Libyen vor (fast) 30 Jahren

Bilder und Reisegeschichten aus früheren Tagen fotografiert mit analogen Kameras die Bilder eingescannt oder abfotografiert auch mit wenig Text.
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kradventure
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Libyen vor (fast) 30 Jahren

#1 Ungelesener Beitrag von kradventure »

Ja, stimmt, ich war hier lange nicht aktiv. Jetzt habe ich hier die Rubrik "Historisches" entdeckt, und außerdem musste ich kürzlich aufgrund der Überschwemmung im September an meine Libyenreise im März 1994 denken und habe mal wieder mein altes Reisetagebuch in die Hand genommen. Zwar habe ich damals einen Reisebericht in einer Motorradzeitschrift veröffentlicht, der auch auf meiner Homepage zu finden ist, aber der ist doch ziemlich komprimiert und gibt die viefältigen Eindrücke und Erlebnisse dieser besonderen Reise (die, ohne GPS und Handy, wohl durchaus als Abenteuer bezeichnet werden darf) nur unvollständig wieder. Angefangen hat dieses Abenteuer mit ersten Ideen schon im Sommer 1993, ganz konkret mit Vorbereitungen dann im Herbst 1993 - also vor ziemlich genau 30 Jahren. Vielleicht, so dachte ich mir, könnte es also auch für Euch interessant sein, wenn ich meine Erinnerungen hier mit Euch teile - in kleinen Portionen, die ich hier dann nach und nach einstellen würde. Ich beginne einfach mal mit Teil 1, den Vorbereitungen, danach entscheidet Ihr.

LIBYEN 1994, Teil 1, Vorbereitung

Nachdem erste Ideen zu einer Libyenreise im Freundeskreis bereits im Sommer 1993 diskutiert wurden, wurde es im Herbst, nach meiner Tunesienreise im September, dann konkret. Letztlich sind Arend, Henning und ich übrig geblieben, die Reise wurde für März 1994 geplant. Zunächst galt es, einen internationalen Führerschein und internationalen Fahrzeugschein zu beantragen und für diese wie auch für den Reisepass eine beglaubigte arabische Übersetzung zu organisieren (eine Liste mit zugelassenen vereidigten Übersetzern gab es bei der libyschen Botschaft).

Führerschein:
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Reisepass:
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Fahrzeugschein:
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Das hat schon einiges an Geld gekostet, und dann galt es, das Visum zu beantragen, was aber noch einmal ziemlich teuer war. Henning war damals noch Student und gerade in seiner Diplomphase, es war nicht hundertprozentig sicher, dass seine Diplomarbeit bis März fertig werden würde, und er wollte das Geld nicht umsonst ausgeben. Nach den damaligen Informationen sollte es auch möglich sein, das Visum bei der libyschen Botschaft in Sfax (Tunesien) zu beantragen, wo wir ja sowieso vorbeikommen würden, also haben nur Arend und ich das Visum beantragt - ein großer Fehler, wie sich zeigen sollte!

Die weiteren Vorbereitungen galten dann v.a. den Motorrädern, vor allem ich hatte da plötzlich viel zu tun: Meine 750er DR Big war im Tunesienurlaub kaputt gegangen und per ADAC zurück gekommen, ich hatte im November eine 800er DR Big gekauft und begonnen, sie für die Tour zu optimieren (z.B. eine Stabilisierungsstrebe zwischen den Tankhälften, die in späteren Baujahren serienmäßig verbaut wurde, weil es bei den ersten Baujahren zu Tankrissen durch Schwingungen kam). Am Heiligen Abend 1993 stand dann aber eine R80GS zu einem unschlagbaren Preis in der Zeitung, und ich habe sie spontan gekauft. Jetzt galt es, die Gummikuh für die Wüste fit zu machen, z.B. musste noch ein großer Tank besorgt und lackiert werden, außerdem ein Distanzring für die Montage des Desertreifens und weitere Kleinigkeiten. Obwohl ich wusste, dass das Originalfahrwerk der 80GS für eine Wüstenreise nicht wirklich geeignet ist (Arend, mit gleichem Mopped, war mit Öhlins ausgestattet), hatte ich kein Geld mehr für Fahrwerkstuning und beließ es beim Original - ein zweiter schwerer Fehler!

