Oder: Rene und Bärchen fahren nach Moux – und Thomas darf auch mit...
Winter 2012/2013:
Thomas – mein bester Freund - und ich kennen uns schon seit der Schule. Gemeinsam machten wir unseren Abschluss, von Thomas kaufte ich mein erstes richtiges Motorrad, gemeinsam waren wir mit den Moppeds schon mal in Österreich und er ließ sich von meiner Idee anstecken, eine Pyrenäenquerung zu fahren. Aus Zeitgründen musste allerdings dieses Vorhaben flach gelegt werden. Statt dessen sollte es nach Oberitalien gehen.
15.05.2013
Bierlaune...
Heute Abend bin ich mit Thomas zur letzten Lagebesprechung zum Bierchen verabredet. Zwei Rund-Touren sind geplant. Beide gehen durch Ober-Italien und der fade Beigeschmack ist der verregnete Frühling in diesem Jahr. Mitte Mai und dann Temperaturen um 10 Grad, in den höheren Lagen um 5 Grad und offensichtlich sind Abschnitte der beiden Touren wegen des lang anhaltenden Winters nicht passierbar. Es ist einfach noch zu kalt. Was ein Ärger, denn es ist viel Grips in die Planung eingeflossen und vor allen Dingen Zeit. Für Thomas ist es die erste Tour dieser Art, die komplett mit dem Motorrad gefahren wird, also inklusive An- und Abreise. Dementsprechend sind die Etappen geplant und mir graust es davor, die Planung umzusetzen, denn schließlich soll es ja auch für ihn schön werden – für Bärchen natürlich auch, selbstredend.

Heisst zwar "Alt" schmeckt aber nur frisch richtig gut
Ich marschiere zu unserer Stammkneipe und treffe Thomas dort um 19.00 Uhr. Schnell sind einige Bierchen in unseren Kehlen gelandet und schon geht es in die Lagebesprechung. Wir beschließen auf Grund der Wettersituation Italien über den Plansee in Österreich anzufahren, dann über die alte Brennerpassstrasse, danach runter zum Gardasee. Den wollen wir an der Ostseite anfahren und dann einmal komplett rum. Hoch bis in den Norden, dann wieder an der Westseite entlang. Passo di Croce Domini usw. Dann rüber in die Schweiz. Die erste Planung sah etwas anders aus. Anreise über Genf, dann Richtung Südosten und ab nach Italien rein... Teile der Route der Grand Alps wollten wir fahren. Fakt ist, dass der Col des Iseran definitiv nicht passierbar ist. Roseland auch nicht. Das ist der Stand heute Abend.

Das Wetter sieht wirklich bescheiden aus für die nächsten 10 Tage. Regenfronten über den Alpen, vom Atlantik kommt immer mehr Wasser auf Europa zu...
Ich hab ein schlechtes Gefühl und in meiner Bierlaune sage ich: „Wir können ja nach Südfrankreich fahren, nach Moux. Da hab ich letztes Jahr übernachtet, wir sind direkt an der Mittelmeerküste und wir fahren da fast alleine auf den Straßen.“ Reaktion von Thomas: „Gute Idee, wir sind ja mit Italien nicht verheiratet...“
„Häh, ähm, aber Du wolltest doch... ach egal. Die Tour da runter hab ich noch.“ Wir besprechen kurz das Nötigste. Auf die Anreise von rd. 1000 Km am ersten Tag (Autobahn bis Clermont Ferrand) weise ich vorsorglich noch einmal hin und Thomas stimmt trotzdem zu.
Wir stoßen auf die anstehende Tour an, die übermorgen starten soll, zahlen unseren Deckel und wanken nach Hause.
16.05.2013
Man hat ja Erfahrung...
Schnell sind die Tourdaten des letzten Jahres auf mein Navi übertragen (ich fuhr ja 2012 bei meiner letzten Tour auf dem Weg nach Barcelona bzw. Formentera, ebenfalls Moux an, um dort zu übernachten) und somit entfällt eine neue Planung.
