartext bedeutet rund sieben Kg totes Gepäck in einem Koffer, macht lediglich nur noch drei Kilo Zuladung
auf der linken Seite.
Ebenfalls mitnehmen wollte ich Motoröl. BMW gibt für die GS einen Verbrauch von max. 1 Liter auf 1000 Km an. Ein paar Erfahrungen konnte ich ja schon sammeln und
wusste, dass meine GS nicht so viel verbraucht, aber letztlich konnte ich das für den Streckenbetrieb nicht einschätzen, wollte aber unbedingt auch das von mit eingesetzte
Öl nachfüllen können. Da ich nicht wusste, wie die Versorgungslage unterwegs mit meinem Öl ist, nahm ich 2,5 Liter mit. Diese sollten reichen und die war ich auch
bereit, zu verbrauchen. Ein Reifenreparaturset, ein Minikompressor (den ich auch in Zukunft mitnehmen werde) eine Verbandtasche, Ersatzbirnen, ein paar Kabelbinder,
Ersatzsicherungen, etwas Draht und mein Wunderkleber (ich schwöre auf Pattex Repair Extrem) für alle Fälle sollten mit.

Dann las ich in einer Tourbeschreibung wörtlich „auf den nächsten 80 Kilometern (in den Pyrenäen) ist keine Tankstelle zu finden!“ Meine GS braucht solo ohne Gepäck
rd. 5,5 Liter. Ich kalkulierte mal 6 bis 6,5 Liter mit Gepäck und da ich ein Mensch bin, der sich gern auf alles vorbereitet, musste natürlich auch Reserve-Kraftstoff
mit. 2 Liter? Das wären gerade einmal 30 Kilometer und mit dem Angstbild vor Augen 80 Kilometer lang keine Tankstelle zu finden, würde dies nicht reichen – in
meinen Augen. Also zwei 2 Liter Kanister sollten ebenfalls mit. Dazu mein Zelt, meine Isomatte, mein Schlafsack, das Kochgeschirr und Bärchen (der muss grundsätzlich
überall mit hin, sind wir doch ein eingespieltes Team und der freute sich ebenfalls schon auf die Tour).

Mir fiel auf, dass ich noch nichts anzuziehen hatte, also mussten die ein oder anderen Kleidungsstücke auch mit eingepackt werden und das eben nicht nur für die Tour,
sondern auch für die 14 gemeinsamen Urlaubstage. Und, vielleicht regnet es ja auch noch? Also, Regenzeugs muss mit. Und was ist mit Fotos? Genau, meine Nikon
durfte auf gar keinen Fall zu Hause bleiben. Dazu noch oben drauf meine Sommerhose und meine Sommerjacke. Das alles verteilt auf einen Tankrucksack, zwei
Kindertouringkoffer von BMW und ein GIVI Topcase und eine Ortliebrolle.... ich kann nur sagen, dass es eine Herausforderung war.
Der ganze Krempel konnte schlussendlich sicher auf dem Mopped verteilt werden und ich stand am 28.05. dann vor einem riesigen Trumm von Mopped und kam mir vor,
wie vor einer Afrika-Durchquerung.

Dann noch ein Super-Gau an diesem Tag, denn der Hersteller meiner Helmkamera hatte ein neues Firmware-Update veröffentlicht. „Fein, also schnell das Update
machen und dann hast Du wirklich gaaaanz tolle Aufnahmen“, so dachte ich. Update herunter geladen, Update gestartet und die Kamera blieb aus. Ganz aus, also
so richtig aus. Ich schrie Zeter und Mordio am Schreibtisch aber es half nichts, dann also ohne Helmkamera.
Andi, meine Freundin, übernahm netterweise dann nach meiner Abfahrt die Abwicklung mit dem Händler und ich hatte ja wenigstens noch meine Nikon.
Ab ins Bett und ich verbrachte die letzte Nacht im eigenen Bett für die nächsten 3,5 Wochen.


26.05.2012
Der Tag der Wahrheit.

Der Wecker klingelt endlich um halb vier, worauf ich schon seit einer halben Stunde wach liegend gewartet habe. Schnell ein Stubser an meine große Liebe neben
mir, ein letztes Küsschen, ab in die Klamotten und auf zur Kaffeemaschine. Das Mahlwerk macht einen Riesenkrach, der Kaffee läuft in die Tasse und verbreitet
in der Küche einen wohligen Geruch. „Das ist der letzte „schöne“ Kaffee für die nächsten vier Tage“, denke ich und genieße den Becher auf unserer Terrasse. Der
Morgen ist zwar frisch, aber trocken. Beste Voraussetzungen für den Tourstart. Ab zur Garage, die ich mir mit meinem besten Freund Thomas teile, der mir zum
Abschied noch einen Filzanhänger mit dem Aufdruck „Best friend“ geschenkt hat. Ich öffne das Garagentor und die GS glotzt mich mit ihrem schiefen Blick an.
Schnell umgezogen und die Q aus der Garage geschoben und der erste Zweifel macht sich breit: Was machst Du hier eigentlich? Bleib doch im Bett. In knapp 2,5
Stunden kann man mit dem Flieger auf Ibiza sein. Und und und. Mit diesen Gedanken starte ich den Motor, lege den ersten Gang ein und fahre los.

Knapp 1000 Kilometer Autobahn

liegen vor mir. Durch die Stille des noch sehr frühen Morgen fahre ich durch unseren Ortsteil und biege dann von der Hauptstrasse auf die Autobahnauffahrt ab. Ich
rutsche ein wenig auf der Sitzbank vor und zurück, finde die richtige Position und lasse die Q mit 120/130 km/h laufen. Sie macht es quasi von alleine, ich brauche
nicht viel zu tun. Erster Stopp soll der Rasthof Elztal sein, von wo es dann Richtung Luxemburg geht. Vollgetankt habe ich daher extra nicht, denn die Spritpreise
in Luxemburg liegen am 26.05. bei EUR 1,34 – also deutlich niedriger als bei uns in Düsseldorf. Die Ohrstöpsel, die mir meine Freundin von einem Ihrer letzten Flüge
mitgebracht hat, tun ihren Dienst und so fahre ich Km für Km über deutsche Autobahnen.

Es ist schon hell und der Rasthof Elztal auf der A48 liegt vor mir. Eine kurze Pause mit einem Becher Kaffee tut gut und danach geht es weiter Richtung Luxemburg.
Ich erreiche Luxemburg gegen 8 halb 9 und erstmals brauche ich meine PIN für die Kreditkarte (auch letztmals, denn in Frankreich läuft es mittlerweile wie bei uns,
einfach Karte ins Lesegerät und unterschreiben). Extra fahre ich in Luxemburg eine kleinere Tankstelle an, denn das Gewimmel auf der großen Tankstelle in
Bechem ist mir zuviel. Die erste Teiletappe des Tages ist geschafft und nun geht es weiter durch Luxemburg hindurch und dann fahre ich endlich auf französischen
Autobahnen weiter bis nach Orcet, kurz hinter Clermont Ferrand. Dort halte ich an der Schranke des Campingplatzes Le Clos Auroy und werde an der Rezeption von
einem Niederländer empfangen, der mir meinen Platz für mein Kinderzelt mit der Frage „Mit Strom oder ohne?“ zuteilt. Noch ein wenig verwirrt von der Fragestellung
setze ich mich mit der Q zu meinem Stellplatz in Bewegung und lade dort die wichtigsten Dinge ab.

