Mittwoch, 15. Mai:
Benny: mein Motto heute: Das Beste kommt zum Schluss!
Moni: Heute darf ich - offiziell - vorweg fahren.

Der Tag beginnt mit strahlendem Sonnenschein, das Wetter ist besser als erwartet, entgegen aller Ankündigungen trübt keine Wolke den Himmel. Das richtige Wetter, um auf eine Panorama-Runde zu starten. Auf dem Tourplan stehen heute Malta-Hochalm-Strasse und Nockalm-Panorama-Strasse. Tipps hierfür sowie für weitere Routenpunkte hatten wir von Forumsmitglied Gigl erhalten ("Danke!"). Aber statt Alpenpanorama gibt es erst einmal einen Kurzaufenthalt in einer Werkstatt in Lienz.
Nein, diesmal nicht wegen meiner GS. Benny hat Bedenken wegen ihrer Kette und dem ständigen, aber offensichtlich nicht effektiven Nachspannen und möchte diese lieber erst vom Profi checken lassen, bevor wir uns auf weitere kilometerreiche Etappen machen. So geht's um 9h00 nach dem Frühstück zunächst einmal in die entgegengesetzte Richtung ins nahegelegene Lienz zu Geri's Bikeshop.

Fazit des Fachmanns: die Kette ist hinüber, an manchen Stellen sogar fest, aber 800km (Tour von heute plus Heimweg) packt sie noch. Das beruhigt. Benny telefoniert gleich mit ihrer Heimwerkstatt und macht einen Termin für Freitag klar.
B: Oh, Mann, mein Kettenverbrauch ist echt nicht normal... Ich sollte über meine Putzmethode dringend nachdenken: als ich die Kette noch nicht geputzt habe, hielt sie viel länger...
Ich schaue mich derweil ein wenig um und registriere, wo andere Fahrer in Ermangelung von Platz ihr Erste-Hilfe-Set platzieren.

(Platz-)Not macht erfinderisch.
Gegen 10h00 brechen wir in Richtung Osten, nach Spittal an der Drau, auf. Nach den strassentechnischen Anstrengungen vom Vortag erwarten wir heute mehr relaxtes Sightseeingprogramm. Bis zur Malta-Hochalmstrasse zieht sich der Weg zwar flott, aber ein wenig zäh über die gut ausgebaute Bundesstrasse durchs Drautal. Interessanter wird es dann hinter Spittal, als wir ins Liesertal in Richtung Gmünd einbiegen. Hier schlängelt sich die Lieser kurvenreich durch ein kleines, zu Beginn schluchtartiges Tal, die Strasse folgt ihrem Verlauf. Da macht die Fahrt gleich wieder mehr Laune, wird aber bald durch Pkws ein wenig eingetrübt, die eine sportlich-versierte Fahrweise an den Tag legen. Bei Gmünd, wo die Malta in die Lieser mündet (daher der Name), biegen wir wiederum ab ins Malta-Tal, legen aber bald darauf einen Fotostopp ein - die Ruine der Alten Burg Gmünd sticht einfach zu sehr ins Auge, als dass man dran vorbei fahren könnte.

Heute dient die Ruine der im 13. Jh. erbauten Burg als Aufführungsort für Theaterstücke, Konzerte und Lesungen.
B: Die Schwaben unterwandern also nicht nur Berlin! Wahrscheinlich fallen Spätzle in Kärnten unter „exotische Küche“...