Da ich ja von der letzten Tour weiß, was ich alles nicht brauche, bleiben 4 Liter Öl zu Hause, die Boulekugeln selbstverständlich auch. Somit bleibt Platz übrig und vor allem spare ich auch Gewicht. Die Sachen sind schnell in den Koffern und dem Topcase verstaut. Da wir campen werden, wird meine Ortliebtasche ebenfalls wieder zur treuen Begleiterin, denn hierin sind der Schlafsack, meine Isomatte und mein Kocher inklusive zweier Gaskartuschen verstaut. Da wir vorhatten, uns auf der Italientour selbst zu verpflegen, werden die hochkulinarischen Trockenmenüs ebenfalls eingepackt. Meine ursprüngliche Idee, auch auf den Tankrucksack zu verzichten, verwerfe ich, denn ich denke, dass dieser mir auf den Tagestouren – darauf freue ich mich schon, denn da wird ohne Gepäck gefahren – einiges an Komfort bieten kann und das ein oder andere Utensil aufnehmen wird. Letzter Akt an diesem Tag ist, den Ölstand nochmal zu kontrollieren, den Reifendruck anzupassen und natürlich den Tank für 270 Km zu füllen. Unser Ziel ist, mit der Teilfüllung bis nach Luxemburg zu kommen und dort preiswert den Tank randvoll zu füllen. Nachdem alles erledigt ist, baue ich die Koffer an und befestige das übrige Gepäck. Die Kühe stehen fertig in der Garage und warten auf die Abfahrt morgen um halb 5.
17.05.2013
Los geht’s...
Ich habe gut geschlafen, als der Wecker mich um halb vier weckt. Komisch, das war letztes Jahr anders. Bei weitem bin ich nicht so aufgeregt. Was dieses Mal auch anders ist, ist, dass ich mit der Kaffeemaschine heute Morgen keinen Krach mache, denn die hatte ich gestern noch zum Service gebracht. „Error 8“ war im Display zu Lesen, im Klartext „Brühgruppe defekt“.... Also wird der Wasserkocher angeworfen, der Instantkaffee in die Tasse gegeben und so komme ich dann doch noch zu einem halbwegs annehmbaren Morgenkaffee, der für mich die Voraussetzung für einen Start in den – wenn auch früh beginnenden - Tag ist. Ein kurzer Blick auf die Uhr und ich mache mich auf den Weg zur Garage. Nach etwa 10 Minuten Fußweg – die Garage liegt auf dem Betriebsgelände von Thomas Arbeitgeber – schließe ich das Garagentor auf und was sehe ich da? Karl! Karl, der seit früher Kindheit Thomas begleitet, thront auf der Gepäckrolle von Thomas GS und das Kamel glotzt mich mit breitem Grinsen an. „Da hat Bärchen ja noch einen mitreisenden Spielkameraden gefunden“, denke ich und freue mich für ihn. Ich ziehe mich fix um und warte auf Thomas.

Bärchen hätte sich so gefreut...
Der Blick auf die Uhr: Kurz nach halb 5, naja. Er wird wohl nicht verschlafen haben. 20 vor 5. Hm, vielleicht ruf ich mal an?
In dem Moment kommt er um die Ecke und gut gelaunt hält er in der einen Hand einen Kaffeebecher und in der anderen Hand einen – häh? – Rasierer!
Da hat wohl doch jemand verschlafen... Egal, es drängt uns ja keiner und die 1000 Km heute laufen uns ja auch nicht weg. Mit großem Schrecken stelle ich fest, dass Karl von Thomas von der Gepäckrolle genommen wird und auf die nebenstehende Harley gesetzt wird. „Was soll das denn?“, frage ich ihn. „Ja, also der muss hier bleiben, der wollte nur mal gucken und irgendwer muss ja auch auf die Sporty aufpassen...“. Na, wenn das mal Bärchen mitbekommt, denn wie ich den kenne, wird ihm das gar nicht passen. Rasierend und Kaffee schlürfend stehen wir in der Garage. Nachdem Thomas dann seine Morgentoilette erledigt hat, kann es dann auch losgehen.
Fix durch Düsseldorf durch und ab dem Südring geht es dann auf die Autobahn. Wieder liegen diese knapp 1000 Km Autobahn vor mir und ich bin mir nicht ganz sicher, ob Thomas weiß, worauf er sich da eingelassen hat.