Bild

Es ist noch absolute Vorsaison und so ist wenig los auf dem Platz. Ein paar Deutsche, ein paar Niederländer und ein paar Engländer finden sich dort mit ihren
Wohnmobilen und Wohnwagen. Teilweise sind diese, genau wie ich, auf der Durchreise, teils aber auch dort für den Urlaub. Ich baue mein Zelt auf und denke
mir, dass ich mir ein Bierchen verdient habe. Nach dem Duschen zurück zur Rezeption und Cheffe nach kalten Getränken interviewt.... Fehlanzeige, denn es ist ja
noch so früh in der Vorsaison und da habe die Bar noch nicht geöffnet. Mist. Eine Frage von ihm, ob kaltes oder warmes Bier, wäre mir lieber gewesen.
Also zurück zum Zelt, den Gaskocher angeworfen und Wasser für einen Kaffee und meine Tütensuppe gekocht. Zwischendurch kommen ein paar liebenswerte Rentner
aus ihren Wohnmobilen gekrochen, schauen bei mir vorbei und bestaunen meine GS.

Nach den knapp 1000 Kilometern brummt mir ein wenig der Schädel aber letztlich macht sich auch ein wenig Stolz in meiner Brust breit, dass ich es schon mal bis
hierher geschafft habe. „Ab morgen wird alles anders“, denke ich mir nach dem Essen und dem Kaffee, rolle meine Isomatte aus und stecke mich selbst und Bärchen
in den Schlafsack. Licht aus, Augen zu.
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Rene13
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Re: Reisebericht Düsseldorf Formentera und zurück

#2 Ungelesener Beitrag von Rene13 »

27.05.2012
Durchs Zentralmassiv nach Moux

Ich wache auf, die Nacht war – ich denke – seit 25 Jahren die erste wieder in einem Zelt und etwas ungewohnt, das Bett zuhause ist wesentlich
gemütlicher. Ich beschäftige mich mit meinem persönlichen Checkup am Morgen in den sanitären Anlagen, die sehr sauber waren, und packe
meine Sachen zusammen. Es dauert noch ein wenig lang, bis ich alles wieder so verpackt habe, dass ich losfahren kann. Das wird sich in den
nächsten Tagen ändern, denn die Routine kommt bekanntlich mit der Praxis.

Am Ausgang des Campingplatzes steht ein Wohnwagengespann eines Engländers und blockiert die Ausfahrt. Ich ertappe mich dabei, wie ich
ungeduldig werde und denke mir schon im nächsten Moment, dass das unerheblich sei, denn die Strecke die vor mir liegt, ist wesentlicher.

Das heutige Etappenziel ist Moux (Mux gesprochen). Moux liegt genau zwischen Carcasonne und Narbonne. In der Zeitschrift Tourenfahrer habe
ich einen Übernachtungstipp gefunden: Maison Las Clauzes. Das Hotel wird betrieben von einem deutschen Pärchen. Holger und Susanne bieten
dort auch auf einer großen Wiese die Möglichkeit an, ein Zelt oder Wohnmobil zu stellen und darüber hinaus gibt es abends auch Essen – nicht
aus der Tüte. Aber dazu mehr.

Der Engländer setzt sich in Bewegung und so komme ich vom Campingplatz herunter. Vor mir liegen rund 440 Kilometer Landstrasse. Meine
Planung sagt, dass es etwas unter 8 Stunden reine Fahrzeit sind. Ich kalkuliere, dass ich gegen 17.30 in Moux bin, ohne großartig am Gasgriff
drehen zu müssen.

Landstrasse, endlich Landstrasse. Befreit vom leichten Druck der Ohrstöpsel genieße ich die noch frische Luft und ahne nicht, dass es wesentlich
wärmer werden wird. So habe ich am Morgen auch noch meine normale Jacke und Hose angezogen, die Sommersachen bleiben zunächst verpackt.
Über Lempdes sur Allagnon, Maziak und La Canourgue fahre ich Richtung Millau. 2003 bin ich einmal unter der riesigen Brücke durchgefahren
und hatte mir damals vorgenommen auch einmal über dieses riesige Bauwerk zu fahren. Heute, 9 Jahre später, verwirkliche ich das Vorhaben.
Ich verlasse also für kurze Zeit die Landstrassen, investiere die Mautgebühren für die Autobahn A75 und fahre über die 2460 Meter lange und
270 Meter hohe Brücke, die die längste Schrägseilbrücke der Welt ist.

Bild
Brücke von Millau


Bild
Aufgenommen vom Parkplatz des Aussichtspunktes


Ich folge der A 75 weiter bis Le Caylar und verlasse sie dort, um den Landstrassen weiter zu folgen. Das war ein Tipp von Holger, denn die
ursprüngliche Strecke, die ich mir aussuchte, sei nicht gar so interessant, meinte er. Ich bin ihm im Nachhinein dankbar, denn die 1000 Km vom
Vortag stecken mir noch in den Knochen.

Auf der Fahrt durch die Midi Pyrénées und in Folge dann durch die Randgebiete der Languedoc-Roussilon bin ich sehr zufrieden, denn so hatte
ich mir meine Reise auch vorgestellt. Ich passiere ab und zu kleinere Ortschaften, komme durch Weinanbaugebiete und fahre größtenteils alleine
auf den Strassen, die manchmal recht anspruchsvoll sind. Zu den Strassenbelägen stelle ich mir ab und zu aber auch die Frage, wie viel am Abend
noch von meinem Reifenprofil übrig sein wird...?

Wie geplant erreiche ich mit einigen Pausen und Fotostopps – erstmals auf der Fahrt würde ich mir gerne in den Hintern beißen, dass ich die
Helmkamera nicht habe – mein Ziel Moux.

Zweimal fahre ich durch den winzigen Ort, zweimal beobachtet mich eine Französin – nennen wir sie mal Claire – die sich mit Sicherheit ihre
Gedanken macht . Ich denke, Claire schaut mir hinterher und verliert mich aus den Augen, als ich endlich richtig abbiege und die Zufahrt zu
Holger und Susanne finde.

„Maison Las Clauzels“ steht auf dem Schild – nicht in goldenen Lettern, sondern absolut unaufdringlich und sympathisch auf den ersten Blick.
Es handelt sich hierbei um einen alten Winzerhof, der 1994 von den beiden übernommen und kernsaniert wurde. Es entstand ein wunderschönes
Hotel und Restaurant, in dem man abends mit allen Gästen an einem Tisch zusammen sitzt und das Essen – pünktlich um 19.30 serviert man den
ersten Gang eines 4gängigen Menüs – genießt. (Die Küche und Stimmung sprachen mich so an, dass ich vom Zielort Formentera direkt eine
Reservierung für die Rückfahrt vornahm - ohne Reservierung geht da leider gar nichts).

Ich fahre auf einen Kiesweg, stelle meine Q ab und orientiere mich. Ah, da geht’s wohl rein. Ich gehe zum Eingang des Restaurantbereichs und
klopfe. Nichts. Keiner da. Die Tür ist nicht abgeschlossen. Ich gehe ins Restaurant, sehe aus den Augenwinkeln direkt neben der Eingangstür
einen Kühlschrank, bis oben hin gefüllt mit kalten Getränken – gut zu wissen, denke ich. Ich finde die Küche, auch dort ist niemand. Was soll’s,
irgendwann wird schon jemand da sein.

Ich verlasse das Gebäude, gehe das Grundstück weiter entlang, finde eine wunderschöne Wiese vor, auf der schon zwei Zelte stehen und nehme
an, dass ich hier richtig bin. Schnell hole ich das Mopped, lade ab und stelle mein Zelt auf.


Bild
4-Sterne Camping

Nachdem ich mit allem fertig bin, kommt dann auch Susanne über die Wiese und begrüßt mich herzlich, zeigt mir die sanitären Anlagen und weiht
mich in die Gepflogenheiten ein: „Gegessen wird um 19.30, im Restaurant findest Du einen Kühlschrank (den kannte ich ja schon...) mit Getränken,
leckeren Rotwein aus der Region findest Du im kleinen Fass auf der Theke vor. Fühl Dich wie zuhause. Ich mache eine Liste für Dich fertig und
schreib einfach auf, was Du nimmst. Ich muss jetzt kochen“, sagt sie und verschwindet.

