Zwei Tiger unterwegs in Marokko

Reiseberichte auch Afrika und Madagaskar
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Tigertrail
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Re: Zwei Tiger unterwegs in Marokko

#257 Ungelesener Beitrag von Tigertrail »

Samstag 7. Mai 2016; Demnate – Agdz
00 Demnate - Agdz.JPG
Nach einer Mütze voll Schlaf und einem anständigen Frühstück beratschlagen wir wie es weiter gehen soll da wir nicht wissen welche Strassen noch nach Ouarzazate führen und überhaupt offen sind. Ein aufmerksamer marokkanischer Gast zückt sein Handy und ruft eine Verkehrsinformationsnummer an. Er teilt uns mit dass die Hauptstrasse wieder offen sei. Eine weitere nette Geste dieser wirklich netten Leute in diesem wunderbaren, für allerlei Überraschungen sorgenden Land.

So fahren wir von Demnate nach Ait Ourir von wo aus die Haupstrasse nach Ouarzazate führt. Eine Strecke von über 300 Kilometern liegt heute vor uns und alleine für die ersten achtzig Kilometer benötigen wir fast 3 Stunden. Ich bin erschüttert über den Zustand der Strasse. Sie ist extrem beschädigt, überspühlt, unterspühlt und an manchen Stellen wurde die halbe Strasse flussseitig einfach weggeschwemmt. Immer wieder liegen Geröll und Schlammreste auf der Strasse, man weiss vor keiner Kurve in welchem Zustand sich die Strasse dahinter befindet. Teilweise liegt feiner Staub oder Sand vor oder in den Kurven und mehr als einmal verlieren die bis jetzt tadellos funktionierenden Reifen kurz die Haftung.

Je südlicher wir fahren umso besser werden die Verhältnisse und entsprechend entspannter wird unsere Fahrweise. Die Route führt über den Tizi n'Tichka Pass welcher 2260 Meter über Meer liegt. Die Passstrasse wird erneuert und führt immer wieder über längere Strecken ohne Belag. An allen Ecken wird gearbeitet, riesige Bagger und unzählige Lastwagen prägen das Bild. Speziell diese Lastwagen pflegen einen sehr unverkrampften Fahrstil und überholen wo es ihnen gerade gefällt. Gegenverkehr, was solls... Augen zu und durch. Diese Ärgernisse sind ob der unglaublich tollen Landschaft und Aussicht jeweils schnell wieder vergessen.

Die Route nach der Passhöhe ins Tal hinunter ist abwechslungsreich und schön und obwohl wir beide müde sind geniessen wir die Fahrt, denn die vergangenen 200km haben uns sehr viel Konzentration und Nerven gekostet. Noch einmal richtig wach werden wir ausserhalb von Ouarzazate als uns unsere Route über die N9 und erneut über eine Passstrasse mit unglaublich tollem Grip führt . Die Strecke zieht sich hin und wir wünschen uns längst eine kalte Dusche und ein weiches Sofa. Trotzdem halten wir auf der Passhöhe an und geniessen im Abendlicht der einsetzenden Dämmerung fantastische Bilder und Farben.

Ziemlich erledigt treffen wir bei unserer Unterkunft in Agdz ein. Das kleine Mini Riad hat vier Zimmer, einen sehr schönen Garten mit Palmen, Gemüse und frischen Teekräutern. Ein wunderschöner, smaragdgrün gekachelter Pool lädt zum Baden ein. Leider ist es gerade etwas zu frisch und windig für eine Abkühlung im Nass, aber bei einem Abendessen bei Kerzenlicht und Muezzingesang sorgt die tolle Umgebung für Entspannung pur. Das Essen wird vom Besitzer frisch und liebevoll zubereitet und schmeckt nach dem anstrengenden Tag gleich doppelt so gut.