Kurz vor Köln beginnt es leicht zu fieseln. Allerdings so, dass es nicht lohnt, sich die Regensachen anzuziehen. Schweinekalt ist es und ich freue mich über die Griffheizung. Also fahren wir weiter, bis wir nach rund 170 Km am Rasthof Elztal ankommen. Wir hatten besprochen, dass wir da kurz einen Stop einlegen, damit ich wenigstens zu einem richtigen Kaffee komme. Also kurz runter vom High Way und nen Kaffee gezippt. Nach dem Break geht es weiter, wir gelangen nach Luxemburg und stehen an der Tankstelle. Meine Handschuhe habe ich dämlicherweise nach dem Absteigen auf die Ortliebtasche hinter mir gelegt. Nachdem ich mit dem Tanken fertig bin, ich schon auf dem Bock sitze, angle ich danach und, was passiert? Klar, ich verliere das Gleichgewicht und die Kuh liegt auf dem rechten Euter. Das geht ja gut los, da steht die Tour ja unter ´nem guten Stern. Wenn das mal kein Omen ist...? Schnell kommt ein netter Kerl angelaufen und will mir helfen, die Q wieder auf die Beine zu stellen und mit den Worten „Kann ich helfen?“, greift er auch schon beherzt vorne an den Schnabel. „Neiiiin, nicht!“ Ich schaffe es gerade noch rechtzeitig ihm die richtige Stelle zu zeigen, wo er anfassen kann, sonst hätte meine Kuh keinen Schnabel mehr. Gut, gefallen tut mir der Schnabel auch nicht, aber ich mag meine Kuh halt so, wie sie ist.
Ich höre von ihm nur noch ein „Boah, is die schwer“ und nachdem wir das Mopped gemeinsam auf die Beine gestellt haben, danke ich ihm fein und orientiere mich kurz. Thomas ist schnell gefunden und ein besorgtes Gesicht guckt mich an. „Mach Dir keinen Kopp, so was passiert halt“, sage ich zu ihm. Mit einem Kratzer mehr am Sturzbügel setzen wir unsere Reise fort und leeren auf den nächsten 300 Km den mit dem preiswerten Sprit gefüllten Tank. Ich komme tatsächlich mit einer Tankfüllung etwas über 300 Km und habe einen Durchschnittverbrauch auf 100 Km von 5,12 Liter!
Irgendwann geht es dann los: Der Himmel öffnet sich und es kommt auf uns herunter. Nein, kein Sonnenschein, sondern Wasser. Unmengen an Wasser, Wasser, Wasser. Es ergießt sich ohne Ende auf uns. Bis kurz vor Orcet schüttet es. Und dann hört es schlagartig auf. War’s das jetzt mit dem Regen? Jedenfalls wünsche ich mir das.
Wie auch ich im letzten Jahr, übernachten wir auf dem Campingplatz in Orcet. Wieder einmal ist noch keine Saison. Wieder einmal gibt es kein Feierabendbier. Nachdem wir den Platz zugewiesen bekommen haben – ebenfalls, wie im letzten Jahr mit der Frage begleitet „Mit Strom oder ohne?“ – bauen wir unser Zelt auf. Thomas ist fix und alle und hochgradig genervt. Die 1000 Km waren zuviel für ihn, was er selbst sagt und sich ärgert, dass er der Strecke so bereitwillig zugestimmt hat. „Geh erstmal duschen“, sage ich zu ihm, „danach fühlst Du Dich schon ein wenig besser!“

In Orcet angekommen... Wieder mal kein Bier zu bekommen!
Ich bereite in der Zwischenzeit unser Essen auf dem kleinen Kocher vor. „Linseneintopf nach Großmutters Art“ ist auf der Tüte zu lesen. Mit einem Schmunzeln im Gesicht und Gedanken an das Grasnarbenmenü in Andorra, rühre ich fleißig im Topf herum, bis die Konsistenz an einen Eintopf erinnert. Zu trinken gibt es Wasser für mich und für Thomas einen Pfefferminztee. Nach dem Essen beschließen wir, nicht lange zu fackeln, sondern uns fix ins Bettchen zu begeben. Thomas hat seinen Schlafsack dabei, den er mir letztes Jahr geliehen hatte, ich habe mittlerweile meinen eigenen. Da ich ja die Erfahrung machen konnte, dass das gute Stück von Thomas nicht für niedrigere Temperaturen gemacht ist – ich schätze, es sind so um die 9 Grad – hatte ich bei der Wahl des richtigen Modells Wert darauf gelegt, dass der Einsatzbereich des Schlafsacks etwas größer ist und ich vor allem auch ein wenig mehr Platz habe. Also schied ein Mumienschlafsack aus und ich entschied mich für einen Schlafsack in „Eiform“. Thomas wollte sich eigentlich ein Inlet mitnehmen, entschied dann aber, dass dies nicht nötig sei. Was sich dann aber zumindest schon einmal am heutigen Abend als Fehlentscheidung beweist. Bärchen ist das egal, der schläft eh wortwörtlich, wie ein Bär. Meistens jedenfalls.
Nach ein paar letzten Worten im Zelt (Gute Nacht Jim Bob, gute Nacht Elisabeth, gute Nacht John Boy...) schalten wir die Stirnleuchten aus und ich räkle mich zufrieden im Schlafsack....