Projekt Albanien
Die Bezeichnung für unser Reisevorhaben hatten wir seinerzeit bewußt „Projekt Albanien“ genannt.
1. Wir wollten feststellen, ob sich bei einer öffentlichen Ausschreibung tatsächlich Interessenten für ein so exotisches Vorhaben finden. Grundsätzlich haben im Forum ausschließlich „nette“ Kolleginnen und Kollegen kennengelernt, sodaß wir der Meinung waren, Reibungspunkte zwischenmenschlicher Art würden relativ gering ausfallen oder gar nicht vorkommen
2. Mein frisch aufgebautes Reisemobil sollte artgerecht eingesetzt werden.
Warum ausgerechnet ein Gespann ? werden sich jetzt einige fragen. Angeschafft habe ich das Ding vor über 10 Jahren. Mit meinem 15jährigen Sohn Marcel eine wunderschöne Tour durch die Alpen gemacht und das Motorrad anschließend zerlegt um es wieder aufzubauen ( ich hatte bereits darüber berichtet ).Inzwischen ist Marcel 26 Jahre alt und wir haben die ganzen Jahre mal mehr, mal weniger an der Wiederauferstehung gebastelt. Bis auf die Optik / Lackierung war es nun soweit : Motor überholt, Getriebe überholt und an den Gespannbetrieb angepaßt, Elektrik erneuert und neue Fußrastentrittbretter montiert. Paßt.
So ein Gespann bietet auf Reisen viele Vorteile : vor allem hat man eine Menge Platz. D.h., Du kannst z.B. ein Zelt mitnehmen in dem man auch stehen kann. Du hast eine Gaslaterne dabei und einen Gasgrill der es ermöglicht verhältnismäßig autark die schönsten Gegenden dieses Planeten in Ruhe und, wer will, alleine, zu genießen. Gaskocher für Kaffee unterwegs ist natürlich selbstverständlich. Dabei ist das Motorrad mit seinen gefühlten ca 70 PS ( von 90 angegebenen ) auf der Autobahn mit 100- 120 km/h ausreichend schnell, ist auf der Landstraße recht wendig und auf leichtem Schotter macht es unbändigen Spaß damit von einem Links- in einen Rechtsdrift zu schwenken und umgekehrt. Speziell im Landstraßenbetrieb spielt die Guzzi ihre Stärken aus. Mit irrem Drehmoment und einem wunderschönen, tiefen Baß entschleunigt Dich das Motorrad ohne Gangwechsel zwischen 2.500 und ( bis zu ) 7.000 U/min.
Natürlich hat es auch Nachteile : der Platzbedarf ist enorm und kommt einem Golf I nahe. D.h., Gegenverkehr auf kleinsten Sträßchen wird zu einer ernst zu nehmenden Angelegenheit und auch das Gewicht von ca 300 kg fordert seinen Tribut. Sowohl in der Beschleunigung als auch im Spritverbrauch. Wobei die 10 Liter Plus bei Autobahnbetrieb sich auf der Landstaße auf 5 – 7 l/100km reduzieren. Und das braucht meine alte G/S auch…
Die Grenzen haben wir in Albanien aufgezeigt bekommen, als die Steine auf den Wegen immer größer wurden, der Kies das schwere Gespann am liebsten nicht mehr frei gegeben hätte – kurzum der Weg tatsächlich „beschwerlich“ wurde. Unter diesen Bedingungen verschleißt das Motorrad dann auch sehr schnell : den Bremsendefekt werde ich noch später aufführen, aber nach der Rückehr und insgesamt ca. 7000 gefahrenen Kilometern müssen sämtliche Radlager erneuert werden, der Hinterradreifen ist verschlissen, die Bremsbeläge müssen ersetzt werden und vermutlich sind der Kegelradantrieb des Kardans und das Kreuzgelenk auch nicht mehr die frischesten…
Und trotzdem : ich hab meine kleine Dicke liebgewonnen und hoffe, daß wir noch viele Touren gemeinsam unternehmen werden.
Albanien – warum ausgerechnet Albanien ? Die Idee nach Albanien zu fahren kam von Alain Delon.
Inspiriert durch kurares Reisebericht von vor ( glaube ich ) drei Jahren kam er auf die Idee auch dorhin fahren zu wollen. Damals hab ich ihm das noch ausgeredet. Weil ich der Meinung war, mein offroad Pensum mit der jährlichen Fahrt nach Rumänien, gemeinsam mit meinen Söhnen, abgedeckt zu haben. Naja, letztes Jahr dann nochmal die Reise von kurare, vienna wolf und klauston und schon war der Bazillus wieder geweckt. Im Herbst letzten Jahres mit maxmoto darüber gesprochen, der dort auch schon mal war – und die Reiseidee war perfekt.