Künstlerstadt Gmünd.
Gmünd selbst ist neben seiner für Kärnten ungewöhnlichen mittelalterlichen Altstadt auch für das Porsche-Museum bekannt. Kurz vor Ende des 2. Weltkrieges verlegte Ferdinand Porsche die Produktionsstätte seiner Firma hierhin, wo bis 1950 die ersten Modelle des Porsche 356 gebaut wurden. Seit 1982 beherbergt die Stadt zur Erinnerung an diese Zeit ein Porsche-Automuseum.
Wir haben keine Zeit für Vierräder, rollen auf unseren 2x Zweirädern durch das Malta-Tal in Richtung Hochalm, vorbei am Fallbach-Wasserfall, dem höchsten Wasserfall Kärntens, der, von der Strasse aus gut sichtbar, 200m tief über eine Felswand ins Tal stürzt. Ich bin zu bequem zum Fotografieren, nehme aber erfreut im Rückspiegel war, dass Benny für ein schnelles Foto anhält.
B: Stolze 200 Meter! Ob das jetzt aber Kärntens höchster oder doch besser tiefster Wasserfall ist, hängt doch stark von der Perspektive ab.
Mein Fotostopp erfolgt wenig später am Ortseingang von Malta. Natürlich muss das Ortsschild zwecks karnische Geografiekunde auf Festplatte gebannt werden.

Kein Weg ist uns zu weit.
B: Und als Motorradfahrer kommt man wirklich ganz schön rum!
Sanft schlängelt sich der Weg weiter durchs Maltatal, bis wir plötzlich vor der Mautstation stehen. 9,50€ sind für Motorrad samt Fahrer zu berappen, um die letzten wenigen Kilometer hinauf zur Kölnbreintalsperre auf ca. 1.900m zu absolvieren. Ein stolzer Preis für die rund 14km lange Sackgasse, wie wir finden, zumal die Strecke für uns erst einmal mit Warten beginnt.
Im unteren Bereich der mautpflichtigen Strecke liegen mehrere einspurige Tunnel, die durch Ampelverkehr geregelt werden. Die Wartezeit für uns wird mit 20 Minuten angegeben. Genug Zeit, um entspannt das Innenfutter in die Motorradjacke einzuspannen, denke ich. Das hatte ich am Vortag im sonnig-warmen Slowenien nämlich herausgetrennt. Hier und jetzt ist es doch bedeutend frischer, zumal noch ein paar Höhenmeter zu überwinden sind. Während ich in aller Ruhe das Innenfutter in die Jacke einzippe, springt die Uhr urplötzlich um ... auf nur noch 7 Minuten Wartezeit! Huch! Das sind aber enorme Zeitsprünge! Hoffentlich heisst es nicht in einer Minute "Losfahren!"
Ich verfalle in leichte Hektik und sitze so schnell angezogen wie noch nie auf dem Motorrad. Die Uhr springt noch einmal auf 4 Minuten um, die laufen dann regulär ab, fühlen sich aber länger an.

Seltsame Zeitmessung in Österreich.
Die Ampel wird grün und wir nehmen die ersten Kurven und Tunnel, Kehrentunnel inklusive in Angriff. In den unbeleuchteten Tunnels öffne ich zwecks besserer Sicht mein getöntes Visier, sehe im Scheinwerferlicht und in Ermangelung eines Vorderradkotflügels munter das Wasser der feuchten Strasse über dem Vorderrad hochspringen.
B: Weise Entscheidung, die BMW vorausfahren zu lassen! Mit der Funzel, die sich bei der ERNA Licht schimpft, wäre kaum was zu sehen gewesen.
Es wird kühl auf dem Weg nach oben, die Farbpalette hält sich in den ebenso kühlen Farben Weiss (Schneefelder und Wolken), Grau (Felsen) und Blau (Himmel). Die Strasse endet auf einem grossen Parkplatz, sogar Busse sollen hier rauffahren, was ich mir aufgrund der eher niedrig wirkenden, einspurigen Tunnel so gar nicht vorstellen kann.