Kurz vor Demnate...
01 Demnate - Agdz.JPG
02 Demnate - Agdz.JPG
Über den Tizi n'Tichka...
03 Demnate - Agdz.JPG
04 Demnate - Agdz.JPG
Zwischen Ouarzazate und Agdz...
05 Demnate - Agdz.JPG
06 Demnate - Agdz.JPG
Kurz vor Agdz...
07 Demnate - Agdz.JPG
08 Demnate - Agdz.JPG
09 Demnate - Agdz.JPG
Zuletzt geändert von Tigertrail am Mittwoch 31. August 2016, 15:48, insgesamt 1-mal geändert.
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Tigertrail
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Re: Zwei Tiger unterwegs in Marokko

#258 Ungelesener Beitrag von Tigertrail »

Sonntag 8. Mai 2016; Agdz – Zagora – Agdz
00 Agdz-Zagora_1200.jpg
Einer der wenigen zum Voraus geplanten Eckpfeiler unserer Reise war nach Mhamid zu reisen und von dort aus einen organisierten Trip in die Wüste zu unternehmen um wenigstens eine Nacht unter dem freien Sternenhimmel zu verbringen. Die Nächte im Freien in der Mongolei und speziell in der Wüste Gobi haben Pascal so beeindruckt dass wir uns dieses Vergnügen auch in Marokko gönnen wollten. Leider hat uns das Unwetter zwei Tage Zeitverlust beschert und so haben wir dieses Vorhaben aufs nächste Mal verschoben. Um aber doch noch etwas vom Süden und eventuell ein bisschen Wüstenfeeling zu sehen zu bekommen beschliessen wir am nächsten Morgen von Agdz nach Zagora zu fahren, da der Reiseführer die Strecke durch dieses Oasental rühmt. Wir konnten uns allerdings nicht sehr begeistern oder waren einfach schon etwas satt gesehen, zumal auch diese Strecke sich im Neubau befindet und unzählige Baustellen aufwies. Zagora selber ist durch den Wüstentourismus geprägt und die Menschen dort sehr auf Geschäfte aus. Es war uns kaum möglich einen Schritt zu machen ohne dass man sich eines Angebots wehren musste. So haben wir diesen Ort recht schnell wieder verlassen.
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CrazyPhilosoph
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Re: Zwei Tiger unterwegs in Marokko

#259 Ungelesener Beitrag von CrazyPhilosoph »

Endlich hab ich mal aufgeholt.

Da ich als Weichei kaum den Kontinent mit Mopped verlassen werde umso schöner eurem Bericht zu folgen. :L :L
Bisher zumindest scheint ihr ja überwiegend Glück gehabt zu haben und so für die Mongolei ein wenig entschädigt worden zu sein, zumindest Pascal.

Was Pascal da an den Wasseranschlüssen geschraubt hat hätte ich ja schon gerne noch etwas genauer gewusst :mrgreen: .

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Tigertrail
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Re: Zwei Tiger unterwegs in Marokko

#260 Ungelesener Beitrag von Tigertrail »

Montag 9. Mai 2016; Agdz – Boumalne Dades
00 Agdz - Boumalne Dades.jpg
Heute ziehen wir weiter Richtung Boumaln Dades von wo aus wir am Folgetag die Todra- und die Dades Schlucht befahren wollen. So verabschieden wir uns von Pierre, unserem netten Gastgeber und seinem kleinen, aber äusserst feinen Hotel und verlassen Agdz erstmal Richtung Nordwesten. Da Ouarzazate auf dem Weg liegt machen wir in der Stadt einen Verpflegungsstop.

