Tag 4 - 17.06.2020 | Briançon -> Menton (273 km)
Mittlerweile stellte sich soetwas wie Routine in meinen Reisetagesablauf ein: Packen, Frühstück, nochmal ins Bad, Motorrad beladen, Check-out und ab vom Hof.... Wie einfach das ist!
Bereits nach den ersten 300 gefahrenden Metern war meine Routenplanung jedoch schon nicht mehr valide: Es war Markttag in Briançon.
Meine geplante Route führte genau über die Straße, die jetzt mit Marktständen, Besuchern, Lieferanten etc. gefüllt war und natürlich für den Druchgangsverkehr gesperrt wurde.
Die schon vertraute D902 erreichte ich wieder durch einen kleinen, nicht weiter nennenswerten Umweg.
Sodann wurde ich schon von einer dieser elektronischen Dot-Matrix-Anzeigen, die am Straßenrand stehen, empfangen.
Sie zeigte
COL DE D'IZOARD OUVERT an. Sehr schön! Alles andere wäre eine riesen Enttäuschung gewesen.
Hier in Font Christiane zeigten sich wieder beeindruckende Festungsanlagen auf den Bergspitzen im Osten und Norden: Die Forts du Randouillet und des trois Têtes.
Die schöne Strecke windete sich immer mehr, je näher man der Passhöhe kam. Leichtes und schönes fahren. Verkehr: keiner.
Es kamen mir drei Autos entgegen und ich habe vier Rennradfahrer überholt. Sonst nix!
An der Passhöhe war die markante Stele verwaist. Einen kleinen Schlenker und meine Twin stand vor ihr. Mein erster Versuch die gute Twin auf den Seitenständer abzustellen scheitere.
Zu abschüssig war das Gelände hier an dieser Stelle. Die Twin wäre umgefallen bevor man auch nur "Piep" hätte sagen können. Also eine 180° Wende und sie stand wie eine Eins - bereit fürs Foto.
Die an den umliegenden Berghängen durch Errosion entstanden Steinschüttungen erinnerten mich gleich an die Landschaft am Hahntennjoch in Tirol.
Zudem türmen sich inmitten des Gerölls vereinzelt stehende Felsformationen wie Stalagmiten aus dem Boden auf.
Aus irgendeinem Grund begann hier für mich der Süden. Ich hatte den Eindruck, dass sich die Landschaft veränderte und es wärmer wurde.
Ich wähnte mich schon fast an der Cote d'Azur, so beeindruckt war ich.
Die hochstehende Sonne ließ das Guil-Tal in einem wunderbaren Licht erscheinen.
Grüne Bäume, grau leuchtende Felswände und türkisblaues Wasser zeigten sich mir in dem, mittlerweile zu einer Schucht verengten Tal.
Die Schlucht weitete sich wieder zu einem weiten Tal. Zügig konnte die schöne, leicht geschwungene Straße bis hinunter nach Guillestre befahren werden.
Ein absouter Höhepunkt auf diesem Steckenabschnitt liegt meiner Meinung nach einige hundert Meter vor dem Ortseingangschild von Guillestre.
Die Straße führt hier am südlichen Berghang entlang und ermöglicht tiefe Blicke in das Tal.
Ein Foto konnte ich, in Ermangelung eines geeigneten Parkplatzes, leider nicht aufnehmen.
Wen's interessiert, hier der Link zu Google Street View als Beispiel:
https://goo.gl/maps/UCnruXzXBYsm4QhTA
Etwas weiter auf der D902. Blick Richtung Norden nach Guillestre:
Der Col de Vars war meiner Ansicht nach nichts Besonderes. Auch hier blieb es bei einem kurzen Fotostopp.
Vorher, am Orteingang von Saint-Marcellin, habe ich noch diese Gesellen ablichten können.
In dem Ort Jausiers verließ ich die klassische Route des Grandes Alpes. Die Fahrt zur
Cime de la Bonette konnte ich mir einfach nicht entgehen lassen.
Der erste Blick auf den doch so berühmten Hügel, der von der Ringstraße umgeben wird.
Etwas weiter: Das Ziel ist zum Greifen nahe!
Doch oben am Pass kam dann schnell die Ernüchterung: Die Ringstraße war mit Baustellenfahrzeugen versperrt.
Während ich mein Motorrad abstellte und kurz überlegte, ob ich wenigstens die Drohne mal aufsteigen lasse, sah ich einen mit Motorradhelm und Jeanshemd bekleideten Mann, der sich gerade bei den Bauarbeitern nach der Lage erkundigt hatte.
Auf englisch sprach ich ihn an um ebenfalls den Stand der Dinge zu erfahren. Er entschuldigte sich gleich, dass sein englisch nicht so gut wäre.
Das war nun wirklich nicht notwendig gewesen. Auch so war schnell klar, dass die Ringstraße vor Juli nicht öffnen würde.
Das wäre ihr Preis gewesen.....