Aussicht talwärts über den Vorspeicher Galgenbichl
>>KLICK in GROSS<<
Neben einem Hotel befindet sich hier ein grosses Informationszentrum, dem wir aber keine nähere Aufmerksamkeit widmen. Die widmet Benny erst ein mal mir mit der Frage "Weshalb bist Du denn so dreckig im Gesicht?" Kurzes Grübeln - ach ja, der fehlende Vorderradspritzschutz, die niedrige Windscheibe und die nasse Strasse ... Gottseidank habe ich Feuchttücher im Gepäck und lege eine kleine Gesichtspflegeeinheit ein. Dann vergnügen wir uns an einem festinstallierten Fotoapparat, der wenn man sich auf den richtigen Punkt stellt, ein Foto mitsamt Kölnbrein-Panorama schiessen soll, das man dann im Internet abrufen kann. Wir starren konzentriert-fasziniert auf die rote Leuchte. Oh Mann, wie wird das Foto wohl ausschauen? Nun ja, nicht mit dem gleichen Panorama wie auf dem Schaubild dargestellt, wie wir später feststellen.

Und wo kommt jetzt das Vögelchen raus?
B: Herrliches Beispiel dafür, dass Außentemperatur etwas völlig individuelles ist! Der Herr links hat wahrscheinlich einfach nur seine Schuhe zuhause vergessen ;-)
B: Ein Phonomat! Hier wird man nicht nur automatisch beknipst, sondern auch automatisch besprochen!
Die Staumauer, mit 200m die höchste Staumauer in Österreich, ist in ihrer Dimension doch sehr beeindruckend, auch wenn der Stausee dagegen recht leer ist.

Kölnbreinspeicher-Staumauer
>>KLICK in GROSS<<

Nochmal Kölnbreinspeicher-Staumauer
>>KLICK in GROSS<<
In den Sommermonaten trainieren hier zeitweise Ruderer aus dem Deutschlandachter im Höhentraining auf internationale Grossveranstaltungen hin.

Kölnbreinspeicher-Stausee
>>KLICK in GROSS<<
Von Sommer ist hier aber noch keine Spur, kalt pfeift der Wind um die Ohren.

Erste Frühlingsvorboten auf ca. 1.900m Höhe.
Ich bin fasziniert vom so genannten Airwalk, der talseitig aus der Staumauer herausragt und als über dem Abgrund schwebende Aussichtsplattform mit Glasplatten im Boden ein besonderes Gefühl von Schwerelosigkeit vermittelt.

Nix für Leute mit Höhenangst.
B: Richtig! Deswegen habe ich auch dankend auf das Vergnügen verzichtet!

Kölnbreinspeicher-Staumauer
mit Airwalk
>>KLICK in GROSS<<
Und ganz Mutige können hier die höchstgelegenen Bungee-Sprünge absolvieren, wie aus Steinen gelegte Texte in der Tiefe wissen lassen.

Hier geht's abwärts!
Nö, wir schwingen uns dann doch lieber auf das Motorrad und suchen das Prickeln woanders. Zum Beispiel an einer roten Ampel vor einem einspurigen Tunnel im oberen Bereich der Strecke. Von dieser Stelle aus hat man einen schönen Blick sowohl ins Tal hinab als auch das Tal hinauf über den der Kölnbreinsperre vorlagerten Vorspeicher Galgenbichl bis auf die Sperrmauer, wie mir beim Hinauffahren schon durch den Kopf geschossen war.

Na, wie lange wohl die Rotphase anhält?

Blick bergwärts gen Kölnbreinspeicher.
Ich fummele in aller Eile den Fotoapparat aus dem Tankrucksack und steige für ein Foto von der Dakar ab. Foto im Kasten, Fotoapparat im Tankrucksack und ich will mich wieder auf die GS schwingen, mache aber die Rechnung ohne den langen Seitenständer und die zu grosse Neigung an dieser Stelle ... und bekomme die GS nicht aufgerichtet.

