1 Woche Frankreich rund um den Lac de Serre-Ponçon

Cote Azur, französiche Alpen und Pyrenäen, Normandie, Bretagne, Zentralmassiv uvm.
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blahwas
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1 Woche Frankreich rund um den Lac de Serre-Ponçon

#1 Ungelesener Beitrag von blahwas »

Frankreich ist mein Lieblingsreiseland, und mit Manuel, Michael und Sebastian war ich schon mehrmals dort. Wir sind ein eingespieltes Team. Wir reisen mit Auto und Anhänger an und nutzen einen Campingplatz als Basislager, wo wir Luxuscamping betreiben: Jeder hat sein eigenes Zelt, und als privaten Gemeinschaftsraum gibt es einen ordentlichen Pavillon mit Tisch, vier Stühlen, Beleuchtung und einer großen Kühlbox. Touren fahren wir mal alle zusammen, mal in verschiedenen Grüppchen, oder auch mal jemand solo - alles kann, nix muss. Wir sind alle versierte Motorradfahrer ohne Angst vor Kurven und Kehren. Nur am Schotter scheiden sich die Geister: Michael und Sebastian JAAAAAAAA *geifer*, Manuel NEEEEEEEEEEEIN *wegrenn*, ich eigentlich ganz gerne, muss aber nicht sein, schon gar nicht mit der MT-09. Als Zielregion haben wir uns dieses Jahr für den Lac de Serre-Ponçon entschieden, der liegt zwischen Gap und Barcelonette. Von dort kann man die Route des Grande Alpes fahren, aber auch ins Vercours, zum Monte Ventoux und nach Italien. Es gibt kurvige Passstraßen ohne Ende auf Asphalt und Schotter, darunter mit dem Cime de Bonette die höchste Straße Frankreichs und die zweithöchste legal befahrbare in Europa. Passknacker kennt folgende Höhepunkte, und unser Basislager ist rot markiert:

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Außerdem gibt es den See selbst, und noch weitere Seen. Als Reisezeitraum haben wir uns auf Ende Juni geeinigt: Da sind die Pässe normalerweise schon offen, aber es ist noch nicht brutal heiß und vor allem nicht überfüllt, weil es vor den Sommerferien ist. Es gibt einen Feiertag in der Vorwoche, so dass man 6 Fahrtage und 2 An-/Abreisetage partnerkompatibel unterbringen kann. Oder man schraubt, packt und wäscht je 1-2 Tage davor und danach :)

Wir sind, von links nach rechts:
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Michael hat erstmals seine KTM 1090R Adventure im Auslandseinsatz. Gegenüber der BMW R1200GS hat er so mehr offroad-Fähigkeiten, mehr Leistung und ein sportlicheres Image. Das etwas dröge Image der Marke BMW und insbesondere des Boxers passte nie zu recht zu ihm. Er ist in der Vergangenheit schon mal vom richtigen Weg abgekommen und tritt als Rheinländer und erfahrender Zweiradpendler bürokratischen Regelungen und Bedenkenträgern gelassen entgegen. Schotter ist sein Element, und so steht seine KTM auf 21/18" auf Reiseenduroreifen, während der Rest von uns Tourensportreifen fährt. Michael bringt Pavillon und Kühlbox mit und ist dadurch mit natürlicher Autorität ausgestattet. Er kennt sich in der Region gut aus und will nicht unbedingt immer nur Motorradfahren.

Sebastian startet unverändert auf seiner KTM 690 SMC-R und ist wahrscheinlich der beste Motorradfahrer von uns, noch dazu der jüngste. Ihn zeichnen ein sehr hohes Grundtempo und völlige Gelassenheit gegenüber den Schrulligkeiten seiner KTM und sportlichen Herausforderungen im Allgemeinen aus, ohne jedoch auf Sicherheit zu verzichten. Schotter fährt er auch mit Straßenreifen gerne. Dank der Sitzhöhe der KTM ist er immer für Slapstick zu haben. Er fährt gerne anspruchslos hinterher und plant keine Routen selbst, oder nur heimlich. Dafür stellt sein abendlicher Durst unsere Kühlbox auf eine harte Probe.

Ich starte diesen Urlaub erstmals auf der Yamaha MT-09. Im Lastenheft standen gegenüber der Versys 650 mehr Leistung, weniger Gewicht, und es sollte eine Naked sein. Der Dreizylinder verführt zu einer sportlichen Fahrweise, zickt aber keinesfalls rum, wenn man es ruhiger angehen lässt. Ich muss mich noch dran gewöhnen, jederzeit zu viel Leistung abrufen zu können, da ist diese Tour ohne das wachsame Auge deutscher Ordnungshüter genau richtig. Ich habe dieses Motorrad letzten Herbst genau für solche Touren gekauft, und zuvor nur 300 km bewegt. Ich sammle nebenbei Passknackerpunkte bei diesem Urlaub (oder umgekehrt?), und habe dafür die Routen geplant. Motorradfahren ist meine Lieblingsbeschäftigung, insbesondere auf kurvigen Bergstraßen in Frankreich.

Manuel startet auf einer Kawasaki Z900 statt einer MT-07 Tracer. Er wollte einen Vierzylinder und außerdem einen Vierzylinder. Es war ihm wichtig, dass es ein Vierzylinder sein soll. Außerdem sieht sie gut aus und Manuel mag das Fahrwerk seines Vierzylinders. Manuel fotografiert sein Motorrad (mit dem Vierzylinder) sehr gerne und ist inzwischen erfolgreicher Instagrammer geworden, so dass er auch mal länger fotografiert. Ich fahre schon meine ganze Motorradkarriere mit ihm und habe ihn auch schon mal auf einem Vierzylinder mit 150 PS alt aussehen lassen. Er teilt das Passknackerhobby mit mir, ist aber nicht so besessen.

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blahwas
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Re: 1 Woche Frankreich rund um den Lac de Serre-Ponçon

#2 Ungelesener Beitrag von blahwas »

Do 20.6. Vorabend der Anreise

Das Gepäck für einen einwöchigen Campingurlaub auf ein Naked Bike ohne Heck oder auch nur Soziagriffe zu bekommen war nicht so einfach. Eigentlich wollte ich zumindest das Zelt zuvor zu Michael schaffen, das hat aber aus logistischen Gründen nicht geklappt. So probiere ich auf gut Glück einen "Unviersal Topcase Träger" aus und stelle fest, dass der eigentlich ideal passt. Zumindest auf der linken Seite, denn rechts ist der Soziusrastenträger gleichzeitig auch Träger des Bremsflüssigkeitbehälters (Hauptwortwurstalarm!). Also lasse ich die rechte Seite eben weg. Die Platte liegt oben auf der Sitzbank auf und kann maximal 1 cm vor und zurück. Das passt für mich und wird die eine Stunde Autobahn auf dem Weg zu Michael überstehen. Verzurren kann ich an Schlaufen von Kriega, die an Schrauben unter der Sitzbank bzw. der Sitzbank befestigt werden und die eigentlich für eine Ducati Panigale gedacht waren.

Abends fahre ich also zu Michael (BDR529) zwecks früherem Start am Freitagmorgen. Kurz vor seinem Haus fällt mir ein in den Rückspiegeln ein drängelnder Autofahrer auf. Mir fällt erst auf den dritten Blick auf, dass es sich um BDR höchst selbst handelt! Dann ist das entschuldigt. So werden abends die Motorräder verladen, was jetzt einfacher ist als früher: KTM 1090 Adventure R und Yamaha MT-09 sind leichter und schmaler als BMW R1200GS und Kawasaki Versys 650. Die Spiegel der Yamaha lassen sich unkompliziert nach innen drehen. Ich klebe noch den Tacho ab, damit ich morgen Abend nach 1000 km rückwärts auf dem Anhänger kein Insektengrab auf dem empfindlichen Kunststoff-LCD habe. Dann gibt es noch Abendessen für Champions und Informatiker aus dem Backofen und dann gehen die Lichter aus.

