Südtirol - mehr als Speck und Knödel

Reisen auf dem Festland von den Alpen bis zum Absatz
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Ralf53
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Südtirol - mehr als Speck und Knödel

#1 Ungelesener Beitrag von Ralf53 »

Südtirol mit seinen Gebirgspässen, kurvenreichen Bergstraßen und engen Kehren ist für Motorroller- und Motorradfahrer wie geschaffen. Eine einzigartige Berg- und Naturlandschaft und dazu ein kleines Gefühl von Freiheit.

Penser Joch und Jaufenpass

Kleine Nebenstrassen führen uns über Hafling, Vöran und Mölten am Südhang des Tschögglbergs entlang. Hoch über der Landeshauptstadt Bozen schwingen wir uns auf einer gut ausgebauten, aber verkehrsarmen, Panoramastrasse auf dem Hochplateau des Salten (1.100m) durch Wiesen und uralte Lärchenwälder.
BildVor uns weitet sich der Blick auf die einzigartige Bergkulisse der Dolomiten. Traumhaft! Hinter dem Dorf Jenesien (die Wiege der Haflinger Pferde) biegt die SP99 in Richtung Bozen ab und das Navi fordert: links abbiegen! „Via Miramonti“ verkündet harmlos das Straßenschild, doch das steil abfallende Gässchen hat es in sich. Steil…steiler…immer steiler geht es hinab. Da meine 600er Honda Silver Wing keine Motorbremse hat, ist zwangsläufig Dauerbremsen angesagt, was wiederum meiner Hinterradbremse nicht besonders gefällt. Der linke Bremshebel lässt sich immer schwammiger betätigen. Unter meinem Helm entwickelt sich ein Feuchtbiotop. Ehe sich die Bremswirkung ganz verabschiedet erreichen wir die Sarntaler Staatsstrasse. Man muss auch mal Glück haben!
Der Adrenalinspiegel sinkt und wir folgen den braunen Hinweisschildern Sarntal und Penser Joch. Direkt am Eingang des Sarntals erhebt sich auf einem mächtigen Porphyrfelsen hoch über der Talfer das mittelalterliche Schloss Runkelstein. Die Zufahrt in das lang gezogene Tal führt durch die enge „Sarner Schlucht“ und windet sich, gut ausgebaut, durch 17 (!) Tunnelröhren. Von Sarnthein führt die Strada Stratale 508 die ersten 20 Kilometer leicht ansteigend bis nach Weißenbach. Die Landschaft verändert sich stetig. Raue Bergspitzen fesseln den Blick, während sich die Straße durch das Hochtal mit seinen dunklen Wäldern und weiten Wiesen schlängelt. Der Kurvenspaß ist dabei genauso großartig wie die Aussichten. Die letzten 10 Km geht es mit einer Steigung von 8% bis 12% stetig bergan. Auf dem letzten Kilometer vor dem „Penser Joch“ wird es dann wieder flacher. Auf dem Joch in 2.211m Höhe erwartet uns eine Mondlandschaft. Verdorrtes Gras und kahler Fels, gelegentlich überzogen mit einigen braugrünen Flechten und Moosen. Kein Baum, kein Strauch. Eine Rast auf der Passhöhe ist dennoch ein Muss. Das Panorama reicht von hier oben über die Sarntaler Alpen bis weit in die Dolomiten hinein.
BildKurvenreich und in bester Hanglage, bei max. 10% Gefälle und mit nur wenigen Spitzkehren, führt die Route hinab ins Wipptal. Die Nordabfahrt ist so entspannt zu fahren, dass ich zwischendurch sogar mal einige Motorräder „jagen“ kann, ehe mich dann allerdings ein Baufahrzeug jäh ausbremst.
Kurz vor dem mittelalterlichen Städtchen Sterzing windet sich die „Strada Statale 44 del Passo di Giovo“ durch Wälder und Almen dem nördlichsten inneritalienischen Alpenpass, dem „Jaufen“ (2.099m), entgegen. Für Sattelschlepper und Fahrzeuge mit Anhängern über 4,5 m Länge herrscht zwischen Gasteig und St. Leonhard Fahrverbot, dafür ziehen vor mir einige PKW-Fahrer die Passstrasse hinauf, denen - ihrer Fahrweise nach zu urteilen - der Angstschweiß aus dem Auspuffrohr tropft. Gefühlte „Stunden später“ legen wir auf der Passhöhe vor einem winzigen Gasthaus einen kurzen Fotostopp ein. Unter einem herrlich blauen Himmel genießen wir noch einmal die Aussicht auf die Südtiroler Bergwelt. Im Norden erheben sich die beeindruckenden Gipfel der Ötztaler Alpen, während im Süden die Bergspitzen der Sarntaler Alpen in den Himmel ragen.
Auf der Südwestseite strebt das Teerband nun über 20 Km in weiten Bögen und immerhin 11 beeindruckenden Serpentinen hinab nach Sankt Leonhard. Der Straßenbelag ist gut; es gibt einige Engstellen, die meine Aufmerksamkeit fordern. Auf unserem weiteren Weg durch das Passeiertal, die Heimat des Tiroler Volkshelden Andreas Hofer, nach Meran, werden wir nun immer öfter von Weinreben, Obstplantagen und einer fast mediterrane Vegetation begleitet.