Zunehmende Hektik bringt da auch nix, und so hilft Benny flink aus, was sicherlich auch ihren Adrenalin-Spiegel erhöht. Just in time sitzen wir beide startbereit wieder im Sattel, als die Ampel auf Grün umspringt. Na klar sorgt das für Gelächter und Spötteleien. :-)
Aufgrund des Werkstattbesuchs, der langen Anfahrt zum Malta-Hochtal und den Ampelphasen ist die Zeit schon ziemlich fortgeschritten. Eigentlich sollte die Route weiter nördlich über den Katschberg, dann östlich über St. Margarethen im Lungau und die Bundschuh-Hochalm führen, um dann gen Süden auf die Nockalm-Panoramastrasse zu stossen, aber wir streichen stattdessen Katschberg und Bundschuh und biegen bereits bei Kremsbrücke im Katschtal, der Verlängerung des Liesertals gen Osten in Richtung Innerkrems und Nockalm-Panoramastrasse ab. Hübsch kurvig zieht sich die Strasse in Richtung Innerkrems, leider ist der Strassenbelag alles andere als angenehm glatt und Benny tut mir einmal mehr leid.
Nach wenigen Kilometern stehen wir vor der nächsten Mautstelle. 9,00€ werden für die gut 34km lange Strecke mit dem Motorrad fällig. Sie führt in 52 Kehren durch den einzigen europäischen Nationalpark "im sanften Hochgebirge" und wird als "Bikerparadies" beschrieben. Naja, die dauerhafte Geschwindigkeitsbeschränkung auf Tempo 70 ist zwar verständlich, wird aber sicherlich nicht von jedem als Bikers' dream gewertet. Dafür gibt es einen Aufkleber und ein "Gute Fahrt". Überhaupt: die Strasse wurde erst vor zwei Wochen nach der Wintersperre wieder geöffnet. Das muss allerdings aufgrund von Schneeverhältnissen, ganz sicher nicht von Temperaturen beschlossen worden sein: es ist ziemlich frisch und die Landschaft zeigt sich noch in einem winterlich-farblosen Grau-Braun, statt einem erfrischenden Grün.
B: Unter Geiern... Die harren hier auf liegengebliebene Motorradfahrer..
Na klar, deshalb die neue Batterie für die GS!

Zechner-Alm.
Da der Magen knurrt, legen wir noch ziemlich am Anfang der Strecke einen Stopp an der Zechner-Alm ein, fotografieren ein wenig das urig-skurile Äussere und studieren wenig später die Appetit anregende Speisekarte. Hmmm, Apfelstrudel? Oder Topfenstrudel? Oder doch lieber einen Germknödel? Die Wahl fällt mir schwer, aber schliesslich sitze ich zufrieden vor einem warmen Topfenstrudel, der in einer ordentlichen Portion warmer Vanillesauce schwimmt. Die Küche hat's verstanden!
Unter der Woche ist es auf der Strecke sehr ruhig. Zugegeben, wir fragen uns, ob man solche Strecken nicht auch mautfrei woanders findet, Nationalpark hin oder her. Immerhin zeigt sich mir ein flitzendes Murmeltier und wir lernen, dass Kehren hier "Reindn" heissen und zum Teil einen Paten haben. 52 Kehren auf der ganzen Strecke, da gäbe es ein wenig zu lesen, würde man denn keinen Wert auf Blickführung legen.
B: Gibt es vom Nockalmquintett ein Lied „Vergissmeinnicht“?
Ansonsten vermisse ich ein wenig eine spektaläre Aussicht. Die (emp)finde ich auch nicht auf der Schiestlscharte, der Graupen-Höhe auf 2.024m, wo wir einen kurzen Fotostopp einlegen.
B: Ging mir genauso. Ich habe selten so unmotiviert von einem Berg runter fotografiert.

Schiestlscharte, Graupen-Höhe, Nockberge Nationalpark

Aussicht von der 2.024m hohen Schiestlscharte
>>KLICK in GROSS<<
Nun, dann fotografieren wir halt statt Panorama das KTM-Auto X-Bow ("Crossbow"), das da auf dem Parkplatz steht. Ob mit diesem Gefährt bei Tempo 70 Glücksgefühle im Geschwindigkeitsrausch aufkommen?