Der Ort sieht nett aus, ist jedoch deutlich touristischer orientiert als die bisher besuchten Städte. Kaum haben wir unsere Motorräder auf einem bewachten Parkplatz an der "Promi Meile" abgestellt erscheint ein Strassenhändler und will uns Marokko Aufkleber zu Schweizer Preisen verkaufen. Pascal der sich etwas geniert zu handeln greift ins Portmonaie und will ohne zu zögern den genannten Preis zahlen. Der arme Mann hat die Rechnung jedoch ohne mich gemacht und ich mache ihm ziemlich deutlich klar dass wir auf keinen Fall bereit sind den geforderten Preis zu bezahlen. Wir wenden uns von dem Händler ab, der kriegt jedoch anscheind ein schlechtes Gewissen und will die keifende Gattin (von Pascal schon mehrfach Berberfrau und eiskalte Kröte genannt) beruhigen und legt für denselben Preis ein paar gratis Kleber obendrauf. Die Sticker sehen toll aus und sind von einwandfreier Qualität und so kaufen wir dem Mann schlussendlich sogar noch etwas mehr ab. Danach nehmen wir einen kleinen Imbiss zu uns, umzingelt von schnatternden Touristen aus aller Herren Länder welche offenbar zu einer "Nostalgie Wüsten Rally" gehören. Zumindest lassen uns die auf dem Parkplatz stehenden, mit Nummern versehenden Offroadfahrzeuge und Oldtimer aller Gattungen zu diesem Schluss kommen.

Schnell zieht es uns weiter, die unzähligen lauten und sich teilweise unmöglich aufführenden Europäer zu denen wir uns längst nicht mehr zählen gehen uns auf den Geist. Ein Abstecher zum in der Nähe liegenden Stausee, dem Barrage El Mansour Eddahbi, liegt aber noch drin bevor wir am Fuss der Berge weiter Richtung Boumalne fahren.

In Boumalne Dades angekommen bekommen wir den ersten Eindruck einer richtigen grünen Oasenstadt wo im Tal alles grünt und blüht und knapp daneben die kargen Felsen aufragen... irgendwo dazwischen die Schluchten. Wir haben ein schönes Hotel am Dorfrand (wieder mal gleichbedeutend mit offraod über eine unbefestigte Strasse) welches einer kleinen Festung gleich für sich alleine auf einem kleinen Hügel trohnt. Auch hier werden wir von netten Leuten sehr herzlich empfangen und später mit prima Essen versorgt. Das Haus ist toll und nach ökologischem Prinzip gebaut sowie einem zum Himmel offenem Innenhof. Die Zimmer sind gross und bestehen wie so oft nicht nur aus einem Zimmer sondern gleichen eher kleinen Apartments.

Ouarzazate...
01 Ouarzazate.jpg
02 Ouarzazate.jpg
03 Ouarzazate.jpg
Stausee El Mansour Eddahbi bei Ouarzazate...
04 Barrage El Mansour Eddahbi.jpg
05 Barrage El Mansour Eddahbi.jpg
06 Barrage El Mansour Eddahbi.jpg
Rückkehr der Jedi Ritter...?
08 Rückkehr der Jedi Ritter.jpg
Schneebedeckte Berge im Hintergrund...
08 schneebedeckte Berge.jpg
Strasse zu den grossen Schluchten...
09 Strasse zu den grossen Schluchten.jpg
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jojo
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Re: Zwei Tiger unterwegs in Marokko

#261 Ungelesener Beitrag von jojo »

Wieder ein mal schöne Pixel aus MA :L
Und das Wetter passt auch endlich. Was für mich total faszinierend ist, wie klar die Luft dort ist.
Da kann man super Fotos machen, knochentrockene Luft macht es möglich.

Ouarzazate empfand ich auch nicht als soooo prickelnd.
Im Hotel IBIS war französisch parlieren Standard. Es gibt ja einen Direktflug von Paris in die Wüste.
Wenn man mal schnell was anderes wie den Eiffelturm sehen will ... ;)

Grüssle
Jojo

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Tigertrail
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Re: Zwei Tiger unterwegs in Marokko

#262 Ungelesener Beitrag von Tigertrail »

Dienstag 10. Mai 2016; Boumalne Dades – Tinghir
00 Boumalne-Dades-Tinghir.jpg
Die beiden Schluchten oder das ganz grosse Abenteuer...