Schließlich galt es noch, möglichst genaues Kartenmaterial zu besorgen (die gab es z.B. von IGN oder ONC). Die haben uns bei der Orientierung (mit Kompass, ohne GPS!) geholfen, aber nicht verhindern können, dass wir uns ausgerechnet auf der längsten Pisten-Etappe verfahren haben und auf Benzin des libyschen Militärs angewiesen waren - aber das ist eine eigene Geschichte!

Am 23.2.1994 sind dann Arends und mein Pass mit dem libyschen Visum endlich eingetroffen, am 2.3. haben Hennig und ich in einer Nachtaktion noch seine Diplomarbeit formatiert, ausgedruckt und am nächsten Morgen zum Binden gegeben, er konnte die Arbeit also rechtzeitig abgeben und ist mit uns am 4.4.1994 frohgemut in Richtung Libyen gestartet.

(To be continued - wenn Ihr mögt)

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steph
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Re: Libyen vor (fast) 30 Jahren

#2 Ungelesener Beitrag von steph »

Ich hab’s grad nur kurz überflogen .. das genauere Lesen werd ich mir am WE ganz sicher mit mehr Muse gönnen :Ni:

..und auf deinen Einwurf (To be continued - wenn Ihr mögt) eine klare Antwort von mir..

<daf> <daf> <daf>
Wenn etwas gut gehen kann, geht es gut..

..sollte es einmal nicht gut gehen, tun sich stets viele andere gute Möglichkeiten auf


*Träume wollen gelebt werden .. Bild .. meine Reisegeschichten* Bild

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ReinerH
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Re: Libyen vor (fast) 30 Jahren

#3 Ungelesener Beitrag von ReinerH »

:L
Sehr schön,

ich habe gerade noch ein paar alte Tourenfahrer Hefte aus den späten 80ern und frühen 90er Jahren hier.
Da waren Reiseberichte aus fernen Ländern immer das Besondere im Heft.

Ist ja heute mit Navi und Mobiltelefon gar nicht mehr vergleichbar.

Ich habe die Typen damals schon bewundert.

Im Heft waren auch immer mehrere Seiten mit Suche nach Touren- und Reisebegleitern.
Echt amüsant, was da geschrieben stand und das alles mit Telefonnummern.

Ich bleibe dran, Achim

Gruß

Reiner
nur wo man mit dem Motorrad war, war man wirklich

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maxmoto
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Re: Libyen vor (fast) 30 Jahren

#4 Ungelesener Beitrag von maxmoto »

Fängt schon mal spannend an und der Spannungbogen wurde mehrfach gesetzt.
Mit anderen Worten: Ich freu mich auf Fortsetzungen.
Nur mal ne eher grundsätzliche Frage, zu der ich der vielen nötigen Papiere komme.
Täuscht mein Eindruck, dass gerade die Länder, denen ein wenig mehr Tourismus finanziell gut täte, die Einreisen extrem erschweren?
Und wen dem (auch heute noch) so ist: Ist den jeweiligen Machthabern, die ja fern jedweder monetären Einschränkungen leben, der finanzielle Aspekt des Tourismus weniger wichtig als die "Aufklärung" und die Information und die dadurch resultierende Unzufriedenheit die die Einheimischen durch Touristen zwangsläufig erfahren?

Maxmoto
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kradventure
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Re: Libyen vor (fast) 30 Jahren

#5 Ungelesener Beitrag von kradventure »

LIBYEN 1994, Teil 2, Tag 1 bis 6 (Anreise):

