Auf heute und das folgende Wochenende habe ich mich schon eine ganze Weile gefreut. Heute geht es in den Harz und das alleine mit meiner Frau Edyta, das erste mal seit 17 Jahren ohne die Kinder. Es ist für uns beide unglaublich spannend wie diese Geschichte ausgehen wird. Haben wir uns noch was zu sagen? Werden wir beim essen mit einander reden oder werden wir uns anschweigen, wie so viele andere Paare, die wir ab und zu im Restaurant beobachten?
»Wie soll ich das alles in diesen kleinen Beutel bekommen?« Meine Frau rennt mit einer Innentasche meiner Variokoffer wedelnd durch das Schlafzimmer. Gerade so, als würde diese dadurch größer werden, was ich für ausgeschlossen halte. Ich habe meinem meckernden Kampfzwerg sogar den rechten Koffer zu gewiesen, der weit aus mehr Platz bietet als mein kleinerer, bescheidener linker Koffer. Ich für mich habe nur eine dünne Hose, die sich noch zu einer „kurzen Hose“ umarbeiten lässt, T-Shirt, Unterwäsche und meine Chucks dabei. Dazu eine dünne Fleesjacke und Zahnbürste samt Zubehör. Das ist dann auch so in etwa die Konfiguration die ich im August mitnehmen will. Auch habe ich beschlossen die Koffer auf „Groß“ zu stellen, womit diese an 1/3 Volumen gewinnen. Also nach männlichen Ermessen, mehr als genug Platz. »Gewöhn dich dran, mehr Platz gibt es nicht.« Als Antwort erhalte ich ein langgezogenes „Thzzz“ und ein verzweifeltes Kopfschütteln. Für mich wird diese Kurzreise, Gepäck- und Equipment-Technisch auch ein Test für meine Fahrt nach Norwegen, die im August ansteht. Ich will testen ob mein selbstgefertigter Tankrucksack funktioniert und wie ich mich auf der Fahrt am besten organisiere. Meine Frau dient mir ja eigentlich als Gepäckrollenersatz. Wie viel wird sie wohl jetzt wiegen? Vor den Kindern waren es, verbrieft, um die fünfzig Kilo, jetzt sind es sicher ein bisschen mehr. Wie viel wage ich nicht zu fragen. Wäre ein denkbar schlechter Anfang für eine Wochenende zu zweit.
»Ich bin schon lange fertig und um Punkt 10:00 Uhr ist Abfahrt!« »Ja, ja« - schallt es aus dem Bad. »Laber nicht!« Irgendwie versucht sie gerade zu entscheiden welche Tages-, Nacht-, Augen-, Gesichts-, oder Körpercreme sie einpackt oder welche sie hier lässt. »Schatz, das brauchst du doch gar nicht. Du hast doch ne Haut wie ne zwanzigjährige.« Versuche ich mich einzuschleimen. »Zwanzigjähriger Pfirsich vielleicht.« erwidert sie. Gute Selbsteinschätzung, will es mir entfleuchen, doch ich kann mich zurück halten. Ich tue das einzig richtige, ich hole das Moped aus der Garage und werde schon mal meine Sachen verstauen. Den Rest überlasse ich der freiwilligen Selbstkontrolle meiner Frau. »Ich gehe schon mal vor, du kommst wenn du kommst, Schatz.« - »Tue ich doch immer!« - Gut, könnte man auch auf verschiedene Art und Weise auslegen. Ich verabschiede mich mit ein paar mahnenden Worten von meinem großen Sohn, knuddele noch mal mein kleines Paulchen und mache mich auf den Weg in die Garage.
Die Koffer habe ich schon montiert und das einzige was bleibt ist mich in die Funktionsunterwäsche zu schießen, mir die Motorradklamotten anzuziehen und noch mal Reifendruck und Öl zu kontrollieren. Ich packe den Tankrucksack mit der Kamera und meine Tasche in den linken Koffer und rolle langsam vor das Haus. Dort angekommen betrachte ich den Himmel. Im Südosten ist der Himmel schwarz. Regen ist angesagt und ich mache mir, ob des Anblicks keine großen Hoffnungen mehr, dass wir trocken in den Harz kommen. Ich entschließe mich auch schon mal die Gummihosen anzuziehen. Vorsorglich. Dieses rumgerödel auf einem Autobahnparkplatz brauche ich unterwegs nicht. Wir haben vor, heute über die Autobahn die schnelle Nummer bis kurz hinter Magdeburg zu machen. Ab dort geht es dann hoch in den Harz, Quedlinburg, Hexentanzplatz, Rabbodetalsperre und dann Richtung Hotel in Wernigerode. Pünktlich kurz vor 10:00 Uhr erscheint dann auch meine Frau. Schnaufend und die Schultern ungemütlich in der Motorradjacke hin und her schiebend, gibt sie mir zu verstehen, dass sie den Rückenprotektor, auf den ich bestanden habe, für absolut unpraktisch und hinderlich hält. »Ich fühle mich wie ein Michelinmännchen.« Wütend hält sie mir ihre Tasche entgegen. Diese bläht sich so sehr auf, dass ich echt nachdenklich werde ob der Reißverschluss den Inhalt bändigen kann. Obwohl die Innentaschen genau auf das Maß der Koffer gearbeitet sind, bekomme ich kaum den Deckel zu. Das können nur Frauen, den letzten Mikrometer Platz ausnutzen, der ihnen zur Verfügung stehen.
