Ja, der Col de Camps.....
Dieses mal war er jedoch nicht der Mittelpunkt unserer Aktivitäten, denn wir fuhren ihn durch die beschriebenen Betonrillen
hinunter nach Colmars, dass wie ein Schwalbennest über dem Verdon thront. Hier scheint man in das Mittelalter
zurück gekehrt zu sein. Vauban, der Festungsbaumeister des Sonnenkönigs, errichtete beide Forts, die über Grabenwehre
mit der Stadt verbunden wurden und baute die Stadttore aus.
Laut Michelin-Reiseführer 2003 hat der Ort 376 Einwohner*.
Wir fahren weiter zum Col d' Allos hinauf. Die Abfahrt in Richtung Barcelonnette ist wunderschön und verwöhnt mit phantastischen
Ausblicken. Kurz vor Barcelonnette vereinen sich die beiden Paßstraßen Cayolle/Allos wieder.
In der Stadt kaufen wir ein, damit unsere Gören nicht Hungers leiden müsse. Kurz danach verlassen wir wieder die D900 um
zu unseren Campingplatz einzubiegen.
Den nächsten Tag nutzen wir Vier um an den Lac de Serre-Poncon zu fahren. Die Sonne strahlt aus einem blauen Himmel,
so dass das Wasser dieses Stausees dunkelblau mit gleißenden Weiß vor uns auftaucht. Wir verlassen die langweilige D900
um auf die D954 zu fahren. "Chaussee deformee" eben. Viel schöner. Wir umrunden den See, in dem die Ubaye und die Durance
verschwinden und nur noch die Durance heraus kommt. Er ist gesprenkelt von kleinen bunten Schlauchbooten und Luftmatratzen.
Hundertschaften genießen das wunderbare Wetter um zu baden. Die Landschaft ist wie immer außergewöhnlich schön.
Ein Besuch des Kraftwerkes an der Staumauer rundet diesen Besuch ab. Was fangen wir mit diesem angebrochenen Tag noch an?
Nach Barcelonnette! Der Metropole im Tal der Ubaye. 2976 Einwohner*. Immerhin eine KTM-Vertretung!
Wir bummeln über den Markt, essen Eis und genießen die Sonne.
Mir fehlt etwas. 1987 war ich mit Martina auf dem höchsten Berg dieser Gegend, dem Mont Pelat, genau zwischen
dem Col d'Allos und dem Col de la Cayolle gelegen. 3051m hoch. Wir sind damals mit der BMW vom Ort Allos aus zum Lac d'Allos
gefahren. Da ist ein Parkplatz. Kaum hat man ihn verlassen, taucht man wieder in diese Stille ein, die sofort die ratternden
Gedanken beruhigt. Der See, 2229m hoch, ist noch ein Relikt der letzten Eiszeit.
Mir mangelt es an der Fähigkeit diese grandiose Landschaft zu beschreiben, in der dieser See mit seinem türkis-blauem Wasser
liegt. Ein Rausch der Farben. Der Aufstieg zum Pelat war von hier aus in zwei Stunden bewältigt.
Zurück 1996.
Nach der Rückkehr zu unserem Campingplatz, so beim Weinchen, machte ich meinen Mädels den Vorschlag, doch morgen
mal auf den Mont Pelat zu klettern. Ist eine leichte Bergwanderung, die könnte man ja vom Cayolle aus in Angriff nehmen.
Cayolle! Ihnen ist ja wohl klar, dass ich damit Martina ködern wollte, lieber Leser.
Wir stellen die Kräder am Refuge ab und wandern los. Piccola Pupa ist sofort hellauf begeistert, Nele würde auch ungefragt mitmachen.
Es hängt an Martina. Es hängt aber nicht lange, sie findet die Idee gut.
Leider schmeckte der Rote im Kreise unserer Franzosen zu gut, um etwas früher in den Schlafsack zu klettern.
Spät setzten sich deswegen am folgenden Tag zwei Motorräder in Bewegung.
Clever wie wir nun man sind, überquerten wir die Ubaye schon weit vor Barcelonnette, um über die D109 zum Einstieg
zur Passstraße zu kommen. Wieder die Bachelard, hinauf auf den Col de la Cayolle. Viel ist auf dem Parkplatz vor dem alten
Refuge nicht los, der Kölner Student begrüßt uns herzlich, um dann doch sehr nachdenklich zu werden.
"Ihr seid verdammt spät!" So sein Kommentar.
So watscheln wir vier Gestalten los. Turnschuhe, Motorradstiefel und Jacken, ich noch eine Jeansjacke und Hose im Rucksack.