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blahwas
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Re: 1 Woche Frankreich rund um den Lac de Serre-Ponçon

#3 Ungelesener Beitrag von blahwas »

Fr 21.6. Anreise und Aufbau

Ein Tag mit 980 km im Auto ist nie schön, aber wenn man hauptsächlich durch Frankreich fährt, dann ist es zumindest entspannend. Wir machen Pause auf einem Rastplatz, der richtig viel Fläche einnimmt. Am Ende landet man in einem schattigen und grünen Kreisverkehr, auf dem man von der Autobahn fast nichts mehr hört. Da könnte man eigentlich mal ein Treffen mit Zelten veranstalten.

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Das Wetter wird dann schlechter und in Grenoble haben wir kurz Starkregen und etwas Stau. Da freut man sich noch mehr, im Auto zu sitzen. Der Regen hört schnell wieder auf. Auf der Bundesstraße lässt BDR ein Portrait von sich anfertigen, und auch Sebastian zeigt den französischen Fotoautomaten seine Schokoladenseite. Ist ja für einen guten Zweck. In einem Supermarkt am Weg besorgen wir uns die Verpflegung für die restliche Fahrt und einen Grundstock an Getränken zum Konsum vor, während und nach den Motorradtouren. Wir freuen uns schon im Auto sehr über die kurvigen Strecken und die tollen Aussichten.

Unser Campingplatz ist nicht direkt am See, sondern ruhig gelegen in Montclar auf 1300 Meter Höhe. Der See liegt 600 Meter tiefer. Wir erhoffen uns davon weniger Hitze. Der Platz gehört zur Kette Yello und ist hervorragend ausgestattet. Es gibt Schatten auf den Plätzen, ein Restaurant, ein großes Schwimmbad, Wellness, Fitness, Animation und kostenloses WLAN am Restaurant. Das WLAN an den Stellplätzen kostet leider extra, aber man hat am Handy prima LTE-Empfang. Auf 1300 Meter Höhe, in einem Ort mit 414 Einwohnern. Warum klappt das daheim eigentlich nicht? Außerdem haben wir Papier, Seife, Haartrockner und kostenlose Duschen im Waschhaus. Wettermäßig droht bei der Ankunft ein Gewitter, daher bauen wir die Zelte recht hektisch auf, aber wir bleiben trocken. Manuel und Sebastian erscheinen kurz danach und bauen im ausklingenden Tageslicht auf. Die Motorräder werden abgeladen und meine Yamaha wird vom "Gepäcksystem" befreit, was das Lösen insgesamt einer Schraubverbindung erfordert. Das Klebeband auf dem Tacho hinterlässt leider hässliche Klebereste - Eigentor! Die KTM-Fahrer klären die ersten Technikfragen.

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Schicksalsgemeinschaft Mattinghofen?

Dann wird in unserem Pavillon mit leckeren Burgern aus dem Restaurant am Platz (zum Mitnehmen) getafelt und es gibt die Reste der Wegzehrung als Beilage und Nachtisch. Es war heute ein super Start in den Urlaub. Die Wettervorhersage zeigt 7 Tage eitel Sonnenschein, nur morgen ist kurzzeitig Regen möglich. Das sind doch richtig gute Aussichten und die Vorfreute auf die Touren in dieser genialen Landschaft kann man förmlich greifen!

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blahwas
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Re: 1 Woche Frankreich rund um den Lac de Serre-Ponçon

#4 Ungelesener Beitrag von blahwas »

Sa 22.6. Regenvermeidung, Süden, Col de la Bonette

Morgens bei Tageslicht sieht unsere Parzelle sehr gediegen aus.

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Wir haben auch die Parzelle daneben angemietet, um die Autos in der Nähe zu haben. Das kostet dann zwar etwas mehr, aber mit insgesamt 10 Euro pro Person und Nacht noch absolut überschaubar. Heute ist laut Wetterbericht weiterhin der einzige Tag mit nennenswerter Regenwahrscheinlichkeit, daher planen wir spontan aus der Hüfte eine Route in den Süden, denn dort ist im Tagesverlauf am wenigsten Regen angekündigt. Im nächsten Ort gibt es einen Bäcker, wo das Frühstück besorgt wird, dass dann 20 km weiter am Wegesrand verzehrt wird. Es gibt freundlicherweise immer wieder Sitzgelegenheiten dafür.

Wir planen nun spontan die Route weiter und entscheiden uns für eine Runde Richtung Osten, die über den schon geöffneten Col de la Bonette führt. Unterwegs nehmen wir natürlich noch alles mit, was geht: Col de Robines, Col de Toutes Aures, Col de Valberg, Col de Ste-Anne, Col de la Couillole sind geplant. Schon hinter dem Col de Robines erreichen wir einen unverschämt schönen See namens Lec de Castillon, und da ist auch noch ein Cafe direkt dran: Snack du Lac. Da kann doch nicht vorbeifahren! Außerdem ist es eine prima Kulisse für Fotos. Also knippsen wir, bis die Moppeds magersüchtig werden, und kehren dann ein. Hier kann man es echt gut aushalten.

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Auf der weiteren Strecke entdeckt Michael eine alte, schmale Brücke, die bis 2 Meter Breite und 3 Tonnen freigegeben ist, die eine nette Fotolocation abgibt.

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Diese KTM ist unter 2 Meter breit und unter 3 Tonnen schwer, aber wenden wäre spannend

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So landen wir schon wieder in dieser wundervoll zu fahrenden Schlucht mit dem roten Gestein, den tollen Aussichten und den Einbahnstraßentunneln. D2202 heißt die Straße, Var der Fluss, und Gorges de Daluis das Naturschutzgebiet.

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Hier erwischt uns der Regen dann doch und wir schlüpfen in die wasserdichten Klamotten. Der Regen hört bald wieder auf, die Straßen sind trocken, aber es ist etwas frisch. Den Col de la Bonette hoch wird ordentlich der Fahrspaß zelebriert, und meine MT-09 zeigt, was sie kann. Besonders dem Vier- und dem Zweizylinder. Hier mit den Augen von Manuel als Standbild und als Video:

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Anbei erste bewegte Bilder vom Col de la Bonette am ersten Tag:




Der serienmäßige Quickshifter hilft, den 1. Gang sinnvoll zu nutzen. Da sie etwas lang übersetzt ist, muss das wohl auch sein, wobei ich mich stellenweise mehr nach vorne lehnen müsste, als mir mit Tankrucksack möglich. So oder so, seriöses Passgebretzel mit Freunden ist das höchste der Gefühle. Auch für Manuel mit dem Vierzylinder.

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Genau dafür habe ich die MT-09 gekauft, und zwar vor 7 Monaten! An der Passhöhe auf 2715 Metern wird auf den Rest gewartet. Die noch mit 2802 Metern höhere Schleife zum Cime hat leider noch zu. Für ein ordentliches Gruppenfoto ist es hier aber zu voll.

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Die Nordseite ist dann bald wieder sonnig. Im Tal teilen wir uns auf: Sebastian und Michael wollen sich zum Col et Tunnel de Parpaillon auf 2636 Meter hoch schottern. Vor 3 Jahren waren wir schon hier, Michael und ich sind damals an den Schneemengen gescheitert. Ich wünsche viel Glück, auf Schlamm habe ich keine Lust, und Manuel natürlich erst recht nicht. Vielleicht gegen Ende der Woche, aber nicht an einem Regentag.

Manuel und ich besuchen stattdessen den Col de la Cayolle, mit 2326 Meter auch nicht gerade flach. Dafür muss man 27 km eine einsame schmale Straße eine Schlucht entlangfahren, und zurück das gleiche nochmal. Freundlicherweise lassen uns alle Autos sofort passieren. Weil die Strecke recht holprig ist, machen wir zur Hälfte Pause. Schon vor der Passhöhe ist die Aussicht beeindruckend und entschädigt für die Strapazen.