Pünktlich mit meiner Frau erscheinen nun auch unsere Rentner, das „Silberpudelrudel“. Manche der Damen kennen mich noch aus Kindertagen und haben schon immer Anteil an unserem Leben. Oma Voigt zum Beispiel sieht alles, weiß alles und passt immer auf wie eine Schießhund. Gott sei dank mögen mich die Ladys und meine Frau hat solch eine unverbindlich nette Art, die sehr gut ankommt. Oma Voigt hat versprochen auf unseren Kronsohn ein Auge zu werfen. »Passt schön auf, es soll ja regnen!« »Wird schon Lilo, wir sind ja nicht aus Zucker.« Meine Frau bringt das mit dem duzen nicht so über die Lippen. »Frau Voigt, danke noch mal das sie ein Auge auf Max werfen.« - »Klar kein Problem, ich pass schon auf.« Kann ich mir vorstellen. Ich glaube Lilo weiß, wenn wir wieder kommen minuziös was Max so alles getan und oder auch nicht getan hat. Irgendwie auch eine beruhigendes Gefühl. Oma Krug aus dem zweiten Stock muss auch noch was los werden. Sie steht nun auch schon am Fenster und flötet auf uns herab: »Ja damals habe ich mit meinem Mann auch immer Touren mit dem Motorrad gemacht« - Das muss dann so irgendwie in den fünfziger Jahren gewesen sein - »Passt mal schön auf und nicht zu schnell fahren!« Immer wieder schön, das wir hier das Highlight für unsere „Reumacreme-Clique“ sind. »Jup passt schon, ich fahre vorsichtig.«
Jetzt fehlt nur noch Opa Gerd aus dem dritten Stock, der mir immer mal helfen will den Vergaser einzustellen. Das meine GS eine elektronische Einspritzanlage hat, weiß Opa Gerd bis heute nicht! »Läuft ja ein bisschen zu fett, der Hobel, nicht?« - Klar! Und da ist er auch schon. Opa Gerd bringt mal wieder den Pfand zu Netto. Das macht er immer wenn er von seiner Frau so ein bisschen die Nase voll hat. »Ick globe dit wird nischt, mit dit Wetter!«, entfährt es ihm mit einem schiefen Lächeln. »Ach dit wird schon, wir sind ja keene Lutscher!« erwidere ich kurz. Um keinen weiteren Austausch zu Wetter und Kriegsgeschichten zu provozieren, mache ich mich fertig und setze den Helm auf. Meiner Frau gebe ich mit kurzen auffordernden Nicken das Kommando es mir gleich zu tun. Sie guckt ein bisschen verdutzt und tut es mir, mit entschuldigen Schulterzucken Richtung Nachbarn gleich. Aufsitzen und los. Der Hinweis das meine Vergaser mal wieder falsch eingestellt ist geht bei unserer Abfahrt unter. Stur lächeln und winken.

Endlich unterweGS, so will ich das. Ein bisschen schwerer ist die Fuhre schon, wie ich beim losfahren merke. Und ein bisschen kippliger auch, was an dem jetzt höheren Schwerpunkt und an den vielleicht doch etwas mehr als fünfzig Kilo meiner Frau liegen mag. Ich muss aufpassen, das merke ich beim anhalten an der ersten Vorfahrtstrasse, das Kippmoment ist größer, ich muss die Fuhre bewusster abfangen und zwei mal mit dem Bein nach treten.
Wir fahren zügig aus Berlin heraus, Richtung Autobahn. Heute ist kaum Verkehr und ich hoffe das sich die meisten schon am Freitag auf den Weg ins lange Wochenende gemacht haben. Regnen tut es auch noch nicht, aber das ist heute nur eine Frage der Zeit. Das Schönefelder Kreuz und die anschließende A10, den Berliner Ring und eine kurze Überprüfungspause, ob noch alles sitzt haben wir gerade hinter uns gebracht und fahren auf die A2 Richtung Magdeburg. Da geht der Himmel auf. Es schüttet wie aus Eimern. Ich habe vor der Abfahrt schon alles dicht gemacht und freue mich eigentlich ein bisschen, meine neue „Rukka“ unter diesen Extrembedingungen testen zu können. Ich habe den Neoprenkragen dran, so das der mit meinem Schuberth C3 einen direkten Abschluss findet. Ich trage Regenhandschuhe und das meine Daytona-Stiefel absolut wasserdicht sind, haben die schon mehr als einmal bewiesen. Eigentlich sollte alles super sein. Einzig um meine Frau auf dem Soziussitz mache ich mir ein bisschen Sorgen. Die Kleine sitzt zwar hinter mir geschützt, aber ihre Stiefel werden wohl den Schwachpunkt bilden.


Eigentlich ist sie beim Thema Schuhe nicht so, aber als wir für sie die Motorradstiefel ausgesucht haben, macht sie einen auf Sparfuchs. »Für die paar Mal fahren, gehen auch Schnürstiefel.« Ich habe mit Engelszungen auf sie eingeredet. »Du kaufst die Stiefel für das eine Mal, wenn es richtig eimert!« Meine Warnungen und gut gemeinten Hinweise gingen in einem Argumentationsschwall über „riesige Schuhe“ in den man nicht laufen kann unter. Ich denke das eine Mal haben wir gerade jetzt. Zügig aber vorsichtig ziehe ich die Nummer auf der Autobahn durch. Interessanterweise ist mal wieder die ganze rechte Spur leer, hingegen sich auf der Mittel- und der linken Spur ständig diese Vollhonks und Schlaumeier in die Quere kommen. Ich versuche mich aus den Machtkämpfen so gut es geht rauszuhalten. Es ist inzwischen so wie in einer Waschmaschine im Vollwaschgang und die Sicht ist sehr eingeschränkt. Nach ein paar übermotivierten Rausziehern vor mir, komme ich zu der Erkenntnis das ich was für meiner Sichtbarkeit tun muss. Ich hasse zwar solche vollgehangenen Schnick-Schnack-Mopeds aber eine paar Nebelscheinwerfer werde ich wohl doch nachrüsten. Geplant und angepeilt habe ich den ersten Tank- und Pausenstopp in Egeln-Nord auf der Tamoil an der B81, Richtung Halberstadt und Harz-Vorland. Eigentlich der einzige Anlaufpunkt für alle die aus Richtung Autobahn und Magdeburg kommen und nach Kaffee und Benzin darben. Es schüttet immer noch und ein paar Griffe an die Oberschenkel meiner Frau und ein erwiderndes drücken meine Hand, sagen mir das sie noch lebt.
