Aqui vamos... Espere los Pirineos

Reiseberichte der Iberischen Halbinsel.
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ryna
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Re: Aqui vamos... Espere los Pirineos

#9 Ungelesener Beitrag von ryna »

Ein Tiger und ein Bär, das scheint ein tierischer Urlaub zu werden. Viel Spaß, ich freue mich schon auf den Reisebericht.

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Rene13
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Registriert: Freitag 11. Mai 2012, 12:41

Re: Aqui vamos... Espere los Pirineos

#10 Ungelesener Beitrag von Rene13 »

Das Warten hat ein Ende!

Endlich habe ich es geschafft, den Text zu erstellen und vor allem die zahllosen Bilder zu sichten. Und mit Mats ist das alles gar nicht so einfach,
er verlangt halt nach seinem Papa, wenn er da ist.

Für den Ablauf der Story: Ich habe mir gedacht, ich mache mal etwas anderes und habe neben der geschriebenen Geschichte ein Video-Tagebuch
geführt. Das kann man unter dem Motto zusammenfassen "Und so war es wirklich", denn Bärchen macht ja nicht nur Blödsinn...

Es wäre klasse, wenn Ihr beim lesen der Story die Video-Takes nicht alle hintereinander anschaut, sondern zeitlich wirklich erst da, wo diese in
die Story eingebunden sind (sonst macht es keinen Sinn). Der erste und zweite Teil ist vom Ton her betrachtet unterirdisch... Sorry schonmal vorab,
aber ich verspreche an dieser Stelle eine 1000%ige Verbesserung. Da auch einige "Nicht-Motorradfahrer" mitlesen, gibt es so den ein oder anderen
Hinweis - speziell im Videotagebuch - der vielleicht etwas belehrend oder zu sehr erklärend erscheinen mag, aber für Leute, die noch nie auf einem
Motorrad gesessen haben, ist das vielleicht ganz hilfreich. Meine "Rockerbrüder und -Schwestern" mögen da bitte Rücksicht nehmen... ;-)

Nun will ich Euch aber auch nicht mehr auf die Folter spannen, denn Ihr habt schließlich schon fast 5 Monate gewartet (ist das schon so lange her...?).

Also, in diesem Sinne: Viel Spaß beim Mitreisen!!!!




19.05.2015
Lieber heute als morgen


Ich hatte mal wieder Kontakt zu meinem Wettergott Ronald. Ronald, seinereiner Pilot bei einer großen deutschen Fluggesellschaft, hatte ich wieder gewinnen
können, um mir – auch während der Tour – täglich Wetterhinweise zukommen zu lassen. Da er an einer der zuverlässigsten Quellen sitzt, ist das für mich absoluter
Luxus, den ich gerne annehme.

SMS von Ronald: „Hm, willst Du wirklich am Freitag (22.05.) losfahren?
Wenn Du es schaffst, würde ich Dir empfehlen, schon am 21.05., also am Donnerstag zu fahren. Mit ein wenig Glück hast Du dann bis Bayonne am Freitag keinen
Tropfen Regen...!“

Das war ja mal so gar nicht geplant... Da muss ich erstmal mit der Familie
ein Plenum einberufen. Gesagt getan. OK von meiner großen Liebe, ein OK von Mats und erst recht von Bärchen, der sofort aufsprang und sich auf die Tasche
setzte, auf der die Sachen lagen, die ich noch in die Koffer verfrachten musste. So verbrachte ich den heutigen Tag mit Packen, Tanken etc. und natürlich Bärchen
beruhigen, der sich partou nicht in die Tasche stecken lassen wollte. Mit großer Überredungskunst gelang es mir dann doch, ihn in die rote Ortliebtasche zu bewegen,
in der er dann – Stand heute – die Reise verbringen sollte. Wie ich dann später feststellen musste, war das mal gar nicht sein Plan, sondern .... naja, dazu später mehr.


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Es gibt kein Top Case mehr, daher muss Bärchen in die rote Ortliebtasche...