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Wir müssen den gleichen Weg zurück, haben aber Lust auf Gastro, und tatsächlich liegt knapp unter der Passhöhe ein Gasthaus, das aber recht verlassen aussieht. Ich will an den Pollern vorbei zum Gucken am Eingang vorbeifahren, zwischen den leeren Bänken hindurch. Manuel folgt. Leider ist der Platz recht tief geschottert und die Wende klappt nicht so gut.

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Dann kommt auch noch jemand aus dem Gebäude gestürmt und beschwert sich intensiv, dass wir hier durchfahren. Wer traut sich denn bitte in Frankreich, Motorradfahrer anzupflaumen? Immerhin, offensichtlich ist geöffnet. Wir parken wieder hintern den Pollern, und die Ducati Monster hier erklärt den Mut des Beschwerdeführers: er ist selbst französischer Motorradfahrer. Wir schieben unsere Spuren im Schotter mit unseren Stiefeln zusammen so gut es geht und entschuldigen uns – der Wirt kann englisch und mag es halt nicht besonders, wenn man quer durch sein Restaurant fährt. Die Heißgetränke schmecken trotzdem und Smalltalk gibt’s auch. Er wohnt hier oben und fährt nicht jeden Tag runter. Trotzdem cooler Arbeitsweg. Klar, dass er da lieber eine MT-09 als eine Ducati Monster hätte.

Danach geht’s auf schnellstem Weg zum Zeltplatz. Die „Bundesstraße“ den See entlang und der Pass zum Campingplatz in Montclar hoch werden unsere Hausstrecke für die folgenden Tage sein. In Montclar gibt es einen kleinen Supermarkt, wo wir noch kurz Getränke und Snacks für den Abend einkaufen. Wir sind die ersten am Campingplatz, aber Michael und Sebastian kehren bald darauf zurück und berichten begeistert von ihren Erlebnissen. Das können Sie hier sicher auch selbst ;)

Unsere Route heute (#12 ist der Abstecher von Manuel und mir), 357 km:
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Zuletzt geändert von blahwas am Donnerstag 21. November 2019, 09:32, insgesamt 1-mal geändert.

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blahwas
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Re: 1 Woche Frankreich rund um den Lac de Serre-Ponçon

#5 Ungelesener Beitrag von blahwas »

Michael berichtet von seinem...
Abstecher zu Col et Tunnel de Parpaillon:

Ich hatte mir für diesen Urlaub fest vorgenommen, einen erneuten Versuch zu starten, den Col et Tunnel de Parpaillon zu erreichen, nachdem der letzte Versuch 2016 durch großflächige Schneefelder vereitelt wurde. Auf dem Col de la Bonette strahlte uns aus Richtung Norden schönstes Wetter entgegen und es war noch keine 15:00 Uhr. Da der Parpaillon nicht weit weg war, wollte ich es versuchen. Auf eine kurze Frage in die Runde, wer mit kommen wollte, meldete Sebastian Interesse an. Blahwas hatte nicht ganz zu unrecht Bedenken wegen der ausgiebigen Regenfälle am Vormittag hinsichtlich Schlamm und eventuell Schnee in höheren Lagen. Wagen wollte ich es trotzdem. Mit einer MT09 oder Manuels Z900 hätte ich es auch gelassen. Das Wetter blieb stabil, doch wir ließen die Regenkombis noch an, wohlwissend, dass es auf über 2.600m Höhe empfindlich kühl werden würde. Wir machten uns auf den Weg nach La Condamine-Châtelard, von wo aus die Passstraße Richtung Nord-Westen startet.

Der erste Teil des Weges führt durch einen Wald und ist recht einfach zu fahren. Er besteht aus Schotter und einigen kleineren matschigen Stellen und tiefen Pützen, die man aber umfahren kann. Dann lichtet sich der Wald und es eröffnet sich ein weites Tal. Von hier an wird der Weg anspruchsvoller und die Felsbrocken nach und nach größer.

Einige Querrinnen, durch die Regenwasser abläuft und einige glattere Steinplatten sind kein Problem, aber man muss wegen scharfer Felskanten auf seine Reifen achtgeben. Der Weg wird enger, die Temperatur fällt mit jedem Meter und ich hoffe insgeheim, dass sich nicht hinter der nächsten Biegung ein unpassierbares Schneefeld über den Weg legt. Wir legen eine Trink- und Fotopause ein und genießen die Landschaft. Die Murmeltiere kümmern sich nicht weiter um uns und zeigen sich wenig scheu.

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Ein kleiner Größenunterschied der Maschinen ist nicht zu verleugnen :D Ich freue mich über jeden Meter Schotter, Fels und Singletrail. Das angedeutete Stollenprofil bietet ausreichend Grip. Sebastian hat mit den Straßenreifen Mühe und fährt angemessen vorsichtig. Dafür lässt er mich auf der Landstraße mit seinem Flitzer locker stehen. Nach 5 Minuten starten wir den Endspurt. Hinter der nächsten Kurve liegt ein größeres Schneefeld, aber es scheint aus der Ferne betrachtet eine kleine Spur frei zu sein. Und tatsächlich, eine Reifenbreite direkt an der Kante ist noch frei und wir fahren SEHR vorsichtig über den Schnee, um nicht eine unfreiwillige motorisierte Schlittenfahrt talwärts zu riskieren. Alles geht glatt :eek: und wir gelangen zum nächsten Hindernis einer engen Durchfahrt rechts und links durch Felsen begrenzt. Aber wir passen durch und einige Kurven später sehen wir den Tunneleingang. YES! Um diese frühe Jahreszeit hier hoch zu kommen ist alles andere als wahrscheinlich.

Wir schießen stolz unsere Siegerfotos und inspizieren dann den Tunnel.

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Doch wie zu erwarten war ist der Tunnel aufgrund einer sehr dicken spiegelglatten Eisschicht unpassierbar. Das ist nicht weiter tragisch, weil die Anfahrt von der Nord-West-Seite wohl recht einfach und unspektakulärer ist, als unsere Seite. Wir entschließen uns, den Tunnel zu Fuß zu erforschen. Allerdings verschluckt der Tunnel jedes Licht unserer Smartphone-Taschenlampen vollständig und wir sehen nicht mehr, wohin wir treten. Und die Pfützen werden tiefer. Wir beschließen umzukehren.

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Sebastian füllt noch seine 3 Liter Benzinreserve aus dem Kanister in den Tank und dann machen wir uns auf dem Rückweg. Auf dem Weg nach unten stürmt mir ein Murmeltier entgegen, da ich ich mich wohl schon zwischen ihm und seinem rettenden Bau befinde. "Mach keinen Scheiß, ich habe schon ein Reh auf dem Gewissen!". Doch es flitzt knapp an mir vorbei. Glück gehabt.

Die Abfahrt klappt reibungslos und wir kommen zurück im Tal an. Dort stehen zwei geländefähige Rettungsfahrzeuge bei einem kleinen Zeltlager. Offensichtlich hat sich jemand verletzt. Im ganzen Tal gibt es kein Netz, daher sollte man die Strecke hoch zum Tunnel nicht alleine fahren. Wer da oben verunglückt kann nicht damit rechnen, dass jemand in den nächsten Tagen vorbei kommt.

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Im Tal tanken wir in Jausiers an der kleinsten denkbaren Tankstelle, einer einzelnen Zapfsäule vor einem Hotel. Den Tankbetrag muss die Wirtin draußen an der Säule ablesen. Wir machen noch einen kleinen Zwischenstop beim Supermarkt und fahren sehr zufrieden zum Platz zurück.