Wir erreichen mit zwei Bikern aus Greifswald zusammen die Tankstelle. Ich steuere die erste freie Säule an und erwarte eigentlich nach dem Stopp, das sich meine Süße behände aus dem Soziussitz erhebt. Es dauert aber doch ein bisschen länger, bis sich hinter mir was bewegt. Sie steigt ab und stellt sich links neben die Maschine. Was ich sehe ist ein herzzerreißendes, elendes Häufchen, frierendes Elend. Mit hängenden Schultern, langsam von einen auf den anderen Fuß tretend, versucht sie sich die augenscheinlich völlig durchweichten Leder-Handschuhe von den Händen zu ziehen. Nach dem sie einen ausgezogen hat, lässt sie ihn fallen. Platschend fällt der auf den Boden. Sie schüttelt den zweiten ab und schüttelt die Arme um das Wasser los zu werden, das aus ihrer Jacke läuft. Mit zitternden Händen versucht sie Ihren Helm auf zu klappen, was ihr aber nicht gelingen will. Ohne Gegenwehr ziehe ich sie, immer noch auf dem Moped sitzend zu mir heran und helfe ihr. Nehme ihre eiskalten Hände in die meinen und versuche mit einem Blick in Ihre Augen festzustellen, wie es um ihre Lebensgeister bestellt ist. »Ich erfriere, in meinen Schuhen steht das Wasser.« Sie schluchzt eigentlich nur. »Komm geh rein, setzt dich neben die Heizung ich tanke und komme gleich.« Mit einem leisen »Ist gut« entfernt sie sich langsam und quietschend Richtung Restaurant. Die beiden Greifswalder haben inzwischen ihre Maschinen betankt und abgestellt und pellen sich aus ihren Klamotten. Einer, ein Sitzriese mit einer Duc und der andere mit eine nackigen Kawasaki. Beide gucken mich an, grüßen kurz und schütteln verzweifelt den Kopf. Der Kleine hat eine Lederkombi ohne Regenkombi an und bekommt diese irgendwie nicht auf.
Mir hingegen geht es gut. Ich mit meinem Konzept, Gummiregenhosen über Goretexhosen, die ich mir bis zur Brust hochziehen kann, quasi noch über der Goretex-Jacke, bin trocken und warm. Einzig mein rechter Daumen ist nass, da ich falscher Weise, die Stulpen der wasserdichten Unterjacke in die Handschuhe gesteckt habe. Da das Wasser aus der Membran in den Handschuh gelaufen ist und der Daumen den untersten Punkt bildet, ist hier das Wasser reingelaufen. Ich tanke und schiebe die Maschine vor die Fenster des Restaurants. Meine Frau sitzt drinnen, hat sich bereits ihrer Jacke entledigt und sucht die Wärme der Heizung. Die Temperatur ist seit Berlin von 27° auf 12° gefallen, so das hier Gott sein dank sogar geheizt wird. »Schatz wie geht es dir?« Mitleidsvoll zuckt sie mit den Schultern. »Mir steht das Wasser in den Schuhen.« Ich nehme sie erst mal in den Arm und reibe ihren Rücken. »Willst du dich erst mal trocken legen?« »Der Kloschlüssel ist nicht da, da ist schon einer die ganze Zeit drauf und die stehen an.« Das die sich hier aber auch wirklich nur ein Tankstellenklo, trotz Imbiss, leisten ist schon verwunderlich. »Ich hole erst mal heissen Kaffe, OK?« Die mittelalte Dame hinter dem Tresen hat unsere Konversation verfolgt und als ich mich ihr zu umwende, flöttet sie schon: »heisser Kaffee, kommt sofort!« Ach, Püppi hat aufgepasst, sehr aufmerksam. »Ich mache auch gleich die Tür zu, dass zieht ja wie Hechtsuppe.« Ich nehme ihr den Kaffeebecher ab und drücke ihn meiner Frau in die Hand. Die legt dankbar ihre klammen Finger um die Tasse und und schlürft vorsichtig den heissen Kaffee. Ich bestelle noch für uns beide etwas zu essen, Gurrywurst mit Bratkartoffeln und zahle für das ganze keine 12 Euro. Endlich ist auch der Kloschlüssel da und meine Frau geht erst einmal ihre Füsse trocken legen. Ihre Handschuhe habe ich aufgesammelt und diese über die Heizung gelegt. Das ganze ist nur noch eine labbernde Ledermasse und hat so gar nichts mehr mit der Form von Handschuhen gemein. Gut das ich noch Ersatzhandschuhe dabei habe, mit denen meiner Frau können wir erst mal nichts mehr anfangen.