Normalerweise fahren Touristen in die Todra oder Dades Schlucht und kehren nach wenigen Kilometern wieder um. Unter anderem weil auch diverse Reiseführer schreiben dass es dahinter nichts Interessantes mehr zu entdecken gibt. Daneben wird eine Verbindungstour zwischen den beiden Tälern beschrieben, diese führt aber auf einer längeren Querstrecke offroad und sei nur mit 4x4 befahrbar. Pascal hat da aber noch eine andere Strasse auf der Karte und im Navi gesehen welche in einem weiten Bogen oben herum führt und die beiden Schluchten schlussendlich verbindet. Wir fragen in Boumalne Dades im Hotel bei den Gästen nach. Ja klar, „tous goudrone“ , alles geteert folgt als Antwort. Komisch dass davon im Reiseführer nichts steht? Meine Hinweise darauf werden ignoriert.

Wir starten also munter und gespannt unsere nach Auskunft von Google Maps circa 210km lange Tour. Wenige  Kilometer hinter Boumalne steigen wir in die Dades Schlucht ein, welche sich mit einem beeindruckenden Strassenverlauf entlang der Felsen immer tiefer in die Berge hinein frisst. Wir können gar nicht begreifen dass man hier nach 30 Kilometern umkehren soll oder möchte und fahren  weiter. Landschaftlich ist es sehr schön und die Strassenschäden vom Unwetter halten sich in Grenzen. Mit Ausnahme einer Flussdurchfahrt, der Fluss fliesst über die Strasse und nicht unten durch, welche wir etwas zu motiviert absolvieren. Resultat: Nass bis zum Allerwertesten, zumindest wer alte Hosen trägt (Frau nicht).

Nach ungefähr 90 Kilometern ist die befestigte Strasse zu Ende und wir wissen nun nicht genau ob sie effektiv fertig ist (ich habs ja gesagt) oder ob es sich nur um ein durch das Unwetter beschädigtes Teilstück handelt und die Strasse dahinter weiter führt. Während Pascal das Navi konsultiert und ich einen Blick in die Karte werfe kommt ein kleiner Junge angerannt und zeigt erst Pascal und dann mir seine kleine Hand. Sie ist stark geschwollen und weist eine kleine, eiternde Wunde auf. Seine beiden Hände starren vor Schmutz wie überhaupt der ganze kleine Mann. Seinem Blick entnehme ich dass er Schmerzen hat und mich wohl um Hilfe bittet. Ich habe im Tankrucksack immer einen kleinen Vorrat an Erste Hilfe Material und überlege was hier wohl Sinn macht. Ein Verband eher kaum, würde der den ganzen Dreck wohl eher konservieren. Ich entscheide mich für Zinkpaste welche die Entzündung hemmt und einen wasserfesten Schutz bildet ohne dass ein Verband nötig wäre. Ich gebe ein wenig der Salbe direkt auf die Wund und schenke im das Döschen mit dem restlichen Inhalt. Der Kleine reisst erstaunt die Augen auf, strahlt über das ganze Gesicht und rennt wie ein junges Zicklein davon um seiner Ziegen hütenden Schwester zu berichten. Pascal reisst mich aus den Gedanken und fragt ob ich weiterfahren möchte ins Ungewisse oder umkehren will. Da der Tag noch jung ist und uns genügend Zeit bleibt auch später noch umzukehren entscheide ich mich ihm zu vertrauen und fürs weiterfahren.

Nur wenig später bin ich mir bereits nicht mehr sicher ob ich mich für diese Entscheidung verfluchen soll, aber ich habe nicht gross Zeit mir Gedanken zu machen. Ich muss mich voll auf die Piste konzentrieren welche urplötzlich so gar nichts mehr mit einer Strasse gemein hat. Es geht steil, sehr steil bergauf. Grobe Steine liegen auf dem ausgewaschenen Weg, enge Kehren mit überhängenden Böschungen folgen. Noch nie bin ich mit dem Tiger sowas gefahren, geschweige denn inklusive Gepäck. Aber dem vorausgegangen, in Fuerte Ventura stattgefundenen Training sei Dank, wenn auch mit anderen Motorrädern, komme ich ziemlich gut mit der Situation zurecht.  Also steige ich in die Fussraten und tue so als sei die inklusive Gepäck 260 Kilo schwere Triumph eine halb so schwere KTM... Basta! Was sogar recht gut gelingt. Pascal fragt immer wieder nach ob es gehe und ob es ok sei  weiter zu fahren. Daran erkenne ich dass ihm nicht so ganz wohl bei der Sache ist obwohl er ständig beteuert dass sein Bauchgefühl ihm sage dass es gut ausgehen wird. Ihm zu vertrauen hat sich bisher immer bewährt, also geht es einfach immer weiter. Da ich die Strecke bisher recht gut gemeistert habe wächst mein Vertrauen in mich und ich kann mich auf die unbeschreiblich schöne Umgebung und diese unendliche  Weite konzentrieren. Felsenkette reiht sich an Felsenkette, in verschiedenen rot, braun und orangen Tönen.