Wann wollen wir nun starten ? Mein Vorschlag war, das Abenteuer im Anschluß an unser Forumstreffen in Lohberg beginnen zu lassen
Max hat Reiselektüre gekauft, einen empfehlenswerten Reiseführer von „HOBO-Team“, einem kleinen Familienunternehmen, das das Land selbst bereist und entsprechende Empfehlungen zusammenstellt. Kartenmaterial und Info vom ADAC haben wir besorgt, und gleichzeitig das „Projekt Albanien“ ins Forum gestellt.
Die Reaktion war gewaltig und hat uns fast umgehauen.
So viele Zuschriften, so viel Information, so viele Anregungen und so viel Begeisterung hatten wir nicht erwartet.
In diesem Zusammenhang sei allen gedankt, die diese Reise auch gedanklich mitgestaltet haben, virtuell mitgefahren sind, sich mit uns gefreut und mit uns gelitten haben. Denn, in der Tat, das war mehr als nur eine Reise zu einem abgelegenen Ziel in Europa. Es war ein interessanter, gruppendynamischer Prozeß, der durchaus an die Grenzen üblicher Reisekameradschaft geführt hat.
Wir haben über das öffentliche Forum und in Form vieler PNs Hinweise erhalten, Planungsmaterial bekommen und Erfahrungen mitgeteilt bekommen, die für uns sehr wertvoll waren und die Planung effizient und anspruchsvoll gleichermaßen werden ließ.
Die Aufgabenverteilung war klar : Maxmoto sagt, wo´s lang geht und ich durfte das dann in Routen umsetzen. Wobei er mir für die Anreise komplett freie Hand gelassen hat…
In der Zwischenzeit hatten sich einige Interessenten gemeldet die mitfahren wollten. Forumsmitglieder, die wir zum Teil persönlich kannten, zum Teil aber auch nicht.
Der Planungsprozeß begann also bereits im Herbst und schon bald kamen die ersten Anfragen, wo denn die ausgearbeiteten Routen blieben. Man wolle sich schließlich schon vorher anschauen, wo es denn hingeht…
Tatsächlich hat sich die Planung dann doch über ein paar Monate erstreckt. Die Routen wurden über meine dropbox ausgetauscht und somit konnte jeder sehen wo es langgehen sollte.
Treffpunkt Lohberg
Da Alain Delon erst ab Samstag abkömmlich war, ist er morgens von Basel zu mir nach Offenburg gefahren und wir haben einen gemeinsamen Sprint nach Lohberg , im Wesentlichen über die Autobahn, hingelegt.
Kurze Rast im „schönsten Biergarten Frankens“
Für Alen immerhin ein 700km Tag. Und nicht unbedingt die Domäne der 690R.
Wiedersehen in Lohberg mit vielen Forumisti – das war Freude pur und am nächsten Tag Aufbruch mit
und
Sammi war tags zuvor zu Max nach München gefahren und beide sind dann am Sonntag von dort aus gestartet.
Abfahrt in Lohberg
Lahmekuh hatte bereits während des Forumstreffens festgestellt, daß der Sitzbank der Beta und seinem Hinterteil entweder ein längerer Anpassungsprozeß bevorsteht ( den vermutlich die Sitzbank gewonnen hätte ) oder wir z.B. in Form einer gepolsterten Radlerhose Abhilfe für den grauenhaften Schmerz schaffen müßten. Sonntags haben nun mal die wenigsten Läden auf, sodaß wir den Kauf der Radlerhose auf Montag vertagten und Michael das Martyrium einfach ertragen hat. ( wie ein Mann – wie man so schön sagt…)
Abends haben wir uns mit Max und Sammi getroffen, die bereits vor uns das Hotel erreicht hatten.
Tg 02
Nach ausgiebigem Frühstück starteten wir zur ersten, gemeinsamen Etappe. Primärziel : Lamekuh eine gepolsterte Hose besorgen… Unsere Route führte uns kurz nach der Abfahrt in Richtung Sölkpaß. Große Ortschaften waren nicht zu erwarten, also bog ich in das nächste Dorf ab, in der Hoffnung, dort evtl. ein Radlergeschäft zu finden. Da war natürlich keines – und bis auf Max war der Rest der Truppe ebenfalls verschwunden…
Hier zeigte sich das Dilemma der ganzen Reise : wir waren nicht als 6er Gruppe unterwegs sondern in einer zwei Klassen Gesellschaft : 5+1. Meine Mutmaßung : „wo ich bin ist vorne“ und die Gruppe folgt bedingungslos war offenbar nicht richtig. In der Annahme, meine Interpretation der Routenführung wäre falsch, fuhr der „Rest“ einfach dahin wo er die „richtige“ Route vermutete.
Max und ich haben dann noch gewartet, sind die Route dann weitergefahren , in der Hoffnung, daß a) hinter uns nix passiert war und b) die Gruppe irgendwo auf der Route schon anhalten würde.