Nach einer guten Stunde Pause und einem Schwatz mit den nicht minder durch gefrorenen Greifswaldern, fahren wir weiter. Ich habe mich entschlossen nicht ins Harzer Vorland abzubiegen, sondern direkt weiter nach Halberstadt zu fahren und einen Polo, Louise oder ähnlichen Laden zu suchen, um hier Schuh- und Handschuhtechnisch nachzubessern. Es gießt nicht mehr, sondern es regnet nur noch, das aber beständig. Ich fahre in Halberstadt die erste Tanke an, um nach dem Weg zu einem Motorradzubehörfachgeschäft zu fragen. Der junge Mann hinter dem Tresen schaut mich aber nur verständnislos an. Ein Kunde hat meine Frage verstanden und weißt uns den Weg zu einem Yamaha- und KTM-Händler. Polo oder Louise gibt es erst wieder in Gosla. Gut, Versuch macht klug. Nach kurzer Fahrt erreichen wir den beschriebenen Laden. Schade Samstag nur bis 12:00 Uhr geöffnet. Es ist aber mittlerweile schon 14:00 Uhr, so das aus dem Nachkaufen für meine Frau nichts wird. Inzwischen quietscht sie nicht mehr beim laufen und scheinbar geht es es ihr auch wieder eine wenig besser. »Warm werde ich heute nicht mehr«, bescheinigt sie mir nach kurzer Nachfrage. »Aber lass uns weiter fahren«, tapfer die Kleene! Also machen wir uns auf, Richtung Quedlinburg, der Perle des Harzes. Kaum rollen wir wenig später in Quedlinburg ein, hat Petrus ein Erbarmen und es hört auf zu regnen. Ich parke direkt an der Burg und dem Zugang zur Altstadt. Parkplatzsuche mit dem Moped ist immer wieder eine Freude. Mittelaltermusik dringt vom Marktplatz zu uns. Der Zugang zum Markt ist auch abgesperrt, was darauf schließen lässt dass hier Mittelalterspiele im Gange sind. Wir müssen als Wegezoll jeder 7,00 Euro bezahlen, erhalten einen Stempel auf die Hand, was mir wenig mittelalterlich erscheint aber immer noch besser ist als gebrandmarkt zu werden. Wir erreichen den Marktplatz und finden uns in einem mittelalterlichen Markttreiben wieder. Ein Schmied, ein Mundschenk der Met und Würste anbietet und eine paar Schausteller bilden die Kulisse. Ich zücke die Kamera und mache mich auf den Weg. Meine Frau bestellt sich erst mal einen heissen Met und versucht weiter hin auf Betriebstemperatur zu kommen. Ich gehe über den Marktplatz und versuche in Stimmung zu kommen. So ganz will das allerdings nicht gelingen. Die Gestallten die hier den Pöbel darstellen, sind auch genau von diesem Schlage und sehen alle etwas griesgrämig und unmotiviert aus. Ich schaue dem Schmied zu, der wohl einen Teufelskopf anfertigt und verfolge ein paar Schausteller die sich redlich bemühen die wenigen Schaulustigen zum Mitmachen zu animieren. Eine junge Dame mit schwarzen Haaren, im langen schwarzen Gewand und Schnabelschuhen, die im Mittelalter sicherlich ob ihrer Aufmachung nicht lange dem Scheiterhaufen entkommen wäre und ihr Partner, der zu seinem ebenfalls mittelalterlichen Aufzug eine „John-Lennon-Sonnebrille“ trägt, versuchen sich im Scherben laufen. Mit mäßigen Erfolg. Ein Burgvoigt früherer Zeiten hätte wohl beide auspeitschen lassen, um wenigstens ein bisschen Stimmung in die Bude zu bringen. Nach dem ein paar Bilder gemacht sind und meine Frau nach zwei!!! Bechern heissen Met wenigstens in Stimmung, wenn auch nicht wieder warm ist, wenden wir uns dem Rest der Innenstadt zu. Es wird ein kurzer Rundgang. Ergiebig ist die Perle des Harzes nicht gerade. Ich komme aber wieder, um dann auch mal die Burg zu erkunden, die wir heute ausgelassen haben.





































Auf dem Rundgang habe sich zwei Sachen gezeigt. Mein Foto-Tankrucksack ist ein Griff ins Klo. Zu groß, zu unhandlich. Da muss nachgebessert werden. Ein Fotorucksack muss her, der groß genug ist um die SLR mit Batteriegriff, plus Tele, plus ein bisschen Zubehör aufzunehmen aber noch im Tankrucksack verstaut werden kann. Und der Helm muss irgendwo an Moped bleiben. Das Rumgeschleppe in Norwegen will ich mir ersparen.