4.4.1994: Nachdem wir am Vorabend bei mir zu Hause gemeinsam noch ein leckeres Fleischfondue genossen haben, war Start am frühen Morgen. Autobahn ereignislos bis Basel, dort musste Arend mit dem Taschenmesser die seitlichen Stollen des Michelin Desert „zuschneiden“, da sie am Kardantunnel schleiften (er hatte den 5mm-Distanzring; ich selbst 10mm, was dann später aber auch Probleme machte...). Hinter dem Gotthardtunnel lag Schnee, am Comer See, wo wir in der Jugendherberge in Como die erste Nacht verbrachten, war aber bestes und mildes Frühlingswetter. Tag 2 führte uns nach Genua, wo wir schon vormittags eintrafen und uns in die Schlange vor der bereits im Hafen wartenden „Habib“ einreihten. Die Einschiffungsprozedur dauerte, man verbrachte die Wartezeit u.a. damit, durch die Schlange zu spazieren und die Vehikel der anderen Afrika-Reisenden zu begutachten und das ein oder andere Schwätzchen zu führen. Und, die Welt ist ein Dorf: Ich traf Tina und Iris, zwei Bekannte aus Berlin (Endurofahrerinnen aus Leidenschaft, Mitbegründer der Endurofunten), die auf dem Weg nach Tunesien waren. Für die Nacht hatten wir eine Vierbettkabine, die aber nur mit uns dreien belegt war.

In Tunis die übliche lange Prozedur, bis man durch den Zoll war und alle Stempel beisammen hatte, für uns ging es dann direkt nach Nabeul zum Campingplatz Jasmin – ein (zumindest damals) bekannter Anlaufpunkt für Afrikareisende. Mir kam es vor, als wäre ich erst vor einer Woche dort gewesen (es war ja auch tatsächlich nicht einmal ein halbes Jahr her seit der Tunesienreise). Was auf deutschen Autobahnen noch nicht bemerkbar war, zeigte sich jetzt auf tunesischen Straßen: Mein Desertreifen schleifte beim Einfedern links am Kotflügel, und so musste ich diesen mit dem Taschenmesser passend ausschneiden. Klar, dass ich alle Kommentare, die ich in Basel zu Arends Reifenbeschnitt-Aktion abgegeben habe, jetzt zurückbekam. ;)

Am nächsten Tag, dem 7.3., ging es dann über El Jem, wo wir das römische Kolosseum besichtigt haben, nach Sfax, wo wir ein Hotel in der Nähe der libyschen Botschaft bezogen. Zwei Motorradfahrer aus Biberach (Ténéré und DR Big), die wir auf der Fähre getroffen hatten, trafen etwas später zufällig im gleichen Hotel ein – wie sich zeigen sollte, für Henning ein schöner Zufall. Wir haben dann den Abend gemeinsam verbracht und uns über unsere Reisepläne ausgetauscht. Die gute Laune dieses Abends verwandelte sich dann am nächsten Morgen in tiefste Enttäuschung: Entgegen den uns vorliegenden Informationen konnte Henning in der Botschaft in Sfax kein Visum erhalten – das geht nur in Deutschland oder ggf. mit einem Einladungsschreiben aus Libyen! Da in Afrika in Sachen Bürokratie einiges möglich ist, beschlossen wir nach der anfänglichen Ratlosigkeit, es noch einmal direkt an der Grenze zu versuchen. Wir fuhren also weiter, zunächst nach Djerba, wo wir direkt am Strand gezeltet haben. Der Abend verlief in ziemlich gedrückter Stimmung, vor allem natürlich für Henning.

Am nächsten Morgen ging es mit einem Rest an Optimismus nach Ben Guerdane, wo wir den Verlockungen der vielen Händler, die Libysche Dinar zu attraktivem Schwarzmarktkurs anboten, nicht widerstehen konnten (der offizielle Umtauschkurs war unverschämt hoch). Etwa sieben Kilometer vor der Grenze war ein erster Vorposten, an dem bereits die Visa erstmals kontrolliert wurden und wo Henning nicht durchkam. Wir haben dann die Ausrüstungsgenstände, die wir platzsparend nur einmal dabei hatten, so getauscht, dass Arend und ich die Wüstenetappen bestreiten konnten (so hatte Henning z.B.den Benzinkocher, den er in Tunesien nicht zwingend brauchen würde, eingepackt). Wir vereinbarten trotzdem zunächst, dass Henning noch warten solle, wir würden an der Grenze schauen, ob was geht und ihn ggf. nachholen. Wie sich leider zeigte, ging nichts, wir sind also nochmal zurück und mussten uns von Henning verabschieden. Ein schwerer Abschied! Der Plan für ihn war nun, einen verkürzten Tunesienurlaub zu verbringen. Da er die geplante Route der beiden Biberacher kannte, wollte er versuchen, sie zu treffen und sich ihnen anzuschließen. Bis heute verfluche ich mich dafür, warum wir im Herbst vor 30 Jahren nicht darauf bestanden haben, auch für Henning das Visum zu beantragen. Wir hätten es zur Not für ihn bezahlen können. Zu spät, aber Lektion gelernt: So etwas wird mir bei einer Reisevorbereitung nicht mehr passieren. Nach dem schmerzlichen Abschied sind Arend und ich dann wieder zur Grenze, bereit für das Abenteuer „Grenzübertritt“...