Nachdem ich geduscht habe, bewege ich mich zum Restaurant, nehme mir ein kaltes Weizen aus dem mir schon bekannten Kühlschrank und setze
mich samt Weizen und passendem Glas (!) an einen lauschigen Platz in den Vorhof.


Bild
das hätte ich mir so sehr schon am Vorabend gewünscht - hier gibts keine Vorsaison...


Nach kurzer Zeit kommt ein weiterer Gast, der mit seiner Tochter ein paar Tage im Hotel verbringt und die ersten Gespräche ergeben sich. Dann
kommen ein Schwabe mit seinem Sohn, die mit ihren KTM’s von Endurofahrten kommen. Auch Stammgäste. Später beim Essen – es wurde wirklich
pünktlich um 19.30 serviert - lerne ich Fred und Joachim kennen. Beide Mitte 70, Stammgäste, so topfit, dass sie mit Ihren BMWs jedes Jahr
wiederkommen – ohne die Boxer auf einem Anhänger zu transportieren! Ein weiteres Pärchen aus Oberhausen gesellt sich hinzu – natürlich auch
BMW-Fahrer, er mit einer HP2, sie mit einer R65 zum Cafe Racer umgebaut.

Es sieht alles danach aus, ein netter Abend zu werden. 19.30 Uhr, klingeling, es wird zum Essen geläutet. Ich bin gespannt. Ein 4 Gänge Menü. Das
kann gut sein, muss es aber nicht. Kurz und gut, es war gut: Vorspeise weißer und grüner Spargel, Lachs und Forelle, danach ein Salat, dann Ente
und zum Schluss ein feiner Nachtisch. Zur Abrundung wird ein Espresso angeboten, den ich gerne annehme. Das ist Camping nach meinem Geschmack.
Die Zeit vergeht wie im Flug in solch netter Gesellschaft und so mache ich mich dann irgendwann nach dem letzten Weizen auf zu meinem Zelt und
freue mich wie Bolle, an diesem Abend meinen Gaskocher nicht ausgepackt zu haben. Der nächste Tag wartet, das Frühstück und Andorra!
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Rene13
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Re: Reisebericht Düsseldorf Formentera und zurück

#3 Ungelesener Beitrag von Rene13 »

28.05.2012
Andorra
Tankstellenland

Heute habe ich eine relativ kurze Strecke zu fahren: Von Moux aus geht es nach Andorra. Nachdem ich wach werde, der übliche persönliche Checkup
unter der Dusche, das Gepäck zusammenrödeln, Mopped beladen und alles geht heute schon ein wenig fixer von der Hand. Auf zum Frühstück, ruft
eine innere Stimme und ich gehe die paar Meter zum Restaurant.

Da sitzen sie alle wieder: Fred und Joachim, das Vater-Sohn-Gespann aus dem Schwabenländle (die ich beim besten Willen nicht verstand, was allerdings
nur am Dialekt lag), das Pärchen aus Oberhausen und ein Neuzugang aus Wesel, die morgens ankamen – klar, auch Stammgäste.

So, wie der Abend aufhörte, beginnt der nächste Tag: Gesellig, nett, eigentlich so, dass ich eigentlich nicht weg will, aber ich habe noch etwas vor:

Auf nach Andorra durch die Pyrenäen.

Ich verabschiede mich von meinen neuen Bekanntschaften, Holger und Susanne sind leider nicht da – sie müssen irgendwas erledigen. Eine Schwierigkeit
gibt es noch, ich muss tanken, dann könnte es eigentlich losgehen. Der Weg zur nächsten Tankstelle wird mir erklärt, sie ist 8 Km von Moux entfernt.
Auf dem Weg dorthin sehe ich einen Unfall, bzw. die Reste davon: Ein PKW hat sich in einem Kreisverkehr auf die Betonpfeiler verfrachtet, die den Kreisel
umgeben. Steht da, als würde er parken – mit den Rädern 40 cm vom Boden entfernt... Scheint, als wäre ich nun vollends in Frankreich angekommen.
Verrückte Dosenfahrer auf dem Land...

Ich finde die Tankstelle, wie es mir beschrieben wurde, ich kann mit Karte bezahlen (die Tankstelle hat sieben Tage geöffnet) und mache mich nun
endlich auf den Weg nach Andorra. Über mehr oder weniger gut ausgebaute Strassen und Sträßchen begebe ich mich auf meine Route und Holger hatte
mir am Abend zuvor nicht zuviel versprochen.


Bild
Abstecher zur Festung in Carcassonne - ohne Touris

Die Fahrt ist ein Traum. Kurven wechseln sich mit kurzen Geraden ab, Ortschaften durchquere ich und
natürlich verfahre ich mich – ich habe wohl ein paar Wegpunkte bei der Planung falsch gesetzt, denn mit einem Mal befinde ich mich in den Tiefen eines
Dorfes und muss mich in Gassen mit meinem Trümmer von Motorrad bewegen, die in Deutschland eindeutig als Fußgängerzone irgendeines Kaffes an
der Mosel ausgezeichnet sein würden. Nicht weniger staunen ein paar Menschen, als ich am heiligen Sonntag durch diese Gassen fahre, nein eigentlich
krieche ich durch diese, denn es geht wirklich sehr eng zu. Irgendwann schaffe ich es, diesem Labyrinth zu entkommen und freue mich, wieder Gas
geben zu können. Die Kurven haben mich wieder und ich komme in immer höhere Lagen.

Bild
Col de Chioula - einer von vielen kleinere Pässen

Da ich getankt habe, weiss ich, dass die knapp 220 Km ohne weiteren Tankstop zu fahren sind und die Strecke von der Fahrzeit absolut entspannt ist.
So habe ich genügend Zeit auch einen kurzen Abstecher nach Carcasonne zu machen und mir kurz die Festung anzuschauen. Weiter geht es über
Cazilhac, Villeflour auf der D56. In Ladern sur Lauquet wechsle ich auf die D343 und fahre weiter bis nach Verzeille, von wo aus ich dann die D43
weiterfahre. Bis dorthin ist es ein Kurvenszenario, wie ich es mir nicht hätte vorstellen können. Sicherlich sieht man bei der Planung schon einiges,
aber letztlich freue ich mich dann doch sehr, dass es meine Vorstellungen bei Weitem übertrifft.

Bild
stundenlang auf solchen Strassen alleine in den Pyrenäen

Bild
Erinnerung muss sein, Selbstauslöser sei Dank


Die weiteren Zwischenstationen an diesem Tag sind bspw. Couiza, Quillan, Espezel und natürlich in Folge Ax les Thermes, bis ich dann vor der
Passauffahrt nach Andorra stehe. Natürlich verreist es mich, denn auch hierbei habe ich wohl bei der Planung am Rechner nicht genug Präzision
an den Tag gelegt. Mein Navi führt mich zum Tunnel, der zwar einiges an Strecke spart, aber eben nur ein Tunnel ist. Ich aber will in die Berge
und finde zum Glück vor der Tunneleinfahrt eine Möglichkeit zur Wende und begebe mich auf die Passstrasse (Pas de la Casa), die auf rd. 2.500 m
hinauf führt.


Bild
Passstrasse hinauf nach Andorra


Die Strecke ist in einem Topzustand und so fahre ich eben nicht alleine. Mit etwas Glück und einem Dreh am Gas kann ich der Karawane entfliehen,
die sich vor mir den Berg hinaufquält. Zwischendurch finde ich eine schöne Möglichkeit anzuhalten und ein paar Fotos zu machen. Oben auf dem
Pass angekommen, zeugen Schneereste von der letzten Wintersaison und es ist merklich kälter – nicht kühler!


