19 Tage Trentino und Frankreich über deutsche Passknacker

Reisen in der Alpenregionen Deutschland, Schweiz, Italien, Österreich, Slowenien usw.
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blahwas
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19 Tage Trentino und Frankreich über deutsche Passknacker

#1 Ungelesener Beitrag von blahwas »

Wie schreibt man einen Bericht über eine Reise über 19 Tage, mit drei verschiedenen Themen? Vielleicht chronologisch. Im September lädt das Versysforum zum Höhentreffen. Das ist in Südtirol oder im Trentino, eine Woche Rundtouren um ein Hotel. Eine sehr nette Art, Motorrad zu fahren und Gemeinschaft zu leben. Das hatte ich schon gebucht. Wenn man schon mal jenseits der Alpen ist, dann kann eigentlich auch noch eine Woche dranhängen, und sich westwärts nach Frankreich bewegen, und als Rundreise zurück. Das mache ich jetzt auch schon das dritte Mal. Dieses Mal kommt Duck (Markus) aus dem MO24-Forum mit. Er war mein erster Frankreich-Begleiter überhaupt, ich hatte mich damals einfach an seine Frankreich-Runde drangehängt. Das haben wir mehrmals wiederholt, und auch auf Spanien ausgedehnt. So, und dann habe ich da ja noch dieses Projekt „alle deutschen Passknacker in 2019“. Da fehlen mir noch diverse Punkte nah der südlichen Landesgrenze bzw. auf dem Weg dorthin, weil das bisher aus Essen echt weit weg war. Da könnte man doch eigentlich die restlichen Punkte in je 2 Tagen während Anreise und Abreise abgrasen. Das war der Plan. Macht insgesamt 19 Tage und ca. 6000 km. Klarer Fall, da nimmt man das Naked Bike ohne Windschild, weil… man es für eilige Auslandseinsätze gekauft hat, und von diesen 19 Tagen schließlich 14 aus „Pässe braten im Ausland“ bestehen. Macht TOTAL Sinn! Also, für mich zumindest.

Der Vorderreifen an der MT-09 ist ein neuer Pilot Power 3, der Hinterreifen ein angefahrener CRA3, der in der ersten Woche gewechselt werden müsste. Mein Gepäck musste noch irgendwie mit, wie erinnern uns, 19 Tage, immerhin ohne Camping. Wenn man das öfters macht, lernt man mit weniger Raum auszukommen. Leider wehrt sich die MT-09 vehement gegen die Montage irgendwelcher Gepäcksysteme. Ein großer Tankrucksack hätte keinen Platz. Am Heck ist original gar nichts, wo man irgendwas festmachen könnte. Für den Original-Topcase-Träger muss man reichlich Plastik durchbohren und das Heck außerdem bis auf den nackten Rahmen zerlegen. Bei ebay Kleinanzeigen entdecke ich einen „Givi Monokey Universalträger“ für 20 Euro, lasse mir die Maße schicken, hantiere 10 Minuten mit dem Zollstock am Motorrad herum und beschließe dann, dass das passt, oder gefälligst zu passen hat. Mein Topcase ist zwar Monolock, aber ein Freund schenkt mir sein altes Monokey-Topcase. Leider roch es nicht so gut und sah noch schlimmer aus. Als ich schon ein neues kaufen will, fällt mir auf, dass ich doch eigentlich ein gut geeignetes Monolock-Topcase habe. Und zwei überzählige Monolock-Grundplatten. Also schraube ich den Träger ans Motorrad, vorne an den hinteren Schrauben der Soziusrasten, und hinten an nichts. Die Grundplatte liegt auf der Sitzbank auf. Da kann sie nicht weg. Sie kann weder vor noch zurück. Zur Seite könnte sie minimal, ein wenig rauf und auch wieder runter, aber sie ist ja weich gepolstert. Die Monolock-Grundplatte kommt auf den Monokey-Träger oben drauf, und dort das Topcase. Passt! Und ich sitze völlig ungestört. Blöd ist, dass der Topcase-Träger abschraubt werden muss, wenn man unter die Sitzbank will, aber es sind ja nur zwei Schrauben.

Ich habe alle Unterkünfte im Voraus gebucht. Markus stößt in Italien dazu, und lässt mir für Frankreich freie Hand bei der Planung. Ich buche entlang der Route Unterkünfte für je eine Nacht mit verhältnismäßig wenig Abstand, so dass man die Routen gut abkürzen könnte, wenn das Wetter schlecht ist, jemand krank ist oder wenn gerade keine Lust auf vielfahren ist. Verbindet man nur die Unterkünfte, ergibt sich diese Route (für mich):

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Das sind so schon 2755 km, wenn man in Lavarone 6 Tage kein Motorrad fährt und nur Autobahnen fährt. Mit Pässen dürften es ca. 6000 km sein.


Den Reisebericht gab's schon im Versysforum. Wer die Bilder hier zu groß findet, kann ihn auch dort lesen, denn da werden die Bilder ans Fenster passend skaliert: https://www.versysforum.de/viewtopic.php?f=17&t=17764" onclick="window.open(this.href);return false;
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blahwas
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Re: 19 Tage Trentino und Frankreich über deutsche Passknacke

#2 Ungelesener Beitrag von blahwas »

Do 5.9. Nürnberg, Schwäbische Alb

Die Reise beginnt mit zwei Tagen Pässe knacken in Deutschland. Der Plan ist, bei der An- und Abreise je zwei Tage lang die restlichen Punkte in Süddeutschland zu holen. Für den ersten Tag der Anreise sieht der Plan so aus:

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So geht’s dann morgens los, oder auch nicht? Es ist immer gut, auf eine 6000 km Tour aufzubrechen, und das Mopped springt nicht an. Hat wohl zu lange rumgestanden, und zwar seit dem Frankreich-Urlaub im Juni. Dabei bin ich letzte Woche extra noch eine kleine Runde gefahren (mit Starthilfe). Jetzt ist die Lithium-Batterie wieder leer. Da ich die einfach aus der Versys übernommen hatte, habe ich auch die originale Bleibatterie noch. Die muss ich nur erst mal finden in meinem Umzugs Chaos, denn ich habe bisher nur 6 Tage in der neuen Wohnung verbracht und noch längst nicht alles ausgepackt. Eine Motorradbatterie ist jetzt auch weder so groß noch schwer, dass sie in Umzugskisten groß auffallen würde.

