Mittwoch, 13. August 2014 - dieser Tag sollte wieder lang werden. Doch der Reihe nach: 8 Uhr, Wecker nervt, Augen auf (die Outdoor Disco gestern grrr
), erst spät die Augen zu gemacht. Und? Es schifft. Aber wie!!!! Gut, war ja so vorher gesagt worden, deshalb haben wir uns in diesem schönen Hotel eingemietet. Spätes Frühstück, ungemütlicher Frühstücksraum. Ja, wir müssen bis 11 Uhr die Zimmer räumen. Mist, ich hätte gerne bis 13 Uhr noch mal ne Runde geschlafen. Denn laut Regenradar soll ab dann schönes Wetter geliefert werden. So sitzen wir aufgerödelt in der Lobby und warten, gucken in unsere Smart-Phones, interpretieren jeden hellen Fleck als dramatische Wetterbesserung. Na ja, kleine Jungs halt, die nicht warten können.
Punkt 13 Uhr: Das Wetter wird besser. Der Regen hat fast aufgehört. Wir schnell die Böcke beladen und ne Tanke gesucht. 12 km Umweg - Frankreich halt. Dann aber los Richtung Barcelonnette, wo es kurz vor der Stadt südlich zum Col de la Cayolle (2.326 m) hoch geht. Kleinste, verwinkelte Strasse, kaum zu glauben, dass wir uns hier auf der bekannten Route des Grandes Alpes befinden - eher ein Strässchen 4. Ordnung, das nach Ausbesserung und Verbreiterung ruft. Aber die Auffahrt hat was: Stille, Unberührtheit, Natur pur. Hatten wir so nicht erwartet. An diesem Mittag herrscht Hochbetrieb im Funk, wir ratschen was das Zeug hält - und es ist schön. Alte Erlebnisse werden ausgetauscht, während wir weiter Höhe gewinnen. Die Anfahrt zum Pass ist lang.
Kurz vor 14 Uhr: "Gerd, ich hab Hunger. Brauche was zwischen die Zähne!" Er: "Wollt ich gerade auch sagen. Aber wo finden wir hier in der Einöde was?" In diesem Moment rauschen wir durch einen kleinen Weiler mit Kirchturm ... war da nicht ein Restaurant?

Kirchturm ist da - Essen auch?

Restaurant im Frankreich-Stil: etwas unscheinbar, abgerissen ... gibt´s hier was zu essen?
Wir sind uns unsicher. Ein Mann auf dem Dorfplatz weiß nicht, ob die was anbieten ... kann sein, kann nicht sein ... was ist denn das für ne Antwort? Ich genervt, steige ab. Schreite zur Tat: Wo ist jetzt das Mittagessen? Unsere Mägen knurren. Eine Tür steht offen, bin mir unsicher, ob ich da eintreten kann ... mal sehen.

Bin drin ... der Flur wie aus dem letzten Jahrhundert ... Stimmen

Eine offene Küchentür ... duftet köstlich ... scheint aber privat zu sein
Keine Speisekarte, kein Hinweis auf die Gaststube ... ich luge vorsichtig in die Küche ... rufe mit meinen Rest-Französisch-Kenntnissen, ob jemand da ist. "Oui, entrez." Echt jetzt? Eine Frauenstimme, sanft und resolut zugleich fordert mich auf reinzukommen.

Ein dicker Boiler über dem Herd ... keiner zu sehen ... ich tappe weiter rein ins Haus
Dann bin ich drin - sozusagen im Allerheiligsten - der Gaststube. Und die ist fast voll, Menschen reden, lachen, haben Spass, sind zum Teil noch am Essen, andere nehmen schon ihren Café. Ich rufe Gerd, es geht durch die Küche (Oui, oui, entrez!), dann stehen wir mitten in der Szenerie. Die Leute kucken kurz, dann kommt eine ältere Dame, schiebt uns einen kleinen Tisch zurecht, bedeutet uns Platz zu nehmen. Voilá! Da sind wir. Touries inmitten einer französischen Mittagessen-Szenerie. Wieder keine Karte, die etwas jüngere Dame kommt an unseren Tisch, perfektes Englisch, fast etwas irischer Einschlag fragt, ob wir Wein wollen? Oh nein, danke, doch wie gerne hätten wir ... aber dann wäre die Couch für den Nachmittag fällig gewesen. Wir haben ja noch ein paar km vor uns.
Dann geht alles ganz schnell: Ohne zu fragen steht die Vorspeise auf dem Tisch, dazu ein Krug mit Wasser.

Zulangen ... Hunger wie die Wölfe

Kurz darauf der Hauptgang - ein leckerer Braten - haben wir nicht bestellt, aber verdrückt

Dann Käse, leckerster Mirabellenkuchen ... und Café
Mein Gott ... genau, der liebe Gott weiß schon, warum er in Frankreich wohnt. Innerhalb von 45 Minuten zaubern die beiden Frauen leckerste Speisen aus ihrer 60er Jahre-Küche auf unseren Tisch, die anderen Gäste gehen langsam. Es ist 14:45 Uhr, jeder Deutsche Wirt hätte da schon zugesperrt. Die beiden Damen aber scheinen Spass an uns staunenden Jungs mit den großen, zufriedenen Augen zu haben. Wir kommen ins Gespräch. Die jüngere Dame (die Schwiegertochter) führt uns in die Geschichte des Gasthauses ein. Die ältere Dame ist die Patronin. Nicht mehr so ganz jung, aber resolut. Einen Tag sperrt sie auf, kocht, dann wieder nicht. Wann genau sie aufmacht, entscheidet nur sie alleine ... und das meist erst am Vormittag. Dann wird gekocht.

Die Patronin: Eine Frau im besten Alter, rüstig, fit, hat Freude am Leben - und ist 94

Der Gastraum leert sich langsam

Fiffi auf dem Weg ins Freie
"Den hier müsst ihr aber noch probieren! Ist aus der Gegend ... gute Verdauung!" zwinkert uns die Schwiegertochter zu. Wir wollen ablehnen, doch unsere Hände greifen wie ferngesteuert nach den kleinen, grünen Gläschen. "Mann, schmeckt der gut!" Jetzt aber nix wie weg hier, wir wachsen sonst noch fest.

Giftiges, äußerst leckeres Zeug
Dann zahlen wir ... alles zusammen 40 € ... 4 Gänge, Wasser, Kuchen, Café. Und das alles vom feinsten. So kann´s gehen, wenn man "in the middle of nowhere" einfach seiner Verfressenheit folgt.

Vorher anrufen: keine Öffnungszeiten ... kann sein, kann nicht sein. Auf jeden Fall einen Besuch wert.