Ein bisschen Obst und die obligatorischen Sigg-Flaschen. Martina hat die Kameratasche dabei.
Das zieht sich aber, noch nach einer halben Stunde sehen wir das Refuge, vor dem unser besorgter Kölner steht und zu uns
schaut. Wir biegen zum Petit Cayolle ein und sehen uns einem großen Schneefeld gegenüber.
Der Weg führt in Richtung See, also weg vom Berg. Die Zeit verrinnt, die Stimmung ist prächtig. Ab und zu ein Foto, so tippeln wir
unverzagt weiter. Erst kurz vor dem Ufer des Sees biegt der Pfad rechts ab, endlich auch das erste Schild "Mont Pelat".
Quer über ein steil abschüssiges Geröllfeld geht es nun bergauf. Das Pfeifen der zahlreich umher huschenden Murmeltiere
durchbricht die Stille. Nach etlichen Stunden geht es einen sehr schmalen Grad entlang und endlich ist der Berg zu sehen.
Wenn hier einer abschmiert......
Das Wasser war längst getrunken, das Obst stark reduziert und wir waren völlig verschwitzt. Gnadenlos brannte die Sonne
auf die Geröllwüste herab. Es wurde immer steiler! Ratlosigkeit machte sich breit. Sollen wir umkehren?
Piccola Pupa hält eine flammende Rede. Sieben Jahre alt und ein Kopf größer als ein Dackel, erklärt sie uns, dass wir das
schaffen würden.
Also kraxelten wir weiter. Zum Schluss auf allen Vieren. Endlich waren wir oben, aber ist es hier eng! War das 1987 auch so?
Das Gefühl, als rase die Erde unter einem dahin, gesellt sich hinzu. Wir halten uns an den Händen und richten uns auf.
Was für eine Aussicht! Es müssen so hundert Kilometer sein. Überall Berge, unten, in südlicher Richtung funkelt der Lac d'Allos
im Sonnenlicht. Sogar die Pupa schweigt.
Noch heute habe ich die Bilder vor Augen - und das nach dreizehn Jahren.
Lange dürfen wir nicht bleiben, ein Blick auf die Uhr lässt mich erschrecken. Wir werden wohl in die Dunkelheit geraten.
Runter geht es mit den Beinen nach unten auf allen Vieren. Erfahrungsgemäß ist der Abstieg schwerer.
Über den Grad zum Geröllfeld. Kilometer für Kilometer, rasant vergeht die Zeit. Der untere Teil des Geröllfeldes ist schon
in den Schatten getaucht, schnell sinkt die Sonne. Kälte kommt auf, ich kriege in meiner kurzen Hose einen Oberschenkelkrampf.
Die Jeansjacke und eine lange Hose sind zu meinem Glück im Rucksack verstaut. Die Kinderchen ziehen ihre Motorradjacken an
Martina klappert mit den Zähnen. Weiter steigen wir ab, endlich sind wir am See. Nach links hinauf zum Petit Cayolle.
Langsam rutschen wir über das Schneefeld, endlich biegt der Weg nach rechts: Da ist das Refuge!
Den ausgespülten Pfad hinunter, doch was war das? Da bewegt sich doch was?
Direkt am Pfad hatten Murmeltiere ihren Bau angelegt, aus ihm spähten Jungtiere. Sie kannten keine Angst, zwanzig Zentimeter
vor unseren Beinen blickten sie uns neugierig an. Langsam die Kamera, gut das richtige Zoomobjektiv. Einschalten, fokussieren.
Verdammt, eine halbe Sekunde Belichtungszeit bei Blende 4,5. das 36. Foto. Der "Schuss" muss sitzen.
Einatmen, langsam raus mit der Luft. „Klick“. Der Hebel der Spiegelreflex lässt sich noch einmal spannen. Es war das letzte Foto
auf dem Film.
Wir gehen die letzen Meter zum Refuge. Öffnen die Tür, es war 20:00 Uhr durch.
Unser Kölner schaut sich zu uns um.
"Gottseidank! In zehn Minuten hätte ich den Rettungshubschrauber gerufen."
Morgen geht es weiter……
Gruß, Michael
*Michelin Reise-Verlag. Der grüne Reiseführer "Französische Alpen"; ISBN 2-06-000255-9
Ob diese Nummer noch stimmt, entzieht sich meiner Kenntnis. Michelin akutalisiert den Reiseführer bei Bedarf.
Ich kenne nichts Besseres....