Na was für eine Überraschung! Dieser Ort.
Im Grunde war es dann verdammt einfach, über den Khardung La Pass in das Nubra Valley zu kommen. Das was die Leute gesagt haben, stimmt. Wenn man sich sehr früh auf den Weg macht, so zwischen 5:00 und 5:30, macht der Taxi Check Point kein Problem. Zwei Hanseln sind dort gestanden, die mich und zwei Motorradfahrer, die wohl die selbe Idee hatten wie ich, geflissentlich ignoriert haben.
Hahaha!
....Was habe ich nicht zahlreiche imaginäre Kämpfe in denen ich heroisch meine Enfield vor einem Mob wütender Taxilenker vor meinem inneren Auge ausgefochten, und mir Rennen mit madmaxartigen motorisierten Ungetümen auf denen immer ganz klar "Taxi" zu lesen war,geliefert. Und dann das....nix. Die ganze Aufregung umsonst.

Der Weg auf dem Pass war bis auf die letzten 10 Kilometer, gut ausgebaut. Als die Straße schlechter wurde, wurde auch das Wetter schlechter: Nebel und bitter kalt. Da halfen auch meine Wintermotorradhandschuhe nichts. Zu guter Letzt hat es dann noch zu schneien angefangen. Oben angekommen hatte ich wieder mal Glück. Die Sonne kam raus und glitzerte im frischem Schnee und ewigem Gletscher.
Der angeblich höchste befahrbare Pass der Welt! Über 5600 m! ....Nur stimmt es höchstwahrscheinlich nicht. Auch wenn es im Guinnessbuch der Rekorde steht. Aber alle neue Messungen ergeben eine Höhe von rund 5225 m. Ist ja auch nicht schlecht

Ich war gerade mit dem obligatorischen "Passfotoshooting" beschäftigt, da blieb ein Truckfahrer neben mit stehen, öffnete die Türe und wachelte mit einem Benzinkanister:" is it yours? " Hmm war es. Mir war gar nicht aufgefallen, dass der Kanister aus der Halterung gefallen war. Bis zu diesem Zeitpunkt, habe ich es für unmöglich gehalten, dass der Kanister, egal wie holprig die Straße ist, heraus fallen kann. Aber nun ja, die Straße war zum Teil holprig gewesen, sehr holprig.
Überglücklich nahm ich den Kanister entgegen und bedankte mich ausführlich.
Die Fahrt ins Nubra Valley war wieder mal ein Augenschmaus. Das erste Ziel war Sumur. Ein kleiner, Ort mit einem sehr schönen Kloster. Es war ein guter Ort um sich auszurasten. Das frühe Aufstehen, die Anspannung ob alles klappen würde oder nicht, und die schlechten Straßen haben mich ganz schön müde werden lassen. Mein Guesthouse im Grünen war da genau das richtige für ein ausführliches Nachmittagsschläfchen.
Am nächsten Tag war ein Halbtagesausflug nach Panamik, bekannt für seine heißen Quellen angesagt. Die Quellen, naja, nicht den Weg wert. Aber die Landschaft war es. Entlang des Nubraflusses, immer wieder durch die netten grünen Ortsoasen, Wasserfälle und umrahmt von massiven Bergketten. Manchmal ist doch der Weg das Ziel.
Strom gibt's im ganzen Nubra und nur zwischen 20:00 und 23:00 Uhr. Dafür manches mal mit Internet.
13.07.2017 Turtuk
Die Anfahrt nach Turtuk war "wild". Nicht der Straße wegen, die war durchgehend sehr gut. Aber die Landschaft war es. Zunehmend hat sich das Tal verengt. Nach Hundur, mit seinem Sandspielplatz, mit Kamelen und Atvs für große und kleine Kinder, nahm der Verkehr rapide ab. Die Ortschaften wurden kleiner, der Abstand der Orte zueinander, größer. Die Felsfomationen links und rechts rückten näher zueinander. Ein bedrückendes Gefühl, aber gleichzeitig ein Hochgenuss durch diese harsche Landschaft mit dem Motorrad zu tuckern.
In Turtuk angekommen, habe ich mir gedacht: die Fahrt hierher war ja wunderbar, aber was mach ich da?. Eine schlechte schlammige Straße, ein paar Häuser und warum zeigen alle Schilder für Homestays und Guesthouses den Felsen hinauf? Alles nicht sehr einladend.