(to be continued...)

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ryna
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Re: Libyen vor (fast) 30 Jahren

#6 Ungelesener Beitrag von ryna »

Das fängt ja schon abenteuerlich an. Schon frustrierend, wenn sich ein Versäumnis tausende Kilometer später so bitterlich rächt.
Aber vielleicht nimmt die Reise noch eine glückliche Wendung…. :kno:

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kradventure
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Re: Libyen vor (fast) 30 Jahren

#7 Ungelesener Beitrag von kradventure »

LIBYEN 1994, Teil 3, Tag 6 (Grenzübertritt):

Nach der (problemlosen) Ausreise aus Tunesien bestand die Grenze auf Libyscher Seite aus einem weitläufigen, unübersichtlichen Gelände mit mehreren Schuppen und Baracken, und beinah wären wir an dem Zollschuppen – der eben wirklich nur ein unscheinbarer Schuppen war – vorbei gefahren. Erst der laute und unmissverständliche Zuruf eines Zöllners („Stopp!!“ ist eben international) ließ uns anhalten. Als erstes fragte uns besagter Zöllner, ob wir nicht ggf. (schwarz?) Geld bei ihm tauschen wollten. Da wir nicht sicher waren, ob das eine Falle war, verneinten wir, worauf wir zunächst die Alukoffer für eine Durchsuchung öffnen mussten. Als nächstes sollten die diversen Gepäckrollen dran kommen, aber durch die Gabe eines Kugelschreibers mit buntem Werbeaufdruck konnte die Gepäckkontrolle abgekürzt werden. Als nächstes wurden wir zu einem weiteren Schuppen geschickt, in dem die libyschen Kennzeichen zu erwerben waren. Hier galt es zunächst, drei Din-A-4-Seiten Formulare auf englisch auszufüllen, danach 60 LD für die Schilder zu zahlen (50 Dinar waren Pfand, die man bei Rückgabe zurückerhalten sollte). Der Beamte fragte bei Entgegennahme des Geldes, wo wir es denn her hätten? Ob wir etwa schwarz getauscht hätten? Mein Englisch war plötzlich noch schlechter als seines und ich tat so, als verstehe ich seine Frage nicht, worauf er zum Glück lachend abwinkte und jedem von uns zwei Kennzeichen übergab, die wir gleich vor Ort montieren sollten.

Bild

Etwas orientierungslos sind wir dann weiter zu einem deutlich sichtbaren Schlagbaum mit bewaffneten Zöllnern links und rechts, die uns aber zurück schickten zu einer weiteren Baracke, da noch der Einreisestempel im Reisepass fehlte. Dazu musste aber zunächst wieder ein Formular ausgefüllt werden, diesmal allerdings auf arabisch. Zum Glück war gerade eine deutsch sprechende Person anwesend und half uns beim Ausfüllen. Tja, und dann öffnete sich für uns tatsächlich der Schlagbaum zu diesem unbekannten Land, so gar nicht vergleichbar mit den eher westlich orientierten und touristisch erschlossenen Ländern Tunesien oder Marokko. Freudig überrascht waren wir dann an der ersten Tankstelle hinter der Grenze: Umgerechnet 14 Pfennig für den Liter Sprit, das war auch 1994 sensationell billig (und sollte im Landesinneren noch billiger werden). Wir fuhren an diesem Tag noch bis Sabratah, wo wir etwas außerhalb des Ortes einen schönen Übernachtungsplatz direkt am Strand fanden:

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Dort blieben wir nicht lange alleine, ein Polizist kam auf uns zu, und wir befürchteten schon, dass wir hier nicht zelten dürften, aber er wollte uns nur begrüßen, sprach wenig englisch, wir verstanden aber soviel, dass er seinen Bruder holen wolle, der wohl etwas deutsch spreche. Er verschwand, kam etwas später wieder: Sein Bruder sei noch nicht da, wir sollten aber mitkommen und bei ihm übernachten, er lade uns gerne ein. Wir lehnten dankend ab, erstens, weil wir die Nacht wirklich lieber am Strand verbringen wollten, zweitens, weil wir mit der ganzen Situation etwas überfordert waren, nicht sicher, ob wir das mit der Einladung richtig verstanden hatten. Er verschwand abermals, kam einige Zeit später aber mit seinem Bruder wieder, der tatsächlich etwas deutsch sprach. Für Erheiterung sorgte dann die Vorstellungsrunde: Ich sagte, ich heiße Achim, worauf der Polizist meinte „Akim“. Nein, sagte ich, „Achim“. Er lachte, zeigte auf sich: „Akim“. Sein Bruder, Omar, lud uns abermals ein, bei ihm zu übernachten, aber wir lehnten abermals ab, hatten auch schon die Motorräder abgeladen und das Zelt aufgebaut. Die beiden tuschelten miteinander, verabschiedeten sich, und verschwanden. Um nur eine Stunde später wieder zu kommen: Mit Körben voll Essen. Es war mittlerweile fast dunkel, Zeit für das Fastenbrechen (es war gerade Ramadan), das die beiden Brüder mit uns am Strand begehen wollten. Da die Verständigung jetzt ganz gut funktionierte, erzählten wir den beiden von der Misere mit Hennings Visum. Sofort erklärten sie ich bereit, das geforderte Einladungsschreiben nach Sfax zu schicken, doch es war zu spät. Ein Mobiltelefon, mit dem wir Henning hätten informieren können, hatten weder wir noch er. Es war dann ein langer erster Abend in Libyen, geprägt von sehr gemischten Gefühlen. Und bei all dem leckeren Speisen hätten wir beiden Ungläubigen doch so manches gegeben für ein kühles Bier dazu...

(to be continued...)

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kradventure
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Re: Libyen vor (fast) 30 Jahren

#8 Ungelesener Beitrag von kradventure »

LIBYEN 1994, Teil 4, Tag 7 bis 8 (Tripolis und Leptis Magna):

Der nächste Tag führte uns auf einer kurzen Etappe (gut 80 Kilometer) bis zur Hauptstadt Tripolis – wörtlich: "Drei Städte". Das waren ursprünglich neben Macar Uiat, dem heutigen Tripolis, noch die Schwestersiedlungen Sabratah im Westen und Leptis im Osten, gegründet als karthagischer Handelsstützpunkt im 6./7. Jahrhundert v. Chr. Wir haben in einem eher gehobenen Hotel im Zentrum eingecheckt, zwar nicht ganz billig, aber wir hatten gehofft, dass das Hotel eine notwendige, aber lästige und aufwendige Formalität für uns erledigen würde: Nach der Einreise musste man sich nach damaligem Stand innerhalb von sieben Tagen bei einer „Balladiya“ (Sitz der Verwaltungsbezirke) registrieren lassen. Der Reiseführer beschreibt das Vorgehen wie folgt: „Besorgen Sie sich das Formblatt... (arabisch), eine Gebührenmarke und kleben diese in das obere Feld... Dann besorgen Sie sich die Karte … (gelb, 13x18 cm)... Die Kosten 250 LD.....Schreiber erledigen das Ausfüllen...Ihre Arbeit kostet 1.000 LD...“ Bitte was? Dann, etwas weiter unten: „Ein großes Hotel wird die Anmeldung eventuell erledigen“. Ja, hätte unseres auch gemacht, aber erst am Samstag, wo wir schon weiter im Süden sein wollten. Wir haben uns dann die gelbe Karte geben und den Unterkunftsnachweis vom Hotel abstempeln lassen und sind damit selbst per Taxi zur Balladiya gefahren. Irgendwann wurden wir in das noble Vorzimmer eines offenbar hohen Beamten geführt, darin eine bildhübsche dunkelhäutige Sekretärin (ich hoffe, das ist jetzt nicht sexistisch oder rassistisch oder gar beides). Nachdem wir zu ihrem Chef vorgelassen wurden, erklärte uns dieser, dass die Registrierung frühestens am nächsten Mittwoch erfolgen könne: Morgen sei Freitag (bekanntermaßen frei in muslimischen Ländern), und danach beginne das Zuckerfest zum Ende des Ramadan. Wir könnten diese Formalität aber auch später auf unserer Reise in jeder größeren Stadt nachholen. Na toll! Als uns aber dann seine Sekretärin zum Abschied zuckersüß winkte und ein „Ciao“ hauchte, war jeder Ärger über libysche Bürokratie verflogen. Wir waren ja auch nur Männer (und seit einer Woche unterwegs...).