Irgendwann habe ich sie dann gefunden und eingebaut, wofür man den Top Case-Träger abschrauben muss, dann die Yamaha hinter den BMW schieben, Starthilfe - läuft! Also Top Case-Träger angeschraubt, angezogen und aufgestiegen, da rollt das Auto fast auf mich drauf, weil meine Mutter drin rumturnt um sich den Sitz einzustellen und offensichtlich nicht merkt, dass die Handbremse nicht drin ist. Losgebrüllt, sie hat angehalten, ich entferne mich aus der Gefahrenzone, ziehe mich fertig an, fahre los - nein, ich würge erstmal ab. Genau was man braucht. Aber sie springt wieder an. Schon eine Panne und ein Beinaheunfall, und noch nicht mal die eigene Ausfahrt verlassen. Fängt ja gut an!

Aber das alles ist vergessen, als ich in die Hauptstraße einbiege und das Gefühl der Schwerelosigkeit einsetzt, dass ich am Motorradfahren so liebe. Die Yamaha beamt sich und mich zum Ortsausgang, und dann im Nu zum nächsten Ortseingang. Motorradfahren ist einfach eine wahre Freude. Und das Gepäck für meine 19 Reisetage habe ich recht dezent unterbekommen, wie ich finde. Dabei habe ich sogar eine zweite Unterhose dabei ;)

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Nach etwas Bundesstraße, man darf sogar überholen, und einer Stunde Autobahn merke ich, dass das langweilig ist, und dass 17:45 am Hotel zu sein eigentlich zu früh ist. Immerhin bin ich erst 10:15 losgekommen. Das ist doch viel zu kurz für den ersten Tag! Besonders, weil der letzte Tag im Moment mit 700 km geplant ist. Also plane ich um: Ich drehe die Route vom letzten Tag um, und schneide sie südlich der A8 ab. Das fahre ich zuerst, danach dann wieder meine geplante Route. So werden 469km und 7:17 zu 501km und 8:44. Die schwäbische Alb ist hübsch anzusehen und hat gut gepflegte Straßen.

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Ich stelle fest, dass es bei 15-18 Grad überraschend kalt aufm Naked Bike ist. Es droht den ganzen Tag Regen, aber er kommt nie. Trotzdem schlüpfe ich schließlich endlich mal in die Regenkombi, alleine als Kälteschutz. Das hätte ich ruhig früher machen können, und nicht erst, als es so aussah:

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Ich fahre zwar nicht direkt am Bodensee vorbei, aber nah genug, dass ich einen Blick drauf werfen kann. Im nächsten Tal stapeln sich dann die Touristenautorentner. Ich übe mich in Geduld. Klappt aber nicht so richtig gut.

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Dann geht es zur Unterkunft. Dies ist heute das Café am Schlossplatz in Wolfegg. Ich tauche leider erst nach der Öffnungszeit des Cafés auf, und stelle beruhigt fest, dass noch jemand da ist. Der Wirt wohnt im gleichen Haus und hat eine Einliegerwohnung hier in diesem schmucken Altbau vermietet. Die Nacht kostet 45 Euro mit Frühstück, was für die Region recht günstig ist. Ich gehe mir noch die Beine vertreten und jage mir in der Nachbarschaft noch ein Abendessen – mit Spätzle, natürlich! Zufrieden geht’s in die Kiste, trotz anfänglicher Schwierigkeiten war es ein runder Fahrtag, an dem ich mein Pensum übererfüllt habe. Ich fühle mich wohl auf der Yamaha und komme mit meiner Gepäcklösung gut zurecht.

Die tatsächlich Route sah etwa so aus:
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blahwas
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Re: 19 Tage Trentino und Frankreich über deutsche Passknacke

#3 Ungelesener Beitrag von blahwas »

Fr 6.9. Allgäu-München

Morgens bin ich gut aus dem Bett gekommen und habe lecker im Café gefrühstückt. Als einziger Gast kriegt man sein persönliches Buffet an den Tisch gebaut. Das Allgäu steht heute auf dem Plan. Abends übernachte ich bei einem alten Freund, der jetzt bei München wohnt.

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Ich habe heute überwiegend leere Strecken in idyllischer Landschaft zu fahren. Aus irgendeinem Grund ist aber auch Mailand mitten auf der Route.

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Sehr schön der Riedbergpass, tolle einsehbare 90° Kurven und Belag. Sonst immer wieder Überführung, aber idyllisch. Insgesamt ein Tag, der einfach mal gut nach Plan läuft und entspannt.

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Und wenn mal Stau ist, dann von der ungewöhnlichen Sorte:

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Gut, dass ich kein Putzfetischist bin. Das wäre wegen Wetter aber eh nix geworden. Außerdem geht 3x die ABS-Leuchte der Yamaha an. Das ABS regelt dann auch wirklich nicht mehr. Man kann per Hinterradbremse den Motor abschalten. Die TCS regelt aber weiterhin. Stellt man die Zündung aus und wieder an, geht die Lampe aus und das ABS regelt wieder normal. Ich verdächtige die vielen Zusatzverbraucher: zwei Navis und die Heizgriffe.

Da es hin und wieder tröpfelt, stelle ich die TCS auf Stufe 2. Das spart nebenbei noch Reifen, denn das Profil am Hinterrad verdampft zusehends. Der CRA3 war noch von Frankreich übrig, aber ein Wechsel vor dem Urlaub hätte wenig Sinn gemacht, denn so eine Tour überlebt kein Reifen.