Natürlich war ich über die gesperrte Straße enttäuscht. Gerne wäre ich an dem allseits bekannten Hinkelstein gestanden.
So bleibt ein Ziel für die nächste Befahrung der RDGA stehen.
Wie schon am
Col d'Izoard bekam ich auch hier wieder den Eindruck, dass die Landschaft umso schöner wird, je weiter man nach Süden kommt.
Auf der Brücke über die Tinée-Schlucht hielt ich für einen kurzen Stopp an. Wieder beeindruckte mich dieses satte Grün in diesem herrlichen Licht.
Zum ersten Mal sah ich an dieser Stelle einen Wegweiser, auf dem Nizza ausgeschildert wurde. Nur noch 95 km bis an die die Côte d'Azur! Ähm..... Nicht ganz....
Ca. zwei Kilometer vor Isola begann es zu regnen. Schwarze Wolken zogen auf und das schöne Licht verschwand allmälig.
Ich haderte mit mir, ob ich die Regenkombi überziehen sollte. Hier im Hochgebirge scheint, meiner Erfahrung nach, im nächsten Tal oft wieder die Sonne....
Im Ort wurde der Regen zusehens stärker. Es tröpfelte nicht mehr, es strömte nur noch so vom Himmel. Widerwillig streifte ich mir die Regenkombi über.
Meine Erfahrung sollte mich auch dieses Mal nicht im Stich lassen: Schon 5 km hinter dem Ort hörte der Spuk auch schon wieder auf.
Das Tinée-Tal ist eine Schönheit für sich: Mal öffnet sich das Tal wieder ein bisschen, mal wird es wieder enger und die Straße führt direkt am Hang entlang.
Während ich noch die Fahrt durch das Tal genoss, und mich bald am Meer wähnte, holte mich die Stimme meines Navis wieder auf den Boden der Realität zurück.
Scharf muss man links auf die Route de la Vésubie abbiegen um die drei letzten Pässe der RDGA zu erreichen.
Die Fahrt hinauf zum
Col Saint-Martin pres Valdeblore, über diese Straße mit dieser großartigen Streckenführung, wurde leider durch mehrere Baustellen immer wieder kurz unterbrochen.
Die Passhöhe selber gewinnt sicherlich keinen Schönheitspreis.
Urplötzlich und ohne Vorwarnung stand ich dann später auf dem
Col de Turini - ein paar Häuser eine große Asphaltfläche und das war's im großen und ganzen eigentlich schon.
Aussicht: keine. Schönheit: keine.
Ich hatte mir unter diesem wohlkingendem Namen etwas mehr vorgestellt.
Gerade als ich von meiner Twin abgestiegen war, dröhnte ein ohrenbetäubender Lärm durch die Wälder.
Ein junger Mann jagte seinen Subaru Impreza die Straße zur Passhöhe hinauf.
Ich gehe mal davon aus, dass das seine Hommage an die Rallye Monte Carlo und somit der
Nacht der langen Messer war....
(Klarstellung: Auch wenn in der Geschichte dieser Name mit vielen schrecklichen Ereignissen in Zusammenhang steht, so beziehe ich mich rein auf die genannte Rallye!)
Nachdem ich mir kurz die Beine vertreten hatte, fuhr ich weiter. Menton war zum greifen nah und ich wollte da hin - schnell!
Die Chapelle Notre-Dame de la Menour war, neben den vielen Spitzkehren, der nächste Leckerbissen auf dem Weg ans Meer.
Immer wieder schweiften meine Blicke nun von der Straße ins Tal ab - so schön lag es nun vor mir, dass das Fahren schon fast eine Nebensache wurde.
Es stehen nun wieder mehr Häuser an der Straße als es bis jetzt auf den letzten Kilometern der Fall war. Ich bin in dem kleinen Örtchen Sospel angekommen.
Im Ort stehen auf einem kleinen Platz Tische und Stühle unter Sonnenschirmen und Markisen. Schattenspendene Bäume flankieren diesen Platz.
Mit Blick auf den Fluss Bévéra kann man hier sicherlich bei einem Kaffee gut die Seele baumeln lassen.
Diese kleine Szene im großen Film des heutigen Tages gefällt mir so gut, dass ich mir hier später einen POI setzen werde.
Wieder geht es die Berge hinauf - immer am Hang entlag in Richtung Castillon.
Ohne Vorwarnung biegt die Straße plötzlich scharf links ab in einen Tunnel.
Der
Col de Castillon war erreicht - und somit der letzte Pass dieser Reise auf der Route des Grandes Alpes.
Und in einer der folgenden Kurven: Da hinten! Das ist nicht mehr nur das Blau des Himmel! Nein, das ist das
MEER !!!
Bis hinunter an die Stadtgrenze von Menton war es nicht mehr weit.
Schon von weitem konnte man die alles dominierende Autobahnbrücke sehen, die sich über die Häuser der Stadt spannt.
Damals, 2005, bin ich mit dem Auto da oben entlang gefahren um nach La Turbie zu kommen.