21.05.2015
Düsseldorf – Poitiers



Das Procedere ist ja mittlerweile schon bekannt: Am Abend zuvor fein früh ins Bett, in Gedanken alle Gepäckstücke nochmals kontrolliert und nicht einschlafen können.
Um 03.00 Uhr klingelt dann trotzdem der Wecker – ich habs mir ja so ausgesucht. So leise, wie nur irgendwie möglich, bewege ich mich aus dem Bett in Richtung Bad
und höre natürlich sofort: „Willst Du jetzt schon los? Du bist verrückt...!“ Von diesen diesen Worten begleitet erledige ich meine Morgentoilette, um danach den letzten
Kaffee aus unserem wundervollen Kaffee-Aparillo zu genießen. Der wird mir fehlen, ganz sicher. Aber statt dessen habe ich meine kleine Bialetti, die mir zumindest einen
großartigen Mokka zubereiten wird. Nun gut, den Kaffee trinke ich, ohne ihn zu verschlabbern und den Abschied mache ich kurz und schmerzlos, damit wenigstens meine
große Liebe noch etwas von der Nacht hat. Zu Fuß bewege ich mich in die etwa 10 Minuten entfernte Garage in der Tigger fertig bepackt steht und Bärchen die erste Nacht
in der Gepäckrolle verbracht hat.
Dort angekommen ziehe ich mich fix um, schiebe das Mopped aus der Garage, starte das Navigationsgerät und schließlich dann auch den Motor. Los geht’s!
Für den heutigen Tag stehen etwas mehr als 800 Km Autobahn an. Nach Poitiers soll es gehen, dort habe ich mir einen Campingplatz ausgesucht, der von der Gemeinde
betrieben wird: Camping Municipal. Ich bin mal gespannt.
Alles in allem bin ich gegen 04.30 dann endlich auf der Autobahn. Ich rücke auf der Sitzbank hin und her und finde eine Sitzposition, von der ich meine, sie entsprechend lang
aushalten zu können.

Die Strecke bis nach Belgien zieht sich erstaunlicherweise recht lang. Fast kratze ich den Rand von Holland an, als ich dann in belgische Regionen stoße. Kalt ist es. Saukalt.
Schweinescheißekalt! Meine Hände sind nahezu taub, obwohl ich Handprotektoren montiert habe. Da hatte die GS den Vorteil der Griffheizung, über die Tigger leider nicht
verfügt. Egal, da muss ich durch. Ändern kann ich es jetzt eh nicht.

Die belgischen Autobahnen sind klasse. Die belgischen Autofahrer nicht. Seit 1977 brauchen die erst einen Führerschein und es kommt mir vor, als hätten die den bis heute
noch nicht gemacht. Trotz Geschwindigkeitsbeschränkungen heizen die, wie blöd und wenn sie dann an mir vorbei sind (ich halte konstant meine 120 km/h, das funktioniert
großartig auch mit Tigger) ziehen sie gefühlte 20 cm vor mir wieder auf die rechte Spur, so dass es mich x-mal durch die Luftverwirbelungen beutelt. Ich schimpfe, wie ein
Rohrspatz und hinter mir tönt ein ängstliches Brummen durch die rote Ortliebtasche. Jedenfalls meine ich, eindeutig Bärchen zu hören, der sich über die Wackelei massiv
beschwert.

Endlich ist es geschafft, ich bin raus aus Belgien und fahre auf französischen Autobahnen Richtung Paris. Sofort fühle ich mich wohler, was nicht zuletzt auch an den deutlich
gestiegenen Temperaturen liegt. So gegen 11.00 Uhr befinde ich mich in Paris. Um genau zu sein, befinde ich mich auf dem Autobahnring, der um die Stadt herum läuft.
Ich versuche zumindest den Eifelturm zu entdecken, aber letztlich habe ich zuviel damit zu tun, mich auf den hiesigen Verkehr zu konzentrieren. Ich bin froh, nicht zur Rush
Hour hier zu sein. Ich denke, das geht dann noch einmal ganz anders ab.

Die Autobahnkilometer ziehen unter uns als nicht enden wollendes Asphaltband entlang und zwischendurch wünsche ich mir einige Male den Sitz von meiner GS hierher. Das
scheint wirklich an Tigger die Schwachstelle zu sein. Sicherlich ist es ein tolles Motorrad als Ganzes, aber der Sitz ist eine Katastrophe für solch lange Strecken. Alles andere
funktioniert nahezu tadellos. Natürlich gäbe es das ein oder andere, was man ändern könnte. Aber wo anfangen und wo aufhören?