Nach dem gemeinsamen Abendessen bestehend aus Pizza und Paella, werden noch die Motorräder durchgecheckt. Die Patina aus jeder Menge Dreck sind sieht ausreichend verwegen aus und wird nicht angerührt. Allerdings sifft Sebastians Gabel ein wenig, also werden die Staubkappen abgezogen und der Dreck unter den Dichtringen beseitigt. Die Operation war erfolgreich. Es hatte sich offensichtlich ein Steinchen und das Gummi gemogelt. Ein sehr schöner erster Tag, zumal die Wettervorhersage für die kommenden Tage schönstes Wetter verspricht.

Unsere Route des heutigen Tages:

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blahwas
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Re: 1 Woche Frankreich rund um den Lac de Serre-Ponçon

#6 Ungelesener Beitrag von blahwas »

So 23.6. St. Sebastian

Manuel fährt heute solo und trifft sich mit einer Internetbekanntschaft. Der Rest der Truppe fährt unter meiner Führung nach Norden, zum Col St-Sébastian. Wir kaufen unser Frühstück am Wegesrand und suchen uns dann eine schöne Stelle zum Verzehr. Der Col Lebraut ist der erste Höhepunkt: Übersichtliche Serpentinen, einheimische Sportwagen, gerne auch der französische Klassiker Alpine A310:

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Weiter oben gibt es einen Aussichtspunkt mit Sicht über den Staudamm, auf den See und die dorthin führende Kurvenstrecke erscheint uns geeignet. Der Parkplatz hat auch seinen eigenen kleinen See, für Motorradfotos. Das lässt sich aushalten für unser Frühstück.

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Es folgen drei kleine Passknacker nördlich von Gap, wobei zumindest der erste noch eine ordentliche Passhöhe hat: Col de Moissière, Col de Manse, Col Bayard. Da kann man auch mal ein Teilgruppenfoto machen.

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Dann bummeln wir etwas die Hauptstrecke entlang zum Col du Noyer, der aber leider wegen einer Sportveranstaltung gesperrt ist, wie uns ein geduldiger Streckenposten und Motorradfahrer erklärt. Leider gibt es keine naheliegende Umfahrung, hier steht ein ordentlicher Gebirgszug in Nord-Süd-Richtung im Weg. Wir trösten uns also mit ein paar mittelprächtigen Passknackerpunkten, um weniger dröge nach Norden zu kommen: Col des Festraux, Col de l’Homme, Col de Parquetout. Der gestrige Regen ist heute völlig vergessen, wir braten in der Sonne. Michael hat leider nicht genug Getränke dabei und wir haben es versäumt, vormittags einzukaufen, was sonntags durchaus geht. Sonntagnachmittags wird es schwer. Tankstellen haben in Frankreich sonntags zwar offen, aber normalerweise keine Shops. Wir kehren also halb aus Verlegenheit in ein Café ein.

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Danach geht es weiter zum Tagesziel, dem Col St-Sébastien, wo sich unser Sebastian vorletztes Jahr von der Brücke gestürzt hat – auch heute wird hier wieder Bungee Jumping angeboten, aber wir verzichten. Dann folgen ein paar kleinere Passknacker, und bei einem finde ich es eine gute Idee, möglichst nah am Schild zu parken, auch wenn der Boden dort nicht verdichtet ist. Aber seht selbst, wie das von außen und der Gopro so aussah…

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So eröffne tatsächlich ausgerechnet ich die Pannen- und Umfallerwertung: Jo 1, Ma 0, Mi 0, Se 0. Immerhin habe ich den Umfall noch gebremst, und der Lenker bleib dabei auf geradeaus. Wegen des weichen Bodens geht nichts kaputt, und weil das Motorrad schon dem Vorbesitzer sehr heftig auf diese Seite gefallen ist, könnte man wahrscheinlich selbst auf festerem Boden keine Spuren sehen. Wir fahren unbeirrt weiter nette kleine Strecken.

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Im weiteren Weg halten wir an einem Campingplatz, damit Michael endlich Getränke kaufen kann. Sebastian und ich suchen derweil Schatten – es ist warm!

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Nun folgen wieder Bundesstraßen. Michael erblickt jedoch eine verlockende Abzweigung, und so wagen wir einen Abstecher ins Unbekannte.

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Der Weg wird natürlich zu Schotter, und führt ewig weiter. Augenscheinlich darf man hier auch fahren. Die Strecke ist zwar nicht anspruchsvoll, aber ich lasse mich zurückfallen, weil ich keinen Staub schlucken mag.

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An einer Tafel sehen wir die Übersicht der Region, und diese Strecken gehen ewig weiter. Wir beschließen, umzukehren. Wer's selbst probieren mag: Koordinaten 44.556123,5.767329. Zurück an der Hauptstrecke suche ich noch eine Waschbox, um den Staub von meiner schönen Nicht-Enduro zu waschen. Sebastian und Michael haben genug für heute und wollen nicht warten, daher fahren sie schon mal vor. Ich wasche meditativ mein Motorrad und stelle danach fest, dass er gesamte Platz zwischen Straßen und Waschbox fingertief geschottert ist. Na klasse! Dann kann man nach 20 Metern die Felgen ja gleich nochmal putzen. Für mich folgen ein paar Kilometer Bundesstraße, und dann sammle ich noch einsame Passknackerstrecken. Schöne Landschaft und Aussichten, praktisch null Verkehr, Ende der Welt-Feeling. Und viele Insekten auf Visier und Gopro…

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Gegen Ende dämmert es schon etwas, aber ich bin vor 20 Uhr am Campingplatz. Wir haben uns auf 20:30 als Zeit fürs Abendessen geeinigt. Dank der kurzen Wege zwischen Motorrad, Zelt, Dusche und Restaurant kriegt man das gut hin.

Meine Tagesroute waren heute 373 km:

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... und Michael ergänzt:
Da fehlt aber noch eine kleine Anekdote:

Nachdem Blahwas sein Motorrad so elegant abgelegt hatte - wir standen etwas abseits und hatten schon überlegt, ob die sehr schräg stehende 09 nun kippen wird oder nicht :lol: - fuhren wir weiter ohne vorher noch durch kleine Sticheleien Öl ins Feuer zu gießen.

Blahwas vor Sebastian und mir gelangen an eine Kreuzung, an der das Navi uns rechts abbiegen lassen will. Blahwas biegt elegant ab, dicht gefolgt von Sebastian. Ich frage mich kurz, warum die beiden in der Parkbucht wollen. Blahwas greift in die Bremsen als die vermeintliche Abbiegespur an einem Bordstein abrupt endet.
Ich halte in der Abbiegespur an, genieße den Augenblick und rufe "Kinder, hier geht's lang!" :D

Blahwas schaut etwas verdutzt, dreht um, und fährt aus Protest gegen diese ungewöhnliche Verkehrsführung über beide Verkehrsinseln der Kreuzung.
Zuletzt geändert von blahwas am Mittwoch 20. November 2019, 23:57, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: 1 Woche Frankreich rund um den Lac de Serre-Ponçon

#7 Ungelesener Beitrag von blahwas »

Mo 24.6. Abstecher nach Italien

Michael möchte heute nach Italien fahren. Ich hatte aus diversen Gründen keine Route dafür vorbereitet, aber lasse mich gerne überzeugen, mitzukommen. Es soll zunächst zum Izoard gehen, dann eine Schleife durch Italien via Col d‘Agnel rein, über kleinere Pässe südlich und dann via Col de la Larche wieder nach Frankreich, mit optionalem Abstecher zum Col du Vars.

Stattdessen fährt Michael auf direktem Weg zum Col du Vars, also die Tour rückwärts, und es gelingt mir nicht, den Tourguide-Notausknopf zu finden: Hupe, Lichthupe, Fernlicht, Telefax werden nicht beachtet. Das macht aber nichts, so fahren wir halt zunächst über den Col du Vars, und sind danach wieder auf der Route, ohne dass Manuel und ich komplett neu planen müssen. Dann kann man zwar am Ende nicht mehr abkürzen, aber hey. Ich bin zum Motorradfahren hier. Der Col du Vars ist super. An der Südseite nehmen wir unser Frühstück ein.