Wir machen uns auf Richtung Thale, zum Hexentanzplatz. Ein Pflichtbesuch!? Nach kurzem rumeieren in Thale, zwecks nicht richtig ausgeführten Umleitungen erreichen wir den Hexentanzplatz. Eine Schranke versperrt die ungehinderte Einfahrt auf den Parkplatz. Ich könnte auch ohne Ticket auf den Parkplatz fahren. Die Experten des heimischen Bauamtes haben die Schranke zu kurz bestellt und ein paar findige Stadtbedienstete haben an das Ende der Schranke ein Stück Besenstiel getapt. So das man, ihrer Meinung nach, nicht mit dem Moped daran vorbei fahren kann. Der Besenstiel ist aber schon nach innen gebogen, sogar „Willi Lustig“ mit seiner voll ausgestatteten Goldwing, könnte beherzt daran vorbei fahren. Da zwei Kameras auf uns gerichtet sind, versuche ich es aber brav mit Ticket ziehen. Also ran an die Säule und Knöpfchen gedrückt. Darauf erscheint im Display: „Fehler, kein Ticket ohne Fahrzeug“. Man hat also auch an der Detektionsschleife gespart! Na super. Meine Frau bedeutet mir, das sie absteigen will und ich ein bisschen vor fahren soll damit das hier klappt. Also gesagt getan. Mausi steht an der Säule und ich fahre eine bisschen vor. Denkste! „Fehler, kein Ticket ohne Fahrzeug“! Gut dann hat sich das. Ich fahre easy an der Schranke vorbei und warte auf meine Angetraute. Wer nicht will, der hat schon. Zumindest unsere Bemühungen sollten ja digital gespeichert sein. Wir parken auf den vorgegebenen Motorradstellplätzen. Es ist wenig los. Wegen dem miserablen Wetter trauen sich wohl kaum Mopedfahrer an den sonst gut besuchten Platz. Für meine Begriffe ist eh sehr wenig los für Pfingsten. Sollten wir hier Schwein haben und das Wochenende wird ruhig, ohne Menschenmassen!?

Ich lege meine Regenhandschuhe auf die Zylinder des Boxers. Ich liebe Boxermotoren! Das nicht nur wegen der unvergleichlichen Motor-Charakteristik. Wir machen uns auf den Ausblick zu genießen und ich schaffe es ein paar Fotos zu machen. Das rumgeschleppe des Tankrucksacks ist wirklich nicht förderlich. Wir kehren in das lokale Lokal ein. Früher, zu Ostzeiten, musste man hier anstehen, trotz Selbstbedienung. "Sie werden platziert" mahnte damals das obligatorische Schild am Eingang. Heute ist es relativ leer. Selbstbedienung gibt es aber immer noch. Wir suchen uns einen Platz am Fenster mit Ausblick auf das Harzer-Vorland und ich mache mich auf um Kaffee und was zu trinken käuflich zu erwerben.




Am Tresen treffe ich den typischen Tresenmann. Ein bisschen dusselig guckend und scheinbar dem selbst gezapften Bier nicht abgeneigt. Das Hemd, Schürze und die Hose, alles noch HO/Konsum-Standart, lässt mich kurz überlegen, ob die den hier vergessen haben und das wenn ich ihm mitteile „die Mauer ist offen“, er jubilierend Richtung Braunlage rennt. Ich kann mich zurück halten, frage aber: »Wenn sie mir eine große rote Fassbrause und eine heisse Tasse Muckefuck anbieten könnten, würden sie mich sehr glücklich machen.« Er guckt mich völlig konstatiert an. »Wir haben nur Jacobs und Apfelschorle aus dem Hahn«. Schade in mir zerbricht etwas. »Na denn halt so wat«. Er guckt mich immer noch völlig leer an. »Also was, eine große Apfelschorle und einen Pott Kaffee?« - »Na sag ick doch!« Den Kopf schüttelend und etwas, das ich nicht richtig verstehe, so was wie „Scheiß Touristen“ murmelnd, zapft er mir aus dem Cocke-Zapf-Ding eine Apfelschorle und füllt einen Pott mit Kaffee - »12,00 Euro bitte« - na da schlag ich doch fast lang hin. Alleine 8,00 Euro für die Apfelschorle. »Sag mal pressen hier bei euch Nubische Prinzessinen die Äpfel zwischen ihren Schenkel aus und ist euer Kaffee etwa original Kopi Luwak aus Sumatra?« Ich bin echt erschüttert.
»Kopi watt? 12,00 Euro bitte!« Das du keinen Kopi Luwak oder salopp gesagt Katzenkaffee kennst, hätte ich mir ja denken können, murmele ich in meinem Bart und lege 12,00 Euro auf den Tisch. »Stimmt so!« sag ich und ziehe beleidigt mit meinen Getränken ab. Ich gebe meiner Frau meinen Unmut kund, ob der Preisgestaltung in dieser Lokalität. Doch hört sie meinen Beitrag über Sumatraschleichkatzen und Kaffe aus Java nicht wirklich zu, sie wärmt sich lieber wieder ihre Hände an der Tasse Kaffee. Ich glaube Mausi wird heute wirklich nicht mehr warm.

Nach einem kurzen Rundgang wenden wir uns wieder dem Parkplatz zu und bereiten unsere Weiterfahrt vor. Ich habe mir Seidenunterhandschuhe besorgt und finde richtig gut, das zumindest diese Idee fruchtet. Mich hat es immer angekotzt, sich beim Ausziehen der Regenhandschuhe das Innenfutter mit rauszuziehen. Das wieder reingefummel empfand ich immer als nervend. Mit Seidenunterhandschuhen zieht sich nichts mehr raus und man kommt super wieder rein, Klasse! Die Handschuhe sind auch dank der Trocknung auf den Zylindern der BMW wieder trocken und fühlen sich wieder leicht und trocken an. Wir schnallen auf und steuern die Schranke an. Ich halte kurz an. Die Kameras sind ja immer noch da! Da ich solche Systeme selber auch berate und verkaufe, weiß ich auch warum die in Richtung Ausfahrt gerichtet sind. »Schatz kannst du bitte das Kennzeichen zu halten.« Meine Frau die in der selben Branche arbeitet, überlegt nicht lange und legt sich nach hinten. »Und los.« schallt es von ganz hinten. Ich liebe sie, wirklich! Und wie gelenkig sie noch ist! »Rrrrrrrrr« mache ich und umkurve den Besenstiel. In entsprechender Entfernung schwingt sie sich wieder nach vorne. »ICH LIEBE DICH« raune ich ihr zu und sie streicht über den linken Arm.

