Nördliches Piemont / Lago d'Orta

Reisen in der Alpenregionen Deutschland, Schweiz, Italien, Österreich, Slowenien usw.
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Secutor
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Nördliches Piemont / Lago d'Orta

#1 Ungelesener Beitrag von Secutor »

Hallo!

Hier der erste Teil meines letzten Ausfluges in 2011.

Nach zwei, doch recht verregneten Ausflügen fehlte mir für die Saison 2011 einfach noch der "perfekte Kilometer" mit meinem Spielzeug.
Eine stabile spätsommerliche Wetterlage Ende September und das bevorstehende, verlängerte Wochenende um den 3. Oktober, ließen mich recht schnell zu der Entscheidung kommen, dieses Jahr ein drittes Mal in und über die Alpen zu fahren.
Kurzfristig war auch ein Beifahrer zu finden, meine beiden Damen winkten dankend ab, so starteten wir früh an einem klaren kühlen Samstagmorgen Richtung Süden.
Von Landberg am Lech folgten wir dem Lechtal auf der B17, an Schongau vorbei weiter nach Füssen.
Irgendwie hatte ich an diesem Morgen das Gefühl, dass die 40 Jahre alte Technik heute nicht so polternd und rauh wie sonst lief sondern souverän brummend Richtung Süden zog. Vermutlich ein sehr subjektiver Eindruck, inspiriert vom herrlich blauen Himmel, den ungewöhnlich leeren Straßen und der Aussicht, dieses Jahr nun doch noch einen Ausflug ohne Regen zu schaffen.

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Nachdem wir die Österreichische Grenze bei Füssen passiert hatten, verließen wir bei Reute die Strecke zum Fernpass und folgten weiter dem Lechtal bis Elmen. Einige werden nun schon ahnen wie es weiter ging…
Bei Elmen bogen wir aus dem Lechtal in Richtung Südosten ab, um über das Hahntenjoch das Inntal bei Imst zu erreichen. Hier wanderten die Targadächer dann auch für den Rest des Tages in den Kofferraum.

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Von Vielen wird das Hahntenjoch nur als Ausweichroute zum stark befahrenen Fernpass gesehen aber ich finde, dass diese Strecke durchaus ihren eigenen Charakter hat. Auf der Lechtalseite windet sich die Straße in einigen Kehren durch einen niedrig stehenden und lichten Bergwald. Nachdem man einige kleine Tunnels passiert hat, falls man dort in die "Büsche" geht, entdeckt man daneben manchmal die überwucherte alte Trasse, erreicht man ein langgezogenes Hochtal. Rechts und links der Straße ziehen sich mal mehr, mal weniger überwachsene Kieshalden, alter Murenabgänge, die Berghänge hinauf.
Die Passhöhe, auf 1884m, ist wenig spektakulär und wird nur durch ein die Straße querendes "Kuhgitter" gekennzeichnet. Gekieste Flächen um kurz anzuhalten, manchmal ein mobiler Imbiss-Stand, mehr nicht, aber eben auch kein Kaffeefahrten-Bergtouristen-Volksfest.

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Auf der Inntalseite klebt die Straße an schroffen Felswänden und führt in engen Kehren nach Imst hinunter in ein Wohngebiet, bevor man wieder auf die Hauptstraße trifft.
Dort fuhren wir weiter in Richtung Landeck, schwammen im dichten Einkaufsverkehr am Inn entlang über Prutz und Pfunds immer in Richtung Schweiz.
Nachdem wir die Schweizer Grenze passiert hatten nahm der Verkehr wieder deutlich ab und unser Weg führte uns weiter am Inn entlang Richtung Susch.

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Immer noch dem Inn folgend fuhren wir an Zernez, Samedan und St. Moritz vorbei, weiter ging es entlang dem Silvaplanasee.

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Bald danach erreichten wir in dichtem Verkehr den Malojapass (1815m).