KTM mal vierrädrig unterwegs.
B: Die Spitze auf der Nockalm!

Andächtig.
Die Zeit schreitet voran. Wir gestehen uns ein, dass ein Navi - welches wir nicht besitzen - für die Routen- und vor allem Zeitplanung doch durchaus nützlich sein kann. Wir beschliessen noch einmal, die Route zu kürzen, fahren die Nockalmstrasse bis zu ihrem Ende an der Ebene Reichenau, doch statt dann wie geplant noch weiter östlich über Hochrindl zu fahren, befahren wir die Bundesstrasse 95 gen Süden bis kurz vor Oberboden, um dann gen Westen, in Richtung Arriach abzubiegen.
B: Ein bisschen Schweiz haben wir unterwegs dann doch noch gefunden...
Uns ist eine kleine, auf der Karte weiss verzeichnete Strasse aufgefallen, die uns anzieht: die nördliche Auffahrt zur Gerlitzen Alpe. Letztere wird mit einem Aussichtssymbol auf der Karte markiert, was zur heutigen Panorama-Tour doch bestens passt.
Die gut ausgebaute 95 spulen wir flott und entspannt ab. Die kleine Verbindungsstrasse gen Arriach macht uns noch mehr Laune: klein, kurvig, auf und ab schlängelt sie sich durch den Wald. Eine gute Entscheidung, hier längs zu fahren, denke ich. Zweifle aber wenig später an meinem Orientierungssinn, als wir eigentlich längst den Abzweig zur Gerlitzen Alpe erreicht haben müssten.
An einer Stelle stossen wir auf Parkplatz, Sessel- und Schlepplifte. Ich muss an unseren gemeinsamen Vogesen-Trip im Vorjahr denken, als wir auf der Karte "Eremitage" lasen, dies als "Einsiedelei" interpretierten, hinfuhren und feststellten, dass dies der Name für ein Skigebiet war.
Es folgt ein intensives Kartenstudium.
B: Auf der Suche nach dem verlorenen Weg. Wir waren aber noch auf der richtigen Spur.
Nein, der Abzweig müsste noch kommen, und tatsächlich geht wenig später links ein kleines Strässchen ab mit einem ebenso kleinen Hinweisschild "Gerlitzen Alpe". Wir passieren eine kleine, nicht besetzte Maut-Hütte. 7,00€ würde der Spass kosten, aber heute ist es for free.
B: Das Abenteuer wäre die 7 Euro aber wert gewesen!
Wir nehmen die Auffahrt in Angriff. Die Strasse führt durch den Wald, zwischenzeitlich zwischen Weiden und vereinzelten Häusern durch, versehen mit ein paar Kehren, und dann wieder durch den Wald. Plötzlich stehen wir vor einem mit lauter Tannenzweigen bedeckten Abschnitt. Baumfällarbeiten, aber kein Mensch zu sehen. Was tun? Just als Benny absteigen will, um die Strasse selbst freizuräumen, fällt wenige Meter vor uns eine Tanne zu Boden.