Ich versuche die Rappbodetalsperre anzusteuern, doch ist hier wieder eine Umleitung und so langsam habe ich es satt. Mein Navi ist nicht das jüngste und „Routenpunkt überspringen“ kennt das „TomTom Rider II“ gar nicht. Also steuere ich kurz entschlossen Rübeland an. Endlich Kurven. Es macht totalen Spass die Fuhre durch die Kurven zu wuchten. Deshalb liebe ich die BMW auch so. Ein klasse Fahrwerk und immer Dampf, um aus den Kurven auch wieder rauszukommen. Ein bisschen merke ich das eheliche Übergewicht aber doch. Zu Hause muss ich noch mal das Gepäck überdenken und optimieren. Jedes Gramm mehr, merkt man doch! Sorry Schatz!
Wir kommen ins Bodetal, Richtung Altenbrak. Es trocknet ab und so langsam werden es wieder mehr Biker die den Weg auf die Strasse gefunden haben. Vor uns kommt eine Gruppe aus Düsseldorf in Sicht. Fünf Mann und ehrlich, die fahren einen miserablen Stil. Immer eckig um die Kurven, Bremsen in der Kurve, statt davor. Ihr Schlussmann fährt eine 90´ziger BMW RT und trägt eine Lederweste mit Color, drauf steht in grossen Lettern „Ruhrgebiet“!? Ausserdem hat er vier Spiegel an seiner RT. Die RT hat ja eigentlich in die Verkleidung eingelassene Spiegel, zusätzlich hat er sich aber noch Spiegel an den Lenker montiert. Also echt!? Trotz der Spiegel und meinem gelangweilten hinterher gekurve, scheint er mich nicht zu bemerken. Ich kenne das eigentlich so, der letzte in der Gruppe ist der schnellste und passt auf was von hinten kommt. Ich kenne auch, wenn schnellere kommen wird zweimal gehupt für die voraus fahrenden und wenn Platz ist, fährt man rechts und lässt die jenigen vorbei.
Langsam bin ich echt genervt und murmel in meinen Helm. Vor jeder Kurve, 60, 50, 40, 30... und schön rumgeeiert. Die nächste Gerade passe ich ab und überhole. Der Schlussmann erschrickt so richtig als ich neben ihm bin. Der hat mich tatsächlich nicht bemerkt. Statt nach rechts zu gehen, zieht er Richtung Strassenmitte. Was für ein Eiermaler. Als ich ihn passiert habe hupt er aufgeregt. Ich fahre in die Lücke zwischen dem zweiten und dem ersten Fahrer und nehme wieder das Gas raus, die BMW entschleunigt umgehend. Also bremsen braucht man mit diesem fantastischen Motor wirklich vor fast keiner Kurve. Manche die eine Weile hinter mir her gefahren sind haben gedacht das mein Bremslicht kaputt ist. Bis es dann wirklich mal anging, dann aber aufgepasst, dann bremst die Fuhre wirklich. Der erste Fahrer der Gruppe hat mich aber schon längst bemerkt, fährt nach rechts und winkt mich vorbei. Ich bedanke mich brav und gebe wieder Gas. Schnell setzen wir uns ab und jetzt macht auch das Bodetal wieder Spass. Schneller als gedacht kommt das Ortseingangsschild von Wernigerode in Sicht. Rechts oben thront die Burg, toll so habe ich mir das gedacht.
Auch in Wernigerode gibt es wieder irgendwelche Umleitungen, so dass mein TomTom wieder abgenervt aufgibt. Ich muss mir wirklich mal ein neues besorgen. Unser Hotel liegt direkt an der „Breiten Strasse“ kurz vor dem Marktplatz. Und es heißt? Ja wie heißt es noch mal? Ich durchfahre die „Breite Strasse“ und eigentlich sind wir laut Strassennummer und Navi da. Ich guck und guck, aber ein Hotel kann ich nicht entdecken. Wie heißt das Hotel? Zur Post, Zur Tanne? Mist, ich habe es vergessen. Ich halte an und suche mein iPhone. Ich habe im Januar gebucht und mir die Buchungsbestätigung extra gespeichert, damit ich sie auch wieder finde.
Meine Frau steigt ab und guckt mich an. Zur Tanne, ja genau zur Tanne. Wir gucken uns um und suchen die Strassenseiten ab. Nichts zu erkennen. Meine Frau sucht Hilfe und findet den örtlichen vietnamesischen Einzelwarenhändler - »zull Tannell?« - er guckt meine Frau an und sie sagt langsam: »HOTEL ZURRR TANNE!« - er wiederholt mit zugekniffenen Augen - »zulll Tannelll!?« - jetzt schüttelt er den Kopf und fängt an dumm zu grinsen. Mann ich bin doch hier nicht in Indochina? Nein, ich bin in „WELNIGELLODE“, dass kann nicht so schwer sein.
Ich winke ab und will wenden. Na toll Einbahnstrasse. Also noch mal von vorne ansetzen. Meine Frau springt auf das Moped und wir setzen noch mal neu an. Nach einem Rückwärtshaken und neuem Ansetzen finden wir das Hotel. Doch sehr unauffällig. Egal wir sind da, nach 8 Stunden Fahrt und weil meine Frau immer noch friert ist das auch gut so.