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Für unser eigentliches Ziel, das nördliche Piemont, war die Route über das Inntal sicher nicht die günstigste Wahl aber ich wollte unbedingt mal wieder über den Malojapass und weiter zum Lago di Como fahren.
Vor ein paar Jahren bin ich diese Strecke einmal mit Freunden aus Frankfurt gefahren. Als wir damals kurz nach der Italienischen Grenze für eine Kaffeepause anhielten meinte ein Beifahrer "Ich kuck mir die Augen aus dem Kopf wo denn nun der Berg kommt auf dem dieser Malojapass ist und plötzlich rauschen wir mitten im Wald einen Hang runter!".
Wir nahmen jetzt die gleiche Strecke wie damals, über Chiavenna nach Colico am Lago di Como. Bei Colico muß man aufpassen, das man die Uferstraße (Lungolago) erwischt und nicht auf der Schnellstraße landet. Die Straße am Ostufer des Lago di Como nach Lecco gefällt mir sehr, das beschauliche Seeufer, die kleinen Städte mit ihren schmalen Ortsdurchfahrten und die zwischen See und Bergen aufgestapelten Häuser.

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In Bellano machten wir Pause, Tramezzini und beim Zahlen ein Caffè an der Bar, das fühlt sich immer schon ein bisschen wie angekommen an.
Unsere Strecke führte weiter über Varenna nach Lecco.
Ich hatte geplant von Lecco aus nach Westen zu queren, unterhalb vom Lago di Como, Lago di Lugano und Lago Maggiore um dann den Lago d'Orta zu erreichen.
Die Strecke von Lecco über Como und Varese bis nach Borgomanero stellte sich aber als einziger Siedlungsmatsch, mit Fußgängerüberwegen, Ampeln und Kreiseln alle paar hundert Meter heraus. An ein wirkliches Vorankommen war im einsetzenden Samstagabend-Verkehr nicht zu denken, wären wir doch nur von Lecco nach Monza gefahren und hätten dort die Autobahn genommen, aber ob es um Milano herum schneller gegangen wäre?
Im schier endlosen Stop and Go Verkehr hatten sich Motor und Getriebe in meinen Mittelmotorwagen, aufgrund des fehlenden Fahrtwindes offensichtlich massiv erhitzt, die Synchronisation des Getriebes war de facto nicht mehr gegeben, Gänge reinhämmern, zwischenkuppeln und ruckende Gasannahme. So hatte ich mir die Fahrt nicht vorgestellt!

In der Dunkelheit flackerten plötzlich auch noch die Scheinwerfer, das Amperemeter sprang zwischen +10A und -30A hin und her um dann irgendwann bei -10A hängen zu bleiben. Na Klasse! Auf einen Parkplatz rechts raus, den Motor auf 4000 hochdrehen ergibt eine fast ausgeglichene Ampereanzeige, niedrige Drehzahl ohne Licht bringt den selben Effekt, aber inzwischen war es stockdunkel geworden also ging es ohne Licht nicht.
Jetzt viel mir ein, dass ich als (überflüssige) Rechtfertigung unter anderem zu meiner Frau meinte, ich müsse ja praktisch dieses Jahr nochmals einen größeren Ausflug mit meinem Spielzeug machen, da bisher noch nichts kaputt gegangen sei. Ich und mein blödes Maul!
Irgendwann waren wir dann aus dem Verkehr raus und die restlichen 20km Bis zum Lago d'Orta sollten auch bei einer Entladung der Batterie mit 10A zu schaffen sein.
Zum Glück klappte das auch und ganz im Gegensatz zu so manch anderem Mal, fanden wir das angepeilte kleine Hotel auf Anhieb, Zimmer waren frei, die Küche hatte noch geöffnet und bot nicht nur vorzügliches Essen sondern auch den passenden Wein dazu.

Am nächsten Morgen konnten wir nun auch den Ausblick von dem am Ostufer, oberhalb des Lago d'Orta gelegenen Hotels bewundern. Von meinem Balkon aus, sah man am Horizont die von der Morgensonne angestrahlten Gipfel des Monte Rosa Massivs.