Durch das Vinschgau ins Val Martello

Wir genießen das Frühstück im kleinen Biergarten des Gasthofs Falkenstein. Weit geht der Blick hinunter ins Tal und die weiß „gezuckerten“ Berggipfel der Ortlergruppe in der Ferne. Ruhetag oder nicht, das ist die Frage, die sich relativ schnell klärt. Zum Nichtstun ist das Vinschgau einfach zu schön. Ein Blick auf die Karte genügt und das Ziel steht fest. Der Motor meiner Siwi gibt ein sonores Brummen von sich, als wir uns das enge Teerband durch die Weinberge hinab nach Naturns stürzen.
In Goldrain verlassen wir die SS 38 und wenden uns südwärts. Zunächst flankieren Obstplantagen den Straßenrand, welche bald einem lichten Fichtenwald Platz machen.
BildÜber uns thronen die Burgen Ober- und Untermontani. Die Räder rollen auf griffigem Asphalt, der uns über 23 km in den Nationalpark Stilfser Joch und die Ortlergruppe (3.905m) hineinführt. Steil ragen die Felswände am Eingang des „Val Martello“ auf. Zunächst ist das Tal recht breit; erste weitläufige Serpentinen lassen entspannten Fahrspaß aufkommen. Beidseits sattgrüne Almwiesen und vereinzelte Höfe. Ein Schild weist auf die Einkehr „Hermann`s Spelunke“ hin und neben uns gurgelt der Wildbach Plima. Immer wieder begleiten uns Erdbeerfelder. Wir sind im höchstgelegenen Tal Europas, in dem noch Erdbeeren angebaut werden; sogar eine Erdbeerkönigin gibt es hier.
Hinter dem Dörfchen Gand verengt sich das Tal und steigt deutlich an. Lärchen und Zirben ziehen sich nun die Berghänge hoch. 6 knackige Spitzkehren vom Allerfeinsten erfordern volle Aufmerksamkeit. An der dahinter folgenden Engstelle türmt sich eine mächtige, in den 1950er Jahren errichtete, 83 m hohe Staumauer auf. Auf 1.850 m Meereshöhe spiegelt sich das blaugrüne Wasser des „Lago Gioveretto“ (Zufrittsee) in der Sonne, überragt von Furkel-, Zufallferner, Monte Cevedale & Co., allesamt Dreitausender.
Die schmale Strasse zieht sich entlang des Sees dem Talende entgegen. Immer wieder erhaschen wir einige Blicke aufs Wasser. Noch einmal ziehen wir genüsslich einige enge Kehren hoch - Steigung 18% -, dann endet die Stichstraße in 2.100m Höhe auf einem Wanderparkplatz. Zwei Berggasthöfe laden zu einer Pause ein; allerdings nicht heute - Ruhetag!
Mit einem leichten Grinsen im Gesicht geht es daher zurück - die Spitzkehren warten!!