Bild
auf etwas mehr als 2.300 m lag noch Schnee


Ich habe keine Ahnung, was mich in Andorra erwartet und so bin ich mehr erschrocken, als erstaunt, denn für mich ähnelt Andorra mehr einem
schweizer Skiort als irgendetwas anderem. Teils lieblos in die Hänge gebaute Hotels, die sich dort ebenso einfügen, wie ein Schmetterling am
Polarkreis. Unfassbar. Knatschbunte, riesige Bauten, die sich bei näherer Betrachtung als Tankstellen identifizieren lassen. Überhaupt ist Andorra,
neben dem Einkaufsparadies, mehr als riesige Tankstelle zu sehen – jedenfalls von mir. In meinem ganzen Leben habe ich bisher noch nie so viele
Tankstellen auf so engem Raum gesehen, wie in Andorra.

Eine einzige Strasse führt durch dieses Land quer hindurch. In einem Tal. Und an den Hängen zu diesem Tal befinden sich Hotels und Geschäfte.
Der ganze Verkehr rollt durch dieses Tal hindurch, sowohl aus französischer Richtung als auch aus spanischer Richtung. Das wars in meinen Augen.
Zugegeben, ich habe mir keine Mühe gemacht, mich rechts und links der Strasse in die Hänge zu bewegen um dort angesiedelte Orte zu erkunden,
finde aber auch nicht die Lust dazu.

Was ich finde, ist den Campingplatz in La Vella, der Hauptstadt. Natürlich las es sich bei der Planung ganz toll, letztlich bin ich aber oberhalb
der durch Andorra laufenden Strasse gelandet. Und wie das nun mal so ist, schallt es aus dem Tal herauf. Nahezu 24 Std. rund um die Uhr. Egal,
nun bin ich auf dem Platz angekommen und muss ja nicht die Ewigkeit bleiben, denn morgen geht es auch schon wieder weiter.

Nachdem ich mein Zelt aufgebaut habe, kommt mein Nachbar – ein Niederländer – auf mich zu und begrüßt mich. Er und seine Frau sind mit
dem Wohnmobil hier und bleiben für eine ganze Woche. Dass ich das nicht nachvollziehen kann, sage ich ihm nicht. Begleitend von dem Donnern,
was offensichtlich von einem Gewitter in den Bergen kommt, erzählt er mir, dass es in der Nacht zuvor ein so starkes Gewitter gegeben haben
soll, dass es einigen Wohnmobilisten die Markisen an den Fahrzeugen abgerissen hat. Vom Hagel! Als er von Dannen zieht, schaue ich mich um
und sehe, dass er scheinbar die Wahrheit gesagt hat, denn auf dem gesamten Campingplatz ist vom Regen ausgewaschener Boden zu sehen.
Hier muss es wirklich ganz schön heruntergeprasselt sein.

Ein weiteres Grollen macht sich breit, jedoch nicht vom Gewitter in den Bergen sondern mehr aus meiner Magengegend. Ich schnappe mir mein
Handtuch und marschiere zu den Duschen, die in der Nähe des kleinen Supermarktes auf dem Platz sind . Nachdem ich mit dem Duschen fertig bin,
schaue ich kurz in den Supermarkt rein und nehme mir von dort eine Flasche Wasser und eine Flasche Rosé mit, welche meinen Linseneintopf
begleiten soll. Nicht ganz stilecht – ein Altbier wäre mir lieber – aber immerhin schön kalt, wie auch die Außentemperaturen hier. Fügt sich also
perfekt ein, denke ich, denn Rosé trinkt man halt gerne kalt.

Auf dem Weg zu meinem Zelt treffe ich auf dem Campingplatz noch ein paar Jungs aus Aachen, die mit ihren Rennzäpfchen unterwegs sind.
"Bist du das mit der GS", fragt mich der eine? "Yep", antworte ich und er meint, dass das ja wohl das bessere Mopped für eine solche Tour ist.
Sie müssen noch nach Valencia... Na prima, denke ich mir – dann viel Spaß noch...

Zurück am Zelt packe ich aus dem rechten Seitenkoffer meinen original aus Deutschland eingeführten Linseneintopf in Trockenform aus und baue
meinen kleinen Gaskocher in der Apsis auf. Fein Wasser aufkochen und den Tüteninhalt nett einrühren. Nochmal kurz aufkochen und die Flamme
etwas runter regulieren. Brav köcheln lassen, wie auf der Tüte beschrieben. Mist, die Weinflasche ist natürlich stilecht mit einem Korken versehen,
also muss ich nochmals an den Seitenkoffer, um den Korkenzieher zu holen. Ein Blick auf den Topf geworfen, um festzustellen, dass es dem
Linseneintopf gleich an den Kragen gehen kann. Ich schäle mich aus der Apsis und – klar – reisse ich den Topf vom Kocher herunter und mein Linsen-
eintopf schwappt auf den Boden. Sch.... murmle ich, hebe den Topf auf und kann so noch etwa die Hälfte retten, denn zum Glück ist noch etwas
im Topf verblieben. Auf den Wein möchte ich trotzdem nicht verzichten, also schnell ans Mopped und den Korkenzieher holen. Ich sitze danach
wieder in der Apsis und habe wirklich Hunger bis unter beide Arme. Ich schaue auf den Rest des Linseneintopfes, der vor dem Zelt auf dem Boden
liegt und denke, bevor die Ameisen sich drüber hermachen... das was oben drauf liegt, da is’ ja nix dran. Das könnte man ja auch noch essen.
Schon habe ich den Löffel in der Hand und arbeite mich vorsichtig bis zur Grasnarbe vor, ohne mir von eben solcher etwas einzuverleiben. Natürlich
ist der Rest im Topf schon kalt, aber schnell ist die Gasflamme wieder entzündet und zusammen mit dem Rosé lass ich mir das dann auch noch
schmecken. Hach, was ist Camping doch schön.


Bild
Kurz vor dem Grasnarben-Menü


Schnell wird es dunkel und da die Etappe für den nächsten Tag doch etwas länger wird – es soll in einem Rutsch nach Barcelona gehen – schiebe ich
mich auf meine Isomatte und stecke mich und Bärchen in den Schlafsack. Ich verschwende noch ein paar Gedanken an den nächsten Tag, freue mich
auf eine Schotterstrecke hinter der Grenze, die ich eingeplant habe und schlafe ein.
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Re: Reisebericht Düsseldorf Formentera und zurück

#4 Ungelesener Beitrag von Mimoto »

:lol: :lol: :lol:

Ohhh wie herrlich geschrieben! ...Linsen von der Grasnabe :lol:

He Rene,

wirklich wunderbar und das ist ja erst der Anfang. Ja die erste Reise das ist schon was ganz ganz besonders und ich finde bis Andorra hast Du dich prächtig geschlage! :mrgreen: Komischer weisse fällt mir auf das meistens die Jungs mit den größten Tanks die größte Sorge habe ohne Sprit liegen zu bleiben ob André im Schotter oder auch Herbert in den Abruzzen dem Stand ja schon der Schweiß auf der Stirn wenn er wusste er kommt nur noch 250km weit. :lol: ...80 Kilometer keine Tanke ist nun nicht wirklich bedrohlich wenn man es weiss wie Du, aber mich würde es nicht wundern wenn Du Deinen Spritkanister nicht doch noch brauchen würdest.

Ich bin schon ganz gespannt wie es weiter geht! :D

Danke und Gruß
Michael /mimoto

Sterbe mit Erinnerungen, nicht mit Träumen.


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Re: Reisebericht Düsseldorf Formentera und zurück

#5 Ungelesener Beitrag von Rene13 »

na denn, weiter gehts....