Irgendwann am Nachmittag erreiche ich mein heutiges Etappenziel Chasseneuil du Poitou kurz vor Poitiers. Beim Durchfahren des Ortes zum Campingplatz, wundere ich mich
über diverse riesige Gebäude und nahezu unzählige Hotels. Wie ich später erfahren sollte, befindet sich in Chasseneuil der Freizeitpark „Futuroscope“ der eng mit der ENSMA,
einer Fachhochschule für Technik und Luftfahrt, zusammenarbeitet. In der Hauptsaison muss hier der Teufel los sein! Daher freue ich mich nochmals mehr, dass wir – Bärchen,
Tigger und ich – auf dem Platz erst einmal alleine sind, als wir ankommen.


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Etappenziel erreicht


Ich halte an der Rezeption und lese, dass diese erst ab 17.00 Uhr besetzt ist. Bis dahin sind es noch 2 Stunden. Zeit genug, das Zelt aufzubauen, etwas zu essen und – hörthört –
ein Bier zu trinken. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre in Frankreich bei den Durchreisen („Wir haben noch kein Bier, es ist noch keine Saison...“) habe ich mir den Luxus
gegönnt und ein Sixpack eingepackt!

Madame kommt. Madame ist eine ältere Dame, die außer Französisch keine andere Sprache spricht. Kein Problem, dann unterhalten wir uns eben in einer Sprache, die auf der
ganzen Welt verstanden wird: Hände und Füße kommen zum Einsatz und so funktioniert es dann. Der Verwaltungsakt ist schnell geklärt und abgewickelt. Kleinigkeiten könne
ich kaufen und morgen früh kommt auch ein Bäcker vorbei, der frisches Brot und Croissonts im Gepäck hat. Na, wenn das mal kein Luxus ist!

Bild
Menschenleere auf dem Platz


Zurück zum Zelt, wo Bärchen seit geraumer Zeit alleine sitzt und so, wie ich befürchtet habe, treibt er hier seinen Schabernack. Aus dem Schabernack wird ein müdes Brummen
und er verzieht sich schon recht zeitig in meinen Schlafsack. Da das nicht anders zu erwarten war, maule ich nicht, sondern lasse ihm seine Ruhe, denn schließlich hat er mittlerweile
fast dreißig Stunden in der Ortliebtasche verbracht. So benimmt er sich auch. Ohne mich mit dem Bärenhintern auch nur eines Blickes zu würdigen wackelt er auf seinen kleinen
Pfoten ab.

Bild
Erstmal mampfen...


Ich dagegen nutze die Zeit und versuche das Sixpack klein zu bekommen. Gebe mir alle nur erdenkliche Mühe, muss dann aber nach drei Flaschen und einem erbarmungslosem
Kampf mit dem Schlaf, aufgeben. Ich verkrieche mich ins Zelt und ratzfatz bin ich auch eingeschlafen.


Was wirklich geschah...:







22.05.2015
Poitiers – Bayonne


Puh, das wäre geschafft. Die erste Nacht im Zelt ist rum. Ob ich gut geschlafen habe? Ich horche in mich hinein und stelle fest: Ja, das habe ich. Auch wenn es wieder ein wenig
ungewohnt war und Bärchen, der dann doch in meinen Schlafsack gekrabbelt ist, rumstrampelte, moserte (angeblich hätte ich nach Bier gerochen...) und dann schließlich mehr
Platz beanspruchte, als es der Schlafsack eigentlich zuließ... Ja, trotz alledem habe ich gut geschlafen. Gestern Abend kam noch ein Pärchen mit einem Bulli, aber ansonsten
war es das mit den Besuchern des Platzes. Im Gemeindezentrum nebenan wurde bei offenem Fenster von einer Horde Frauen lautstarkes Workout betrieben. Aber das war es
auch schon mit den Ungewöhnlichkeiten.

Bärchen krabbelt schließlich auch aus dem Zelt heraus und schaut mich herausfordernd an. „Nein, Honig habe ich keinen, aber wenn Du magst kannst Du Dir einen Keks nehmen!“
Das erinnert mich irgendwie an die Tour mit Thomas. Bärchen schnappt sich sofort die ganze Packung und marschiert damit zurück ins Zelt. „Ey, hiergeblieben! Rück sofort die
Kekse wieder raus. Einen hab ich gesagt!“, schimpfe ich hinter ihm her, aber er denkt gar nicht daran, herauszukommen, geschweige denn, die Kekspackung abzugeben.
„Na, dass kann ja heiter werden“, stöhne ich. Mats hat sich das bestimmt von ihm abgeguckt, denn was Mats einmal in den klitzekleinen Händchen hat, gibt er auch nicht mehr
freiwillig her. Hach, mein Mats...

