Nach einem guten Fruehstueck schwang ich mich aufs Motorrad und fuhr in die Todraschlucht. Es war noch frueh am Morgen und die Touristenshops am Strassenrand waren geschlossen. Unter blauem Himmel war ich bei guter Laune, aber sobald die Strasse sich aus der Schlucht herausgewunden hatte, sah ich die ersten Schneeflocken. Das Tal weitete sich auf, und ich konnte sehen, dass der blaue Himmel inzwischen zugezogen war. Noch schmelzte der Schnee in der Sekunde, in der er auf die Strasse fiel, aber es war klar, dass ich weiter oben im Schnee landen wuerde.
Darauf war ich nicht vorbereitet, schliesslich war ich nach Marokko gekommen, um dem Winter zu entfliehen.
Also drehte ich wieder um, und waehlte die Hauptstrasse in Richtung Errachidia, von den Wolken verfolgt. Es wurde sehr windig, und fuehlte sich zeitweilig an, als ob ich in einem Sandsturm fahren wuerde.
Inzwischen war klar, dass die XChallenge nicht ueberhitzte, sofern ich unter 80mk/h blieb. Irgendwo an meinem Bodenblech hatte ich noch ein groesseres Kettenritzel befestigt. Ein Wechsel wuerde die Motordrehzahl weiter senken. Alles was mir dazu fehlte, war der passende Inbusschluessel. Ich fand eine kleine Werkstatt, und mit den richtigen Gesten, Fingerzeigen sowie einigen Brocken Franzoesisch verstanden sie mein Problem. Gerne halfen sie, und schnell waren 3 Generationen Mechaniker um mich versammelt. Ich bot eine Bezahlung, die entruestet abgewiesen wurde. Stattdessen bekam ich eine Einladung, mit der Familie Mittag zu essen.
Diesen Teil liebe ich am Alleinereisen: Man ist nicht mehr in der Blase einer Reisegruppe, sondern beschaeftigt sich mit den Einheimischen. Es ist auch niemand mehr da, der das Reden uebernehmen kann, weil er die Sprache besser versteht. Auf der anderen Seite haben es Fremde auch einfacher, einen einzelnen Reisenden anzusprechen, 'Hallo' zu sagen und Fragen zu stellen.
Gerade auf dem Land wird die Gastfreundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen schnell deutlich. Jeder weiss, dass er auch selber mal Hilfe brauchen wird.
Sie wollten natuerlich auch wissen, wohin ich weiter fahren wollte. Ich holte meine Karte und zeigte auf die Strasse nach Fez. Sie schuettelten die Koepfte, gestikulierten dass die Strasse gesperrt sei und dass irgendwas vom Himmel fiele - irgendwo zwischen hier und Midelt. Ich guckte mir die Karte genauer an und schloss, dass der Regen vielleicht eine Bruecke unbefahrbar gemacht hatte. Nagut, wenn ich schon nicht Schottern kann, so bekomme ich doch zumindest eine Wasserdurchfahrt. Daran war ich nach der Islandreise im Vorjahr quasi gewoehnt.
Zweifel an meiner Entscheidung kamen auf, als ich es problemlos bis Midelt schaffte. Trotzdem fuhr ich weiter, immer hoeher in den oestlichen Atlas. Inzwischen hatte ich auch das Regenzeug mit angezogen, um nicht zu frieren.
Die Fahrt mit Tempo 80 ueber die kalte Hochebene war ermuedend. Mehr und mehr Schnee blieb auf der Strasse liegen, auf der nur noch eine Spur frei war. Dies war die Hauptverbindung zwischen den Staedten, und doch war kein Verkehr. Es war klar, dass es eine Sackgasse war. Ich entschied mich, noch ins naechste Dorf zu fahren und dann zu wenden. Auf den letzten Metern zog ich bereits meine eigene Spur im Schnee, und dann war an einer Schranke Schluss. Davon standen einige Einheimische und waermten sich an einem brennenden Oelfass. Man erklaerte mir, dass der Schnee schon metertief lag und ich entweder zurueck ueber Todra und Marrakesh fahren muesse oder die Route nach Missour im Westen nehmen solle. Beides waren hunderte Kilometer Umweg.