29.05.2012
Auf nach Barcelona – mit Hindernissen

Schon um 4.30 bin ich wach. Nicht, weil mir der die ganze Nacht anhaltende Strassenlärm auf die Nerven geht, nein. Nein, ich friere.
Es ist schweinekalt und offensichtlich ist der Schlafsack für diese Temperaturen nicht gemacht. Ich setze meine Stirnleuchte auf,
schalte sie an und sehe meinen Atem als Dampf vor mir schweben. Ich ziehe mein Kapuzensweatshirt an, wickle mein Halstuch um,
ziehe die Kapuze auf. Nichts hilft. Etwas warmes muss her. Kaffee? Nee, noch zu früh. Zum Glück habe ich Tee mitgenommen und
werfe den Gaskocher an. Ich sitze mal wieder in der Apsis – die natürlich offen ist, denn sicher ist sicher und das Wasser wird so
langsam heiss. Gleichzeitig merke ich, wie sich die Luft erwärmt und die Wärme etwas in das Zelt strömt. Kurz und gut, ich entschließe
mich, die Apsis zu schließen und somit durch den Gaskocher etwas mehr Wärme ins Zelt zu bekommen. Das funktioniert und zusammen
mit dem Tee wird es mir dadurch auch etwas wärmer. Wärmer, nicht warm. Nach dem Tee folgt Espresso - klar, Instant-Espresso, aber immerhin.

Bild
schweinekalt war es, trotz Tee und Espresso

Aber das hilft auch nicht großartig, die innere Heizung anzuwerfen. Irgendwann halte ich es trotz Tee, Espresso und Gaskocher nicht
mehr aus und fange an, meine Sachen zusammenzupacken um mich auf den Aufbruch vorzubereiten. Als ich alles soweit fertig verpackt
und auf dem Mopped verstaut habe, gehe ich kurz zur Einfahrt des Platzes aber die Schranke ist noch unten und niemand in Sicht, der
diese öffnen kann. Am Eingang sehe ich, dass die Schranke ab 07.30 geöffnet ist. Das sind noch 1,5 Stunden!!! Was solls, das kann
ich eh nicht ändern, also schlendere ich noch etwas über den Platz und warte darauf, dass der kleine Supermarkt öffnet.

Endlich macht jemand die Tür auf. Ich habe es tatsächlich geschafft, eine Stunde lang herumzuschlendern... Hier passiert aber auch
gar nix. Rappzapp in den Supermarkt, ein Brot gekauft, eine Flasche Wasser und ein Schnellfrühstück absolviert. Den Gaskocher habe
ich noch draußen und mit dem frischen Wasser auch einen Kaffee gemacht. Fein gemampft, den Kaffee getrunken, alles schön verstaut
und los geht’s. Die Schranke geht gerade auf, als ich dort ankomme.

La Vella good bye.

Ich fahre durch das Tal und nehme etwa zwei Kilometer vor der Grenze die Möglichkeit war und tanke die Q auf. Für etwa EUR 1,25
den Liter! Ich sehe zu, dass der Tank auch wirklich randvoll ist und fahre gen Spanien. Nach ungefähr 1 Stunde Fahrzeit hinter der
Grenze, also schon in Spanien, erreiche ich den Abzweig zu meiner Schotterstrecke, die ich letzte Nacht im Traum schon abgefahren bin.
Blinker links gesetzt und die Strasse führt mich zunächst entlang eines Flusses. Ich halte nach ein paar hundert Metern an, denn auf der
anderen Uferseite liegt ein Dorf auf einem Berg, das muss natürlich fotografiert werden.

Bild

Weiter geht’s. Die Strasse wird immer schmaler und schlängelt sich in engen Serpentinen immer weiter in die Höhe. Zwischendurch mache
ich Halt und habe die Möglichkeit im Morgendunst ein paar Fotos zu machen.


Bild
Morgendunst...


Weiter geht’s. Nach ungefähr 10 Minuten erreiche ich einen größeren Bauernhof, den ich überquere. Zwischen den Gebäuden hindurch
fahre ich weiter und etwa nach einem Kilometer ist der asphaltierte Weg zu Ende und ich befinde mich auf Schotter. Ich lasse es gemütlich
angehen. Der Weg wird noch schmaler und der Schotter ist kein Schotter mehr, sondern Matsch. Na, dann kannst Du nachher in Barcelona
schön auf dicke Hose machen, dass Du ne Offroad-Tour gemacht hast, denke ich und fahre weiter. Vor mir taucht ein Bachlauf auf (Fluss
wäre zuviel gesagt) etwa vier Meter breit und ich denke noch, dass das ja wohl easy ist und kaum zu Ende gedacht rutscht mir auch schon
leicht das Vorderrad weg. Hups, denke ich und irgendwie schaffe ich es, das Mopped mittendrin anhalten zu können und stehe – mit beiden
Beinen – knapp bis zum Schienbein im Wasser. Da musst Du jetzt durch, denke ich. Was ich wohl besser gedacht hätte – so sollte es mir
jedenfalls dann etwa vier Kilometer weiter durch den Kopf schiessen – dass es wohl besser wäre umzukehren, denn mit den Reifen und
dem Beladungszustand.... Egal, das ist halt Abenteuer und weiter geht’s. Ich schlingere also langsam durch den Bach und schaffe es ohne
Sturz und ohne Wasser in den Stiefeln. Auf der anderen Seite angekommen, lasse ich es ein wenig krachen und jage durch eine Pfütze, die
deutlich kleiner und höchstens ein paar Zentimeter tief ist. Fein, wie das spritzt... Da guck ich mir doch nachher mal an, wie das Mopped
aussieht und mach ein paar Fotos, denke ich voller Genugtuung und fühle mich, wie auf meiner persönlichen Dakar. Es geht weiter auf
Schotter. Irgendwann komme ich an eine Fläche, ungefähr 70 bis 80 qm groß, die sich in den Berg hineinlegt. Links und rechts davon jeweils
ein Abzweig. Nix mit gerade aus, mein Navi sagt links rum, den Weg nach oben.

Irgendwie bin ich aber auf rechts eingestellt, versuche schnell die Kurve zu bekommen und merke, wie mir mein Hinterrad wegrutscht...
wohl zu viel Gas gemacht. Zum Glück bekomme ich das Mopped noch abgefangen, links rum muss ich aber trotzdem. In die Bremse gepackt
und das dann auch noch deutlich zu stark. Das ABS rattert, der Bremsweg wird zu lang, die Q zu langsam und ich merke, wie sie kommt.
Nach links. Nicht in die Kurve... Sondern ganz langsam im Zeitlupentempo im 90 Gradwinkel in Richtung Boden. Laut schreie ich Sch...
und dann liegt sie da. Das einzige, was ich im Affekt mache, ist, den Killschalter zu betätigen und die Kuh zum Schweigen zu bringen.

Das Ding bekommst Du doch niemals wieder auf die Räder gestellt. Ein Blick auf die Uhr. Es ist halb zwölf. Um 22.00 wird das Mopped auf
die Fähre verladen. Das muss passen, denke ich, sonst ist Theater angesagt (am 30sten will ich meine Freundin auf Formentera treffen...).
Ich versuche die Q, die mit den Rädern bergauf liegt, aufzurichten. Keine Chance. Dann muss eben das Gepäck runter. Ich baue das Topcase
ab, nehme den rechten Seitenkoffer ab, den Tankrucksack und die Ortliebtasche schnalle ich auch ab. Ich schwitze. Ich hasse es zu schwitzen.
Also, ran an den Speck. Ich bekomm die GS tatsächlich etwas angehoben, aber aufgerichtet? Nada, wie der Spanier zu sagen pflegt. Was tun?
Gehst Du jetzt 5 Kilometer zum Bauernhof zurück – durch den Bachlauf – und sagst: „Entschuldigung, können Sie mir mal helfen? Mein
Moped ist mir umgefallen...“ ? Nee, die Schmach behältst Du dir bis zum Schluss vor, denke ich. Mit einem Mal fällt mir ein Schulungsvideo
ein, was ich einmal genießen konnte, in dem es genau um eine solche Situation ging: Räder bergauf. GS im Dreck. Als ich den Film sah, hatte
ich mir geschworen, das niemals zu tun, denn das kann nur Kratzer geben: Mopped im Dreck drehen, bis die Räder zum Tal zeigen und dann
einfach aufrichten. Das ist die eine Alternative, die andere ist eben das kleine spanische Bäuerlein, was sich nachher höchstwahrscheinlich
über mich kaputtlachen würde. Also, dann lieber Schmerzen in der Seele. Gesagt getan.

