Fahrt zum Trischendamm
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Moin in die Runde!
Einladung zur sportlichen Moppedtour, Wetter mal vorausgesetzt:
Sonntag, Treff 09:15
Obi-Parkplatz, Norderstedt
Abfahrt 09:30
Plan: kleine Schlängelstraßen im möglichst flotten Stil (ich geb mir Mühe)
Ziel: Friedrichskoog Spitze
dort was futtern (packt Euch was ein!)
sodann 2,2 km Fußmarsch raus ins Meer auf dem Trischendamm (Mütze mitnehmen!)
danach Diskussion im Fahrerlager über weiteren Zielpunkt oder Antritt der Rückreise
Wer ist dabei?
Ich hab Bock auf Spielen und Toben!
Gruß, netter Mann
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So hatte ich per Mail und im XJ-Forum zur gemeinsamen Fahrt eingeladen. Und je näher der Sonntag rückt, umso schlechter werden die Wetterprognosen.
Also mache ich mich bei Nieselregen und nassen Straßen auf dem Weg zum Treffpunkt. Als ich auf den weiten leeren Parkplatz rolle, ist nur eine kawagrüne Rennmaschine zu sehen. Treffen sich hier heute noch andere?
Kawasaki ZX9R
Als ich jedoch näherkomme, erkenne ich einen Kollegen aus dem XJ-Forum. Wir begrüßen uns und kommen ins Plaudern, als ein weiteres Motorrad um die Ecke rollt. Nun sind wir zu dritt und werden es auch bleiben. Ein weiterer Freund, der ursprünglich mitkommen wollte, erscheint nicht und ist auch telefonisch nicht zu erreichen. Untypisch für ihn, hoffentlich ist alles in Ordnung…
Um kurz nach halb zehn beschließen wir den Aufbruch. Je weiter wir gen Nordwesten kommen, desto mehr reißt der Himmel auf und wird strahlend blau. Der kräftige Wind jagt schneeweiße Wolken darüber hinweg und bewirft uns auf den Straßen mit Herbstlaubkonfetti. Feinstes Moppedwetter also!
Wir passieren Hinweisschilder auf „Kölln-Reisiek“ und „Bullenkuhlen“, „Horst“ und „Sommerland“. Auch „Grönland“ lassen wir seitab liegen. Dabei sind das alles noch rote Nadeln auf meiner Schleswig-Holstein-Karte mit besonderen Ortsnamen. Aber heute steht keine Schildersuche auf dem Programm und grüne Nadeln für „besucht“ sind nicht geplant. Ich werde wiederkommen.
Kurz hinter der „Blomeschen Wildnis“ überqueren wir die Stör und fahren den dortigen Rastplatz an. Vom Deich aus haben wir einen wunderbaren Blick auf das große Sperrwerk und die Störmündung in die breite Elbe.
unser Fuhrpark: 1x900 ccm mit 140 PS, 2x600 ccm mit 61 PS
Die Straßen sind überwiegend gut ausgebaut und wir fliegen dahin. Der Wind coloriert einen wahren Nolde-Himmel! Kurz mache ich mir Gedanken, was Eicheln und Kastanien wohl unter unseren Vorderrädern bedeuten würden, denn manch dicker Baum säumt unseren Weg und es wird unübersehbar Herbst!
Wir lassen das AKW Brokdorf mit seiner gewaltigen Kuppel links liegen und folgen dem Verlauf der Elbe. Immer wieder sehen wir große Containerschiffe hinter dem Deich, die sich unwirklich durch die Landschaft schieben.
Schneller als erwartet erreichen wir die Brunsbütteler Fähre über den Nord-Ostsee-Kanal. Einige Autos warten schon, darunter auch zwei liebevoll gepflegte Mercedes Benz mit H(istorisch)-Kennzeichen.
Fahr- und Motorräder haben eine eigene Wartespur. Wir können bis vorn durchrollen und sind die ersten auf der Fähre. Schon nach kurzer Fahrt erreichen wir das andere Ufer.
bei Überfahrt klappt die Fähre einfach ihre Rampe hoch
Die Straßen werden teilweise kurviger und schlängeln sich durch das Land.
Immer wieder gibt es „Wellenbewegungen“, der Boden unter dem Asphalt scheint über die Jahre streckenweise nachgegeben zu haben. Es macht Spaß, über die kleinen Täler und Hügel zu schießen. Windkraftanlagen recken sich leuchtweiß in den Himmel, überall sehen wir reetgedeckte Bauernhäuser mit prächtigen Gärten.
Die landwirtschaftlichen Flächen werden größer, in Dithmarschen ist Kohlsaison. Grün- und lilafarbene Kohlfelder säumen die Straßen.
Plötzlich kommt das Ortsschild von Marne in Sicht, und ich werfe alle guten Vorsätze über Bord. Blinker links und rübergezogen bis auf den Radweg. Meine beiden Mitstreiter folgen und wundern sich, als ich aufgeregt den Helm abstreife und nach der Kamera suche. „Was is`n los?“ „Mach bitte mal ein Foto, hier bin ich geboren!“ „Ach so. Na, gib her.”
Geburtsort des Autors
Wenig später nähern wir uns Friedrichskoog Spitze und fahren geradewegs Richtung Deich. Es gibt einen ausgewiesenen Parkstreifen nur für Motorräder. Bei Ankunft sind wir die einzigen dort.