Unterwegs treffe ich zwei andere Passknacker: Vater und Sohn aus Gütersloh. Solche zufälligen Begegnungen sind sehr selten, bei 253 Teilnehmern und 703 Punkten alleine in Deutschland, an denen man in der Regel immer nur 2 Minuten verbringt.

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Insgesamt ist die Gegend sehr idyllisch, aber auch echt weit ab vom Schuss. Weil man nah an der Grenze zu Österreich ist, gibt es wenig Tankstellen, und teilweise nehmen sie Mondpreise. In einer Tankstelle wird sogar geraucht – Kulturschock. Es gibt immer mal wieder Strecken in die Berge rein, die Sackgasse sind und Maut kosten.

Abends besuche ich am Ende meiner 490 km-Tour einen Kommilitonen aus Bochumer Zeiten in München, auch zum Übernachten. Wir gehen nett essen und trinken unseren traditionellen Studenten-Drink von damals: White Russian. Aber nicht 0,1 l wie an der Schickimick-Bar, sondern aus Weizengläsern, wie in der seligen Wohnheim-Kneipe, in den Wochen bevor das Wohnheim abgerissen wurde, weshalb alles wegmusste. 3 Euro das Stück. Prost!

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blahwas
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Re: 19 Tage Trentino und Frankreich über deutsche Passknacke

#4 Ungelesener Beitrag von blahwas »

Sa 7.9. München-Brenner-Lavarone

Die Nacht war nicht so erholsam. Das Frühstück fällt heute aus, ich kriege nix runter. Also geht es halb 8 schon los, auf in den Süden. Der erste Wegpunkt ist der Brennerpass, bzw. die Stadt Brenner, also neben der Autobahn. Danach kommen ein paar Punkte in den nördlichen Dolomiten, bei denen ich noch nie war, und die außerhalb der Tagestour-Reichweite des Höhentreffens liegen. 550 km gesamt sind geplant.

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Zum Start ist es heute früh richtig kalt und es ist Dauerregen angesagt. Ich ziehe alles an, was ich habe, und merke leider erst jetzt, dass Kombi, Stiefel, Helm und Handschuhe über Nacht in einem ungeheizten, aber gut gelüfteten Raum verbracht haben. Also schützt mich die Kleidung zunächst nicht nur vor der 5° kalten Luft, die mit 100 km/h drauf einprasselt, sondern sie nimmt zunächst auch meine Körperwärme auf, bis sie zumindest von innen warm ist. Insgesamt ist das auf einem Naked Bike nicht ideal.

Die Strecke durch Deutschland ist unspektakulär. Ich habe keine deutschen Passknackerpunkte hier mehr offen, es geht auf schnellstem Weg südlich.

In Österreich fährt man etwas gesitteter, und bald bin ich in Innsbruck. Ich komme gut vorwärts. Das Navi nennt mir die vorletzte Tankstelle in Österreich - der Tank ist eh bald wieder leer, und in Italien ist tanken teuer und nervig (oft nur Automaten die kein Wechselgeld geben).

Mein Navi schickt mich trotz "Maustrecken (Vignette) vermeiden" auf die Brennerautobahn - ich meine aber, dass man dort nicht nur Streckenmaut bezahlen muss, sondern zusätzlich auch noch die Vignette braucht. Also wird umgeplant, was Zeit kostet und die Route verlängert. Den Ostteil der Route durch die Dolomiten halte ich mir als optional offen. Ich raste an einem Supermarkt, wo es ein Laugenbrötchen und einen heißen Kakao gibt - inzwischen ist mein Magen aufnahmefähig. Der Ort Brenner ist der einzige Passknacker in Österreich heute – ich hatte alles andere schon bei früheren Reise dieses Jahr erledigt. Das Wetter ist leider typisch Österreich…

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Kaum in Italien angekommen wechsle ich aus Zeitgründen auf die Autobahn. Vor der ersten Mautstation gibt es rund 5 km Rückstau. Nach der Mautstation überhole ich ein Motorrad, dass mir irgendwie bekannt vorkommt - richtig, den Typ kenne ich doch! Er erkennt mich auch, und wir winken uns eifrig zu. Wir haben heute das gleiche Ziel. Fortan folgt er mir unauffällig, auch als ich die Autobahn zwecks Passknacker-Route verlasse. Großes Hallo vor der Mautstation, und danach Abstimmung: Wir fahren zunächst mal zusammen los, und schauen dann wie es sich entwickelt.

Mein erster Passknacker ist ein Gasthof auf 1730 Höhenmetern, die Kiener Alm. Schon kurz nach dem Verlassen des Tals haben wir Sonne, und sehen die Wolken plötzlich von der Seite. Wunderschön! Es wird auch warm! Die Sonne habe ich heute noch nicht gesehen, und gestern auch nicht wirklich.

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Der Weg zum Gasthof hoch ist in asphaltiert und breit, aber in schlechtem Zustand. Ich hänge meinen Mitfahrer deutlich ab. Logisch, ich bin ja auch mit Gepäck leichter als er ohne, und er hat 4 Koffer/Taschen, ich dagegen nur eine. Wir gönnen uns mittags eine leckere Speckknödelsuppe, und teilen uns dann auf. Ich will weiter knacken, er will mit dem Gepäck nicht so kleine Strecken fahren. Das kann ich verstehen - und wir sehen uns ja noch die ganze Woche.

Ich fahre nun also alleine die Rodenecker Alm hoch. Das ist ein abgelegener, aber überraschend gut unterhaltener Pass nach Süden. Alles läuft gut, bis ich auf der Südseite schon am nächsten Berganstieg bei einem gemütlichen Kurvenausgang im zweiten Gang plötzlich eine 90° Schräglage einnehme. Eine spontane Betrachtung der Situation führt zur Feststellung, dass ich gerade mit dem Gesicht nach unten auf einer Holzbrücke liege. Nasses Holz ist wohl nicht sehr griffig. Ich habe ja schließlich Sportreifen montiert, und nicht Holzreifen. Eigentlich weiß ich sowas, ich war wohl gerade nicht wirklich bei der Sache und hier auf dem Holz mit der Kurve noch nicht ganz fertig. Kurzer Selbstcheck: Alles noch dran, nix tut nennenswert weh. Sogar die Regenkombi ist noch ganz. Das Motorrad liegt auf der rechten Seite - was schade ist, denn links lag sie ja beim Vorbesitzer schon. Ich kann sehen, dass der Handbremshebel komplett ab ist, weil der Lenker unterm Motorrad klemmt, und der Handprotektor ist völlig verdreht. Aber es sieht sonst alles gerade und vollständig aus. Sogar Topcase und Tankrucksack sind noch dran.

