Mimoto hat geschrieben:Das was emotional bleibt.....
Da darf André mal was zu schreiben.
kann ich ja mal probieren..
wie Micha bereits sagte, ist der Film natürlich auch so geschnitten, dass auch Außenstehende einen groben Gesamteindruck von der Tour bekommen und das Ganze dabei noch interessant bleibt (und Manfred die Finger von der Vorspultaste läßt).
emotional sprech ich jetzt mal nur von mir ...
im letzten Jahr bin ich in Italien (neben den üblichen Verdächtigen) den Maniva Pass gefahren. Enge Serpentinen und ein klein bisschen Schotter, wenig andere Motorräder. Das hat mir sehr gut gefallen - es war irgendwie komplett anders als SellaJoch und PordoiPass (was auch schön sein kann) mit einer gefühlten Million anderer Motorrad Begeisterter rauf und runter.
Nun hatte ich also die GS und schmachtete vor der Glotze bei Sachen wie long-way-round. Problem war nur, das meine alltäglichen Moped "Abenteuer" i.d.R. Plöner See, Ostsee oder Kollmar (das an der Nordsee, Jungs

) waren.
Es gab einfach keinen gemeinsamen Nenner, der Fantasie und Realität halbwegs in Einklang bringen konnte, selbst wenn wir in Bereiche der Quantenphysik gehen.
Ein bisschen "Abenteuer" konnte ich dann aber plötzlich doch realisieren - die Teilnahme an dem Enduro Training in Hechlingen.
Ich konnte zwar schon mit der GS durch die Norddeutsche Tiefebene gondeln, aber dass war nun schon eine wirklich ganz andere Hausnummer.
Ich durfte Sachen "erfahren", die bislang nicht möglich waren - sei es von der Fahrzeugbeherrschung oder allein von den örtlichen Gegebenheiten. Es hat extrem viel Spass gemacht und eine ganze Portion Sicherheit und Selbstvertrauen im Umgang mit dem Moped gebracht.
Da nun mehrwöchige Reisen in die Mongolei oder entlang der Seidenstrasse bei realistischer Betrachtung für mich auch in Zukunft lediglich in der Fantasie stattfinden werden, suchte ich wiederum nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner.
In Micha, fand ich einen passenden Gegenpart - mal was anderes machen, nicht zu extrem aber schon mal fordernd und ab und zu auch ein klein wenig darüber hinaus.
Frei nach dem Motto alles kann - nichts muss, wurde die Idee Seealpen mit den ehemaligen Militär Strassen, Tunnel, Pässen geboren und nahm recht zügig eine fixe Gestalt an.
Leider bietet meine heimatliche Umgebung fahrtechnisch gesehen nicht viel - so daß der Bereich Emotion bereits mit dem Tag der Abfahrt aus Idar-Oberstein angewärmt wurde.
Mein erster Gedanke war, wozu fährt er überhaupt so weit weg - das ist doch schon Motorrad Paradies hier.
Mein zweiter Gedanke war - das stehst Du nie im Leben durch. Der fährt wie 'ne gesengte Sau und nach nur einer Stunde haben wir schon mindestens 1000 Kurven gehabt.
Vielleicht können das jetzt nur Leute aus Norddeutschland oder Fahrschüler nachempfinden, aber das Thema sind ja Emotionen.
Ein weiterer Punkt der Tour war für mich die Dauer (bei mir 14 Tage). Bislang bin ich auf den Autozug gesprungen - 4 Tage in Italien gefahren und wieder auf der Schiene zurück.
Da war ich auch mental immer sofort "drin" und ebenso schnell auch wieder "raus" aus dem Trip - einerseits praktisch aber auch etwas unbefriedigend fand ich.
Bei unsere jetztigen Tour hatte ich nach der Tunnelfahrt (das war glaube ich am 5ten Tag) ein bislang ungekanntes Empfinden "auf und in der Tour angekommen zu sein". Es geht ja noch viel weiter - Du sitzt nicht in 2 Tagen wieder im Büro.
Gerade die täglichen Anstrengungen, körperlich wie mental (konzentriert zu fahren, die kräftezehrenden Stolperwege) haben erst den Platz geschaffen, das gerade Erlebte 1:1 aufzunehmen und in Emotion zu wandeln.
In den ersten Tagen war ich noch so sehr mit mir selbst und dem "Fahren" beschäftigt, dass ich offen gesagt nicht wirklich viel von der Umgebung mitbekommen habe. Für mich sah jeder Berg gleich aus und die Pässe waren eine aneinander Reihung von unendlichen Kurven.
Ich verstand gar nicht wie jemand sagen konnte, den Pass XY fahr ich am liebsten. Für mich war das alles eins.
Aber man nimmt es auf - den Wechsel der Landschaften, unterschiedliche Trassenführungen, Fahrbahnbeläge (hey, warum sind hier jetzt wieder fanzösische Kennzeichen, waren wir nicht eben noch in Italien?), Gerüche, die Wärme, etc. etc.
Der Topf der Sinne wird kontinuierlich weiter gefüllt auch ohne das ich es immer gemerkt habe.
Und dann kamen die ersten Offroad Strecken - das, was ich die ganze Zeit wollte. Schlagartig sieht alles ganz anders aus. Du kämpfst mit dem Moped und dem Weg, schwitzt wie Sau, das Herz rutscht ab und zu in die Hose, weil plötzlich das Vorderrad einen eigenen Weg wählt mit dem ich eigentlich gar nicht einverstanden bin.
Adrenalin bis unter's Visier.