So schnell es ging, fuhr ich zurueck, damit ich nicht etwa noch eingeschneit wurde. Es wurde langsam dunkel. Dazu war das Kuehlmittel in meinem Kuehler inzwischen fast zu reinem Wasser verduennt. In Midelt fand ich ein Hotel und stellte sicher, dass der Raum auch geheizt war. Der Nachtwaechter wuerde auf mein Motorrad achten. Ich drehte die Heizung im Zimmer auf und begab mich in die Stadt, um etwas zu essen zu finden.
Es war schon spaet, trotzdem fanden sich noch offene Buden, die Datteln und - dem Geruch nach - Hanf-Erzeugnisse zum Kauf boten. Ich entschloss mich fuer ein Kebab. Zurueck im Zimmer kroch ich direkt unter die Laken, denn die Dusche war kalt.
Zitternd wachte ich mitten in der Nacht auf: Man hatte mittlerweile die Zentralheizung abgeschaltet und das Zimmer war eisig kalt. Nirgends gab es weitere Decken. So zog ich zusaetzlich die Motorradjacke an.
Am naechsten Morgen gab es einen Willkommenen Kaffee und dann liess ich den Atlas hinter mir. Den ganzen Tag folgte ich der N15 nach Norden, und obwohl ich nie schneller als 80 fuhr, ueberholte mich kaum jemand. Da war ein altes Taxi, welches von Zeit zu Zeit vorbei zog, nur um dann im naechsten Dorf Fahrgaeste ein- und aussteigen zu lassen, so dass ich kurzfristig wieder die Nase vorn hatte.
Die Einreise nach Melilla war ein kleiner Schock, denn ich hatte vergessen, dass es eine spanische Enklave war. In 4 oder 5 Reihen krochen die Autos dem Grenzuebergang zu. Mir ging es nicht gut, und ich hatte keine Energie, um mich dazwischen nach vorne zu kaempfen - obwohl mir von allen Seiten geraten wurde, einfach zwischendurch zu fahren.
Jemand kam auf mich zu und bot an, mir an der Grenze zu helfen. Obwohl ich ihn abwies, kam er spaeter zurueck und zeigte mir, dass ich eine Station verpasst hatte und noch einen Stempel mehr brauchte. Lustig war die Situation mit dem Grenzbeamten, der mich wegen der Stempel im Pass fuer einen Hadschi hielt. Ich behielt die Wahrheit fuer mich. Die Faehre ging am naechsten Morgen, so dass ich noch eine Nacht in Mellila verbrachte.
Wieder wachte ich nachts zitternd auf, und wieder war zwischenzeitlich die Heizung abgestellt worden. Mittlerweile wusste ich mir zu helfen. Die Faehre hatte ich fast fuer mich alleine, da hier tagsueber fast nur Lkw-Auflieger transportiert wurden. Zurueck in Spanien uebergab ich das Motorrad an Hana, die versprach, es in die Werkstatt zu bringen. Bis zum Rueckflug hatte ich noch 4 Tage, so dass ich mir einen kleinen Mietwagen nahm, mit dem ich Andalusien erkunden konnte. Es stellte sich aber heraus, dass ich mir wohl eine Lebensmittelvergiftung eingefangen hatte. Jedenfalls verbrachte ich die Zeit bis zum Abflug in der Naehe der Hoteltoilette, nachdem ich mich mit Medikamenten versorgte. Zeitweise verlor ich mehr Fluessigkeit als ich trinken konnte, so dass ich kurz davor war, ins Krankenhaus zu gehen.
Noch im Hotel bekam ich einen Anruf meines Chefs, der wissen woltle, ob ich kurzfristig fuer eine Reise nach Arabien zur Verfuegung stand. Ich erklaerte ihm, dass das so kurz vor Weihnachten keine gute Idee war. Zurueck in Deutschland wurde ich direkt fuer eine weitere Woche krankgeschrieben, insofern waere das eh nichts geworden.