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Das müsste sich doch eigentlich retten lassen. Ersatzhebel habe ich schließlich immer dabei. Also zunächst Gepäck runter und von der Brücke getragen. Dann eine Minute gewartet, ob vielleicht jemand vorbeikommt, der mir beim Aufheben helfen mag - da kam aber keiner, es ist einsam hier. Das Motorrad liegt mit den Rädern leicht bergauf, also etwas über Kopf - ich versuche mich trotzdem alleine am Aufheben, Kraft meiner 75 kg auf 190 cm, und schaffe es tatsächlich. Ich habe zwar keinen Handbremshebel mehr, versuche aber trotzdem, reinzugriefen, als sie wieder steht. Ich habe auch vergessen, zuvor den Seitenständer auszuklappen. Ich stehe auf nassem Holz, und der Vorderreifen klemmt am Seitenteil der Brücke. Aber ich kriege das Motorrad gedreht und steige auf. Sitzend kann ich die Fußbremse benutzen, auch wenn der Hebel ein Wenig verbogen ist. Immerhin ist die Fußraste noch dran - davon habe ich je eine zuhause, wo sie mir wenig nützt, fällt mir gerade so auf. Das hintere Achs-Sturzpad hängt schief, weil sich die Gewindestange verbogen hat - da wurde also Kraft aufgenommen. Auch das Motor-Schutzpad (China) hat Gebrauchsspuren. Vom Handprotektor (China) ist leider die innere Aufnahme gebrochen. Ich habe aber Kabelbinder dabei, um ihm am Verdrehen zu hindern. Die Verschraubung am Lenkerende (Rizoma) sieht schief aus, aber sie hindert den Handprotektor noch am Verlorengehen. Das passt so.

Ich fummle das Topcase runter und hole das Werkzeug raus. Dann demontiere ich den Topcaseträger, um unter die Sitzbank zu kommen. Dort löse ich den Kabelbinder, mit dem der Ersatzbremshebel an den Rahmen gezippt ist. Dann löse ich den traurigen Rest des abgebrochenen Bremshebels - dafür braucht man oben einen Schlitz-Schraubendreher, und unten einen 10er Schlüssel. Ich habe 6 verschiedene Schlüssel dabei, aber keinen 10er - was soll das denn? Ach, vermutlich habe ich den vorgestern zum Batteriewechseln benutzt und daheim liegen lassen. Glücklicherweise geht es aber auch mit meiner hochwertigen Zange. Alles wieder zusammenbauen und aufräumen, fertig. Danach kann man auch noch das zweite Brötchen aus der Bäckerei mampfen.

So kann ich nun die Fahrt fortsetzen, und mit mehr Konzentration die restlichen vier Passknacker sammeln. Den weiteren Weg durch die östlichen Dolomiten habe ich gestrichen, was etwa 100 km spart. Es geht ab auf die Autobahn. Da es im Tal richtig warm und sonnig ist, fahre erstmals heute gänzlich ohne Regenkombi. Die Autobahn ist richtig öde und anstrengend mit einem Naked Bike, wenn man Versys mit Givi Airflow gewöhnt ist, aber die Aussichten im Etschtal entschädigen.

Die letzten Kilometer geht es einen Pass hoch. Ich laufe nach dem Tanken (schon wieder!) auf einen Traktor auf, und kann wegen Kehren nicht sofort überholen. Dabei läuft eine R1200GS auf mich auf, die mich im nächsten Ort überholt. Italienisches Kennzeichen. Na, dann zeig doch mal, was du kannst! Weniger als eine Minute später stelle ich ernüchtert fest: Der kann nicht viel. Kurven schneiden wie ein Weltmeister, am Kurvenende wippt er lustig mit dem Kopf nach innen, und Schräglage kann er auch ganz ok - aber ich komme nicht nur mir, ich langweile mich, trotz Sicherheitslinie. Einen Transporter überhole ich 1 Minute später als er, und nach 2 Minuten bin ich wieder dran. Wow. Das kriegt er auch irgendwann mit und lässt mich passieren. Ich fahre ein paar Kurven oberes Wohlfühltempo, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ich heute bereits einen Sturz hatte, und habe dann freie Sicht in den Spiegeln. Das sind so die kleinen Freuden des Bikerlebens ;) Dann ist Passknacker-Fotopause angesagt, er passiert, und wir winken uns freundlich zu.

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Auf dieser Strecke fährt man ständig auf oder neben einem nachträglich längs eingebauten Kanal, bzw. auf den Fugen zum Altbelag. Und, was soll ich sagen, bei allem Gemotze über das Fahrwerk der MT-09: Da fahre ich völlig entspannt rastenschleifend drüber und drauf rum, da arbeiten die Reifen, aber sonst passiert da gar nix!

Und dann bin ich auch schon in Lavarone! Obwohl es Samstag, 17:50 ist, hat ein Supermarkt offen, und ich kaufe ein Sixpack Wasser für die nächsten Tage. Direkt am Hotel du Lac angekommen, wo das Höhentreffen jetzt schon das 3. Mal wohnt, gibt es ein freudiges Wiedersehen mit bekannten Gesichtern, und einige sehe ich auch das erste Mal. Wir sind mehr Leute geworden. Mein Begleiter vom Mittag ist auch schon angekommen. So beginnt dann der gemütliche Teil des Abends.

Die Route heute waren 450 km, was bei Kälte auf der Naked ziemlich schlaucht. Der Windschutz ist so schlecht, dass sitzend oder stehend zu fahren nicht mal auf der Autobahn einen Unterschied macht.