Ich baue meinen Gaskocher auf und koche mir erst einmal einen Kaffee. Meine Bialetti leistet hervorragende Arbeit und so schlürfe ich genussvoll meinen Mokka. Die Nacht war dann
wohl doch etwas kälter, denn das Zelt ist außen mit Tau beschlagen. Da muss ich halt noch etwas abwarten mit dem Abbau, aber das stört mich nicht sonderlich.

Irgendwann kommt dann auch ein kleiner Lieferwagen und heraus springt ein - offensichtlich gut gelaunter - Bäcker. Ich gönne mir zwei Croissonts und schmeiße nochmals den
Riemen für die Bialetti auf die Orgel.

Nachdem ich das opulente Mahl abgeschlossen habe – von Bärchen war nichts zu sehen, er war nochmals eingeschlafen – wecke ich Bärchen, der nun brummend aus dem Schlafsack
herauskrabbelt. Schnell werden die Sachen zusammengesammelt, das mittlerweile abgetrocknete Zelt abgebaut und alles wird wieder auf das Mopped gepackt. Getankt hatte ich
gestern schon, so dass es eigentlich los gehen könnte. Eigentlich, denn ich habe die Rechnung ohne Bärchen gemacht. Der will partout nicht mehr in die Ortlieb Rolle, sondern besteht
auf eine Mitfahrt im Koffer. Alles Erklären, dass es viel zu eng sei und dass es in der roten Rolle viel mehr Platz gäbe, half nicht. Um es abzuschließen: Von heute an fährt Bärchen
im rechten Koffer mit.

So machen wir uns dann auf zur Autobahn. Es soll heute nach Bayonne gehen.

Schnell habe ich meine Sitzposition gefunden und das Asphaltband beginnt wieder unter mir abzulaufen.

Es gibt keine sonderlichen High lights auf der Strecke. Bis auf die Tatsache, dass es rund um Bordeaux deutlich mehr Verkehr gab, als ich es erwartet hatte. Aber auch das überstehen wir spurlos.

Wir nähern uns endlich Bayonne und ich muss auch sagen, dass ich keine sonderliche Lust heute verspüre, noch länger auf dem Motorrad zu verbringen. Daher freue ich mich, wie ein Schnitzel
(wo kommt eigentlich dieser Ausdruck her? Wer, zum Teufel, hat jemals schon mal ein Schnitzel gesehen, das sich freut und, wie sieht so ein Schnitzel aus, wenn es sich freut? Verliert es
dann vor lauter Freude – getreu dem Motto: Ich lach mich nackich – die gesamte Panade?), dass die Fahrt vor dem von zu Hause aus gewählten Campingplatz endlich ihr Ende für heute findet.
Und jetzt? Jetzt stehe ich vor einem Tor. Einem geschlossenen Tor! Auf der Homepage war zu lesen, dass die schon offen haben. Ein Getöse ist aus dem rechten Koffer zu vernehmen.
„Ruhe!“, schimpfe ich, „ich muss nachdenken!“

Alles denken hilft nicht, ich muss weiter. Als ich eine Tankstelle nach ein oder zwei Kilometern erneuter Fahrt sehe, halte ich an und starte das „Hand und Fuß“-Interview. Ich soll immer
geradeaus fahren. Bis nach Biarritz . Dort gäbe es viele große Campingplätze. Gesagt, getan. Auf geht’s nach Biarritz, was wirklich keine große Herausforderung war, auch nicht an der
Rezeption des Platzes „Camping Biarritz“: „Ähm, jeux ne se pas francais...“ „Das macht nichts, wir können deutsch reden, englisch oder wie Sie möchten...“, schallt es zurück. Wer hätte
das gedacht? Sollten die Franzosen mittlerweile über ihren Schatten gesprungen sein? Wie dem auch sei. Schnell sind auch hier wieder die Formalitäten erledigt und ich bekomme meinen
Platz zugewiesen. Nein, den kann ich mir selbst aussuchen. Ich soll nachher nur kurz vorbei kommen und Bescheid geben, welche Parzelle (alles ist fein säuberlich durchnummeriert) ich
nun belegt habe. Soviel vorab, dass ich das dann auch später getan habe.