Wir steigen immer weiter auf, Pascal teilt mir die Höhenmeter vom Navi ablesend durchs Headset mit. Bei einem kurzen Fotostop kaufen wir einem jungen Berber Fossilien ab, wofür diese Gegend Marokkos berühmt ist. Der junge Mann taucht plötzlich aus dem Nichts auf, etwas was wir hier noch oft erleben werden. Zuerst wird immer anständig gegrüsst und gefragt wie es geht, bevor die Ware präsentiert wird. Bei der Weiterfahrt sinnieren wir zusammen über die Zukunft und das Leben der jungen Menschen in diesem Land, was uns für einen Moment ablenkt von den Gedanken was wohl heute aus unserem Tag wird . Der Weg wird nun zunehmend besser und steigt immer gemächlicher an. Als wir einen jungen, uns entgegen fahrenden Spanier auf seiner BMW treffen löst sich ein grosser Teil unserer Anspannung. Wir können uns zwar kaum verständigen, jedoch scheint er von dort zu kommen wo wir hin wollen. Der Weg scheint also zumindest passierbar zu sein was nach den Unwettern und unseren Erlebnissen gar nicht selbstverständlich ist. Leider können wir ihn nicht nach dem Zustand der Piste fragen. Kurz darauf fahren wir über eine richtige Hochebene und wir staunen und geniessen den Ausblick.

Wir haben für ungefähr 20 Kilometer etwa 1,5 Stunden gebraucht. Nun geht es mit neu gewonnener Zuversicht etwas zügiger voran. Zuoberst auf der Passhöhe auf fast 3000 Metern treffen wir auf vier junge Frauen welche mit ihren Eseln dürre Büsche und Feuerholz sammeln. Neugierig werden wir bestaunt und mit ihren wenigen französisch Kenntnissen fragen sie uns nach unseren Namen und Herkunft. Trotz dem wenigen was sie hier haben und was sie erwartet machen sie dennoch einen fröhlichen, zufriedenen und ausgelassenen Eindruck. Wieder etwas weiter treffen wir auf eine kleine Herde fast schwarzer Dromedare welche mich mit ihrer Grösse mächtig beeindrucken. Dummerweise steht so ein Riesentier mitten auf der Piste was uns zum Anhalten zwingt und für mich im schwierigen Terrain fast immer eine Herausforderung darstellt. Der Berber welcher die Tiere betreut treibt das riesige Tier von der Piste runter und nutzt die Gelegenheit uns  nach Zigaretten zu fragen. Er kann fast nicht glauben dass wir keine dabei haben.

Wieder etwas weiter treffen wir auf einen Kuhhirten und da wir das Gefühl haben schon ewig unterwegs zu sein fragen wir nach dem Weg. Er bestätigt uns dass wir auf der richtigen Piste sind und bis Agoudal noch etwa 20 Kilometer vor uns hätten. Er fragt uns nach einem Mittel gegen Magenschmerzen. Habe ich dabei und verschenke ich sofort. Entgegen der Erwartungen hat uns das marokkanische Essen bisher kaum einmal Beschwerden gemacht. Ein wiederum unglaublich strahlendes Gesicht dankt uns und wünscht uns "salam aleikum"  auf den Weg. 
Als wir schon so etwas wie ein Dorf in der Ferne sehen treffen wir wieder auf eine Gruppe Hirten welche mit ihren Kamelen unterwegs sind. Dieses Mal werde ich um Hilfe für einen wunden Fuss gebeten, denn der Hirte hat ganz zerrissene Schuhe und einen auf der einen Seite offenen Fuss. Auch hier kann ich helfen und wir werden mit Dankbarkeit und Friedenswünschen überhäuft. Von unterschiedlichsten Emotionen und Gedanken überhäuft fahren wir weiter. Langsam beginnen wir zu frieren. Pascal möchte etwas Essen, denn wir sind nun schon fast 6 Stunden unterwegs und haben weder gegessen noch getrunken. Ich aber will unbedingt fahren bis ich Asphalt sehe in der Gewissheit, dass wir es dann zurück in die Zivilisation geschafft haben.

