Es folgt der Donnerstag. Es war ein langer Tag mit einem, sagen wir mal, für uns „spannenden“ Ende.
Viel Spaß beim Lesen und Schauen.
Volker
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Fortsetzung
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Donnerstag 02.10.2014
Heute wollen wir versuchen, den südlichen Teil der Route des Grand Alpes bis nach Menton zurück zu legen. Es soll das Highlight des Urlaubs werden, liegen doch zwischen uns und dem Meer ca. 200 km, teilweise über kleinste Pässe der Seealpen. Gestern Abend haben wir noch die Ketten der Motorräder gereinigt und frisch gefettet. Wir wollen keine bösen Überraschungen erleben. Erneut nehmen wir den Weg ins Sturatal, um hinter Vinadio links zum Colle de la Lombarde abzubiegen. Die Kuhfladen vom Montag sind platt gefahren, die Reifen haben jetzt mehr Grip. Die Temperaturen sind frisch. Das Tal liegt im unteren Bereich noch komplett im Schatten.
Erst oberhalb des Klosters Santuario di Sant Anna bekommt die Sonne eine Chance, das enge Tal zu erreichen. Am Pass halten wir nochmal kurz an, bevor wir uns über Isola2000 ins Tal stürzen.
Der Teerbelag in den Galerien wurde gerade frisch geflickt. Split spritzt unter die Fender. Wir durchfahren sie mir äußerster Vorsicht. Bei der weiteren Abfahrt erkennt man, wie eng das Tal eigentlich ist. Die Straße wechselt mehrfach die Talseite. Unten fährt man durch eine Felsscharte nach Isola ein. Im Ort biegen wir nach links auf die D2205 ab und fahren durch die Gorges de la Tinée. Links die steil aufsteigenden, roten Felsen und rechts, in teilweise 50 oder 100 m Tiefe, der Fluss. Wie lange wird er wohl gebraucht haben, um dieses Tal zu formen? Das Tal wird schmäler. Durch die niedrige Randsicherung nach rechts traut man sich kaum den Blick von der Straße zu nehmen.
Ein paar Kilometer hinter Saint Sauveur sur Tinée biegen wir nach links ab Richtung Col Saint Martin. Die Straße ist in den Fels gehauen und geht steil bergauf. Eine Kehre weiter haben wir die ganze Szenerie von eben aus einem Logenplatz im Blick. Dann tauchen wir in den ersten Tunnel ein. Kurze Verschnaufpause, dann wird es wieder hell. Die Straße hangelt sich am Berg entlang, oder besser gesagt, im Berg. Links die Felswand, rechts steil abfallend. Tolle, freie Aus- und Tiefblicke tun sich auf, nicht zuletzt deshalb, weil kaum ein Baum die Möglichkeit hat, an der Felskante zu wurzeln. Eine 50 cm hohe Stützmauer zur Fahrbahnsicherung muss reichen. In Deutschland würden diese Strecken sofort gesperrt.
Ich finde Gefallen an diesen bewaldeten Bergen, den kurzen, knackigen Streckenabschnitten, die allerdings auch das Fortkommen verlangsamen. Wir fahren weiter über den Col de Turini Richtung Sospel. Mit welchem Kraftaufwand muss diese Strecke in die Felsen gebaut worden sein? Teilweise sieht man 4 oder 5 Balkone übereinander.
In Sospel kredenzen wir uns einen Cappuccino. Es ist halb 4 und Zeit für eine Lagebesprechung. Angesichts der fortgeschrittenen Zeit ist nun die Frage: Fahren wir direkt über den Col de Brouis ins Royatal oder nehmen wir den Umweg über Ventimiglia. Wir entscheiden uns für Letzteres, auch auf die Gefahr hin, dass wir erst spät zu Hause ankommen. Das Meer ist einfach zu verlockend! Wir fahren die letzten Kilometer Richtung Menton. Mit jedem Meter, den wir nach unten kommen, steigt die Temperatur merklich an. Nur gut, dass wir uns für die Sommerkleidung entschieden haben. Plötzlich geben die Berge den Blick auf das Meer frei. Was für ein Gefühl. Wir kommen aus der Enge der Alpes Maritimes und sehen in die Weite des Mittelmeers.
