"OK! Das war es dann", schießt es mir durch den Kopf!
Seit Stunden sind wir bereits auf Schotterpisten und Waldwegen in Richtung des Fulufjällets Nationalparks unterwegs und hatten die letzten Tage schon ausreichend
Zeit und Gelegenheit, die Fahrtechnik auf Schotter zu verfeinern. Die gefährliche Mischung aus Routine und Übermut verleitet dazu, die Kurven zu schnell und im
leichten Drift mittels kurzer Gasstöße zu nehmen. Zudem gewöhnt man sich an die Einsamkeit der letzten Tage und rechnet nicht wirklich mit Hindernissen auf der
Fahrbahn.
Und überhaupt: was einem in Sekunden durch den Kopf geht, kann man gar nicht so schnell aussprechen, geschweige denn schreiben. In diesem Moment war das:
Ist der schön!
Ist der groß!
Du musst bremsen!
Du Trottel hast das ABS nicht ausgeschaltet!
Das unser erster Elch nicht gleichzeitig unser letzter ist, bleibt nur dem Überlebenswillen des Tieres zu verdanken, das mit einem gewaltigen Satz über den Graben in
den Wald flüchtet. Wir blicken ihm immer noch überrascht hinterher und sehen, wie er sich auf dem Weg in das dichte Gehölz noch einmal umdreht. Ich glaube sogar,
ein Kopfschütteln erkennen zu können.
Das hätte bereits nach fünf Tagen das Ende unserer Reise sein können, die am Samstag zuvor mit großer Hitze auf bundesdeutschen Autobahnen bis Bremen begonnen
hat. Dort haben wir einen schönen Abend im Familienkreis verbracht und uns am Sonntag auf den Weg zur Fähre nach Kiel gemacht. Die Stena Scandinavia schipperte
uns über Nacht nach Göteborg, wo wir bereits bei der Hafeneinfahrt mit der Schärenlandschaft Schwedens vertraut gemacht wurden. Allerdings betrug der Temperatur-
unterschied bereits jetzt knappe 24°.
Bei leichtem Nieselregen suchten wir den direkten Weg raus aus der Großstadt. Allerdings nicht wie die meisten anderen über die E6 oder E45, sondern entlang des Skagerak
entlang der Schärenküste nördlich von Göteborg. Schon bevor wir Marstrand erreichen, lernen wir die Besonderheiten der kleinen Fähren kennen. Die gelbe Fähren gehören
der Trafikverkets Reederei, die ca. 40 kostenlose Fährverbindungen betreibt um die entlegenen Gebiete an das Verkehrsnetz anbinden.
Angesichts des regnerischen Wetters werfen wir nur einen kurzen Blick auf Marstrand
bleiben dafür ein paar Kilometer später in Nösund hängen, einem kleinen Fischerdorf auf der Insel Orust
Auch Malö ist so eine kleine Schäreninsel, die wir auf der einen Seite mittels Fähre erreichen und auf der anderen über einen schmalen Damm verlassen. Diese paar Kilometer
bieten tolle Aus- und Einblicke in die Welt dieser eigenwilligen Insellandschaft.
Nachmittags kommt die Sonne raus und wir finden nach 304 Tageskilometern bei Mellerud am Vänern See den kleinen Platz
Kerstins Camping, auf dem wir uns für die erste
Nacht in Schweden einrichten. Der Vänern ist der drittgrößte See Europas und hat eine Küstenlinie von 2.000 km, sodass eher der Eindruck eines Meeres entsteht.
Das Abendessen ist schnell auf dem Gaskocher zubereitet und wir laufen noch eine Runde um den Platz durch den Wald,
bis wir merken dass es viel später ist, als es die Helligkeit der Umgebung vorgaukelt. So kurz vor Mittsommer ist es auch hier schon des Nachts nie dunkel und wir können um
ein Uhr noch ohne künstliches Licht ein Buch lesen.
Wir schlafen trotz der Helligkeit erstaunlich gut und starten ausgeruht in Richtung Norden. Schon ein paar Kilometer weiter lädt uns der Ort Haverud zu einem kurzen Stop ein.
Die Straße überquert zwischen zwei Seen eine Brückenkombination aus Schifffahrtskanal, Eisenbahn und Fluß.
Für die Weiterfahrt nutzen wir meist die kleinen roten Straßen auf der Karte, die sich über Wald- und Schotterwege an Seen entlang leicht hügelig durch die ruhige und einsame
Landschaft schlängeln. Aufpassen muss man nur an den vielen uneinsehbaren, blinden Kuppen.