Und dann erreichen wir das Dorf in dessen Mitte keine Strasse sondern die Kanalisation frei verläuft... dahinter völlig unvermittelt und aus dem Nichts die asphaltierte, nach der hinter uns liegenden Piste schon fast an eine Autobahn erinnernde  Strasse und die Auberge von Agoudal, dem angeblich höchst gelegenen Dorf Marokkos. Der Pfefferminztee hat vor dem warmen Holzoffen nie besser geschmeckt. Wir spüren nun die körperliche und mentale Anstrengung der vergangenen Stunden. Insgesamt waren es 60 Kilometer offroad durch unterschiedlichstes Terrain, wofür wir circa 4 Stunden gebraucht haben. Pausen gab es jeweils nur ganz kurz um keine wertvolle Zeit zu verlieren. Von den Emotionen fast übermannt schaufeln wir ein köstliches  Berberomlett in unsere leeren Bäuche und platzen fast vor Dankbarkeit  für diese tolle Mahl, die Begegnungen mit den Menschen und das mit Abstand Wichtigste... dass wir heil angekommen sind.

Obwohl es nur vier Stunden waren hatte ich das Gefühl  viel länger und vor allem ewig weit weg von der Zivilisation unterwegs zu sein. Die Fahrt von Agoudal führt über den Col du Tirherhouzine (2709 m) auf einer völlig neuen, asphaltierten Strasse hinunter zur Todraschlucht, in deren Flussbett  wunderschön rosa blühende Oleander dicht an dicht wachsen. Die eng beieinander stehenden Felsen, welche eigentlich die Berühmtheit der Todraschlucht ausmachen erscheinen uns lächerlich unspektakulär und fast langweilig hinsichtlich der Bilder des erlebten Tages. Müde, aber unglaublich stolz und vollgepumpt mit Glückshormonen treffen wir in Tinghir ein wo wir im Hotel Tomboctou einchecken und den restlichen Abend geniessen.

Abfahrt in Boumalne Dades...
01 Abfahrt in Boumalne Dades.jpg
Die Dades Schlucht...
02 Die Dades Schlucht.jpg
Unterwegs auf der R704 Richtung Agoudal...
03 Boumalne Tinghir.jpg
04 Boumalne Tinghir.jpg
05 Boumalne Tinghir.jpg
06 Boumalne Tinghir.jpg
Begegnung auf 3000 Metern Höhe...
07 Begegnung auf 3000 Meter Höhe.jpg
60 Kilometer feinstes Offroad über den Atlas...
08 Unterwegs auf der R704 im Atlas Gebirge.jpg
09 Unterwegs auf der R704 im Atlas Gebirge.jpg
10 Unterwegs auf der R704 im Atlas Gebirge.jpg
Zuletzt geändert von Tigertrail am Samstag 3. September 2016, 10:31, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Zwei Tiger unterwegs in Marokko

#263 Ungelesener Beitrag von pässefahrer »

Das sind Erlebnisse! :L :L

Danke für den klasse Reisebericht.
Gruß Bernd

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Re: Zwei Tiger unterwegs in Marokko

#264 Ungelesener Beitrag von GS-Tom »

So endete mein Versuch, beide Schluchten zu verbinden, Mist. Ich beneide euch, tolle Fotos + Bericht. Gruss Thomas
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