Ich suche mir also ein schickes Plätzchen aus und versuche, eine relativ windstille Ecke zu finden, denn es bläst ganz schön. Aber dafür ist es bis hierher – Ronald sei gepriesen – trocken und
die Sonne scheint. Relativ warm ist es auch. Was will man mehr?

Fix ist das Zelt aufgebaut, der Gaskocher parat gelegt und nach der ganzen Organisation wird erstmal der Dusche ein Besuch abgestattet. Danach wird fein getafelt. Aber irgendwas fehlt...
Kaltgetränk deutscher Machart! Was ein Glück! Vom Sixpack sind noch drei Flaschen übrig. Nicht ganz kalt, aber immerhin tendiert die Temperatur zur Trinkfähigkeit des edlen Stoffes.
Nachdem ich fein gespeist habe mache ich einen kleinen Rundgang über den Platz. Hier wird zur Hauptsaison der Bär los sein und ich bin froh, dass das aktuell nicht der Fall ist.

Der kleine Rundgang tat mir gut und als ich wieder vor meinem Zelt sitze, kommt auf einmal Bewegung ins Spiel. Eine riesige Horde Kinder streift über den Platz. Ein großes Hallihallo,
Schabernack hier und da und jede Menge Fußbälle. Ich bekomme heraus, dass in Biaritz ein Kinderfußballturnier stattfindet und ein paar Mannschaften hier auf dem Platz in den Bungalows
untergebracht sind. Na, da schauen aber ein paar Rentner, die mit ihren Wohnmobilen hier auf dem Platz stehen, ganz schön blöd aus der Wäsche. Da kommt Stimmung auf und bei mir und
Bärchen Müdigkeit. Fix sind wir im Zelt verschwunden und brummen uns gegenseitig ein „Gute Nacht“ ins Ohr.



Was wirklich geschah...:







23.05.2015
Biaritz – Hecho


Es raschelt aus der hinteren Ecke des Zeltes. 7.30 Uhr. Ist da etwa eine Maus im Zelt, oder etwa anderes Getiers? Es raschelt stärker und dann brummt es. Ein Bärenbrummen.
Um genau zu sein, ein Teddybärenbrummen! Ich ziehe den Helm aus der Ecke und wer sitzt dahinter mit der Packung Kekse? Ich muss nicht näher darauf eingehen, denn der geneigte
Leser kann sich schon vorstellen, wer das ist, der sich früh Morgens mit der Packung Kekse in die hinterste Ecke des Zeltes verkrochen hat, um sich daran gütlich zu tun.
Erschrocken blickt er mich an und hält mir dann die Kekspackung entgegen.
Einer. Ein einziger Keks ist noch drin! „Du hast alle Kekse aufgemampft? Alleine?“ Er schaut beschämt auf den Zeltboden, der nahezu lückenlos bedeckt ist mit Kekskrümeln und wackelt
mit dem Kopf. Seine Ohren schlackern wild herum. „Toll, Du hast wirklich einen übrig gelassen. Prima, ganz großartig. Und da soll ich jetzt dankbar sein, was?“ Bärchen zwinkert mich
an und nickt.


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Neue Mitfahrgelegenheit annektiert


Was dann folgt ist zunächst einmal ein halbstündiges Anschweigen, denn ich habe keine Lust auf Konversation mit diesem verfressenen Bären und nutze die Zeit, das Zelt
abzubauen. Nachdem alles verstaut ist, geht es los. An der Rezeption halte ich noch kurz an, gehe in den Mini-Supermarkt und kaufe dort ein Baguette und eine Hartwurst, denn
mein Frühstück will ich irgendwo in den Bergen abhalten.

Schluss mit Biaritz, „Aqui vamos, espere los pireneos“
(übersetzt: „Los geht’s, die Pyrenäen warten“)

Heute soll es dann auch endlich mit meiner eigentlichen Reise losgehen. Ich will von hier aus über die Grenze nach Spanien. Meinen Startpunkt für die „Coast to Coast Pyrenäenquerung“
habe ich mit dem Faro Higer gewählt. Der Leuchtturm ist der am nächsten erreichbare westlichste spanische Leuchtturm an der Atlantikküste und stellt für mich den westlichen Startpunkt der Querung dar. Enden
soll sie am östlichsten Leuchtfeuer des spanischen Festlandes, am Cap de Creuz.