Über Arvika, Sunne und und Munkfors erreichen wir in der Nähe von Rada einen schönen Campingplatz im Wald am Ufer des Radasjön Sees
(Radastrand Camping). Von den 308
Tageskilometern waren ca. 80 über unbefestigte Wege.
Ich liebe diesen Zustand! Der Übergang aus dem Schlaf in die Wach- oder vielmehr Halbwachphase an den ersten Tagen im Urlaub. Die Augen noch geschlossen, dringen die ersten
Geräusche in die Wahrnehmung: das Atmen des geliebten Menschen neben Dir, draußen brummt eine Hummel am Zelt vorbei, Vögel singen ihr Lied, das Rauschen des Windes der
die Oberfläche des Sees zu kleinen, ans Ufer plätschernden Wellen kräuselt. Zudem spüre ich bereits die wärmende Kraft der Sonnenstrahlen .Aufstehen, duschen, Wasser kochen.
Anke wird merkwürdigerweise erst immer vom Geräusch des in die Tasse gegossenen Kaffes wach...
Eine Stunde später ist alles gepackt und verstaut und wir brechen auf. Im Verlauf des vormittags wird der Wind immer stärker und kälter. Zudem gewinnen wir merklich an Höhe.
Die Fahrt führt wieder über herrliche kleine Straßen und Waldwege durch Wälder und an Seen entlang, die zumindest im Windschatten der Bäume zu einer Pause einladen.
Auch Poncho, unserem neuen Reisebegleiter gefällt der weitere Weg:
Auf den Höhenstraßen können wir eine erste Ahnung von der Tundralandschaft der nächsten Tage erlangen. Alle zwei Stunden unterbricht ein Dorf die Einsamkeit, andere Fahrzeuge
haben wir heute kaum gesehen.
In der Nähe von Tällberg finden wir nach 235 Kilometern direkt am Siljan See einen kleinen
Campingplatz, ziehen uns jedoch aufgrund des kalten Windes schon
früh ins Zelt zurück.
Der Sturm hat über Nacht Wolken gebracht. Aber wir schaffen es noch, vor dem einsetzenden Regen zu packen und die Weiterfahrt anzutreten. Kurz darauf fahren wir über Naturstraßen
den Ämån entlang, um zwei Wasserfälle zu suchen. Der Storstupet wird als Floßrutsche für den Holztransport genutzt und von einer alten Eisenbahnbrücke überquert.
Ein paar Kilometer weiter müssen wir uns den Helvetsfjallet über einen steilen Waldweg erwandern.
Eine endlos lange Schotterautobahn führt durch den Wald und uns in Richtung Färnäs, wo die bekannten Dalapferde herkommen. Ein paar davon erhalten ihr Gnadenbrot jetzt auch
in Aachen :-)
Mittlerweile hat sich die Sonne wieder durchgesetzt und wir befahren eine allen Klischees entsprechende schwedische Astrid Lindgren Bilderbuchlandschaft.
Spät erreichen wir bei Älvdalen den
Campingplatz am Ufer des fischreichen Österdalälven. Durch die Wanderungen und Besichtigungen sind es heute nur 201 km geworden.
Es wird uns einfach nicht langweilig. Wunderschöne, einsame und bis zu 80 km lange Naturpisten schlängeln sich durch dichte Wälder oder über karge Höhenstraßen entlang von Wasser
in jeglicher Form. Ob Seen oder Flüsse; Wasser ist allgegenwärtig und übt einen eigenen Reiz aus. Als zusätzliche Komponente kommen jetzt die ersten sichtbaren Schneefelder dazu.
Nach der eingangs erwähnten Begegnung mit unserem ersten Elch erwartet uns ein Highlight der Reise: der Njupeskärs Vattenfall im Fulufjällets Nationalpark, mit 125 Metern der
höchste Wasserfall Schwedens. Wir erwandern ihn vom Nationalparkparkplatz auf einer knapp zweistündigen Wanderung und sind von der ganzen Umgebung begeistert. Für uns
absolut unverständlich, sind wir auch hier alleine unterwegs und treffen keinen anderen Menschen.
In Särna finden wir nach 192 km den schönen
Zeltplatz oberhalb des Hedarfjorden und genießen den Abend bei warmen Temperaturen. Morgen werden wir die Grenze nach Norwegen
überqueren und lassen die Tage in Schweden noch einmal Revue passieren. Ein tolles Land mit extrem freundlichen Menschen. Wenn man denn welche sieht! Die Ruhe und die Einsamkeit
haben uns absolut fasziniert und wir beschließen, auf jeden Fall noch einmal herzukommen.
Fortsetzung Norwegen folgt