Ultental, Brezer Joch und Gampenpass


An der sehenswerten Forst Brauerei biegen wir nach Marling ab. Ab jetzt haben wir die Strasse wieder für uns allein. Unter uns liegt die Kurstadt Meran. Apfelplantagen ziehen sich bis zum Horizont. In der Innenstadt von Lana lassen wir den Abzweig zum Gampenpass links liegen und folgen dem Schild „Ultental“. Zum Einfahren ziehen sich entspannt zu fahrende, breite Kehren dem Eingang zum Ultental hinauf. Weinhänge und Apfelplantagen wechseln sich ab, Pinien am Straßenrand und über allem ein altes Herrenhaus. Malerischer kann man Kurven nicht in die Landschaft setzen. Die Gashand sollte man dennoch ruhig halten; vor den ersten beiden Kurven lauern zwei „Starenkästen“. Hinter der Ortschaft St. Walburga passieren wir auf 1.137 m Meereshöhe den Zoggler Stausee. Dem gewaltigen Damm und dem über zwei Kilometer langen See mussten zahlreiche, zum Teil 600 Jahre alte, Höfe weichen. Der Asphalt ist griffig und meine Silver Wing zieht ihre Bahn „wie an der Schnur gezogen“. Sattgrüne Almen, gesäumt von uralten Bauernhöfen mit ihren traditionellen Schindeldächern, ziehen an uns vorbei. Mächtige Gebirgsmassive rahmen das weite Tal ein. Höchster Berg im Ultental ist die 3.443 m hohe „Hintere Eggenspitze“. Die Flanken der Berge sind von lichten Tannen- und Fichtenwälder bedeckt.
Am Talende, hinter St. Gertraud, beginnt der schönste Teil der Strecke. Die Straße wird deutlich enger; das Teerband ist nun von Rissen durchzogen. Etwa 6 Kilometer mit einigen knackigen Spitzkehren und einer Steigung bis zu 16% müssen wir noch bis zum „Weißbrunnsee“ (1.872m) unter die Räder nehmen. Anfangs noch in der Sonne, führt der Streckenverlauf bald durch schattige Waldstücke und an kleinen Wasserfällen vorbei. In den Kurven müssen wir immer wieder mit wilden Tieren, die sich als freilaufende Ziegen herausstellen, rechnen. Der Himmel weint, als wir den Weisbrunnsee und den Gasthof Knödlmoidl erreichen. Da es weiterhin tröpfelt, ist jetzt wohl der richtige Zeitpunkt für eine kleine Stärkung.
Ein (alkoholfreies) Weizen und eine Gerstelsuppe später findet die Sonne wieder ihren Weg durch die Wolken. Eine Ziegenherde trottet unter lautem Glockengebimmel am tiefblauen See vorbei. Ein Anblick zum Träumen.
BildZurück in den Talboden biegen wir hinter St. Walburg auf die SP86 ab, welche uns auf das „Hochmahdjoch“ (1.620m) führt. Die eigentliche Passhöhe - ohne Passschild - befindet sich oberhalb des 1,6 km langen Scheiteltunnels auf einem Wanderweg. Im Westen wird das Hofmahdjoch vom Kleinen Kornigl (2.311m) und im Nordosten von der Laugenspitze (2.434m) überragt.
Durch dichte Lärchenwälder geht es auf den benachbarten Deutschnonsberg, ein idyllisches und unberührtes Hochtal. Grüne Wälder, Almen und kristallklare Bergseen prägen die Landschaft. Wir tauchen in das „Val di Non“ ein. Vorbei an Proveis schwenken wir nach Laurein ab. Hier beginnt der Anstieg zum „Brezer Joch“ (1.397m). Wir sind praktisch allein auf der Strasse und so kann ich es richtig rollen lassen.
Das Joch selbst ist recht unspektakulär, mehr ein Hügel mit Passschild mitten im Wald. Die Abfahrt ins Trentino entschädigt dann am Ende etwas mit einigen in weißen Fels geschlagenen Serpentinen.
Wir machen noch einen kleinen Schlenker südwärts. Das Ambiente der kleinen Städtchen wird immer italienischer. Im winzigen Örtchen Brez im oberen Nontal wenden wir uns wieder nach Norden und streben über Fondo dem Gampenpass zu. Lange Geraden und weite Kurvenradien führen aufwärts. Die Straße ist breit, der Asphalt in sehr gutem Zustand. Völlig unerwartet schlagen dicke Regentropfen auf dem Windschild ein. Wir finden mit einigen niederländischen Motorradfahrern gerade noch Schutz in einer Hotelgarage, als sich der Schauer zu einem Wolkenbruch auswächst. So schnell wie er gekommen ist, ist der Regen dann auch vorbei. Die nun tiefschwarze Strasse überquert in 1.518 m Höhe den „Gampenpass / Passo delle Palade“. Von der komplett bewaldeten, recht unscheinbaren Scheitelhöhe wedelt die beste Sozia der Welt mit mir in ungezählten Wechselkurven durch dichten Bergwald hinab ins Etschtal. Hinter einem unbeleuchteten Felstunnel blitzt kurz vor Lana die Leonburg durch die Bäume, eine Burganlage aus dem 13. Jahrhundert und über das Tal spannt sich ein riesiger bunter Regenbogen. So schön kann ein Tag enden!
Bild