Wir folgten dann als nächstes einem Tip von Omar, zum Geld tauschen ein Juweliergeschäft aufzusuchen – quasi die inoffiziellen Zentralen für Schwarztausch. Der Kurs war nicht so gut wie bei den Händlern in Tunesien, aber weit besser als der offizielle. Anschließend war Sightseeing in Tripolis angesagt (Altstadt, Hafen und das Museum in der dortigen Festung). Im Reisetagebuch habe ich seinerzeit notiert: „Die Stadt verbindet orientalischen Charme mit modernem Großstadtflair“. Störend wirkten allenfalls die allgegenwärtigen Plakate mit übergroßem Gadhafi-Konterfei in allen nur erdenklichen Herrscher-Posen. Auch das Museum enthielt damals neben Ausstellungen zu den verschiedenen geschichtlichen Epochen des Landes auch eine eigene Abteilung über den allgegenwärtigen Muammar al Gadhafi. Nicht zuletzt dessen undurchsichtige Außenpolitik (z.B. im Tschad-Konflikt) und die ihm vorgeworfene Unterstützung des internationalen Terrorismus führte letztlich 1992 zu einem UNO-Embargo gegen das Land. Umso erstaunter waren wir, dass in den Läden trotzdem alle nur erdenklichen westlichen Waren angeboten wurden – von Levis-Jeans über die üblichen Turnschuhe oder Bob Dylan-CDs bis zu gängigen Lebensmitteln der großen Konzerne. Abends dann waren wir noch einmal richtig gut essen – der günstige Umtauschkurs ließ das zu, und für die nächsten Tage war eher einfache Kost angesagt.

Hier noch zwei Bilder aus Tripolis:
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Nach einem guten Frühstück war unser Ziel am nächsten Tag Leptis Magna, gut 100 km östlich von Tripolis. Auf dem Weg dorthin wollte aber irgendwann meine Kuh nicht mehr so recht, sie lief nur noch auf einem Zylinder. Zündfunke war da, und schließlich konnte nach etwas Fehlersuche eine verstopfte Vergaserdüse als Ursache identifiziert werden. Gut, dass die bei der BMW so leicht zugänglich ist! In Leptis Magna suchten wir uns zunächst einen Übernachtungsplatz, mit Blick auf Meer und das Ruinenfeld, das wir anschließend ausgiebig besichtigten. Die Stadt war einst ein phönizischer Handelshafen und erlebte ihre Blütezeit unter den Römern, die meisten Bauwerke ließ der in Leptis Magna geborene spätere römische Kaiser Lucius Septimius Severus errichten. Nach dem Untergang des Römischen Reiches verfiel die Stadt unter arabischer Herrschaft mehr und mehr. Erst im 20. Jahrhundert wurde sie von italienischen und amerikanischen Archäologen wieder ausgegraben. Zurück an unserem Übernachtungsplatz erhielten wir noch kurz Besuch zweier Jugendlicher, dann wurde vor der antiken Kulisse gekocht und ein einfaches Abendessen genossen. In den Gesprächen ging es nach so viel Aufregung einerseits und Kultur andererseits vor allem um die bevorstehenden Pistenabenteuer: Schließlich sollte es am nächsten Tag endlich in die Wüste gehen!

Leptis Magna:
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(to be continued...aber das dauert jetzt etwas)

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