Ä Tännsche! (von rechts oben)
B: Okay, da hab ich beschlossen, das Wegräumen doch lieber den Profis zu überlassen....
Ups, da halten wir doch lieber die Füsse still, als von oben ein Baggerfahrer beginnt, mit der Schaufel die Strasse freizuräumen. Ich grinse vor mich hin, habe ein Déjà-vue-Erlebnis aus dem Vorjahr ("Mädelstour mit Mimoto und Glider") und kann mir schon vorstellen, was manNch einer beim Lesen des Berichts denken wird.
Der Weg ist frei für den weiteren Aufstieg und die kleine Strasse zieht sich in teils engen und dreckbehafteten Kehren nach oben. Wir passieren noch einmal Waldarbeiter, die uns erstaunt anschauen - kommt wohl nicht so häufig vor, dass sich hier junge Motorradfahrerinnen als Gipfelstürmer erweisen? Wenig später verstehe ich auch deren erstaunten Blick: der Asphalt hört auf, die Strasse verläuft im unbefestigten Zustand weiter, der Gipfel ist noch nicht in Sicht. Was tun? Benny ist hin- und hergerissen, die Lust auf Schotter und eventuellen Wendemanövern hält sich in Grenzen. Aber so kurz vor dem Ziel aufgeben?
Die Entscheidung wird uns abgenommen, als ein Jeep von oben kommt. Ich frage den Fahrer, wie weit es noch bis zum Gipfel ist und in welchem Zustand die Strasse ist/bleibt. Antwort: Noch ca. 1km und gleichbleibender Strassenzustand. Ein Blick zu Benny? Das ist machbar, oder?
B: Na denn, wenn schon in Slowenien keinen Schotter, dann also hier. Und auf ging's. Bei der ersten von 3 Kehren grummelte das Benny nur in ihren Helm „und wehe, es hat da keine Aussicht...“
Als "gut" würde ich den Strassenzustand mit den enormen Auswaschungen zwar nicht bezeichnen, die eingebauten Kehren sorgen auch nicht gerade für Entspannung, aber das Gefühl bei der Ankunft auf dem Gipfel und die dort herrschende Aussicht sind jede Anstrengung wert!

Angekommen.

Routenplanung.

Aussichtspunkte.
Was für ein Panorama hat man von dieser ca. 1.900m Gerlitzen Alpe! Ein Bergrestaurant, stillgelegte Sklifte, eine Sternwarte, eine Aussichtsplattform - und wir mittendrin.
B: Jawoll, wir haben den Berg bezwungen! Und das bei den Schneeverhältnissen ;-)

Wirkt wie eine Windmühle, Flügel wegen Sturmgefahr gekappt.

In alle Himmelsrichtungen.
Wörthersee, Ossiacher See, Faaker See, Millstätter See, Weissensee liegen uns zu Füssen, Villach, die Hauptstadt Kärnten breitet sich aus, im Hintergrund die Alpenkette bis hin zum Mangart, der stolz aus der Kette der Julischen Alpen herausragt.
B: *Reiseführermodus an* Zu unserer Linken sehen Sie den Faaker See...
B: Und hier sehen Sie den Wörthersee, bekannt aus Funk und Fernsehen *Reiseführermodus aus*
Und wer noch mehr wissen will: Kärntens älteste Bergbahn, die von Adolf Bleichert & Co. gebaute Kanzelbahn, führt seit Jänner 1928 von Annenheim auf die Kanzelhöhe, einen Vorgipfel mit einem Observatorium der Universität Graz....

Aussicht soweit das Auge reicht.
>>KLICK in GROSS<<

Noch mehr Aussicht.
>>KLICK in GROSS<<
Wir vergessen die Zeit, schlendern herum, schiessen Fotos wie die Bekloppten (ich zumindest, um Panoramafotos zu erzeugen), können uns nicht sattsehen.
B: Commander Moni T. Kirk auf der Brücke

Die Julischen Alpen im Visier.

Ist er's?

Er ist es!
B: Und erstaunlich wenig Wolken um den Gipfel!!
B: PUSCHELGRAS!!! Ich bin wieder mal entzückt!!
B: Alle Sehenswürdigkeiten auf einen Blick!
Deutlich später denken wir dann doch daran, dass wir noch ein paar Kilometer bis zum Hotel vor uns haben, und machen uns auf den Rückweg, den wir noch einmal umdisponieren. Wir passieren ein weiteres Mal die erstaunt dreinblickenden Waldarbeiter, die vermutlich wesentlich früher mit unserer Rückpassage gerechnet haben. Ha! Unten im Tal setzen wir unsere Fahrt in Richtung Arriach, dem geografischen Mittelpunkt Kärntens fort. Hier legen wir aber keinen Stopp mehr ein, könnten es wohl eh nicht prüfen, ob die Mittelpunkt-Angabe stimmt.