Der von mir vorab geträumte triumphale Einzug in die Stadt war dann doch eher ein Stop and Go im täglichen Berufsverkehrschaos.
Den typischen Deutschen, also mich, erkennt man hier im Süden daran, dass er sich brav hinten an der Blechlawine anstellt, während die zweiradfahrende lokale Bevölkerung in Schutzausrüstung (Jethelm, T-Shirt, kurze Hose und Flip-Flops) auf ihren Rollern an einem vorbei brettern.
Diese Gene habe ich nicht - jedenfalls nicht heute, nicht mit einem voll gepacktem Motorrad.
Quälend lang dauert es, bis sich in der Ferne endlich das Casino Barrière abzeichnet.
Die Promenade du Soleil, die zwischen dem Casino und dem Stand verläuft, war mein offizielles Ziel für diesen Tag.
Ziel Erreicht: Ich stehe in Menton am Mittelmeer.
Meine Wahl der Bleibe für die kommende Nacht fiel wieder auf ein Ibis-Hotel.
Ein Dreibettzimmer mit Balkon und Blick auf den Yachthafen und die in der Ferne liegende Altstadt kam mir sehr gelegen.
Um einzuchecken stellte ich meine Twin in die Zufahrt zur Tiefgarage des Hotels ab.
Die Hotellobby betrat ich durch den Seiteneingang um sogleich der Dame an der Rezeption ein freundliches "Hello! How are you?" zu entgegnen.
Die Antwort fiel recht eisig und einsilbig aus. Nachdem ich ich mich vorgestellt hatte, bekam ich die Antwort: "You have Room XXX. Motos are free."
Das man für Motorräder keine extra Parkgebühr für die Tiefgarage bezahlen musste, kam mir sehr entgegen.
Die Tiefgarage war allerdings so eng, dass ich mich mich nicht getraut hätte hier mit meinem VW Passat zu parken.
Mit dem Motorrad war das aber kein Problem.
Dass sich hier auch andere Autofahrer mit dem Rangieren schwer taten, sah man an den vielen Lackspuren mit denen die Betonpfeiler übersäht waren.
Kaum hatte ich alles Gepäck im Zimmer verstaut, griff ich mir meine Badehose und das Handuch. Ab zum Strand!
Ein Besuch am Mittelmeer ohne ein Bad darin zu nehmen geht überhaupt nicht!
Die Bilder davon erspare ich euch lieber! Lasst euch aber gesagt sein: Es war herrlich!!!
Auf dem Rückweg vom Strand zum Hotel fand ich eine Pizzeria, die mir zusagte. Nach dem duschen würde ich hier meinen Hunger stillen.
Gesagt, getan! Die Pizzeria hatte eine schöne Terasse mit Blick auf die vielen Segelschiffe, die gleich ein paar Meter weiter in der Marina lagen.
So fragte ich die für die Terasse zuständige Bedienung, ob ich mir einen Tisch aussuchen dürfte oder sie mir einen zuweisen könnte - natürlich frage ich auf englisch.
Ihre Augen wurden plötzlich größer und sie wirkte auf ein mal sichtlich nervöser. Irgendetwas sagte sie mir auf französisch und war darauf blitzschnell verschwunden!
"Mhh, was ist denn hier los?" fragte ich mich noch, als sie mit jemanden aus der Küche an ihrer Seite wieder zu mir kam. Ok, jetzt verstand ich...
Der Herr aus der Küche konnte ein paar Wörter englisch sprechen! Ich bekam nun einen Tisch - einen mit gutem Blick auf den Hafen. Ich war begeistert.
Allerdings war mir das Erlebnis mit der sprachlichen Barriere zwischen uns so unangenehm, dass ich mir auf meinem Smartphone die Bestellung der Pizza und des Bieres per Google Translate auf französisch vorsagen ließ.
Die Bedienung kam an meinen Tisch und ich gab mein Bestes um die Bestellung aufzugeben - natürlich ohne Handy. Plötzlich sah ich ein freundliches Lächeln in ihrem Gesicht.
Es wurde noch ein netter Abend und ich durfte die herzlich warme Art der Leute in diesem Restaurant geniessen.
Als ich zum Schluss bezahlen wollte, fragte ich natürlich wieder Google, was ich denn jetzt sagen müsste.
Das, was ich angezeigt bekam, war mir in diesem Augenblick zu kompliziert.
Als die Bedienung abermals zu mir kam, hielt ich ihr das Handy mit dem Text auf dem Bildschirm hin.
Sie schmunzelte wieder freundlich und ich bekam sobald die Rechnung präsentiert.
Nach dem Bezahlen stand ich auf und verließ die Terasse.
Mehrfach war noch: "Au revoir!" und "Merci" zu hören, dass ich so gut es ging erwiderte.
So wurde aus einem einfachen Restaurantbesuch ein Erlebnis, dass ich sicherlich nicht so schnell vergessen werde!
Hier geht's zu den Tracks in Google MyMaps.