Jedes knarzen ist in den nun folgenden Augenblicken, wie Messerstiche in mein Herz, denn ich entschließe mich dazu, die Q an der Gepäckbrücke
herumzureißen. Ich versuche nicht auf das Jammern der Kuh zu achten, fluche schwitzend vor mich hin und bekomme den Bock in die richtige
Position. Ich stelle mich mit dem Rücken zum Mopped, die eine Hand am Lenkerende, die andere am Rahmen. Ich stemme mich aus der Hocke
dagegen und so bekomme ich sie auf die Beine gestellt. Nur nicht zu weit, sonst hast du den Mist mit der anderen Seite. Ich drehe mich um und
lege mich mit dem Oberkörper – schweißüberströmt - auf die Sitzbank und bin total am Ende. Ich kicke den Seitenständer aus und betrachte
mir das Schauspiel. Und, was ist, ist der Tank nun versaut? Nix, lediglich der linke Seitenkoffer ist etwas verkratzt – ich bin froh, dass es die BMW-
Koffer sind, ich denke, einen Alu-Koffer hätte es gewaltig verzogen – und der Sturzbügel hat ein paar Kratzer abbekommen. Ich tanze gedanklich
vor Freude und da ich nun vollends bis auf die Unterhose nass bin, suche ich mir im Hang einen Felsblock und ziehe meine Sommersachen an,
denn bei meiner Abfahrt in Andorra war es noch zu kalt für diese. Aus dem Topcase, was inmitten des Gepäcks noch auf die anstehende Verladungs-
aktion wartet, nehme ich mir eine Flasche Wasser und trinke erstmal einen ordentlichen Schluck, der – so jedenfalls hab ich das Gefühl – in meinem
Hals augenblicklich verdampft.

Nach der kurzen Pause packe ich alles wieder auf das Mopped und dazu habe ich es vorher auf den Hauptständer gestellt. Denn selbst bei ein-
gelegtem Gang ist mir hier zu viel Gefälle im Spiel. Einmal umfallen reicht – übrigens habe ich mir die Mühe gemacht und war den Weg die nächsten
Hundert Meter abgegangen. Das Ergebnis ist die nun anstehende Kehrtwende, denn darauf bin ich wirklich nicht vorbereitet. Der Weg sah aus...
Mit anderen Reifen – wenn es noch mal in die Pyrenäen geht, werde ich definitiv vorher Stollenreifen aufziehen lassen – aber mit meinen als
Enduroreifen getarnten Strassenreifen...? Das ist nicht machbar, stelle ich fest und gehe wieder zurück zum Mopped. Ich schwitze schon wieder!
Also alles aufgepackt, runter vom Hauptständer und dann kanns ja endlich wieder losgehen.

Denke ich, denn der nun folgende Druck auf den Anlasserknopf lässt lediglich ein superkurzes Rattern entstehen. Danach eine unendliche Stille,
bis auf das Gezeter von den Vögeln, die sich nun schon fast eine Stunde über mich amüsieren: „Hey, guckt Euch den an, wie der schwitzt...
Muhuhaaa, ich lach mich schlapp!“, brüllt der eine gekrümmt vor Lachen zum anderen. Das kann doch nicht sein, schimpfe ich vor mich
hin – die Vögel zetern noch lauter – und stoße noch mehr Flüche aus, was mir aber nicht weiterhilft, die Vögel aber noch mehr amüsiert.

Ich stelle das Mopped auf den ausgeklappten Seitenständer und suche sämtliche Kabel ab, die zu finden sind. Vielleicht ist ja doch was abge-
rissen? Nix. Nochmal probieren... Nix. Ach, Du Depp, der Killschalter! Klar das die nicht anspringt. Ich stell ihn in die Betriebsstellung, drücke in
freudiger Erwartung den Starterknopf und..? Nix!!! Verdammte Sch....! Der Blick auf die Uhr. Kurz nach eins. „Seit mehr als 1,5 Stunden mach
ich hier rum, bekomm die auf die Beine gestellt und nu springt dieses Sch....Teil nicht an“, (ich hab mich nachher bei ihr entschuldigt) schreie ich!
Leichtes Gekicher, so meine ich jedenfalls, ist wieder aus den Bäumen zu hören. Irgendetwas prustet sogar. Ich denke, dass ist der mit den grünen
Streifen im Gefieder. Na warte, wenn ich die Q ans laufen bekomme, gehts Dir an den Kragen!

Ich ertappe mich bei dem Gedanken, in meiner Werkstatt anzurufen: „Ähm, ja ich steh hier in den Pyrenäen und mein Mopped springt nicht an“,
ähnlich gut wäre es, den ADAC zu rufen. Die sind bestimmt gleich da und dann wird alles wieder gut.... Wieso geht das Display nicht (das geht
nie, wenn ein Gang eingelegt und der Seitenständer ausgeklappt ist, denn da gibt es so eine lustige Schutzschaltung...)? Ich Depp hab doch den
Gang eingelegt, damit die Q nicht im Gefälle weggaloppiert. Also, Gang raus, Startknopf gedrückt und freudig brummt mich die GS wieder an.

Ich ertappe mich dabei, wie ich nach einem geeigneten Stein suche, um dem gefiederten Freund eine Rechnung aufzumachen, lasse dies dann
aber doch sein.

Puuh, nu aber fix weiter, denn Du hast noch was vor. Bevor ich losfahre muss ich erst noch einen Schluck Wasser trinken, denn schon wieder habe
ich solch einen Durst, dass die Kalahari-Wüste im Vergleich zu meiner Kehle einem Sumpfgebiet ähnelt. Also kurz noch mal ans Topcase, eine Flasche
Wasser gezückt und dann – pffffff – Wasser wieder verdampft. Dass ich keine Dampfschwaden über mir sehe, ist ein Wunder. Den Rest des Wasser
bewahre ich wieder im Topcase auf, also wieder zurück damit in ebensolches. Nun aber weg hier.

Als allererstes deaktiviere ich das ABS, denn das was mir passiert war, muss nicht noch mal passieren. Dann geht’s wieder los, nur retour: Durch die
Pfütze, danach wieder durch den Bach – hier pass ich ein wenig besser auf und versuche nicht direkt vors Rad zu schauen, sondern halte meinen Blick
auf das andere Ufer gerichtet, was die Durchquerung einfacher macht. Ich komme wieder am Hof vorbei und irgendwann stehe ich wieder mit den
Reifen auf Asphalt. Kurz angehalten, das ABS wieder aktiviert. Nach ein paar Metern ist Split auf der Strasse, der wohl noch vom Winter übrig ist
und ich mache jeweils vorn und hinten eine Bremsprobe, um zu kontrollieren, ob das ABS seinen Job macht. Perfekt, alles in Ordnung, dann kann
ich es ja nun wieder ein wenig fixer angehen lassen, was allerdings schon auf dem Hinweg maximal Tempo 40 bedeutete, denn der Weg ist schmal
und die Kehren dicht an dicht. Und runter ist es eh schwieriger, denn die Masse drückt von hinten zusätzlich. Gut dass ich hier keinen Gegenverkehr
habe, denn ein Auto und die GS nebeneinander funktioniert hier nicht.

So langsam wird dann die Strasse wieder zu einer Strasse, die diesen Namen verdient und endet letztlich wieder auf meiner Hauptroute.
Ich biege links ab und nach etwa 4 Kilometern komme ich an der Stelle vorbei, an der ich aus dem Berg wieder auf die Strasse gekommen wäre, wenn
ich denn die Schotterstrecke zu Ende gefahren wäre. Knapp zwei Stunden hat mich der Spaß gekostet. Aus der ursprünglichen Panik wird langsam
wieder ein entspanntes Fahren, denn die Fähre verlässt Barcelona ja erst um 22.30 und um 22.00 Uhr ist die Verladung angesetzt. Zeit satt – wenn
nicht wieder was passiert...