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Liane
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Re: Südtirol - mehr als Speck und Knödel

#2 Ungelesener Beitrag von Liane »

Schönes Regenbogenbild!
Servus

Liane

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maxmoto
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Re: Südtirol - mehr als Speck und Knödel

#3 Ungelesener Beitrag von maxmoto »

Vielen Dank!
Wir waren vor Kurzem in dieser wunderschönen Gegend ....
viewtopic.php?f=36&t=10876
.... und der Mai wird uns wieder - in einer überschaubaren Gruppe - in diese Gegend ziehen.

Deine Routen werden wir da sehr gut gebrauchen können und sie sicher teilweise übernehmen.

Maxmoto
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Chris aus Leonding
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Re: Südtirol - mehr als Speck und Knödel

#4 Ungelesener Beitrag von Chris aus Leonding »

Wird Zeit, dass ich wieder einmal in diese Gegend komme ;) Herrliche Strecken und imposante Landschaften. Danke fürs Teilen :L
Liebe Grüße von Chris aus Oberösterreich
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Ralf53
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Re: Südtirol - mehr als Speck und Knödel

#5 Ungelesener Beitrag von Ralf53 »

Freut mich, wenn euch der Tourbericht gefällt :-)

Gruß Ralf
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AdventureDavid
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Re: Südtirol - mehr als Speck und Knödel

#6 Ungelesener Beitrag von AdventureDavid »

Danke fürs zeigen.. man findet doch immer wieder neue schöne Ecken. :L

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Ralf53
Beiträge: 146
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Re: Südtirol - mehr als Speck und Knödel

#7 Ungelesener Beitrag von Ralf53 »

:D Gerne!
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ReinerH
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Registriert: Dienstag 8. März 2022, 22:12

Re: Südtirol - mehr als Speck und Knödel

#8 Ungelesener Beitrag von ReinerH »

Hi Ralf,

ich habe gerade mal in deinen Film geguckt.
War ja echt nicht viel Verkehr, da hatte ich die Gegend irgendwie noch anders in Erinnerung.

Bin jetzt nicht so der Rollerexperte,
aber mir ist aufgefallen, dass du in den Kurven und besonders den Kehren oft die gesamte Straßenbreite ausnutzt.
Liegt das am langen Radstand oder den verhältnismäßig kleineren Reifen?

Gruß

Reiner
nur wo man mit dem Motorrad war, war man wirklich

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