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blahwas
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Re: 19 Tage Trentino und Frankreich über deutsche Passknacke

#5 Ungelesener Beitrag von blahwas »

So 8.9. Lavarone

Heute ist den ganzen Tag starker Regen bei eiskalten Temperaturen angesagt, und zwar von 8 bis 20 Uhr. Deshalb wird ein allgemeiner Ruhetag ausgerufen.

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Normalerweise ist mir Regen egal, aber nach dem TAg gestern spare ich mir das heute gerne. Ich bin ja noch lange genug unterwegs. Vormittags fahren drei Autos voller Motorradtouristen zum nahe gelegenen Forte Belvedere, einer Verteidigungsanlage aus dem ersten Weltkrieg. Wir sind gewarnt, dass es dort kalt ist, denn es war schon Ausflugsziel in einem der vorigen Jahre, und manch ein Teilnehmer hat sich dort einen Schnupfen eingefangen. Die Fahrt ist kurz, und dann muss man etwa 15 Minuten bei leichter Steigung zu Fuß den Berg hoch. Wir zahlen als Gruppe jeder 4 statt 5 Euro Eintritt. Dann ist man auch schon in der Anlage drin, die größtenteils oberirdisch angelegt ist. Sie ist ein Wiederaufbau, wird als Museum betrieben und ist daher sicher zu betreten.

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Es ist wie bei so vielen Weltkriegsbauten absolut bedrückend zu sehen, was damals los war. Man hat als Besucher schon nach einer Stunde ein beklemmendes Gefühl und will dringend wieder raus. So einfach war es für die damals dort stationierten Soldaten nicht. Die durften nicht raus, und sie waren auch nicht ganz freiwillig drin. Außerdem waren wir im Spätsommer dort, nicht das ganze Jahr über, es sind nur etwa 100 Leute drin statt über 2000, und vor allem schießt niemand mit 34 cm-Granaten auf uns. Glücklicherweise leben wir einer Periode, die von einer historisch beispiellos langen Zeit ohne Krieg gekennzeichnet ist. Möge sie noch lange dauern!

Treffpunkt nach dem Rundgang ist die Bar, wo ich mich bei einem Tee aufwärme. Ich hätte ruhig noch mehr warme Sachen anziehen sollen, und die wasserdichten Motorradstiefel statt der luftigen Turnschuhe. Hunger macht sich bei Teilen der Gruppe breit, also laden wir zunächst am Hotel die übrigen Leute aus und machen uns dann, 14:40, auf die Suche nach einer Möglichkeit zum Essen fassen. Das klappt nicht so gut, alle Restaurants und Pizzerien schließen um 14:00 oder 14:30. Schließlich bekommen wir in einem Hotel immerhin belegte Brötchen. Dort an der Bar erleben wir den Anfang des Formel 1-Rennens in Monza. Es gibt ein großes Hallo, wenn ein Ferrari in irgendeiner Aktion beteiligt ist. Das Rennen ist ungewohnt ereignisreich, aber wir fahren trotzdem wieder ins Hotel. Ich will mich heiß duschen.

Zurück am Hotel laufen sich zwei Trial Motorräder auf dem Parkplatz warm, die Robert freundlicherweise zusätzlich zu seiner Versys mitgebracht hat. Claudia und Mirko tragen Jethelme und lauschen gebannt den Anweisungen.

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Mir ist ziemlich kalt, ich will aber noch kurz nach meinem Motorrad schauen, vielleicht noch prüfen, wie fest das Lenkerendgewicht ist. Das ist ziemlich fest. Aber ich sehe Öl auf der rechten Motorseite am Schauglas außen? Oha! Es stellt sich heraus, dass das Sturzpad beschädigt ist. Es wird direkt auf den Motordeckel geschraubt. Da die mittlere Schraube nicht mehr wirklich festsitzt, mangels planer Auflagefläche, kann an ihrem Gewinde entlang Öl laufen. Gut, dass ich das gesehen habe. Bei näherer Betrachtung lassen sich die störenden Teile entfernen, und die Schraube könnte man ungehindert eindrehen - wenn sie nun nicht zu lang wäre. Der Blick schweift am Motorrad entlang, und bleibt an den Bobbins hängen (Montageständeraufnahmen an der Schwinge). Die haben ebenfalls M6 Innensechskantschrauben, und freundlicherweise sind sie genau passend kürzer. Fransjupp hat derweil aber auch schon ein Sortiment von Unterlegscheiben ausgepackt, aus dem ich mir hätte helfen können. Notfalls hätte auch eine Fahrt zum Baumarkt geholfen. Aber gut zu wissen, dass diese Sturzpads nicht der Weisheit letzter Schluss sind. Immerhin sind sie deutlich günstiger zu ersetzen als die Motordeckel, und die übrigen beiden Schrauben bieten einen Restschutz. Künftig kommen die Original-Motorschrauben zusätzlich mit.

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Re: 19 Tage Trentino und Frankreich über deutsche Passknacke

#6 Ungelesener Beitrag von blahwas »

Mo, 9.9., Monte Baldo, Hochebene, Süden

Heute fahre ich alleine die Monte Baldo-Runde, weil ich mich lang nicht so wirklich entscheiden kann, was ich machen will. Klar ist, dass das Motorrad dreckig ist, dass es gewaschen werden muss, und dass es auf Schotter wieder dreckig wird. Also wird es diese Route, denn sie hat den höchsten Schotter-Anteil. Aber zunächst geht es runter zum Etschtal, immer am Fels entlang und manchmal auch mitten durch. Das ist fahrerisch interessant und auch anspruchsvoll, und wenn man rumbummelt, hat man auch was von der Aussicht.