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Col de Jou

Aus den Pyrenäen komme ich über x Serpentinen langsam Richtung Mittelmeerküste. Bis auf ganz wenige Autos und Motorrädern bin ich hier wieder
alleine unterwegs, fahre zwei, drei letzte Pässe und komme dann oberhalb von Berga wieder in die Zivilisation. Ich mache kurz einen Stop, denn
einerseits ist die Aussicht auf Berga so schön, dass ich ein Foto machen will und andererseits plagt mich der Durst. Ich finde in der Serpentinenabfahrt
ein geeignetes Plätzchen für beides und halte an.


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Auf die Abfahrt von den Bergen schauend auf Berga zu,


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Ausblick auf Berga


„Erstmal was trinken“, schiesst es mir durch den Kopf, denn meine innere Dampfmaschine läuft schon wieder auf Hochtouren und der Kessel verlangt
nach frischem Wasser. Ich krame mein Schlüsselband, was mir um den Hals hängt, unter der Jacke hervor und will das Topcase aufschliessen, aber das
ist zum Glück – hääää ? – offen! Auch das noch. In böser Ahnung suche ich mein Brillenetui meiner ungetönten Brille, denn das liegt direkt vorne an.
Sollte es jedenfalls. Ohne Erfolg! Ich scheine das Case wohl bei meiner Losfahrt vergessen zu haben, richtig zu schliessen und so ist durch die Holperei
das Teil aus dem Case verloren gegangen. Das reicht jetzt aber für die Tour und gleichzeitig kommt mir in Erinnerung, wie Thomas damals meinen
Schal auf der Tour nach Österreich aus seiner Lederrolle verloren hat, weil er eben auch vergessen hatte, diese zu schliessen. Sei’s drum, die finde ich
eh nicht mehr, seit meinem Offroad-Versuch bin ich knapp 150 Km gefahren und die abzusuchen...? Aber mein Wasser ist noch da, also wenigstens etwas.
Ich trinke, mache mein Foto und fahre runter nach Berga hinein. Die Stadt ist in der Mittagszeit nahezu verschlafen, ein paar Autos fahren durch sie,
wie ich, hindurch und die Menschen, die ich sehen kann, treiben sich im Schatten herum. Ein Blick auf die Tankanzeige sagt mir, dass es mal wieder Zeit
ist, um der Q das notwendige Lebenselexier namens Benzin zu verabreichen und schon zu Ende gedacht, sehe ich eine Tankstelle. Beim Tanken mache
ich mir so meine Gedanken, dass es absolut unnötig war, soviel Reservesprit mitzunehmen (4 Liter), denn ich finde auf der gesamten Tour bisher– wenn
es nötig ist – nahezu auf Anhieb immer Tankstellen. Schnell habe ich bezahlt und fahre weiter.

Ich fahre ab Berga ein Stück der Europastrasse 5 entlang und kurz vor Gironella mache ich einen 90 Grad-Turn nach links, grobe Richtung Küste. Kleine Orte,
wie Prats de Llucanes, Olost, größere, wie Vic passiere ich, bis ich den nahezu letzten Kurvenspaß für heute im Parc Natural del Montseny vorfinde. Die BV 5301
schlängelt sich hier hindurch und trifft an deren Ende auf die C61, auf die ich nach der Überquerung der Autobahn C35 gelange. Bald ist auch die Küste in
Sicht und die Besiedlung wird schlagartig dichter. Was auch dichter wird, ist der Verkehr, der sich ab Arenys de Mar entlang der Küste windet.

LKW an LKW reiht sich hier hintereinander ein. Ich sehe zwar den Strand, aber von dem werde ich getrennt durch ein Bahngleis. Eigentlich hatte ich vor,
irgendwo am Strand meine Füsse ins Wasser zu halten, aber nun beschliesse ich, dem ganzen Gewimmel einfach schnell zu entkommen. So fahre ich einfach
weiter über Mataro, Badalona bis ich dann in Barcelona ankomme. Der Berufsverkehr nervt mich extrem, die Ampelanlagen sind ebenso nervig und "schön"...?
Schön war die Strecke entlang der Küste auch nicht. Schnell steht für mich fest, dass ich das auf der Rückfahrt nicht mehr haben muss und um Barcelona einen
Riesenbogen machen werde. Das habe ich mir anders vorgestellt. Meine Vorstellung bei der Planung war, ganz entspannt die Küstenlinie abzufahren und den
Blick ab und zu auf das Meer richten zu können. Hätte ich das auf den letzten Kilometern getan, wäre ich von einer brenzligen Situation in die nächste geraten.

Es ist jetzt Schlag 18.00 Uhr. Mit meiner Ticketreservierung stehe ich in einer schier endlos erscheinenden Schlange vor dem Schalter im Hafengebäude. Über
den Schaltern befinden sich elektronische Anzeigetafeln, die die Zielhäfen ab Barcelona angeben und die Fähren, die dort hin übersetzen. Tanger lese ich
und sofort fällt mir die Zeile des BAP-Songs ein: „Noch ne kooze Jroß un dann, dann jeht et rüver no Tanger“. "Mache ich vielleicht auch irgendwann mal",
denke ich und beschaue mir die Leute, die hier mit mir zusammen darauf warten, dem Schalter näher zu kommen. „Seh’ ich auch so fertig aus? Bestimmt nicht...“
Endlich bin ich an der Reihe. Die Reservierung wird schnell zu einer hochamtlichen Ticketausstellung und nun muss ich nur noch in den Wartebereich zur Ver-
adung. Den Weg lass ich mir von dem Typen kurz erklären, der mir das Ticket ausgestellt hat. Ich soll wieder runter vom Hafengelände, zurück bis zum nächsten
Kreisverkehr und wieder rauf aufs Hafengelände fahren, also eigentlich eine 360 Grad-Wende, nur dass ich einen anderen Abzweig nach dem Kreisverkehr nehmen soll.

Gesagt getan. Ich schwinge mich wieder auf meinen Bock und fahre die paar Meter weiter bis in den Kreisverkehr und hier schiesst mich fast jemand ab. Das,
was die Spanier in den Pyrenäen so auszeichnet, nämlich vorausschauend zu fahren, legen die Kameraden in potenzierter Form in den Städten einfach ab.
Draufhalten ist bei denen angesagt und so entkomme ich nur knapp dem Kotflügel von diesem Meisterstück deutscher Automobilbaukunst VW Golf. Das ging
grad noch mal gut. Den Schreck noch in den Knochen finde ich ein paar Meter weiter den richtigen Abzweig auf das Hafengelände, sehe die per Hand geschrieben
Schilder „Ibiza“, die mich zu der überdachten Stellfläche führen, wo schon ein paar Autos stehen.


Bild
Wartebereich für die Verladung auf die Fähren im Hafen Barcelona


Heiß ist es hier immer noch, obwohl der gesamte Bereich überdacht ist. Einzige Möglichkeit, das zu ändern ist, mich umzuziehen, denn selbst die Sommerklamotten
lassen mich hier aussehen, wie einen schmelzenden Eiswürfel. Schnell habe ich meine Sachen aus dem Topcase zusammen-sortiert und versuche mich neben dem
Mopped umzuziehen. Hinter mir hupt es. Eine Spanierin strahlt mich freudig an, als ich versuche, mir die mittlerweile durchgeschwitzte Moppedhose vom Hintern
zu ziehen. Ich grinse zurück und irgendwann stehe ich mit frischem Polo, trockener Hose und FlipFlops neben meiner Q. Ich verstaue meine Mopped-Klamotten schnell
auf der Ortliebtasche, fädle das Stahlseil durch die Hosenbeine und Ärmel der Sommersachen. Alles bekomme ich fein abgeschlossen, bis auf meine Stiefel...
Egal, wer will diese Treter schon klauen und somit quetsche ich die beiden Galoschen unter die Spanngurte.