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Auf der Passhöhe ist es Zeit für das Gruppenfoto!

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Danach folgt ein Abstecher zum Col d’Izoard. Wir sind hier auf der berühmten Route des Grande Alpes unterwegs, einer Touristenstraße ohne Schwerlastverkehr, dafür mit vielen Motorrädern, ein paar Sportwagen, vereinzelten Campern und gelegentlichen Radfahrern. Man sieht überall nur grinsenden Gesichter. Landschaft und Strecken sind einmalig und Pflicht für jeden Motorradfahrer ohne Angst vor Kurven. Entsprechend muss man auch mal die eine oder andere Gruppe überholen, aber alle sind nett. Es ist unmöglich, bei gutem Wetter hier schlechte Laune zu haben.

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Nach Italien führt uns der Col d’Agnel. Landschaftlich eine der schönsten Strecken überhaupt, und dabei flüssig zu fahren.

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An der Passhöhe ist der Grenzübergang und ein kleiner Parkplatz. Zeit für einen Blick zurück.

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In Italien machen wir eine Pause am See mit Essen und einem verirrten Pferd, das etwas planlos am schmalen Uferstreifen zwischen See und Straße steht.

Im Haupttal biegen wir links ab auf einsame und vergessene Strecken, und fahren dabei leider auch in die Wolkendecke rein.

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Die Strecke wird zunehmend abenteurlich zu fahren, aber dafür entschädigen die Aussichten.

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Die erste Passhöhe heißt Colle d'Esischie und liegt auf 2307 Meter. Hier wird die Straße plötzlich richtig gut, wenn auch weiterhin schmal. Es ist absolut episch und einsam hier. Es folgen zwei weitere Passhöhen auf Asphalt, alles über 2000 Meter, und ein Paradies auch für Sportenduros, z.B. die Gruppe aus Oberbayern mit kreativer Auslegung der Kennzeichenvorschriften.

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Angesichts dieses Schilderwaldes beschließt Michael, die Flucht anzutreten.

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Sicher fühlt er sich nur abseits der Zivilisation, also startet er einen Abstecher in den Berg hinein, dank Endurotraining und einigermaßen Stollen auf den Reifen traut er sich das auch in seinem berühmten kurzärmligen Protektorenhemd zu.

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Das klappt sogar. Als sich sein Gewissen beruhigt hat, wird es interessant, denn ein nichtsahnender Autofahrer hat genau vor der Abfahrt geparkt.

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Aber auch das klappt. Für uns geht es dann auf nicht weniger schönen Strecken weiter. Wirklich eine tolle Ecke hier!

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Hier am Colle Valcavera könnte man auf die Maira-Stura-Kammstraße einbiegen, aber das ist Schotter, und dafür fehlt uns wirklich die Zeit. An der südöstlichen Abfahrt muss man sich an zwei Stellen entscheiden, ob man ein Fahrrad oder ein Auto ist. Fahrräder bleiben auf der Asphaltstraße, Autos werden auf losen Untergrund geschickt – aber nur abwärts.

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Ein paar Dörfchen später erreichen wir bei Demonte eine Bundesstraße, die praktischerweise auch direkt eine Tankstelle hat. Bei mir ist es mal wieder knapp, ich bin seit 40 km auf Reserve auf der MT-09. Auf der Passhöhe hatte ich sogar schon Interesse an Sebastians Kanister angemeldet. Diese ist eine typisch italienische Automatentankstelle: Keine Karten, nur Scheine, kein Wechselgeld. Gut, dass genau 20 Euro in meinen 14 Liter-Tank passen.

Zurück nach Frankreich geht es über den Col de Larche. Eine tolle Strecke mit Serpentinen, allerdings auch typisch italienischer Schlüpferasphalt: Sieht gut aus, hat aber eher den Grip von Haargel auf Marmor. Auf meiner ersten Frankreichreise mit Duck (Markus) konnten wir hier runterwärts einen wild gewordenen Kleinwagen in seinem natürlichen Lebensraum beobachten, der mit Handbremseneinsatz und auf drei Rädern um die Kehren flog.

Michael fährt auf zwei Rädern den direkten Weg zum Campingplatz voraus und zieht ziemlich am Kabel. Ich lasse irgendwann abreißen, auch weil mein Vorderreifen sich schwammig fährt. Da hatte ich mehr erwartet vom Pilot Power 3. Im Moment grippt der Hinterreifen besser, ein ContiRoadAttack 3.

Zurück am Platz sind wir alle recht platt, aber auch begeistert von der Tour. Die Übergänge nach Italien sind genial und die kleine Passgruppe rund um den Colli dei Morti sind sensationell und der breiten Öffentlichkeit völlig unbekannt. Die Route des Grade Alpes ist dagegen fast schon Mainstream, aber auch ein absolutes Highlight im Leben jedes Tourenfahrers!

Unsere Tagesroute war 367 km:
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blahwas
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Re: 1 Woche Frankreich rund um den Lac de Serre-Ponçon

#8 Ungelesener Beitrag von blahwas »

Di 25.6. Vercours / Asietta

Tagesplan: Manuel und ich fahren Vercours, Michael und Sebastian fahren Assietta Kammstraße. Ich messe heute früh mal den Luftdruck. An meinem vorderen Pilot Power 3 meldet das Luftdruckprüfgerät 0,6 Bar. WAS? Das kann ja nicht stimmen. Die Fußpumpe meldet auch 0,6 Bar. Oha. Damit wäre das schwammige Fahrverhalten von gestern wohl erklärt. Wir suchen einen Schaden im Reifen, finden aber keinen. Wasser auf dem Ventil zeigt dann leichte Blasenbildung am Übergang von Felge zu Ventil. Da hat wohl mein Reifenheini nicht gründlich gearbeitet. Das sollte dann aber zumindest nicht schlimmer werden. Ich fahre also erst mal weiter. Einen 12V-Kompressor habe ich ja dabei. Per Fußpumpe gibt’s wieder 2,5 Bar, und auch der Rest der Truppe bedient sich an Prüf- und Einstellgeräten. Und wo ich schon mal dabei bin, mache ich die Felgen auch gleich noch ordentlich sauber. Ist ja ein schönes Motorrad. Nicht so wie das neben mir, das der Besitzer zu tarnen versucht ;)

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Dann teilen wir uns auf in KTM- und Nipponbiker und starten unsere Routen. Wir Siebenzylinder kommen nicht so recht aus dem Quark. Es ist jetzt schon heiß. Einen gesperrten Tunnel auf der Bundesstraße am See können wir mit 15 Minuten Zeitverlust umfahren, und dabei landen wir in dieser malerischen Schlucht hier:

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Wir machen bald schon eine Kaffee- und Raucher-Pause. Zum Col de Rousett fährt man viel Bundesstraße. Eine Kuriosität haben wir noch Col du Pignon: Michael beschwert sich gelegentlich über Mülltonnen an Passknackerpunkten, das hatten wir in Italien tatsächlich häufiger. Hier ist es umgekehrt: Eine Mülltonne IST der Passknackerpunkt. Das ist dann nebenbei auch der erste mobile Passknackerpunkt.

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Im Folgenden drängelt ein Kleintransporterfahrer, den wir passieren lassen, um uns hinten drananzuhängen. Wir lernen einiges über das Verhältnis mancher französische Autofahrer zur dortigen Straßenverkehrsordnung und betrachten es mit wissenschaftlicher Faszination aus sicherer Entfernung. Es wird endlich schön über den Col de Cabre, aber dann wieder monoton. Unsere Vielzylinder haben Durst und wir tanken gemeinsam. Da die Tankstelle nur eine Säule hat und gerade befüllt wird, ist etwas Kreativität gefragt, aber davon haben zum Glück reichlich. Und die Schlauchlänge reicht auch.