Ich versuche die Tür zu öffnen, aber sie ist verschlossen. Ein Schild bittet um die Betätigung der Klingel, sollte man Einlass zum Hotel gewährt haben wollen. Rrrrrzzzzz... also geklingelt hat diese Klingel das letzte mal irgendwann in den Sechziger Jahren. Es schnarrt einfach nur unangenehm laut. Wenige Augenblicke später geht die Tür auf und eine ältere Dame im, aufgepasst, knallbunten Synthetik-Kittel, öffnet mir die Tür steckt den Kopf raus. Sie mustert mich von oben bis unten über ihre schiefe Lesebrille und gibt mir eine kurze Anweisung: »rechts rum... zweites Tor... machen wir dann auf...« - peng Tür zu. Es ist wieder abgeschlossen bevor ich noch etwas erwidern kann. Mit noch immer zum Gruße erhobener Hand gucke ich meine Frau an, die am Moped steht und die Schultern hebt und mir ihre Handflächen fragend entgegenstreckt. »Und?« Ich wiederhole nur die Anweisungen: »Rechts rum, zweites Tor, wird aufgemacht!?« Ich überdenke gerade noch die Buchung von Hotels im Internet, als wir das Tor erreichen. Das geht auf und ein, ein bisschen hyperaktive wirkender, netter Mittdreißiger öffnet uns. »Hallo und Willkommen, stell erst mal dein Moped hier in die Durchfahrt. Wir haben heute eine Veranstaltung und der „DJ“ muss erst raus fahren, bevor du in die Motorradgarage fahren kannst.« OK, alles klar. Ich stelle die BMW ab und wuchte sie auf den Hauptständer. Ich hole die Innentaschen raus und schnalle den Tankrucksack ab. Der Typ der wohl der Juniorchef ist, nimmt sofort eine Tasche und die Tüte mit den nassen Handschuhen meiner Frau und geht vor - »Kommt erst mal rein. War ja wohl ein Scheißwetter, was?« Da sagste was! »Hast du alte Zeitungen für uns, ich muss die Schuhe meiner Frau trocknen« - frage ich freundlich - »Klar, wir haben sogar einen Trockenraum«. Toll, da freut sich das Bikerherz. Er geht vor ins Hotel und jetzt erfahre ich warum wohl seine Mutter an der abgeschlossenen Tür so kurz angebunden war. Das Restaurant ist mit einer Familienfeier voll und Wirtin und Personal haben eine Menge zu tun.
Wir bekommen unseren Schlüssel und unser Zimmer gezeigt. Schön groß und sauber. Echt in Ordnung, für 78,00 € haben wir hier nichts falsch gemacht. Meine Frau sieht die Dusche und ist nicht mehr zu halten. Klamotten aus und runter unter das heiße Wasser. Interessanterweise hat das grüne Papier von der Toilette in Egeln-Nord, das sie sich in die Schuhe gestopft hat, ihre Füße grün gefärbt. Sogar ihre Zehennägel sind gefärbt. Ich sag nur »Schick, Schatz« - sie befördert mich aber aus dem Bad und ich weiß das ich jetzt mindestens eine Stunde Zeit habe, um ein „Willkommen-Hasseröder-Bier“ zu trinken. Also mache ich mich auf, in den überdachten Biergarten und gönne mir erstmal ein „Frisches“.

Nach dem wir sauber, warm und umgezogen sind, machen wir uns auf in Richtung Marktplatz. Zuvor schaue ich noch mal nach dem Motorrad und gebe die nassen Stiefel meiner Frau zur nächtlichen Lagerung im Trockenraum ab. Auf dem Innenhof hinter dem Biergarten wo die anwesenden Gäste-Motorräder geparkt sind, steht auch das Auto von unserem „Juniorchef“. Auto ist gut, das ist ein „Chevy-RAM-Pickup“ bei dem allein die Felgen fast so hoch sind wie meine Frau. Sie kann noch nicht mal ins Auto gucken ohne eine Leiter, wirklich unauffällig und so smart, das Auto meine ich!


Wir beginnen unseren Rundgang direkt vor der Hoteltür. Wir müssen uns nur nach rechts wenden und kommen so, keine hundert Schritte weit, über die Breite Strasse auf den Marktplatz von Wernigerode. Ein Grund warum ich den Harz als Ziel gewählte hatte war unter anderen, dass ich hier einen Großteil meiner Ferien verbracht habe. Wir waren jedes Jahr in Wernigerode, bestimmt über 10 Jahre lang. Eigentlich kenne ich hier jeden Stein oder besser ich kannte jeden Stein. Es hat sich doch eine ganze Menge verändert. Was klar zu erwarten war. Aber viele Dinge sind geblieben, so manche Ansicht, so mancher Geruch und Eindruck wirkt bei mir. Ich habe Bilder im Kopf aus Kindertagen. Mir fallen Dinge ein, die ich vergessen hatte.
Das finde ich immer wieder faszinierend an solchen Reisen in die Vergangenheit. Manchmal wenn ich nachdenke, kommen mir Dinge so vor, als hätte ich sie in einem Buch gelesen und nicht selbst erlebt. Erst solche Begehungen geben mir die Sicherheit, sie wirklich erlebt zu haben.