Guten Morgen:




Ab aufs Mopped und erst einmal nach Hondarribia - die Stadt der Honda-Fahrer, oder so ähnlich.

Meine Fahrt dorthin führt mich von Biarritz über Sare (dorthin habe ich vor einer Ewigkeit meine Abschlussfahrt mit der Schule gemacht. Thomas – meinen besten Freund – kenne ich
seitdem). Sare war damals ein verschlafenes Nest und heute statte ich dieser Einöde meinen Besuch ab. Also ich dort ankomme bin ich einerseits überrascht, andererseits natürlich
wiederum nicht. Denn, wie sollte es auch anders sein, sind knappe 35 Jahre später natürlich die Dinge nicht mehr so, wie sie einmal waren: Ein Hotel steht neben dem anderen – zwar
geschmackvoll, aber letztlich ist es ein Touristenort geworden, wie überall auf der Welt zu finden.


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In Sare, dem vor 35 Jahren so beschaulichen Örtchen, war lediglich der Hund so früh unterwegs wie ich...


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Auch früh auf: Pelote-Nachwuchsspieler, irgendwo in einem Kaff hinter Sare


Also halte ich mich dort nicht allzu lange auf, sondern nehme Kurs auf die Berge.

Der erste Pass wartet direkt hinter Sare auf mich. Der Col de Saint Ignaz zählt zur „Route de Cols“, einer 952 Km langen Pässetour, die 34 hohe Pässe als Zwischenziele der Pyrenäen
beinhaltet. Hm, das könnte wiederum ein Thema für eine nächste Tour sein. Heute jedoch fahre ich diesen Teil nur, um nach Spanien zu kommen. In Spanien, um genauer zu sein, in
Hondarribia, nutze ich erst einmal die Gelegenheit, preiswerten Sprit zu tanken. Der Preisunterschied ist deutlich spürbar zu Frankreich.


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Col de Ignaz. Ein kleiner Pass der "Route de Cols"


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Wie in der Schweiz...



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Nebel, wie in Schottland...


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Landschaft, wie in den Pyrenäen ;-)


Die Hafenstadt grenzt direkt an den Fluß Bidasoa. Auf der einen Seite des Flusses ist Spanien, auf der anderen Seite Frankreich. Demzufolge ist viel an den Tankstellen los und ich wähle
nicht die erstbeste Tankmöglichkeit, sondern fahre einfach weiter bis ich am Flughafen bin. Von hier aus ist es auch nicht mehr weit, um zum Leuchtturm zu kommen.


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Hondarribia - die Stadt der Hondafahrer...


Die Straße schlängelt sich an der Küste entlang und endet direkt am Leuchtturm. Quäken von hinten rechts, als ich am Leuchtturm ankomme. Bärchen braucht Auslauf! So öffne ich ihm
den Koffer und er kann sich die Beine vertreten. Natürlich verbiete ich ihm ins Leuchtturmwärterhaus zu gehen, denn die Türe steht offen. Ich mache zwischenzeitlich ein paar Fotos
und den kleinen Beitrag für mein Videotagebuch.


Am Startpunkt meiner Pyrenäenquerung endlich nach zwei Tagen Anreise angekommen.


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Faro de Higer - ein Campingplatz ist direkt daneben. Wenn ich das mal gewusst hätte....


Das ist einen Eintrag ins VT wert:




Nachdem Bärchen wieder (freiwillig...!) in seinen Koffer geklettert ist, geht es endlich los. Meine Pyrenäenquerung startet!

Das erste Etappe führt mich heute mach Hecho. Hecho ist eine Gemeinde in der Provinz Huesca im Aragon, liegt direkt im Nirgendwo an der A176 (oder „autonome Gemeinschaft
Aaragonien“) und hat neben einem Campingplatz auch – sage und schreibe - 617 Einwohner...