Auch die Anreiner deuteten bei Nachfrage den nackten Felsen hinauf. Also, das Motorrad geparkt und den steilen Fußweg hinauf. Schwer keuchend und neugierig was mich wohl erwartet, watschelte ich die Serpentinen hinauf und dann....wow! Eine große fruchtbare Ebene, in der das Korn geduldig auf die Ernte wartete, dazwischen Pfirsichbäume voll mit Früchten. Frauen und Männer am Feld arbeitend und dazwischen kleine Häuser mit üppigen Gärten und kleine Homestays. Keine Autos! Kein sonstiger Lärm, ein wenig Abendsonne. Ein sehr friedlicher Ort, geprägt durch ihrer muslimische Religion, aber nicht aufdringlich. Ein Platz zum Schlafen war schnell gefunden und vom Dach aus ist der Blick über die Felder in das Tal bis nach Pakistan einfach unbeschreiblich. Einfach da sitzen, und in der untergehenden Sonne die Menschen beobachten die am Feld arbeiten. Auf einem abgeernteten Feld, haben sich mehr und mehr Kinder zum Spielen getroffen, ganz ohne technische Hilfsmittel, und haben stundenlang gespielt und zwar mit......Nichts. Kein Ball, keine Plastipistole, einfach eine Art, Fangen mit gewissen Regeln und zwei Teams. Das Lachen war im ganzen Tal zu hören.
Am Abend kam noch eine Gruppe ins Homestay. Eine Luxenburgerin, ein Amerikaner und zwei supernette jungen indische Touristen , ein Mann und eine Frau, alle wild zusammengewürfelt, für eine kurze Jeeptour, in dasselbe Guesthouse. Es war ein sehr lustiger und schöner Abend. Das Essen, Dhal mit Kidney Bohnen und Kürbis war ebenfalls sehr gut. Es war überdies auch sehr informativ: Die große positive Seite, dass jetzt auch so viele indische Touristen mit exzellenten Englischkenntnissen unterwegs sind, ist, dass jetzt vertiefende Gespräche abseits von " whats your name ; where do you come from ; do you have children? " möglich ist.
Mir war aufgefallen, dass, im Gegensatz zu meinen früheren Reisen in Indien, ich kaum noch Inder gesehen habe, die mit der Hand gegessen haben. Genau genommen war es bis zum gestrigen Tag eine Inderin und ein paar Kinder bei einer Ausspeisung in einem Tempel.
Und nun zusätzlich die beiden indischen Touristen. Beide bestätigten, dass es nicht mehr so üblich ist wie früher. Kindern wird beigebracht, zuerst die anderen anwesenden zu fragen ob es eh in Ordnung ist, mit der Hand und ohne Besteck zu essen.
Ich kann mich Noch gut erinnern, wie wir 1993 den jungen Kashmiri, der uns die Reise nach Kashmir vermittelte, in Delhi in ein Restaurant eingeladen haben. Er hat an diesen Abend das erste mal in seinem Leben Besteck benutzt. Er war um die 20 Jahre alt.
Manches mal habe ich das Gefühl die Mittelschicht ist fremd in ihrem eigenen Land, sobald sie ihre Komfortzone verlässt, wie es eben auf Reisen passieren kann.
Natürlich ist Turtuk kein Paradies. Gerade die Frauen arbeiten derzeit, da Erntezeit von vor Sonnenaufgang bis nach Sonnenuntergang. Es ist verdammt harte Arbeit. Und Männer helfen nur selten. ( immerhin gibt es welche, die es tun)
Und irgendwelche Vollkoffer hat den Kindern das Betteln beigebracht. Sie stürmen einem, mit ausgestreckten Händen, entgegen und rufen: "One Chocolate!, one Pen! 10 Rupees! "
Es werden wieder mal zu viele Guesthouses gebaut und das teilweise auf den Feldern.
Dann noch die Touristen selber: mit Hotpants und trägerlosem Leiberl in einem entlegenen muslimischen Dorf herumspazieren geht halt gar nicht.
Turtuk ist dennoch so ein nettes kleines Nest, dass ich mich entschieden habe, noch einen Tag zu bleiben. Auch wenn das heißen würde, dass es aufgrund des Permits, welches nur eine Woche gültig ist, die nächsten Tage etwas stressig sein würde.