Wir suchen ein Lokal und oder Restaurant wo wir was lecker essen können. Edyta möchte Fisch, ich will Wild! Unterwegs quatsche ich noch mit dem örtlichen Nachtwächter, einer Junggesellinnen-Gruppe die für ihre Bierrunde sammelt und noch ein paar wild fremden Menschen und mache Fotos. Edyta ist das immer peinlich. Ich bin aber nun mal ein offener und extrovertierter Typ und habe Spass an Begegnungen. Meine Frau sagt immer ich hätte ein "Fremde anquatsch-Tourette-Syndrom". Nach vergeblicher Suche landen wir beim „Ratskeller“. Wir beschließen hier einzukehren und bekommen einen Tisch für zwei. Früher war es ein absolutes Highlight, hier essen zu gehen. Ich erinnere mich an das berühmte „Sie werden platziert - Schild" und an diesen eindrücklichen Geruch von früher. So ein bisschen nach postmenstruellen Schweiß, abgestandenen Bier und Vanilleeisbecher. Heute riecht es anders. Allerdings pflegen die Kellner als Homage an früher Tage, immer noch diese latent unfreundliche Art. Wir essen aber gut und reichlich und zahlen immer hin um die 50,00 Euro. Das wichtigste aber ist, wir haben die ganze Zeit geredet und uns nicht angeschwiegen oder verstohlen am Smartphone rumgenestelt. Das wir uns nach nun fast 25 Jahren immer noch was zu sagen haben, freut uns beide. So machen wir uns satt und zufrieden auf, zu einen Verdauungsspaziergang, Richtung Hotel. Wir beschließen noch ein „Gute Nacht Bier“ im Hotel-Biergarten zu nehmen. Meine Frau möchte allerdings einen Grog. Ob sie jemals wieder richtig warm wird!?











Dort angekommen bittet mich der „Junior“ mein Moped aus der Durchfahrt zu nehmen, damit der „DJ“ sein Auto rausbekommt. Ich finde die Möglichkeit das Moped mit rein nehmen zu können richtig gut. Das Hotel „Zur Tanne“ preist sich auch als Biker-Hotel an, was zu recht auch so ist.
Also parke ich meine BMW nach kurzem umrangieren in der Mopedgarage und finde hier auch noch fünf, sechs andere Motorräder vor. Sportliche „Naked-Bikes“, Yamaha, KTM´s und eine Suzuki alle mit Erfurter Kennzeichen. Auch eine fahrende Strassensperre, ein Japan-Chopper aus Magdeburg steht auf seinem Seitenständer in der Garage. Das dazu gehörige Pärchen habe ich, so glaube ich, auch schon vorhin bei meinem einsamen Willkommen-Bier gesehen. Anhand der Lederfransen am Chopper lässt sich der Fahrer einwandfrei zuordnen. Er trägt nämlich die selbigen an seiner mit „FREE BIKER“ titulierten Weste. „Oh hauer, hauer, ha...“ würde Werner ob des Anblickes wohl sagen, aber jedem seine Art.
Wie ich mir so die Garage anschaue gesellen sich die „Erfurter“ zu mir. Wohl auch noch auf einem kurzen „Gute Nacht Kuss“ bei ihren Mopeds. Wir kommen natürlich ins quatschen. Wo wir her kommen, ob wir nass geworden sind und so weiter. Ich gebe gern Auskunft und als der Junior vom Hotel inklusive dem Senior-Chef dazu kommen, ergibt sich eine gemütliche Männerrunde im stehen. Finde ich immer Klasse wie sich so was, vor allem unter Mopedfahrern immer so entwickelt.
Irgendwas habe ich vergessen? Ja meine Süße! Die sitzt ja immer noch alleine im Biergarten!? Upps! Ich geselle mich wieder zu meiner Frau. Die ist schon in eine Decke eingekuschelt und augenscheinlich schon bei ihrem zweiten Grog. Wenn es hilft!? Also versucht sie immer noch warm zu werden kombiniere ich, erfahre allerdings von ihr das ich doch eine Dreiviertel Stunde weg war.
»Das ist nun mal so bei Männern!« versuche ich mich zu verteidigen. »Ja, ja Männer und ihre Spielzeuge.« Meine Frau schüttelt verzweifelt den Kopf und nippt an ihrem Grog. »Sag mal kann es sein das du gar nicht mehr frierst, sondern deine kalten Füsse vorschiebst um dir mal ordentlich einen anzulöten?« - kontere ich. Aufgerissene Augen schauen mich über das Glas an, sie setzt ab - »Also sag mal... mir ist immer noch kalt.« Jetzt fängt sie an zu grinsen und sagt schon eher zu sich selbst - »Aber stimmt schon, ich habe heute schon echt ne Menge heissen Alkohol getrunken.« Ach sie ist echt süß, das ist die Frau ich die ich mich verliebt habe.
Inzwischen kommen die Erfurter zu uns und setzen sich an den Nebentisch. Meine Frau lehnt sich mit einem tiefen Seufzer in ihre Kuscheldecke zurück. Sie weiß was jetzt kommt, Männergelaber! Wer ist der schnellste, hat den größten und hatte schon den schlimmsten Unfall. Sie erträgt es mit Witz und Geduld. Edyta hat ja Training, sie hat mich und sie hat ihre Arbeit! Alles Männer und alle nicht auf den Mund gefallen. Und sie ist ja auch die eigentliche Chefin, zu Hause und auf ihrer Arbeit. Ihr Chef beschwert sich immer bei mir, dass sie so fordernd ist und er nie zu Wort kommt. Ich kontere dann immer: »Du hast sie nur auf Arbeit, ich habe sie den Rest!«
Gegen halb zwölf wird das Gähnen häufiger und die Erfurter verabschieden sich von uns. Wir trinken noch aus und gehen dann auch auf das Zimmer. Während ich noch die Bilder des Tages von der SD-Karte auf mein iPad übertrage um sie mir anzuschauen, zieht sich meine Frau die Decke bis zur Nase hoch und ist innerhalb von Sekunden eingeschlafen. Ach das war doch alles in allem, ein echt toller Tag!
- Tag 2 und Video folgen noch -