Donnerstag am 25.09.2014
Erst feig, dann Adrenalintschankie.
Frohgemut fuhren wir vom Campingplatz Richtung „Tour Madeloc“.
Blauer Himmel, warm, keine Wolke aber windig.
Die kleine geteerte bergig-kurvige Straße zog sich. Der Wind wurde böiger, stärker und unberechenbarer. Hat er uns bei der einen Serpentine fast auf den Boden gedrückt, hat er uns bei der anderen aufgestellt. So ne GS, zu zweit gefahren bietet dem Wind ne ganz schöne Angriffsfläche … und die weiß er zu nutzen.
André weiß sicher ein Lied davon zu singen, denn seine leichte KTM hat der Wind im Tal an der Küste auf dem Seitenständer mal umgschmissen.
Wir kamen bis zum Abzweig zum Turm. Ab da (ist’s zwar verboten) geht’s auf Schotter weiter. Wir stellten das Mopped ab, stiegen ab, schauten und knipsten.
Auf einmal sah ich, wie sich die GS bewegte. Sie versuchte sich aufzustellen. Der Wind!
Wirklich, als Sturm habe ich ähnliches schon erlebt, aber als „normalen“ Wind … war’s für mich bis dato unvorstellbar.
Kurz, der Weg zu Fuß war uns zu weit und zu zweit auf’m Mopped hab ich mich bei dem Wind nicht getraut.
Feig halt. Andererseits heißt Mut: Die Angst überwinden.
Ging nicht. Alleine vielleicht, eher ja.
Aber zu zweit? Nein. Ich will jetzt nicht von Verantwortung faseln, aber dazu fehlte mir einfach der Mut.
Da wollen wir rauf.
Da wollten wir eigentlich hin

Bei der Weiterfahrt nach Banyuls-sur-Mer, auf der Teerstraße wurden wir noch ein paarmal vom Wind heftig durchgeschüttelt, sahen aber auch, dass es in diesem Gebiet eine nahezu unüberschaubare Menge von kleinsten, kurvenreichsten Schottersträßchen gibt.
Das Paradies für Schotterer?
Wahrscheinlich schon, aber es sind großteils kleine Straßen, die in Weinberge führen oder zu alten Ruinen (wer jetzt sagt, es gibt keine neuen Ruinen kennt das Buch von Rosendorfer nicht: Der Ruinenbaumeister). Aber diese Sträßchen, die teilweise nahezu unvergessliche Ausblicke bieten haben halt nicht so berühmte Namen wie „Assietta“ oder „Parpaillon“.
Vielleicht kennt sie deshalb kaum einer.
Aber nicht nur für Schotterer
Kurz vor Banyuls haben wir noch einen kleinen (Schotter) Abstecher zur Kapelle „Notre Dame de Consolation eingefügt.
Die Kapelle
Der Ausblick von der Kapelle
Banyuls-sur-Mer. Einige Plastiken des hier gelebt habenden Künstlers „Mailliol“ zieren die Meerpromenade. Man kann zu seinem Haus – Museum fahren (was wir taten) und einfach auf der Strecke bleiben und man kommt über den „Col de Banyuls“, praktisch über die grüne Grenze nach Spanien.
Bei Banyuls

In der ersten größeren Stadt „Sant Climent“ haben wir uns einen Cafe con Leche gegönnt (viel besser als der französische Café au Lait) sind über „Capmany“ zur Hauptstraße, der N11 gekommen, haben an der Auffahrt zu dieser Hauptstraße eine Vaginalfachverkäuferin gesehen

und sind die paar km zur quasi spanischen Grenzstadt mit vielen Supermärkten und Outlets, „La Jonquera“ gedüst.
Dort nach Westen und über „Aquilana“, „la Vajol“ und den „Col de Lli“, wieder über die grüne Grenze nach Frankreich. Es stand ein Schild: „Ceret 36km la Pista“ und war mit einem Verbotsschild für Fahrzeuge über 1,80m Höhe und schwerer als 3,5 Tonnen versehen.
Ein Schottersträßchen!

Es waren keine 30km, allerhöchstens 10. Dann kam der Teer wieder unter die Räder und wir erreichten „Ceret“.
Ceret

In dieser Stadt hat Pablo Picasso eine Zeitlang seine Malerfreunde versammelt und da haben sie praktisch den Kubismus „erfunden“. Ein schönes kleines Städtchen mit einer uralten, sehenswerten Brücke – wie könnte sie anders heißen als „Pont de Diable“?

Nach Brotzeit und Kaffee (einen schwarzen für Liane und einen Noisette für mich) auf der Hauptstaße zur Grenzstadt „Le Perthus“.
Da, gleich am Anfang links weg zum „Col de l’Quillat“. Wie gewünscht: schmal, bergig, kurvig, das Sträßchen.