Hunger hab ich. Seit heute morgen gabs nix zu mampfen, bis auf ein paar Magdalenas! Mit großem Appetit mache ich mich auf zur Rambla del Mar, die ich 2003 schon
einmal besuchen konnte und dort wirklich gut gegessen hatte. Ich laufe an der Kolumbussäule am Hafen entlang und komme auf die Rambla. Eine heitere Touristenmeile
tut sich vor mir auf. Das war damals ganz anders, denn als ich mit Olaf 2003 hier war, war gerade erst Mitte März gewesen. „Egal, mampfen kannst Du trotzdem was.“
Nach ein paar Metern auf der Rambla stelle ich fest, dass sich die Restaurants eher zu Touristenfallen entwickelt haben: Ein Camarero steht auf der Rambla und wirbt
hungrige Gäste an. Der schnappt sich diese dann nach erfolgreichem Gespräch und bringt die geneigten Esser oder solche, die es werden sollen, zum Eingang des Restaurants.
Dort wird der Gast vom nächsten Camarero empfangen, mehr oder weniger am Schlawittchen gepackt und zusammen mit einer Speisekarte an einen Tisch gesetzt. Und wehe
der steht auf und geht ohne was zu essen!

Ich schaue mir dieses Theater an und eigentlich hab ich keine Lust dazu, mich diesem Schauspiel als Darsteller auszuliefern. Aber der Hunger ist zu groß und so suche ich mir
ein Restaurant, aus dem ich zumindest ein paar spanische Wortfetzen hören kann – was schwer ist, denn unsere amerikanischen Verbündeten und japanischen Fotoprofis sind
hier zu Hauf unterwegs. Ich setze mich direkt an den erstbesten Tisch auf einer Terrasse und lasse mir die Karte bringen. Mit einem Blick auf die Speisenauswahl und die dane-
benstehenden Preise beschließe ich, eine kleine Portion frittierte Calamares zu ordern, denn eigentlich kann man damit ja nichts falsch machen. Kann man doch, wie sich nach
fünf Minuten herausstellt, denn die Dinger sind nahezu kalt, mehr als fettig und pampig obendrein. Die haben Mehlpampe nicht nur gesehen, sondern sind höchstwahrscheinlich
darin auch schon gefangen worden. Mit großer Enttäuschung mampfe ich die Kringel trotzdem auf, verschlinge den dazu servierten Salat und trinke das zum Glück kalte, wie
auch frische Bier. Nachdem ich bezahlt hatte – der Vorgang dauerte länger als das ganze Essen, denn Kumpel Camarero lässt sich scheinbar extra Zeit, in der Hoffnung, dass
ich noch ein Bier bei Kumpel Collega bestelle – marschiere ich die Rambla wieder zurück zu meinem Mopped und stelle fest, das ich nicht der Einzige bin, der nach Ibiza will.

Bewegung kommt ins Spiel. Mit einem Mal rauschen niegelnagelneue Renault Scenic auf die Fähre. Einer nach dem anderen mit High Speed in den Bauch der riesigen Fähre.
Das Schauspiel dauert mehr als eine halbe Stunde. Nachschub für Ibiza und Formentera. Mietwagen für Touris! Nachdem dann die neue Mietwagenflotte verladen ist, sind wir
dran. Als erstes dürfen die Roller und Motorräder an Bord. Prima, dann ist die Fähre noch einigermaßen leer und Du kannst Dir nen feinen Platz suchen. Als wir die Laderampe
hochfahren, werden wir an Bord vom Lademeister in Empfang genommen und durch den Bauch des Schiffes gejagt. Geschreie scheint hier an der Tagesordnung zu sein und so
schreit mich einer der Typen an, ich soll weiterfahren. Wild gestikuliert der Typ und das soll wohl bedeuten, ich soll hier und da lang, nein , da nicht, hier lang und dann da
lang und so lerne ich die Fähre von innen kennen. Ich mach alles brav mit und endlich bin ich an einem Plätzchen angekommen, an dem ich meine Q abstellen soll. Fein auf
den Hauptständer gestellt. Dann kommt einer der freundlichen Mitarbeiter, nimmt einen Tampen und legt diesen vorsichtig um die Fussraste, die beim Abspannen natürlich
nach oben klappt. Profis am Werk, denke ich und helf ihm kurz mein Mopped halbwegs gegen Umfallen zu sichern. Ich bin mal gespannt, wie lange das hält. Versichert sind die
ja bestimmt. Hoffe ich jedenfalls.


Bild
.... ohne Worte


Nachdem ich meinen Tankrucksack abgenommen habe, suche ich den Zugang zu den Decks und befinde mich kurz darauf am Oberdeck. Ich schaue dem Schauspiel vor und auf
der Laderampe interessiert zu. Irgendwann gehe ich wieder rein und hole mir an der Bar zwei Dosen Bier. Anstatt das Bier drinnen zu trinken gehe ich noch mal raus auf das
Oberdeck und werde dort sofort von einem Amerikaner empfangen, der gerade eine Kräuter-Zigarette geniesst. Ich kann den Gestank von Gras nicht mehr ab, stelle mich ein
paar Meter weiter weg, reiße eine meiner beiden Dosen auf und schütte den Inhalt nach kurzem Überlegen in mich rein. Nachdem die erste Dose leer ist, drehe ich mir eine
Zigarette, öffne die zweite Dose und bereite mich so auf meine Nacht vor. Ich beobachte noch das Ablegemanöver, gehe dann nach innen, suche mir ein feines Plätzchen,
mache es mir auf dem bequemen Sessel gemütlich und irgendwann schlafe ich ein.

Was für eine Aktion bis hierher und keinen Augenblick bereue ich.
--------------------
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Doris
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Re: Reisebericht Düsseldorf Formentera und zurück

#6 Ungelesener Beitrag von Doris »

Hi Rene!

Klasse geschrieben :D
So manches Mal mußte ich schmunzeln!
Und dann waren doch gleich wieder die Bilder im Kopf,
von der Pyrenäen-Tour, vom Familien-Urlaub an der Costa Brava...

Andorra, hab ich genauso erlebt.
Die Hauptstraße führt in ein dunkles Tal,
und um das zu unterstreichen,
sind die Häuser auch noch alle dunkel verkleideidet,
mit so ner Art Schiefer..
Konsumpaläste und Tankstellen...
Wir wären gern schneller wieder weg gewesen.

Aber die anschließende Fahrt über die Pässe
(mit Wetterleuchten und Donnergrummeln)
ist unvergesslich!

Kill-Schalter und Seitenständer :D
treibt mir heute noch die Schamröte ins Gesicht :oops:
Aber wir sind ja lernfähig!

Bin gespannt auf Deine Rückreise!
Liebe Grüße
von einer, die auszog, die Welt zu entdecken...


Doris


Die Kuh einfach mal (f)liegen lassen

Meine Reiseberichte
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Andre
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Re: Reisebericht Düsseldorf Formentera und zurück

#7 Ungelesener Beitrag von Andre »

Hi Rene,

klasse geschrieben. Und kann mich in die Situation auf dem Berg mit der liegenden Q gut hineinversetzen. Da kann's einem schon ein wenig unwohl werden, wenn man die Karre trotz aller Mühe nicht hochbekommt. Auch der Killschalter und das noch eingeschaltete ABS ist so richtig schön aus dem Leben :lol:

Komm, mach weiter - bin schon ganz gespannt wie es Dir noch ergangen ist.

Gruss
André
meine Momentaufnahmen

Glück ist wie pupsen, wenn man es erzwingt wird's Scheisse ;-)

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ryna
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Re: Reisebericht Düsseldorf Formentera und zurück

#8 Ungelesener Beitrag von ryna »

So übel der Teil mit der havarierten Q auch ist, die Lästerspatzen haben mich herzlich lachen lassen. Herrlich geschrieben!

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