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Und dann wird es richtig nett am Col de Rousett. Der ist ein kilometerlanger Anstieg mit einer Auswahl feinster Radien, ohne Störfaktoren. Oben hat man eine schöne Aussicht, und aus dem Tunnel kommt sogar kühle Luft.

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Manuel ist nicht so richtig fit heute, es ist heiß und die Sitzbank quält ihn. Da man die Tour nicht vernünftig abkürzen kann, und da es bereits 12:30 ist, geht es für ihn leider jetzt schon auf direktem Weg zurück. Ich knacke dann mal weiter Vercours. Als Solofahrer kann ich da nach Herzenslust alles knacken was nicht bei 3 aufm Baum ist und ich verlängere meine Route noch. Der Combe Laval ist Pflicht und das Highlight schlechthin am Vercours:

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Die anderen Pässe sind nicht so spektakulär zu fahren, aber solider Fahrspaß, und freundlicherweise wird es hier auch kühl. Beim Überholen fällt mir eine Gruppe Youngtimer (und/oder Retrobikes) mit Nummernschildern aus dem Ruhrgebiet. Ansonsten genieße ich das Leben und fresse mich weiter durch die Passknackerkarte, dass es eine wahre Freude ist :)

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Zwei Dinge machen mich dabei nervös: Erstens, angekündigter Schotter auf einer einsamen Strecke durch hügelige Landschaft, der dann nicht kommt. Also geht das Tempo schleichend wieder hoch. Und dann kommt der Schotter halt doch mal irgendwann, und das Vorderrad zeigt am Ausgang einer Linkskurve schnell nicht mehr in Fahrtrichtig. Ich verlagere mich nach hinten und steuere das Motorrad mit dem Hintern an den rechten Fahrbahnrand. Es ginge dort auf Gras 45° hoch, das könnte ohne Sturz klappen. Freundlicherweise fängt der Reifen die Straße aber wieder ein und ich bleibe elegant 10 cm vom Rand auf der Fahrbahn. Puh! Französischer Straßenbau besteht oft aus eher zähflüssigem als festen Belag, der mit reichlich Kies griffig gemacht wird, so wie hier im Landschaftsfoto zu sehen.

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Und dann ist da noch die Reichweite der MT-09. 14 Liter Tank und 5,5 Liter Verbrauch ergeben Kummer und Sorgen, wenn man Tagestouren um 400 km fährt und nicht an jeder Ecke eine Tankstelle ist. Kommt man an die Reserve, beginnt ein frischer Tageskilometerzähler, und dieser zeigt 45 km an, als ich endlich die Tankstelle erreiche. Auf dem Weg dahin schaltet man von "ich bin der geborene Rennfahrer!" um zu "Ich fahre eigentlich immer umweltfreundlich und spritsparend". Dann wird endlich getankt, wobei es wegen der Tankform echt langwierig ist, die letzten paar Liter rein zu quetschen, und dann geht's weiter. Das macht echt Laune und dann gilt wieder: "Ich bin der geborene Rennfahrer!" :)

Von den Assietta-KTM-Assis höre ich derweil per Whatsapp-Gruppe den aktuellen Stand in Sachen Umfallern und sonstigen Peinlichkeiten. Wir führen da eine interne Punktewertung. Heute trage ich bisher nichts dazu bei. Aber dazu mehr im Tagesbericht von Michael und Sebastian weiter unten.

Mein Rückweg führt auch wieder über lange Abschnitte Bundesstraßen. Da es mit 38° sehr heiß ist - ich habe jetzt endlich ein Thermometer im Cockpit zum qualifizierten jammern - suche ich nach einem Weg um die Stadt Gap herum. Da fällt mir der Col d'Espréaux auf. Der ist sehr einsam, schön kühl - und voller Schafsköttel? Bald laufe ich auf einen Schafsabtrieb auf. Hinterher fährt ein Transporter, und ich werde rangewunken. Man sagt mir, ich solle durchfahren. Ich wundere mich ziemlich, denn die Schafe kommen mir nicht entgegen, sondern ich müsste sie überholen. Sie nutzen aber die volle Straßenbreite. Ich fahre am äußerst linken Rand, und dann hilft der Zauber des Gasgriffs: Die Schafe erschrecken und machen etwas Platz. So arbeite ich mich langsam vor, bis der Schäfer an der Spitze des Zuges mich bemerkt. Er winkt mich heran und hilft mit dem Stock nach, dass die Schafe Platz machen. Derweil haben mich die Hirtehunde adoptiert und begleiten mich. Ich befürchte fast, dass sie mich jetzt für einen Teil der Herde halten, aber ich kann unbehelligt davonfahren, ohne angekaut zu werden, und der Schäfer grüßt noch freundlich. Breites Grinsen meinerseits - so rum hatte ich das Passieren von Schafen noch nicht.

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Am Campingplatz zurück lausche ich den Heldentaten der restlichen Gruppe. Dann nutzen endlich mal das Schwimmbad. Beim Testen der Rutschen fällt auf, dass man sich dabei ordentlich Schrammen holen kann, so ganz ohne Schutzkleidung, deutsche Badeaufsicht, Ampelregelung, Drehkreuz und wöchentliche TÜV-Besuche. Spaß macht’s trotzdem, und ich freue mich echt, einfach nur ein paar Bahnen schwimmen zu können. Danach geht’s wieder ins Restaurant, essen und Pläne für morgen schmieden.

Meine Route heute, etwa 450 km:
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Manuel berichtet von seinem restlichen Dienstag:
Nach unserem rührenden Abschied am Col de Rousset mit "machs gut", "man sieht sich" und "tu nicht was nicht auch nicht auch tun würde" trennen sich unsere Wege. Mist Zorro bereitet mir etwas schmerzen, mein Popo und vorallem mein Nacken macht aua. Rächen sich etwa die 380 km von gestern? Ich mein, alles über 300km empfinde ich in den Alpen als straffes Programm.
Oben auf den Rousset wartet eine Gruppe passender Sportwagen (Lotus Elise, KTM X-BOW Caterham auf die Startampel in den Tunnel.

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Danach fahre in etwas forscherem, aber touristischerem Tempo den Pass wieder runter. Und in Die suche ich mir den nächsten Supermarkt und mache mich auf die Suche nach etwas Essbaren. Auf dem Supermarktparkplatz selbst sehe ich Gruppe V2-Biker aus dem deutschen hohen Norden stehen, da stelle ich meine kleine Japanerin doch glatt daneben. Drinnen im Supermarkt lassen es sich die Besitzer bei einem Eis gut gehen. Die größeren Supermärkte in Frankreich sind klimatisiert, was mir bei 38°C doch auch entgegenkommt. Normalerweise habe ich kein Problem mit Hitze, aber wenn es so anfühlt wie ein Fön im Gesicht wird es selbst mir zuviel.

Nach schier endloser Suche nach EINEM Eis und einem Gatorade marschiere mit einer Cola, zwei Wasser, einer Packung Würstchen, zwei Croissants und einem Cafe aus dem Supermarkt wieder raus und lasse es mir draußen schmecken. Die Highscores der Austria Fraktion bekomme ich derweil auch mit, aber das soll mir herzlich egal sein. Ich möchte da gerne wieder letzter sein.