Auf dem Wege dorthin nutze ich u.a. Teile des Jakobsweg, so komme ich auch durch das Navarra an Burguete vorbei, fahre durch Anso und komme schlussendlich dann am Nachmittag in
Hecho an. Natürlich ist auch hier die Rezeption nicht besetzt, sondern finde dort einen Hinweis vor, dass man in die benachbarte Bar gehen soll und sich dort anmelden kann.


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Auf dem Weg nach Anso


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Das bedarf keines Kommentares...


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Hecho Down Town... 617 EW


Bei der Ankunft fällt mir allerdings direkt auf, dass ich die ganze Zeit mit Rückwind gefahren sein muss, denn es bläst viel mehr, als ich es vermutete.
Nachdem ich mich angemeldet habe, versuche ich einen Platz zu finden, an dem ich mein Zelt überhaupt aufgebaut bekomme (mit Bärchen habe ich keine wirkliche Hilfe und bei den
Windverhältnissen, die vorherrschen, wird der Aufbau kein Spaß werden). Nachdem ich auf dem Platz herumgefahren bin, halte ich an und überlege. Ich verwerfe dann das Ziel, im Zelt
zu schlafen, sondern habe vor, mir einen Schlafplatz mit festem Dach über dem Kopf zu gönnen.

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Da liegt Hecho

Also wieder zurück zur Bar. Dort erfahre ich von Pascual (soweit sind wir schon), das Cheffe erst gegen 17.00/17.30 Uhr kommt. So lange muss ich noch ausharren und nutze die Wartezeit
für ein erstes Ankommbierchen.

Cheffe ist da. Da Cheffes Englisch noch schlechter ist, als mein Spanisch, wird die Unterhaltung und Frage nach einem Schlafplatz schwierig. Letztlich schreibt Cheffe mir auf die Karte des
Stellplatzes 12,- Euro und macht ein Kreuzchen an einem Gebäude im hinteren Bereich des Platzes. „Refugio“ steht daneben von ihm geschrieben. Ein Refugio ist eine Hütte, ähnlich wie
in den Alpen die Berghütten, die mehrere Schlafplätze aufweisen.

Ich überlege kurz und beschließe dann den Schlafplatz zu nehmen, denn die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass ich die Hütte für mich alleine habe. Ich beziehe also für 12,- die Hütte, die
wirklich ganz einfach ist. Es befinden sich 4 Stockbetten in der Hütte, nebenan ist ein kleiner Verschlag, in dem ein Kühlschrank ist. Den Schlafsack brauche ich, meinen Kocher und eines
meiner Tütengerichte.


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Meine Unterkunft für heute...


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So siehts drinnen aus. Das Chaos ist schnell verbreitet, hoffentlich kommt keiner

Schnell sind die Sache ausgepackt und ich richte es mir fein ein. In der Rezeption besorge ich mir noch schnell nach dem Duschen eine Flasche Weißwein. An meiner Hütte angekommen,
stelle ich fest, dass ich immer noch der einzige „Schläfer“ bin. Vom Baguette ist noch etwas übrig, so hole ich also für eine Vorspeise die Hartwurst und das Brot aus dem Koffer, öffne die
Flasche Wein und mache es mir für die Zubereitung meines Menüs auf der Holzterrasse gemütlich. Schnell kocht auch schon das Wasser, ebenso fix ist der Inhalt der Tüte eingerührt.
Original Jägertopf...

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Gemischte Vorspeisenplatte a la Rene


Der Wein schmeckt, die Hartwurst erst recht und der Jägertopf ist diskussionswürdig. Egal, der Hunger treibt’s hinein. Von Bärchen ist keine Spur zu sehen, der treibt sich irgendwo in der
Hütte herum.

Hm, das doch vielseitige Essen verlangt nach einer Denaturisierung... Bei der letzten Tour hatte ich für Thomas und mich einen ganz hervorragenden Marillenbrand (Brennerei Hochstrasser, Österreich)
in meinen Flachmann für solche Fälle abgefüllt. Diesmal nicht, also mache ich mich wieder auf die Beine und laufe zurück zur Bar.