Strassenführung in Kärtnen mit floraler Deko.

Stattdessen passieren wir Orte wie Innere Einöde und Äussere Einöde und rollen über ein hübsch kurviges kleines Strässchen durch den Wald nach Puch, um dann über eine Nebenstrecke bis Feistritz an der Drau und somit wieder in die Zivilisation zu gelangen. Das bedeutet auch mehr Strassen, mehr Abbiegemöglichkeiten und durchaus erschwerte Bedingungen für Fahrerinnen ohne Navi.
B: Navis werden völlig überschätzt...
Ich weiss, dass wir hier in Feistritz eine links-rechts-links-links-Kombination vor uns haben, verpasse aber den letzten Links-Abzweig, weil der mal wieder a) eine sehr kleine Strasse und b) nicht mit dem mir bekannten Ortsnamen ausgeschildert ist. Immerhin funktioniert mein Orientierungssinn, so dass ich kurz darauf wende und schnell die Richtung nach St. Stephan im Gailtal gefunden habe. Ein Schild "24% Steigung" taucht vor uns auf. Hui, in der Tat, das ist ja eine gefühlte Wand! Immer schön am Gas bleiben und hoffen, dass auf der schmalen Strasse kein Gegenverkehr kommt.
Bald darauf stossen wir auf eine etwas breitere Strasse (später stelle ich fest, dass wir die links-rechts-links-links-Kombination auch hätten einfacher haben können), die bergauf, bergab und hübsch kurvig über Kreuzen, die Windische Höhe und Bennys Trauma-Ort Matschiedl (Hoppelstrecke extrem hoch zehn) hinunter nach St. Stephan führt. Weniger hübsch ist dagegen die dunkle Wolkenfront, die von Süden über die Bergkette gezogen kommt. Na, ob wir es trocken bis zum Hotel schaffen? Eine spannende Frage. Und immer wieder ein faszinierender Anblick, wie sich Sonnenstrahlen durch die bedrohlich wirkenden Wolken bahnen. Eine Atmosphäre mit Weltuntergangscharakter, die ich zu gerne hätte fotografisch festhalten wollen. Allerdings sitzen mir doch Zeit, Wetter und auf der Bundesstrasse 111 zu viele Autos im Nacken. Eine Fotoknipse im Kopf wäre jetzt prima.
Über Hermagor geht die Fahrt flott bis nach Kötschach-Mauthen. Kurze Absprache zwecks Tankstopp oder nicht, aber Bennys ERNa kooperiert, will vermutlich angesichts des drohenden Wetters auch so schnell wie möglich in den Stall, so dass wir den bedrohlichen Wolken den Rücken zu kehren und zum Endspurt über meine Lieblingsstrecke antreten. Wie schon am Vorabend läuft es wieder prima und ich lasse die kleine GS fliegen. Das Grinsen sitzt fest im Gesicht, als wir am Hotel ankommen. Huch, Überfüllung in der Motorradgarage. Eine grössere Gruppe aus dem Kreis Bramsche hat sich breit gemacht. Wir finden dennoch ein Plätzchen, huschen schnell auf unser Zimmer um uns frisch zu machen und sitzen wenig später hungrig, aber völlig zufrieden am Tisch, lassen bei Brathendl mit Pommes den Tag Revue passieren.
370km sind es tatsächlich geworden. Wie wäre es wohl zeitlich ausgegangen, wenn wir die Route wie geplant über Bundschuh- und Hochrindl-Hochalm vollzogen hätten? Nein, es ist gut, dass wir kurzfristig umdisponiert haben, nicht zuletzt wegen der schönen kleinen Strässchen, die wir so entdeckt haben.
Wir liegen zeitig im Bett. Für den nächsten Tag stehen Abreise und somit über 500km Strecke an. Hoffentlich wird das Wetter nicht so schlecht wie vorhergesagt. In den letzten Tagen war dies ja auch immer der Fall.