In dem Moment ist nichts mit gedankenverlorenem Augen durch die Landschaft gleiten lassen -
jetzt nicht auf die Nase legen, komm gib Gas (obgleich ich eigentlich lieber bremsen möchte),
ein paar hundert Meter noch und es ist geschafft.
Dann stehst du an irgendeinem grünlich schimmernden See oder auf einer Bergkuppe, der Wind pfeifft um die Nase und alles ist im Einklang.
Die gerade noch erlebte Anstrengung und Anspannung ist wie weggeblasen. Im Austausch Zufriedenheit, Ruhe und auch Stolz auf die soeben doch so toll gemeisterte Strecke macht sich breit.
Das waren die Emotionen, die ich mir erhofft hatte und ich wurde nicht enttäuscht.
Und es ist einfach etwas anderes am Sommelier neben den Schneeresten auf dem Geröll stehen und den Blick schweifen zu lassen oder am Galibier schon fast einen Parkplatz suchen zu müssen und inmitten der Massen ein obligatorischen Foto von dem Schild zu machen.
Nach dem Bonette, nachmittags auf der Strasse von Pierlas, war mein "Topf" dann randvoll. Emotionaler overkill. Es ging definitiv nichts mehr rein und ich brauchte Abstand.
Ich konnte keine Berge mehr sehen, fuhr wie ferngesteuert, jede Einzelne dieser engen Serpentinen wurde plötzlich zum Graus. Es war heiß, ich war müde, mir war schlecht.
Irgendwo essen, duschen, schlafen - alles andere war mir wurscht.
Am nächsten Morgen sah die Welt dann wieder anders und viel freundlicher aus. Wir hatten uns für die nächsten 2 Tage eine Ruhepause verordnet. Noch gemütlich durch den Grand Canyon du Verdon runter nach St. Tropez und dann 48 Stunden kein Motorrad mehr sehen geschweige denn fahren.
Es war bitter nötig - ich hatte Angst, ansonsten die Lust und den Spass an der Tour zu verlieren. Ich wollte mich nicht morgens auf's Moped setzen und innerlich sagen, Mist wieder den ganzen Tag fahren, nur um hier oder dort hin zu kommen.
Wir haben die beiden Austage genossen, viel auf der Terrasse gedöst, ein wenig herumlaufen, darüber philosophiert, dass die Super-Reichen doch eigentlich arme Schweine sind, gegessen, getrunken - einfach baumeln lassen.
Nachdem wir nun wieder tiefenentspannt waren, kam auch plötzlich die Lust auf's Moped fahren zurück. Und sehen die beiden Böcke nicht viel geiler aus so verdreckt und verschlammt ?!
Mensch, Micha - ich könnt' den Tunnel jetzt glatt nochmal fahren (bitte ohne Eis).
Die LgKS und Maira Stura standen noch auf dem Programm.
Zur LgKS hatte ich mir vorab in Netz unzählige Videos und Berichte angesehen. Yep, das wollte ich auch mal live fahren - und jetzt nachdem wir die Assietta, den Jafferau, Sommelier und den blöden Tunnel hinter uns hatten - war ich mir sicher, das ebenfalls gut zu meistern.
Meine Motivation diese Strecken einmal zu fahren begründet sich nicht in dem Anspruch, mir selbst oder anderen etwas beweisen zu wollen, sondern darin, Strecken zu fahren zu denen uns hier jegliches Pendant fehlt.
Die schieren Ausmaße des Fort Central allein sind schon enorm.
Und es beschleicht einen (zumindest mich) noch immer ein beklemmendes Gefühl, wenn man einen dieser alten Bunker in der Nähe des Fort betritt und aus den winzigen Scharten nach unten in Tal schaut.
Die LgKS mit den senkrechten Fahrbahnabbrüchen ist schon spektakulär. Natürlich ist nicht die ganze Strecke irre anspruchsvoll, aber es gibt Passagen, die es wirklich in sich haben.
Die Maira Stura Kammstrasse ist wiederum landschaftlich sehr schön. Die anfangs aspahltierte Strasse zieht sich herrlich gewunden durch das Hochtal - hier gehen Augen und Sinne auf Wanderschaft. Fahrtechnisch anspruchsvoll sind lediglich ein paar wenige Abschnitte.
Der Trip nähert sich dem Ende - im Grunde sind wir ja schon ab St. Tropez auf dem Rückweg.
Am Col de Sampeyre hab ich dann mein persönliches emotionales Highlight. Ich hätte heulen können - nicht aus Traurigkeit oder Freude - es war mehr ein Gefühl der Ergriffenheit dass mich völlig vereinnahmte. Das Foto von mir mit dem Titel "time to go" trifft es 100 %. Auch jetzt bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich nur das Bild ansehe.
Der Blick auf die zurückliegenden Berge, die letzten Offroad Strecken waren gefahren. Wir hatten all das gemacht und gefahren über das ich mir seit knapp 2 Jahren Gedanken gemacht hatte. Alles war gut gegangen. Wir haben viel Spass gehabt und uns super verstanden. Die ein oder andere Situation hat ein tolles Band zwischen uns wachsen lassen - was will man mehr ?
Emotional war ich ab dort quasi auf der Heimreise und ich muss zugeben, dass ich am letzten Tag nach 600 km Autobahn doch noch vorzeitig von der Bahn abgefahren bin, um über kleine Nebenwege die restlichen km nach Hause zu fahren - irgendwie sollte es nicht so abrupt enden.
So - für die anderen üblichen Sachen, wie Tracks, unaussprechliche Berg- und Pass Namen, Bilder, Info's zu Übernachtungen etc. wird Micha besser auskunft geben können.
Gruss
André