Ich nehme jedoch nicht den direkten Weg nachhause, sondern baue als Extra noch ein paar Passknacker mit. So ganz ohne Ergebnisse will man auch nicht nachhause kommen.
Also wird der Col de Marignac und der Col de la Croix (St-Julien-en-Quint) geknackt. Danach mache ich mich auf die etwas längere und teils langweilige Rückreise. Auf der Hinfahrt ist mir ein Pass aufgefallen, wo ich die Rasten der Z etwas entgraten könnte und wahrscheinlich ein gutes Youtube Video draus werden könnte. Also flugs einen Wegpunkt ins Navi gemacht damit ich alter Mann das nicht vergesse. Zwischendurch fallen mir immer Schilder mit Radar auf 150 km auf... wow.
Unten an besagten Pass stelle ich die Zett in den Schatten, mache die Kamera und die Linse sauber und dann gehts schon los. Feinste 12 km Kurven mit besten französischen Asphalt laden engagierten, aber doch rücksichtsvollen Fahren ein.
In der nächsten Ortschaft werfe ich dann mal einen Blick aufs Profil des Road5 und denke mir: joar, so muss ein Reifen aussehen. Schön rau, klebt ein bisschen aber sieht lange nicht so malträtiert wie ein CRA3 aus.
Die restlichen knapp 90 km zeichnen sich durch ziemliche Langweile aus, die ich nur durch einen Waschboxbesuch der Zett und einer Lehre in französischer Städtefahrt aufzulockern versuche.

Zwischendurch versuche ich mich noch ein wenig im Bildermachen für das Internetz:

Am Col de Rousset..

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Blick auf paar Berge

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Ein See im Irgendwo

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Zu meinem Glück ist der Tunnel wieder offen und ich erspare mir die Buckelpiste von heute morgen, für die die Zett echt nicht gemacht ist.
Mit Erstaunen stelle ich fest, dass der örtliche Supermarkt noch offen hat und ich somit noch Nachschub für die Truppe heute Abend einkaufen kann. Flugs noch ein paar Hopfenkaltschalen und Knabbereien gekauft, den anderen mittlerweile eintrudelnden Spielgefährten die Storys des Tages erzählt und den Tag im Swimming Pool des Campingplatzes ausklingen lassen.
Auf der Rutsche habe ich festgestellt, dass ich an der Idealllinie noch etwas üben muss. Bevor die Rutsche mich ins Wasser entlässt hat sie noch eine böse Schikane, wo ich mir bisschen Aua am Becken mache. Mensch, da fährt man den ganzen Tag Motorrad und tut sich nix und dann sowas. Rutschen ist voll gefährlich!!!
Und Michael berichtet von seinem Tag mit Sebastian:
Dienstag, Assietta-Kammstraße

Für Sebastian und mich steht heute Schottern auf dem Programm. Die Assietta-Kammstraße bin ich noch nicht gefahren und hatte sie für diesen Urlaub ins Auge gefasst.
Fahrerisch ist die nicht sonderlich anspruchsvoll, zumal sich das erlesenste Sommer-Wetter angekündigt hat. Wir wollen den Kamm von Nord-Osten aus angehen, planen die Anfahrt daher über Briançon und Sestriere, um dann in Pourrieres zur Assietta hoch zu fahren.

Der Start führt uns wieder entlang des spektakulär türkisfarbenen Stausees Lac de Serre-Ponçon. Einfach nur schön hier.

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Die Durchfahrt durch Embrum und weitere kleinere Orte ist bei den jetzt schon hohen Temperaturen etwas lästig, aber das lässt sich verkraften. Es gibt schlimmere Schicksale, als hier mit dem Motorrad Urlaub zu machen. Wir fahren entlang des Flusses Durance. Die Aussicht ist toll, die Straße eher langweilig geradeaus und wir legen eine Pause ein. Der oder die Durance ist ein etwas größerer Fluss, der von Rafting-Schlauchbooten genutzt wird, die wir in einiger Entfernung sehen können.

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Wir suchen einen Weg, der uns zum Flussufer bringen soll. Der Feldweg lässt sich anfangs ganz gut fahren. Nach hundert Metern gleichen die Fahrspuren zwei kleinen Rinnsalen, was aber der Fahrbarkeit keinen Abbruch tut. Am Flussufer ist der Weg wieder trocken, Sebastian ist eine Biegung voraus, als mir blitzartig das Vorderrad wegrutscht und ich verwundert im Matsch liege. Der vermeintlich einfach zu fahrende trockene Weg ist leider in den Rinnen mit einer oberflächlich matten Schlickschicht überzogen, die etwa soviel Haftung bietet wie Glatteis. Mein Pseudo Stollenprofil ist komplett zugesetzt und hier völlig nutzlos. Ich suche einen festen Stand und richte Motorrad wieder auf. Ich fahre SEHR langsam um die nächste Biegung, als mir Sebastian zu Fuß entgegen kommt. "Du auch?" "Yep, Vorderrad is' weggerutscht." Das muss zeitlich ziemlich synchron passiert sein.

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Eine kurze WhatsApp-Nachricht mit dem neuen Spielstand: Blahwas 1, Sebastian 1, Michael 1, Manuel 0(!). Blahwas antwortet umgehend mit einem aufmunternden "Weiter so!". Wir wollen nicht den gleichen Weg wieder zurück, weil dort der nächste Ausrutscher vorprogrammiert ist. Also weiter geradeaus; der Weg ist hier trotz einiger querende Wasserinnen gut zu befahren, endet jedoch unvermittelt. Also doch wieder zurück. Ich versuche so weit wie irgendmöglich auf dem mittleren Grasstück zu bleiben, was allerdings nicht überall geht. Es kam wie es kommen musste und das Moped suhlte sich wieder im Matsch. Diesmal mental vorbereitet, konnte ich zumindest dem Sturz entgehen und rettete mich auf ein Grasstück. Moped wieder in die Senkrechte und ein ermahnendes Wort sich nicht noch mal in den Matsch zu werfen. Diesmal ereichen wir unversehrt die Straße. Ich sende ein kleines Update: Blahwas 1, Sebastian 1, Michael 2, Manuel 0(!). Ich liege in Führung und habe auch nicht vor, die wieder abzugeben.

Wir machen einen kurzen Tankstopp beim nächsten CarreFour, wo neben uns ein junge französische Motorradfahrerin ihre Cross-Maschine betankt. Bei uns sieht man sowas nur noch selten. Der Altersdurchschnitt der Motorradfahrer liegt in Deutschland deutlich höher und der Coolness-Faktor erheblich niedriger. Frankreich ist Motorradland.

Einige Kilometer später passieren wir die Grenze zu Italien. Es ist mit weit über 30° schon angenehm warm, bis wir bei Claviere zwei längere Tunnel passieren, die sich wie zwei Tiefkühltruhen anfühlen, da die Temperaturen drinnen 20° unter der Außentemperatur liegen. Die Sonne danach taut uns aber binnen Sekunden wieder auf. Wir laufen auf eine Gruppe süddeutscher Endurofahrer auf, die auch artig Platz machen. Alle, bis auf den Tourguide, der überholt werden wohl nicht mag. Aber er hat auf der Geraden keine Chance und ich fahre kopfschüttelnd vorbei. Das gleiche Spiel versucht er noch mal mit Sebastian, der allerdings auf den kurzen Geraden mit der etwas geringeren Leistung nicht überholen kann. Kurzerhand überholt er ihn elegant außen in der Kurve. Was die Aktion vom Tour-Guide sollte, weiß ich nicht, die waren viel langsamer unterwegs als wir. Egal, wir erreichen Sestriere, einem weniger idyllischen Skiort, der zu dieser Jahreszeit eher einer Geisterstadt gleicht. 15 Kilometer weiter gelangen wir zur Strada dell' Assietta, die uns zum Einstieg in die Kammstarße führt.