Oben, auf dem Pass geht ein scheinbar ebensolches Sträßchen links weg nach „Laroque-des-Albéres“.
Wie ich mittlerweile weiß, hab ich das übersehen und bin später in einer Rechtskehre, in der ein Verbotsschild für die weiterführende Teerstraße (Sackgasse zum „Pic de Pradets“) steht, geradeaus auf einen Schotterweg gefahren.
Ich glaubte, auf derm Weg nach „Laroque-des-Albéres“ zu sein und beruhigte Liane, dass der Schotter bald aufhört.
Frohgemut hielten wir in einer Rechtskehre an, weil die Aussicht gigantisch war und knipsten.
Da wurde noch geknipst
Ich mache es kurz: Die Strecke war gefühlte 50km lang. Wirklich waren es zwischen 15km und 25km. Es war ähnlich wie die „Vermosh“ in Albanien, aber ohne Regen bei bestem Wetter. Jedoch war sie, sowohl auf- als auch abwärts steiler mit engeren Kehren. Vom Belag her, vergleichbar, wenn auch ein paar ziemlich haarige Stellen dabei waren.
Und vor allem: Ungewisser, denn ich wusste ja, dass ich mich verfahren hatte und damit wusste ich nicht, wo ich (auf der Karte und natürlich in meinem Kopf) bin.
Liane hatte aufgehört zu knipsen. (später sagte sie mir, dass sie sich nur noch festgehalten hat – noch später, dass ihr zum ersten Mal beim Moppedfahren schlecht geworden ist).
Nach ca. 45 Minuten wurde mir klar, dass ich mich verfahren hatte.
Ein Gedanke quälte mich: Hoffentlich ist das keine Sackgasse … und wir müssen die gleiche Strecke zurück (ich fürchtete, dass dazu meine Kondition nicht ausgereicht hätte und, nachdem es auf 17:00 zuging, wir in die Dunkelheit kämen.
Alle 5 Minuten sagte ich zur schweigsamen und stoisch hinter mir sitzenden Liane: „das kann nicht mehr lange dauern“ und sie antwortete einsilbig „passt scho“.
Nach über 1,5 Stunden, also weiteren ca. 45 Minuten wurde es besonders steil und als wir um eine Rechtskurve kamen sahen wir das meterhohe verschlossene Tor und dahinter den Beginn menschlicher Ansiedlung.
Ich war fertig. Versuchte anzuhalten, was bei der Steilheit und dem trockenen lehmstaubigen Boden bei dem Gewicht (GS und 2 halbwegs Erwachsene) nicht ganz einfach war und in Sekundenbruchteilen suchte ich einen Ausweg.
Da fiel mir eine Reise (ich glaube es war eine ältere Pyrenäenreise) von Mimoto ein, die, bei der sie die Moppeds unter einer geschlossenen Schranke durchgeschoben haben, indem sie sie vorher hinlegten.
Ich schätzte die Höhe zwischen Boden und unterem Torende ab. Es ist ein Tor mit einem stabilen Eisenrahmen und Maschendrahtzaun. Der Zaun geht tiefer als der Eisenrahmen.
Das müsste gehen.
Wie ich so überlege sagt Liane: „ich steig mal ab uns schau, ob ich das Tor öffnen kann“. (in solchen Momenten ist sie viel cooler und denkt wesentlich rationeller und praktischer, als ich).
Sie steigt ab, geht zum Tor, sieht, dass es nur mit einer umwickelten Eisenkette verschlossen ist, wickelt die Kette auf, öffnet das Tor und ich fahre durch.
Bitte habt Verständnis, dass wir davon keine Bilder haben. Also von der eher haarigen Strecke (und das sag ich als Glatzkopf).
Ne halbe Stunde später waren wir beim WoMo.
Als wir geduscht und umgezogen waren sagte ich zu Liane:
„Das war Super, dass Du das Tor aufbekommen hast. Mensch, jetzt wissen wir ja, wie das geht, dann können wir Morgen die gleiche Strecke andersherum fahren“.
Darauf antwortete sie mir – etwas, nein, wesentlich lauter als sie sonst spricht:
„Du Arschloch! Du blöder Hund! Weißt Du, dass das das erste Mal war, dass mir beim Moppedfahren schlecht geworden ist und ich Dir nichts gesagt habe, um dich nicht zu beunruhigen oder verunsichern. Das war auch das erste Mal, dass ich nicht fotografiert habe! Untersteh Dich!"
Vielleicht sollten wir uns doch mal (wieder) ein Navi zulegen?