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Dann geht es schnell wieder hoch zum Passo Bordala und Passo di Santa Barbara. Das sind eindeutig Motorradstrecken, und ich habe diverse deutsche Motorradfahrer vor mir, die alle wesentlich langsamer sind, und die teilweise haarsträubende Linien fahren, als wäre es eine Einbahnstraße. Zum Glück muss ich mir das nie lange anschauen, denn der 3-Zylinder verwandelt im Handumdrehen die Gegenwart in Vergangenheit, wenn man rechts dreht und halbwegs dran vorbei zielt. Mein China-Navi findet einen drolligen Weg hoch zum Monte Baldo, nämlich über Sano durch die Weinberge.

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Dann führt die SP3 bekannt und genial in die Höhe.

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Erster Stopp ist Bocca del Creer / Monte Baldo, wo man klettern könnte. Ich fahre weiter zur Bocca di Navene, und das hat einen guten Grund:

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Ich genieße hier einfach zu gerne eine heiße Schokolade mit dieser unverschämt guten Aussicht auf den halben Gardasee. Als ich mich zur Weiterfahrt vorbereite, kommt eine 5er Motorradgruppe an, die ich heute schon gesehen, aber nicht überholt habe - sie sind glücklicherweise nach 2 km abgebogen, die ich um Motoröl anschnorre. Ich habe nix dabei, denn ich fahre schließlich Japaner, aber Samstag hat sich wohl der eine oder andere Tropfen verabschiedet, denn nun bin ich am Minimum, und da fühle ich mich nicht wohl angesichts 14 weiterer Fahrtage. Einer hat Öl dabei und gibt es mir, ein anderer braucht Kettenspray, das gebe ich ihm - leider ist meine Mini-Spühdose damit leer, und so habe ich einen Eintrag auf dem Einkaufszettel.

Die Monte Baldo Höhenstraße fahre ich nicht bis zum südlichen Ende, sondern biege zuvor links ab und fahre via Avio zum Passo Fittanze della Sega. Erinnerungen kommen hoch an die Schlachten, die bei vergangen Höhenstraße hier geschlagen wurden: Als Guide dozierte ich oben am Pass, dass mein schöner Sportreifen in der letzten Kehre doch ein wenig gerutscht sei, worauf den restlichen Sportfahrern auf Tourenpneus alles aus dem Gesicht gefallen ist, weil sie seit der zweiten Kehre eigentlich quasi durchgehend am Rutschen waren.

Diese Passhöhe ist eigentlich weniger ein Höhenübergang als ein –eingang, nämlich zu einer Hochebene. Es folgen nun reichlich Kilometer auf einem prima ausgebauten Netz als breiten Schotterstraßen. Sehr früh überhole ich dabei 2 Enduros, Transalp und F650GS. Mit einer MT-09 (nix Tracer), vorne Sportreifen, hinten abgefahrener Sporttourenreifen. Da grüßt man doch besonders freundlich. Die MT-09 liegt hier unerwartet ruhig. Ob's am breiteren Hinterreifen liegt, am niedrigeren Schwerpunkt oder dem geringeren Gewicht gegenüber der Versys 650 weiß ich nicht, aber ich bin echt angetan und traue mich bis zu Tempo 60. Und dabei habe ich noch Zeit für die tollen Aussichten.

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Auch den abwegigen Abzweig zum Monte Tomba nehme ich unter die Räder, obwohl bei Passknacker extra vor einer Befahrung mit Straßenmotorrädern gewarnt wird - es war schon steiler und unebener, aber nicht wild. Die Wirtschaft oben wird wieder betrieben, also müssen hier auch Autos hoch und runter - zum Glück kommt mir keines entgegen, denn die Fahrlinie würde ich mir schon gerne selbst aussuchen. Die Aussicht von hier ganz oben ist Klasse!

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Im weiteren Verlauf folge ich einem 4x4-Pickup, wie sie nun mal typisch für diese Strecken sind. Es tauchen auch sehr große Pfützen auf, die ich artig umfahre. Dann folgt wieder Asphalt, ebenfalls mit tollen Aussichten, und mit einer anderen Art von Fahrspaß.

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Weiter südöstlich besuche ich die beiden neuen Passknacker San Bortolo delle Montagne und Passo Santa Caterina, bevor ich mich wieder nördlich in Richtung Basislager orientiere. Die Uhr tickt, und das Navi schätzt 17:00 Uhr als Ankunftszeit. Das klingt gut, aber mit Pausen wäre es etwas knapp, da es ab 19:00 Uhr Abendessen gibt, und man will sich ja noch frisch machen. Den Punkt Roccolo Rossata fahre ich an, und nehme mir vor, ihn künftig auszulassen. Auch der Passo Zovo liegt eher in der Zivilisation als außerhalb und bringt wenig Flair mit. Das bringen danach Passo Xon mit seiner irren Kurvenführung und Passo di Campogrosso, wobei ich heute aus routentechnischen Gründen nur einen davon auf beiden Seiten fahren kann. Da die Nordseite des Passo di Campogrosso dauerhaft gesperrt ist (außer man hat eine Genehmigung), fällt die Wahl nicht schwer. Die Nordseite des Passo di Campogrosso führt übrigens fast durchgehend bergab und ließe sich daher auch ohne Motor hinabrollen - das wäre zwar rücksichtsvoll, aber genauso verboten.

So oder so, man kommt zum Passo delle Fugazze, und dann zum Passo Xomo, trotz verwirrender "gesperrt bei Kilometer XY"-Beschilderung. Von hier nördlich zum Passo della Borcola hat man eine ganze Reihe von Kehren zu bewältigen, die mir heute richtig Spaß machen. Ende der Welt-Feeling und drohende Wolken sind eine nette Kombination für Abenteuer-Flair. Dazu wird es auch wieder ordentlich kalt. Andere Leute fahren dafür den Pordoi – ich habe hier noch mehr Kehren, aber die Straße für mich alleine.

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Über Serrada geht es endgültig zurück in Hotel-nahe Gefilde. Ich fahre sogar noch am Hotel vorbei, um die Yamaha zu waschen, und um sie dann wieder trocken zu fahren, sammle ich noch zwei Passknacker in der Nähe ein, nämlich den Passo del Cost und Spiazo Alto (viel besser bekannt als Kaiserjägerstraße).