In unserem Pflichtenheft hatten wir zu Beginn festgelegt, das Ziel Albanien über kleine und kleinste Straßen anzufahren. Am Sölkpaß wird momentan viel gebaut. Die von meinem Navi ausgesuchte Naturstraße ( also nicht der geteerte Paß ) war somit leicht zu befahren und es war das erste, wunderschöne Eintauchen in einen herrlichen Wald, der Freude aufkommen ließ ob der vielen Natursträßen die noch kommen sollten.
Der Baustellenlaster der uns entgegenkam hat leider einen Teil der Freude gedämpft. Max und ich mußten umkehren, weil der LKW im Wald noch unbeweglicher war als mein Gespann.
Spaß hat´s trotzdem gemacht.
Kurz danach haben wir zu den anderen aufgeschlossen und gegen Mittag hat Michael auch sein Leid ein bißchen lindern können. Und durchgehalten !!! Chapeau.
Die folgenden Tage sind schon ausreichend beschrieben worden. Konzentrieren wir uns noch einmal auf die Ankunft in Teth :
Teth : wichtigstes Ziel der ganzen Reise. Ausgangspunkt weiterer Abenteuerstraßen Nordalbaniens. Von hier wollten wir einen Bogen schlagen und uns so langsam über die Küste wieder Richtung Heimat orientieren.
Die Anfahrt verhältnismäßig unspektakulär bis – ja bis uns der Regen erwischte. Regen ist eigentlich der falsche Ausdruck. Ich glaube, in meinem ganzen Motorradleben bin ich noch nie soo schnell bis auf die Haut durchweicht worden. Und dann noch diese komischen Geräusche am Helm. Was war denn das ?. Bis ich das Hagelkorn dank des Jethelms direkt auf der Haut gespürt habe. Wow. In weniger als einer Minute total naß. Die Straßen schon fast überflutet und 5 Mann hinter mir. Was hast Du für Alternativen ? Bernd hatte schon sein Statement abgegeben : „ wenn es regnet halte ich an und ziehe die Regenkombi über“. Hat er gemacht. Die anderen sind weitergefahren. Bis zur Tankstelle. Da sind wir untergezogen, haben eine Gruppe Engländer getroffen, die für drei Monate eine Tour um und durch Europa unternehmen und gewartet, bis der Regen nachließ. Inzwischen war auch die Außentemperatur stark abgesunken. Ich hab Hemd und Jacke gewechselt um mich nicht zu erkälten…
Weiter geht´s. Immer noch leichter Regen und die Aussicht, daß, es nach dem Paß etwas „schottrig“ wird. Also sind wir aufgebrochen, weitergefahren. Haben die ( geteerte) Paßauffahrt genossen um abrupt die letzten Kilometer auf Schotter „zu genießen“.
Hier im Forum kam die Frage auf, wieviel Kilometer es denn so sind, vom Paß bis nach Teth. Nach Teth sind es von dort aus 20 km, bis zu Jimmy –dem angestrebten Ziel – sind es 14 Schotterkilometer. Bei gutem Wetter relativ easy zu fahren, wenngleich ich die Piste nicht als „Autobahn“ bezeichnen würde.
Der Vorteil, wenn Du so eine Piste im Regen fährst : der Gegenverkehr hält sich in Grenzen. Bei einer Gespannbreite von ca. 1,5m ein nicht ganz unerheblicher Faktor. Denn zwei Fahrzeuge passen da definitv nicht nebeneinander auf die Straße.
Üblicherweise dauert die Fahrt von Jimmy bis zur Passhöhe ca 1 – 1,5h. Wir sind gefühlte 5 Stunden unterwegs gewesen. So langsam wurden die Sichtverhältnisse schlechter, die Rinnsale, die über die Straße liefen wurden immer tiefer, breiter und die Steine immer größer. Kein Zuckerschlecken.
Aber wir haben es geschafft.
Irgendwann waren wir dann alle wohlbehalten bei Jimmy, haben dessen Gastfreundschaft genossen, fürstlich gegessen und getrunken und sind alle zufrieden ob der geleisteten Taten eingeschlummert.
„Enjoy your Problem“
Nächster Tag : Südroute Teth
Highlight der ganzen Route. Auf google earth sah das alles vielleicht etwas schwierig aber durchaus machbar aus. Habe mich immer daran orientiert, daß die Fahrspur von Autos gelegt worden war. Da sollte mein Gespann schon mithalten können… - hab ich gedacht. Wir sind also bei inzwischen wieder bestem Wetter losgezogen. Der Schotter war ok aber man hat durchaus die Spuren des gestrigen Unwetters sehen ( und spüren ) können. Das Gespann schlug permanent durch, setzte öfter auf und verlangte vieeel Kraft um dahin zu fahren wo ich es hin haben wollte. Zum Glück ist das Boot aus Edelstahl. Mit einem der leichten Plastikboote hätte ich wahrscheinlich nur noch den Rahmen mit nach Hause gebracht.