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Dort stehen wir etwas ratlos vor dem Schild, dass die Assietta Samstags und Mittwochs für Motorradfahrer sperrt. Prima, heute ist Dienstag (vorher informieren kann auch mal besser sein). Aber das zweite Schild weist den Pass als geschlossen aus. Da das Schild aber reichlich verbeult ist und wir an dessen Verbindlichkeit juristisch fundierte Zweifel haben, kommt unsere Expertise zu dem Schluss, dass das Schild maximal empfehlenden Charakter haben kann und fahren durch. Der Weg ist steil aber problemlos auch mit Straßenreifen zu schaffen. Wir sind noch nicht lange unterwegs, als ich auf einen Esel auflaufe, der mich keines Blickes würdigt und auch den Kopf nicht einen Millimeter bewegt. ich bin skeptisch hinsichtlich seiner Friedfertigkeit und fahre langsam an ihm vorbei, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Kurze Zeit danach steht Sebastian dem Esel Auge in Auge gegenüber. Ich warte, dass einer eine Waffe zieht, aber Esel sind stur und er bleibt völlig unbeeindruckt von unserern motorisierten Pferden seelenruhig stehen.

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Einige Kilometer weiter legen wir eine Trink- und Fotopause ein. Während Sebastian noch fotografiert nähert sich von oben ein kleiner Laster mit einem Streckenposten, der Schäden im Weg mit Hacke und Schaufel behebt und größere Felsbrocken wegschafft. Ich schiebe mein Moped zur Seite und hoffe, dass er uns nicht wieder zurückschickt, weil der Pass gesperrt ist. Aber keine Spur; wir unterhalten uns nett mit meinen wenigen Brocken Italienisch und viel Händen und Füßen.

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Nachdem uns vier Italiener auf MX-Maschinen passiert haben, machen wir uns auch wieder auf den Weg. Ich lasse es jetzt etwas schneller angehen, womit mein auf die Sitzbank geschnallter Rucksack überhaupt nicht einverstanden ist und unter lautem Protest abspringt. Das Gummiseil des Rucksacks hat sich aus der Würgeklemme berfreit und muss mit einem bereitliegendem Naturhammer und -amboss wieder befestigt werden.

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Unterwegs kommen wir noch an einer kleinen Gruppe von Geländefahrzeugen aus dem Erftkreis vorbei. Die Welt ist zu klein. Na gut, zumindest Europa. Dann treffen wir auf unsere süddeutschen Motorradfreunde mit dem bockigen Touguide, die die Assieta von Süden aus angefahren sind. Wir würdigen den Tour-Guide keines Blickes, grüßen aber die anderen.

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Es gibt hin und wieder kleinere Single-Trail-Abkürzungen, die eine Serpentine auf geradem Weg umgehen. Die wollen auch gefahren werden und ich gebe kräftig Gas, weil die recht steil ist und nur aus unbefestigtem Geröll besteht. Die Reifen kommen mit ihrer Traktion an ihre Grenzen, aber ich schaffe es gerade so über die Kuppe. Wenden auf dem engen Weg wäre schwierig geworden. Zwei Kurven weiter mache ich das Gleiche noch einmal, diesmal aber bergab. Der Lehmpfad wird allerdings immer tiefer und ich habe schon Bedenken, dass ich mit dem Motorrad stecken bleibe, passe aber gerade so durch. Mit der GS wäre ich an den Zylindern hängen geblieben. Wir genießen die Reststrecke bis wir oberhalb von Sestriere wieder Asphalt ereichen. Sehr ungewohnt dieser Belag!

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Die Rückfahrt in Richtung Frankreich verläuft ohne besondere Ereignisse, wenn man davon absieht, dass Sebastian von einer am Wegesrand stehender Gruppe Polizisten per Trillerpfeife zu gemäßtiger Fahrweise angehalten wird. Ich habe die Gruppe nicht sehen können, weil ich gerade einen Bus überholt habe. Glücklicherweise konnten mich die Polizisten im Gegenzug auch nicht sehen. Etwas weiter hält uns ein Auto etwas auf, der zwar auf der Geraden Gas gibt, dafür aber die Kurven zuparkt. Aber die Straße wir etwas breiter und ich komme vorbei. Im selben Moment wird mir klar warum die Straße breiter wird: Der Grenzübergang nach Frankreich! Ich werfe den Anker und setzt meine unschuldigste Miene auf, die mir möglich ist. Die Grenzer schauen mich etwas düster an, lassen mich aber unbehelligt passieren.

Den Rückweg wollen wir uns mit dem Izoard und anschließend dem Col de Vars verschönern. Am Aufstieg zum Izoard nähern wir uns einer etwas unsicher wirkenden deutschen Monster-Fahrerin an, die hinter einem Fahrzeug der Gendarmerie her fährt. Sie winkt uns vorbei. Hm, hier gilt Tempo 30! Andererseits sind wir in Frankreich; es würde vermutlich verdächtiger wirken, wenn wir ohne Not einem Fahrzeug der Gendarmerie mit etwa 40 km/h folgen würden anstatt es einfach zu überholen. Sebastian scheint diese Skrupel nicht zu kennen und überholt ohne auch nur zu zögern. Ich warte kurz, wie die Gendarmen reagieren. Es scheint sie nicht zu stören, also folge ich. Oben auf dem Pass stellt sich heraus, dass Sebastian das 30er-Schild schlicht nicht gesehen hat und von erlaubten 80 Km/h ausgegangen ist. Das ist als Motorradfahrer in Frankreich im Zweifel immer die korrekte Herangehensweise.

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Nach dem Col de Vars tanken wir die Maschinen für den kommenden Tag voll. Dabei ist auffällig, dass Sebastians 690 SMC mit 4,4 Litern auf 100 Kilometern gegenüber meiner 1090 R mit über 7 Litern deutlich zu wenig verbraucht. Wenn eine KTM so wenig verbraucht besteht dringender Wartungsbedarf! Ich befürchte schon einen sich ankündigenden Motorschaden, weil selbst der Ölverbrauch des Eintopfes kaum messbar ist. Da stimmt etwas ganz und gar nicht.

Nach einem Zwischenstop beim Supermarkt erreichen wir den Campingplatz. Nur drei Ausrutscher an einem Tag können sich sehen lassen. Allerdings hat sich mein Moped heftig eingesaut, was sehr standesgemäß aussieht, aber die Kette ist mit einer Schleifpaste aus Fett und Sand eingeschmiert. Daher beschließe ich, am nächsten Morgen eine Waschbox aufzusuchen, um den Verschleiß ich Grenzen zu halten. Sebastian ermahnt mich, aber nur die Kette zu reinigen, damit der verwegene Look nicht verloren geht. Da hat er natürlich absolut recht und wir überlegen, ob man das Motorrad vor der Wäsche nicht großflächig abkleben könnte, und nur die Kette freilässt. Die anstrengende Tour und die Sonne haben unseren Gehirnen offensichtlich nicht geschadet und wir entwickeln weitere kreative Strategieen zur Erhaltung des Used-Looks.

Nachtrag zur Befahrbarkeit der Assieta-Kammstraße:

Bei schönem Wetter ist die Straße mit fast jedem motorisiertem Gerät befahrbar (ich schrieb "fast"!). Ich habe auch schon eine Ducati Supersport und ein Gespann auf dem Col de Sommeiller gesehen.
Wenn ein Kleinlaster der Streckenposten durchkommt, kann's ein Motorrad erst recht. Bei Schnee oder starken Regenfällen könnte es mit Straßenreifen stellenweise schwierig werden.
Wie überall auf Schotterpisten muss man auf scharfkantige Felsen oder loses Geröll aufpassen, aber man hat immer ausreichend Platz.

Ob ich mit einer Rennsemmel oder einer sonstigen Asphalt-affinen Maschine da fahren möchte, steht auf einem ganz anderen Blatt. Ich würd's nicht tun, das wäre mir zuviel Gurkerei und ungeschützte Krümmer werden da auch nicht schöner.
Mit Federweg macht die Strecke naturgemäß viiiieeeel mehr Spaß.

Falls jemand den Vergleich hat: Der Parpaillon oder der Sommeiller sind ungleich schwieriger.

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