So geht ein schöner Solo-Fahrtag zu Ende. Das einzige, was etwas Sorgen macht, ist das verdampfende Profil am Hinterreifen. Der muss dringend neu. Freundlicherweise ist unser Hotelwirt bereits im Kontakt mit einem Reifenhändler, der sogar einen CRA3 für mich hat. Nur für die Mitfahrerin Bea sind wird noch am Feilschen: Er hat keinen BT-023, schlägt stattdessen einen Pirelli Diablo Rosso 3 vor - oha, das ist aber was ganz Anderes, und für die Dame sicherlich übertrieben. Ich lasse nach Pilot Road fragen.

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Re: 19 Tage Trentino und Frankreich über deutsche Passknacke

#7 Ungelesener Beitrag von blahwas »

Di 10.09. Gardasee Herrenrunde

Mein Hinterreifen ist weiterhin Baustelle und droht mit den TWIs. Morgens meldet sich der Wirt bei mir, mit genauen Daten zu meinem geplanten Reifenwechsel: Es gibt einen CRA3 für mich, für 180 Euro, und für Bea einen Satz Michelin Road 5 für 290 Euro. Das sind vernünftige Preise für Italien. Leider ist der Termin erst um 15:30, so dass wir noch zwei Tage mit den Resten unserer Hinterreifen leben müssen. Um Profil zu sparen, fahre ich heute also nur kurz, und langsam, und schließe mich einer Herrenrunde an, die "Gardasee" als Ziel nennt.

Morgens geht es den Kaiserjägersteig hinunter nach Levico, durch den Ort und dann über weitläufige Serpentinen nach Compet hoch. Das kommt mir gelegen, denn das Ortsschild ist auch ein Passknackerpunkt, den ich sonst in keiner Route hätte. Das Foto gönne ich mir, jax als Tourguide hat dafür Verständnis. Dann geht es westwärts den Berg wieder runter, was wesentlich verschachtelter und unübersichtlicher ist.

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Dann näher wir uns dem Gardasee vom Nordwesten und haben den obligatorischen Kilometer Stau vor dem Kreisverkehr. Wir fahren die östliche Uferstraße entlang und suchen uns ein Café.

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Fündig werden an einem Yachthafen mit Surfschule. Als wir den Kaffee schlürfen, mit Aussicht auf den See und übende Surfer, nach einer philosophischen Diskussion, fällt uns etwas auf: Hier könnte man doch eigentlich auch prima Mittag machen. Gesagt, getan: 3x Pasta, 1x Lasagne. Eigentlich zu viel, aber hey, ist ja Schontag heute.

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Weiter geht es zum Monte Baldo. Da war ich zwar gestern schon, aber heute geht es über die Hauptstrecke statt über die Weinberge. Deshalb, und wegen der anderen Fahrweise, dauert es gefühlt doppelt so lange, und ich werde etwas unruhig. Das gibt sich aber schnell wieder, als wir Café mit Aussicht ankommen, wo Schoko und Chips schnabuliert werden.

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Jax führt uns danach auf schnellstem Weg zum Hotel zurück - und da sind wir auch erst kurz nach 17 Uhr. Passt also! Ich darf noch sein Motorrad testen: Er hat die neue Kawasaki Versys 1000 SE in Kawa-Grün, ein beeindruckend großes Motorrad mit allem Schnick und Schnack. Ich scheuche sie die Bergstrecken bis zum nächsten richtigen Pass rauf und wieder zurück. Es fällt sofort auf, dass sie sich viel leichter fahren lässt, als sie aussieht. Sie wiegt sagenhafte 65 kg mehr als meine MT-09, ist aber keineswegs träge. Dafür fühlt sich alles etwas indirekt an. Das könnte aber auch an den Reifen liegen. Zumindest vorne würde ein Sportreifen sicher guttun. Ich fahre mal im Sport-Modus, mal im Tour-Modus, merke da aber auf die Schnelle keinen Unterschied. Der Schaltassistent ist rauf und runter super, nur in Schräglage beim Beschleunigen sollte man nicht raufschalten.

Da Claudia schon morgen abreist, machen wir schon an diesem Abend das Gruppenfoto. Mein MO24-Kumpel Duck stellt sich als Fotograf zur Verfügung, er macht das schließlich öfters, und dann muss er nicht sein Gesicht ins Foto halten - er ist halt schüchtern. Die Idee zum Foto ist "Gediegener Debattierclub", da es draußen schon dunkel ist und weil es in der Garage nicht richtig hell wird. Das Ergebnis bringt den Charme des 1901 eröffneten und seitdem nur sorgsam modernisierten Hotels gut rüber.

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blahwas
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Re: 19 Tage Trentino und Frankreich über deutsche Passknacke

#8 Ungelesener Beitrag von blahwas »

Mi 11.9. Rund um Reifen

Bea und ich habe um 15:30 einen Termin beim Reifenhändler. Sie bekommt einen Satz Michelin Road 5, ich einen ContiRoadAttack 3 Hinterreifen. 15:30 ist eine etwas blöde Zeit, weil man danach nicht mehr wirklich etwas machen kann, und davor auch nichts Tolles. Also grasen wir die nächsten Pässe ab:

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Am Monte Baldo gibt es einen Kaffee, und in Brusago gibt es Mittagessen in einem dieser landestypischen Restaurants, wo sonst eher Handwerker und Rentner günstig essen gehen. Über den Passo Redebus geht schick…

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Und dann endlich nach Pergine, wo der Reifenhändler wartet. Bea lässt mir den Vortritt und lädt mich ein, ohne sie weiter zu fahren, weil sie meinen Tatendrang spürt - da sage ich nicht nein.