Empfangen werde ich dort wieder strahlend von Pascual mit den Worten:
De nuevo lo igual? Ob ich wieder das gleiche haben möchte. Ich verneine das und bestelle einen Carajillo mit Osborne. Da Pascual keinen Osborne hat, bietet er mir stattdessen einen Terry
an. Der ist wesentlich weicher und entsprechend geht die Power im kurzen Kaffee unter (für die Unwissenden: Ein Carajillo ist ein Cortado - ein Kaffee im Espressoformat - der einen guten
Schuss Brandy bekommt. Mit einer ordentlichen Portion Zucker – nur ganz kurz rühren – sorgt das Ganze für eine großartige Wärme im Bauch und regt dazu an, noch mehr Brandy zu trinken).
So auch heute, denn das, was dem Carajillo an Power fehlte, gleichen die nun folgenden Gläser wieder aus.


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Pascual wuselt ständig hinter der Theke und ist zudem auch noch kamerascheu


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Herrengedeck de Hecho


Neben den Terry gesellt sich das ein oder andere Glas Bier ganz heimlich hinzu. Na Prima, so war das zwar nicht geplant, aber man kann’s halt nicht ändern. Es passiert halt. Nachdem ich also dem Denatu-
risierungsprozess ordentlich auf die Sprünge geholfen habe, schwanke ich gemütlich zurück zu Hütte. Als ich die Türe öffne, gibt es ein herzzerreißendes Quietschen, was ebensolche verursacht.
Wie könnte es auch anders sein, wacht Bärchen davon auf. Er schaut mich an und nachdem er meine Fahne gerochen hat (scheinbar weht diese zwei Meter vor mir um die Ecke) verdreht er
seine Augen. Da er es sich bequem gemacht hat – in meinem Schlafsack – besteht er darauf, dass ich mir ein anderes Lager suche. Dem gebe ich allerdings nicht nach, sondern jage ihn schlussendlich
aus meiner Penntüte. Maulend tappst er durch die Hütte, klettert auf einen Stuhl und schlussendlich in die gelbe Ortliebtasche. Darin liegt noch ein Pullover von mir, in den er sich dann einrollt
und brummend einschläft. Ich weiss nicht, ob ich auch brummend einschlafe. Das ist mir letztlich aber auch egal, Hauptsache schlafen!


Was wirklich geschah:

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Andre
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Re: Aqui vamos... Espere los Pirineos

#11 Ungelesener Beitrag von Andre »

:L :L :L GROSSARTIG :D tolle Idee mit den kurzen Clips und super umgesetzt. Bin sehr gespannt wie es weiter geht.

Grüsse
André
meine Momentaufnahmen

Glück ist wie pupsen, wenn man es erzwingt wird's Scheisse ;-)

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ryna
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Re: Aqui vamos... Espere los Pirineos

#12 Ungelesener Beitrag von ryna »

Das liest sich fluffig; Klasse und sehr unterhaltsame Reisebeschreibung! :L

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Nagge
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Re: Aqui vamos... Espere los Pirineos

#13 Ungelesener Beitrag von Nagge »

Klasse! Unterhaltsame Reisedoku! Schön auch die Filmkommentare!! Weiter so ... Freu mich drauf! :L :L :L
Grüße aus dem Schönbuch

Marc / Nagge

´s Leba isch koin Schlotzer!

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maxmoto
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Re: Aqui vamos... Espere los Pirineos

#14 Ungelesener Beitrag von maxmoto »

BB
Bin begeistert!!! :!: :!: :!: :L :L :L
maxmoto
was ist was wert


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matoro
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Re: Aqui vamos... Espere los Pirineos

#15 Ungelesener Beitrag von matoro »

Hallo Nachbar ;-)
Rene13 hat geschrieben:„Das macht nichts, wir können deutsch reden, englisch oder wie Sie möchten...“, schallt es zurück. Wer hätte
das gedacht? Sollten die Franzosen mittlerweile über ihren Schatten gesprungen sein?
Die Erfahrung hab ich letzten Monat in der gleichen Gegend auch gemacht. Ich glaube die meisten haben gemerkt, daß sie sich mit einer sturen 'ich sprech nix außer französisch' im touristischen Bereich keine Freunde machen.
Hecho / Anso mußte ich ja wg. verspätetem Reisezug aus der Strecke streichen, schön doch nochmal was davon lesen zu können.
Bin gespannt wie's weitergeht.

Gruß aus der Nachbarstadt
Guido

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Rene13
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Re: Aqui vamos... Espere los Pirineos

#16 Ungelesener Beitrag von Rene13 »

Freut mich, dass es Euch gefällt.

LG auch von Bärchen
Rene
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