Epilog
Wie heißt es im Vorwort des Reiseführers von Astrid und Erika Därr:
Marokko polarisiert – nach der ersten Reise heißt es meistens „einmal und nie wieder“ oder „einmal und immer wieder“!
Für mich war es die dritte Reise nach Marokko, somit dürfte die erste Frage geklärt sein: ja, ich werde sicher nicht das letzte Mal in Marokko unterwegs gewesen sein.
Das Land kann tausendundeine Geschichte erzählen, die unsrige nur einen sehr kleinen Teil davon.
Marokko ist ein Land der Gegensätze: Wüstensand und fruchtbare Felder, Küsten und Hochgebirge, Mittelalter und Moderne liegen oft nur den berühmten Steinwurf voreinander entfernt.
Marokko ist ein Paradies für entspannte Enduro-Wanderer wie auch ambitioniert- sportliche Geländefahrer. Statt Verbotsschildern findet man allerorten Naturstraßen wie auch richtiges „Offroad“-Vergnügen.
Nur auf die teilweise in mühevoller Handarbeit angelegten Felder und Kulturlandschaften sollte man tunlichst Rücksicht nehmen.
Die Bandbreite unter den Stollen reicht von Tiefsand über Lehm bis hin zum groben Schotter auf den vielen Bergpisten. Auf unserer Rundreise konnten wir alles gut kombinieren. Alles kann, aber nichts muss.
Diesmal waren wir drei Wochen unterwegs. Davon zwanzig Tage in Marokko. Mit weniger Zeit sollte man nicht anfangen, sofern man sich nicht nur auf einen kleinen Teil des Landes wie die Sandwüste, die Königsstädte oder die Küste beschränken will. Marokko bietet in überschaubaren Landesgrenzen eine wunderbare Vielfalt von Landschaften, die in Komplexität und Schönheit kaum mit Europa vergleichbar sind.
Ein immer noch aktuelles Sprichwort lautet:
Die Europäer haben die Uhren. Die Afrikaner haben die Zeit. Besser kann man es kaum ausdrücken.
Auch wenn speziell der Norden Marokkos und die Küstenstreifen sehr europäisch geprägt sind, sobald man abseits der großen Zentren unterwegs ist bekommt Zeit eine andere Bedeutung. Was nicht heißt dass es im Hinterland keine Ladenöffnungszeiten oder Fahrpläne für öffentliche Busse gibt, aber der Umgang mit dem „Zeitfaktor“ wird ein anderer. Nämlich entspannter, egal wie oft man „jalah, jalah“ hört.
Am Ende wird jede Herausforderung gemeistert und der angesichts so mancher „afrikanisch unorthodoxer Lösung“ hektisch reagierende Europäer im besten Fall positiv entschleunigt. Die Zeitbegriffe in Marokko sind nicht schlechter, nur eben verschieden.
Marokko kann bisweilen nervig sein, beim unvermeidbaren Kontakt mit Schleppern bis zum Handeln im Souk. Das früher allgegenwärtige Betteln der Kinder ist gefühlt und erlebt stark zurückgegangen. Unter Beachtung der in jedem Reiseführer genannten Verhaltensregeln und einem freundlichen Lächeln lassen sich auch ungewohnte Situationen meistern.
Die Gefühle der gastgebenden, dem Touristen gegenüber toleranten und gastfreundlichen Bevölkerung sollte jeder respektieren. Durch unbedachtes Verhalten kann man auch ungewollt verletzen. Dies trifft vor allem auf das Fotografieren zu, welches wir entweder aus „verschwiegener Distanz“ oder nach entsprechender Rückfrage und dem Einverständnis der Menschen getan haben.
Ein wenig Französisch-Kenntnisse sind immer von Vorteil, denn es ist weit verbreitete zweite Amts- und Bildungssprache. Ein paar arabische Floskeln helfen besonders abseits der Zentren noch wesentlich weiter. Hände, Füße und Skizzen im Sand erledigen den Rest.
In Sachen An- und Abreise kann ich unsere Wahl der Verkehrs- und Transportmittel nur wärmstens empfehlen. Aber ich möchte auch niemandem das (in meinen Augen entbehrliche) Vergnügen absprechen, je nach Durchhaltevermögen auf endlosen Landstraßen oder langen Autobahnetappen entweder nach Genua, Sète oder gar bis ins südspanische Tarifa zu fahren. Die Grandi Navi Veloci (
http://www.gnv.it/de" onclick="window.open(this.href);return false;) bringt ihre Passagiere in zwei Nächten von Genua / Sète nach Tanger oder Nador. Fährt man bis Südspanien, gibt es verschiedene Möglichkeiten, um teilweise im Stundentakt zum afrikanischen Kontinent zu starten. Von den Kosten her nehmen sich die zur Verfügung stehenden Varianten nicht viel (Maut, Sprit, Verschleiß, Übernachtungen, Fähre, Flugzeug, Shuttle, …), was bei uns am Ende den Ausschlag gab war die Zeitersparnis.