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Nach dem Reifenwechsel schiebt der Mechaniker mein Motorrad 3 Meter rückwärts aus der Halle, und dann kleben bereits Steinchen an der Oberseite des Reifens. Es ist einfach klasse, wieviel Grip der CRA3 schon hat, bevor man einen Meter damit gefahren ist. 100 km vorsichtig Reifen einfahren ist was für andere Fabrikate. Ich breche nun zum Manghen auf, weil er wegen einer Oldtimer-Rally ab Morgen bis Sonntag gesperrt sein soll. Meine Gashand holt alles nach, was sie die letzten Tage durch "Profil schonen" verpasst hat. Die Yamaha schnupft dabei reichlich Schnell- und Bundesstraßen auf, biegt dann flüssig erst rechts und dann links ab, und dann geht's richtig los: Gegenüber dem Vorjahr ist der Belag besser und die Fahrbahn in weiten Teilen auch breiter geworden. Das nimmt man wohlwollend zur Kenntnis. Dass der letzte Sturm auch reichlich Bäume flachgelegt hat, ist weniger schön, aber zumindest hat man jetzt auch Sicht auf die Landschaft - und die lohnt sich hier richtig.

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Es ist weniger Verkehr, die wenigen Autos vor mir lassen mich gerne passieren - auch wenn sie selbst schon fast auf zwei Rädern um die Ecken fahren. Bergauf kommt gegen ein Motorrad wenig an. Natürlich ist der Manghen keine Rennstrecke, denn das oberste Drittel ist weiterhin unter 4 Meter breit, und es stehen auch reichlich Kühe drauf, die man nicht erschrecken will. Oben angekommen bin ich froh, es geschafft zu haben, und begeistert von den Eindrücken.

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Außerdem war ich deutlich schneller als das Navi dachte. Da könnte man doch noch...? Die weiteren Tage sind eigentlich schon verplant, und da bleiben ein paar Pässe übrig. Coe und sein Nachbar Valico di Valbona, und auch weniger Kilometer jenseits des Kaiserjägers, vom Hotel aus gesehen, Passo di Vezzena. Also flugs das Navi programmiert, und siehe, Ankunft 18:30. Das ist etwas spät, aber mal sehen, wie viel schneller ich heute wohl sein werde.

Es folgt wieder Schnellstraße, und dann der Kaiserjäger. Da habe ich heute wenig Verkehr in meine Richtung, und in Gegenrichtung wundere ich mich etwas über andere Verkehrsteilnehmer. Wenn ein Motorrad in einem einspurigen Tunnel bergauf fährt, sollte man da eigentlich nicht mit einem Kleinbus reinfahren. Passt aber. Wenn man mit dem Auto um eine Kehre fährt, sollte man dabei eigentlich nicht die gesamte Straßenbreite reservieren. Ich rechne mit sowas, und bin eher amüsiert ob des Nichtkönnens als sauer oder gar erschrocken. Auch die Aussicht ist kult.

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Auf der Hochebene geht's links zum Passo di Vezzena, und auch hier kriege ich wieder bestätigt, dass eine durchgezogene Linie in einer nicht einsehbaren Kurve kein Hindernis sein muss, auch wenn die eigene Fahrspur reichlich breit ist. Ich weiche dem Übeltäter also aus und gucke etwas fragend. Schnell das Passknackerfoto am Passo di Vezzena geschossen, umgedreht, den Übeltäter von vorhin überholt und zurück nach Lavarone. Wer sieht etwas in diesem Bild?

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Aber noch nicht zum Hotel! Heute geht's recht weit durch die Ortschaften und endlich links zum Coe. Plötzlich kein Verkehr mehr und Idylle. Es fährt sich fast wie ein typischer Dolomiten-Pass.

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Weiter geht zum Valico di Valbona, an einer Schafsherde vorbei, die sich aber mehr fürs Gras neben der Strecke interessiert als für die Straße selbst. Am Valico di Valbona ist es heute ausnahmsweise nicht windig und feucht. Normalerweise kann man hier reichlich Wetter erleben.

Das war mein letzter Passknacker für heute, und ich steige erleichtert wieder aufs Motorrad. Ich fahre an, klappe den Helm zu, und würge ab! Scheiße, Fuß raauuuuuuu... nope, da ist kein Boden, ich stehe ganz am linken Rand einer deutlich überhöhten Rechtskurve. Und so begibt sie die Yamaha erneut auf den Weg in die Waagrechte, obwohl ich das verhindern möchte. Alleine, es gelingt mir nicht so gut. Zwar bleibt der Lenker in der Luft, aber hoch bekomme ich sie auch nicht mehr. So hänge ich halb über und halb unterm Mopped und gucke recht sparsam aus der Wäsche. Immerhin, der Motor ist schon aus, also klappe ich den Seitenständer aus und warte einfach mal auf Hilfe, denn mit zwei weiteren Händen geht das sicherlich sehr leicht. Die Hilfe erscheint in Form eines italienischen SUV mit 3 Damen und einem Herrn mittleren Alters, die meiner misslichen Lage mitfühlend gegenüberstehen. Der Herr versteht schnell was ich will und hilft mir hoch. Die Donnas sind eher besorgt um meinen Gesundheitszustand. Es könnte sein, dass ich sie vorhin überholt habe, und dass sie von einem Sturz während der Kurvenfahrt ausgehen - wer steht denn schon sonst mitten in der Kurve, außen, entgegen der Fahrtrichtung. Ich spreche praktisch Null Italienisch und erkläre halb lautmalerisch "Pausa, Foto, Foto, a la Moto, *rechte Hand Gasgriff drehen* bröÖÖöppp *kopf nach vorne* uiuiiuuuiii *umfallen andeuten*. Tutto bene!" Dann will sie mir noch den Weg irgendwohin erklären, was ich gekonnt mit "capiche niente" kontere. Ich bedenke mich erneut, und so ziehen wir unserer Wege. Ich rolle vorsichtigst zum Hotel zurück und hechte unter die Dusche, um 19:00 pünktlich zum Abendessen zu sein. Bea ist schon längst da und begeistert bis verwirrt von ihren neuen Reifen. Beim Abendessen fällt dann allgemein auf, dass es irgendwie anders ist, jetzt ohne Claudia, die problemlos den ganzen Tisch unterhalten kann.

Die Route nach dem Reifenwechsel:
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