In den ersten 10 Minuten in der Stadt werde ich fast zwei Mal tot gefahren. Wir fahren schon 70 km/h, werden aber von einem französischen PKW Fahrer hinter uns derart bedrängt, dass er bis auf gefühlte 50 cm auf die Aprilia auffährt. Ich lasse ihn lieber vorbei ziehen. An die französische Fahrweise muss man sich wohl zuerst gewöhnen. Auf der Gegenspur kommt mir plötzlich ein überholendes Fahrzeug entgegen. Die Fahrerin schaltet den Warnblinker ein, um mir zu signalisieren, dass ich abbremsen soll. Das tue ich auch freiwillig, um nicht als Kühlerfigur auf einem Peugeot zu enden. Wahnsinn! In der Innenstadt selbst ist Stopp and Go. Das Fahrzeug, was mich vor 2 km überholt hat, steht eine Fahrzeuglänge vor mir. Ich hätte große Lust, ihm eine Beule in die Tür zu treten, halte mich aber zurück. Wir fahren zur Promenade und schießen ein paar Fotos. Die Leute baden im Meer, es sind gefühlte 30 Grad.
Hier ist uns zu viel Gewusel. Wir fahren weiter Richtung Ventimiglia und finden dort einen schönen Kiesstrand. Nachdem wir unsere qualmenden Füße im Wasser abgekühlt haben, starten wir schweren Herzens Richtung Norden. Es ist 17:30 Uhr und wir haben noch 100 km vor uns.
Die Straße ist frei und wir genießen die Fahrt ins obere Royatal. Hinweistafeln verkünden eine Sperrung des Tendetunnels. Dieser Hinweis interessiert uns aber nicht, da wir ja mit dem Motorrad den Pass benutzen dürfen.
Als wir am Tunneleingang ankommen dann der Schock: Der Pass ist auch gesperrt. Ein Felssturz hat einen Teil der Strecke versperrt. Verärgert über unsere Fahrlässigkeit fahren wir zurück nach Tende. Auf der Fahrt kommen die Gedankenspiele: Welche Optionen haben wir? 1. Zurück bis Ventimilia, an der Küste entlang bis Imperia und außen herum Richtung Cuneo. Das sind geschätzte 250 km. 2. Direkt ab Tende über die Baisse de Peyrifique zum Tendepass. Diese Strecke bin ich im Juni schon einmal gefahren. Ok, es gibt Schotter, aber bei langsamer Fahrweise sollte das auch für die DL und Andreas machbar sein. 3. Von Saint Dalmas über Miniere zum Tendepass. Sicher auch eine Schotterstrecke. Den Weg kenne ich aber nicht. Der Schwierigkeitsgrad ist mir z.Zt. unbekannt. In Tende entscheiden wir uns dann für Option 2. Gerlinde steigt zu mir auf die Aprilia, damit sich Andreas im Schotter auf die DL und den Schotter konzentrieren kann. Wir starten direkt! Es ist bereits 19 Uhr und wir wollen den Tendepass noch möglichst bei Tageslicht erreichen. Ein einspuriges, teileweise asphaltiertes Sträßchen führt nach oben. Irgendwann geht der Asphaltbelag in Naturboden über. Die Serpentinen nehmen kein Ende. Der Kamm ist immer noch nicht erreicht, als die Dunkelheit bereits einsetzt. In meiner Erinnerung haben wir den Weg im Juni in knapp einer Stunde durchfahren. Jetzt schieben wir uns langsam Meter um Meter nach oben. Es gibt keinen Anhaltspunkt mehr, nach dem ich mich in der Dunkelheit richten könnte. Zwei oder drei Mal verfahren wir uns. Nach einer Kehre will ich auf Andreas warten. Mein Fuß findet im losen Erdreich keinen Halt mehr. Die Aprilia fällt um. Gott sei Dank ist Gerlinde schnell abgesprungen. Niemandem ist etwas passiert. Langsam fahren wir Richtung Baisse d’Ourne. Im Rückspiegel sehe ich nichts außer dem Scheinwerfer der DL in 50 m Entfernung. Es ist bereits 20:45 Uhr. Seit über einer Stunde eiern wir im Dunkeln herum. Zu allem Übel zieht jetzt auch noch Nebel auf. Gerlinde fragt immer wieder, wie weit Andreas zurück liegt. Der Nebel wird immer kräftiger. Wir fahren im 1.Gang und haben eine Sicht von vielleicht 5 Metern. Nach endlosen Kilometern im Nebel plötzlich Teer. Nach über 2 Stunden haben wir endlich den Tendepass erreicht: Gott sei Dank! Wir haben es geschafft! Jetzt wollen wir so schnell wie möglich wieder in die "Zivilisation" und fahren nach unten bis Limone Piemonte.
Dort kehren wir zum Aufwärmen in der Pizzeria „il Camino“ ein, trinken einen Cappuccino und machen uns auf den 40 km langen Heimweg nach Dronero. Auf der Fahrt frage ich mich, ob die Beiden morgen wohl noch Lust auf eine Ausfahrt haben ....
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……………. Fortsetzung folgt ………………
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