Auch wenn man Marokko wegen seiner drei verschiedenen Klimazonen grundsätzlich ganzjährig bereisen kann, empfehle ich für eine große Marokko-Tour den Zeitraum von Ende März / Anfang April bis in den Mai, wenn sich nach den winterlichen Regenschauern selbst an den unwirtlichsten Stellen bunte Blütenteppiche ausbreiten und speziell der Norden üppig grün zeigt und auch der Süden noch angenehme Temperaturen bietet.
In Sachen Unterkunft haben wir uns im Vorherein für Pensionen und Hotels entschieden. Über Booking oder HRS auf dem Streicheltelefon oder altmodisch im Reiseführer findet sich etwas in den meisten Städten, ansonsten hilft eine Frage in örtlichen Cafés. Deutliche Schwankungen bei den Kategorien inbegriffen, wir hatten alles von einfach/sauber/günstig bis hin zum Topniveau in Fès.
Es gibt aber auch viele Campingplätze, die meist spartanisch ausgestattet sind und sich weniger an Camper denn an die vielen Rollheimer richten. Preislich ist nach meiner Erfahrung gegenüber einfachen Pensionen nichts gespart, im Gegenteil: man schleppt beim Zelten unglaublich viel Extra-Ausrüstung mit was für mich den Reisespaß nicht mehr erhöht. Bei meiner Reise 2011 haben wir auch wild gecampt, ein abendlicher Besuch von Einheimischen gehörte dann aber dazu.
Marokko 2017 Gesamt by
bwolfes, auf Flickr
Unsere zwanzig Tage im Land vergingen mit unterschiedlichsten Eindrücken. Ich habe bereits kurz nach unserer Rückkehr meine ersten davon geschildert, welche ich jetzt in der Rückschau noch etwas anpassen und erweitern möchte:
- • Ein mir nicht näher bekannter Literat hat es wie folgt zusammengefasst: Während die Metropolen an der Küste als Inbegriff der Moderne durchgehen, befinden sich weite Teile des Landes in einer Art „elektrifiziertem Mittelalter“.
• In vielen Teilen des Landes besteht die Mechanisierung der Landwirtschaft im Wesentlichen daraus, dass der Bauer nicht mehr mit dem Esel sondern mit dem Moped zum Feld reitet, um seine winzige Parzelle dann in Handarbeit zu bestellen.
• Die sichtbaren sozialen Gegensätze sind bemerkenswert: Wer Geld halt zeigt es auch ungeniert, dicke schwarze Limousinen und fetter Goldschmuck stehen Eselskarren und staubigen Djellabas augenscheinlich ohne größere Spannungen gegenüber.
• Die Infrastruktur und das Straßennetz werden immer weiter ausgebaut. Marokko ist in Sachen Verkehrs-Infrastruktur, Hotellerie und Gastronomie näher an Europa als dem afrikanischen Kontinent.
• Trotzdem sollte man gerade in den abgeschiedenen Ecken des Atlas nicht überall einen modernen Schnellimbiss oder Werkstätten mit Diagnose-Computer für neuzeitliche Fahrzeuge erwarten. Selbsthilfe ist im Falle eines Falles gefragt, aber auch der ADAC-Auslandsschutzbrief sollte nicht fehlen.
• Nicht unterschätzen sollte man die zu fahrenden Kilometer. Marokko ist groß und kurvenreiche Straßen mit allerlei Getier, Schlaglöchern und Sand drücken den Reiseschnitt. Deshalb sollte man untwegs nicht mehr als 30, maximal 40 km/h einplanen. Auf Pisten entsprechend weniger.
• Man braucht wahrlich keine „echte“ Enduro oder einen Landrover um das Land zu bereisen, aber speziell in, zwischen und hinter den Atlanten erhöht ein entsprechend naturstraßen-taugliches Fahrzeug den Spaßfaktor wesentlich.
• Wir haben uns nirgendwo unwohl oder gar bedroht gefühlt. Die heutzutage leider weltweit veränderte Gefahrenlage in Sachen Terrorismus konnte uns nicht davon abhalten, diese Reise zu unternehmen. Der marokkanische Staat ist sichtbar präsent, für den Touristen aber ohne negative Auswirkungen. An den häufigen Straßenkontrollen wurden wir immer zügig und mit freundlichen Mienen durch gewunken.
Enden möchte ich den Bericht mit einem weiteren Zitat aus dem „Touristen-Knigge“, welches ich schon im Schlusswort meines Reisefilmes 2008 verwendet habe und das gerade für eine Reise nach Nordafrika nicht zutreffender sein könnte:
Wenn Sie es auf Reisen wie zu Hause haben wollen, dann sollten Sie Ihr Geld nicht fürs Reisen verschwenden und lieber daheim bleiben.
Unser Fazit: wir kommen gerne wieder, so Gott will. Inch Allah!