Blick vom Deich / Infotafel zum Trischendamm
Ein steter Wind weht von Nordwest, als wir auf dem Deich stehen und über die Nordsee blicken. Wir haben Glück, es ist Flut. Also wird unser Marsch über den Trischendamm keine Wattwanderung.
Die Infotafel berichtet, dass er in den 1930`er Jahren zum Schutz des Deiches angelegt wurde, der seinerzeit von einem Priel unterspült zu werden drohte. 16.000 Tonnen Steine wurden benötigt, um diesen 2,2 km langen Damm ins Meer zu bauen.
Also, machen wir uns auf den Weg!
Marsch zur Dammspitze / 2,2 km erreicht / hier endet der Weg
am Ziel / Blick zum Festland
Wir lassen uns vom Wind durchblasen und genießen die Ruhe. Um uns herum ist nichts als Meer. Weiter draußen erkennen wir die Bohrplattform Mittelplate, benannt nach Deutschlands größtem Ölfeld. Die Insel Trischen ist nicht zu erkennen. Berichten zufolge wandert sie in jedem Jahr bis zu dreißig Metern nach Osten. Irgendwann wird sie wohl am Trischendamm ankommen.
Eine verrückte Idee keimt in uns auf: Einmal im Sommer sehr früh morgens bis zur Spitze des Dammes hinausfahren und dann Fotos vom Motorrad im Morgenrot machen. Ein faszinierender Gedanke!
(Aber bekommen wir den Bock da vorne wieder gewendet? Naja, wir werden es im Kopf behalten… Ist vielleicht eher was für`n Pocket Bike.)
Nach einer Weile zieht es uns zurück und wir machen uns auf den Marsch. Die Sonne wärmt uns den Rücken und so allmählich beginnen wir zu schwitzen!
Vorbei geht es an stillen Salzwiesen bis zum Deich. Hier checken wir nochmal kurz, ob man tatsächlich bis an den Trischendamm heranfahren
könnte. Ja,
ginge!
Für heute gelüstet es uns aber mehr nach Kaffee und Tee, auch ein Fischbrötchen wird bestellt.
Meine Begleiter verfallen ins Benzingespräch. Ich höre nur noch Buchstaben- und Zahlengruppen und staune, dass sich die beiden ganz offenbar stets über die gleichen Motorräder unterhalten.
Dem habe ich nichts beizutragen, was aber offensichtlich auch nicht stört. Ich lausche und genieße Kaffee und Sonne.
Auf der Rückfahrt geht es wieder durch weite Kohlfelder. Ich habe die Sonne im Rücken, das erschwert das Ablesen meines Navis. Erst kurz vor knapp bemerke ich, dass ich abbiegen soll und gehe in die Bremse. Mein Hinterrad schmiert und fühlt sich sehr eigenartig ein. Also vorsichtig weiter. Das Rutschen hinten wird nicht weniger, und ich vermeide verkrampft jede Schräglage.
Bei der nächsten Bremsung halte ich an und begutachte den Reifen. Kein Öl, kein Nichts. Dafür aber ein völlig verdrecktes Federbein! Wo kommt das denn her?
Dann wird uns klar: Der Wind trägt Staub von den großen Ackerflächen auf die Straßen. Und schon beim feinsten Niesel wird daraus eine unsichtbare Staubschmiere, die die Fahrt zur Rutschpartie werden lässt. Na gut, also kein defektes Motorrad, die Reise geht weiter.
Wenig später verlassen wir die kleineren Straßen und finden wieder blanken Asphalt vor. Noch kurz die Reifen „sauberfahren“ und ab geht`s!
Die Kanalfähre bei Hochdonn bietet uns keine Moppedspur, wir stellen uns brav hinten an.
Während des Wartens erwischt uns ein kräftiger und kurzer Regenschauer. Dicke Tropfen pladdern auf`s Visier. Na gut, zur Ehrenrettung der Wettervorhersage nehmen wir`s gelassen.
Ein Honda-Goldwing-Gespann rollt neben uns, rüstiges Rentnerpärchen auf Ausfahrt. Das Teil ist breiter als ein PKW! „Jedem das Seine“, denke ich mir.
Auf der anderen Kanalseite sind die Straßen nass, und wir drecken uns die Maschinen noch einmal so richtig ein. Übermorgen ist kalendarischer Herbstanfang! Soll wohl so.
Über Wacken führt uns der Weg in Richtung Heimat, jetzt lacht die Sonne wieder.
Unseren Kawa-Fahrer bringen wir noch bis vor die Haustür. In seiner kleinen Werkstatt bestaune ich einen wunderschönen CafeRacerUmbau im Werden. Im Frühjahr hatte ich das „Projekt“ schon einmal gesehen, damals noch völlig zerlegt und nackt. Jetzt ist schon richtig „Motorrad“ zu erkennen. Die wird schick!
Zu zweit fahren wir weiter, und beim letzten Tankstopp schütteln wir uns die Hände: „Das war `ne schöne Tour, machen wir wieder! Komm gut heim.“
Zuhause angekommen sind Frau und Tochter gar nicht da. Also schäle ich mich aus dem Klamotten, schiebe die Diva in die Abendsonne und hole noch mal schnell den Gartenschlauch um die Ecke…
Film zum Besuch am Trischendamm:
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