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Nach einem für italienische Verhältnisse ungewöhnlich reichhaltigem Frühstück, bestehend aus Wurst, Käse, Kuchen, Obst etc. ging es daran den Fehler an der elektrischen Anlage zu suchen und gegebenenfalls zu beheben.
Die Suche nach losen Kabeln oder Ähnlichen verlief ergebnislos, einen neuen Lichtmaschinenregler hatte ich nicht dabei, ich wußte aber genau in welchem Regal er daheim im Keller liegt, also spannte ich profilaktisch den Keilriemen nach. Bei einem Mittelmotor ein besonderer Spass, warum hat der Mensch eigentlich nicht 3 Ellbogengelenke pro Arm?
Wie befürchtet lieferte die Lichtmaschine bei eingeschaltetem Licht immer noch zu wenig Strom. Aber weitere Nachtfahrten waren nicht geplant.

Für diesen Sonntag hatte ich eine Fahrt um die Nordspitze des Sees vorgesehen und dann weiter durch die angrenzenden Berge nach Varallo Sesia. Das Nordende bei Omegna war bald erreicht, die Sonne schien wieder vom wolkenlosen Himmel, Sonntagvormittag, außerhalb der Saison waren die Straßen praktisch leer.
Wir befanden uns jetzt auf der Westseite des Sees und bogen nach Westen zum Passo della Colma (942m), oder auch nur La Colma, ab.
Die schmale Straße führt abwechselnd durch lichtes Buschwerk und niedrige Wälder, sehr oft hat man auch freien Blick auf die bewaldeten Hügel und Berge um einen herum.

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Nichts Sensationelles, aber einfach eine nette, entspannte Strecke irgendwo in den Bergen Norditaliens.

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Der sogenannte Passo della Colma ist ein Einschnitt in einem Hügel und somit die höchste Erhebung in der Straße. Aber eigentlich kaum der Rede wert.

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Aber unser eigentliches Ziel war Varallo Sesia und dort der Sacro Monte di Varallo.
Da in dieser Richtung kaum noch etwas Erwähneswertes gibt und die Straßen zwar Richtung Schweiz gehen aber noch auf italienischer Seite in Schlußtälern vor dem Monte Rosa Massiv enden kann man Varallo kaum verfehlen.
Varallo präsentierte sich als eine piemonteser Kleinstadt am Ufer der Sesia, in der die Zeit scheinbar nur sehr langsam vergeht.

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Ein großzügig dimensionierter Parkplatz war schnell gefunden, bemerkenswert war die große Anzahl von Busparkplätzen, scheinbar steckte hinter der lapidaren Bezeichnung "Wallfahrtsort mit Kalvarienberg" doch etwas mehr. Im deutschsprachigen Raum findet man nicht besonders viele Informationen über dieses UNESCO Weltkulturerbe.
Um den Sacro Monte von der Stadt aus zu erreichen gibt es neben einigen Pilgerwegen auch eine Seilbahn die auf den Berg hinaufführt. Wir entschieden uns an diesem heißen Vormittag für einen der Pilgerwege der durch einen schattigen, kühlen Laubwald geht.

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"Wallfahrtsort mit Kalvarienberg" ist eine deutliche Untertreibung. Tatsächlich handelt es sich um 40 Kapellen, teilweise in der Größe mehrstöckiger Häuser, in denen Szenen aus der Bibel anhand von 600 lebensgroßen Figuren aus Holz und Stuck dargestellt werden. Entstanden ist diese Anlage zwischen 1500 und 1650.

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…Fortsetzung folgt.

PS: Die wechselnde Qualität der Bilder bitte ich zu entschuldigen, einige Bilder sind Schnappschüsse aus Videos.
Grüße
Michael


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qpeter
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Re: Nördliches Piemont / Lago d'Orta

#2 Ungelesener Beitrag von qpeter »

... tolle Bilder und eine tolle Fahrt. Super!
Über den Scaro Monte habe ich schon Berichte gesehen. Das muss sehr beeindruckend sein mit den vielen großen Figuren.

Viele Grüße aus Südostoberbayern
Peter
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boro
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Re: Nördliches Piemont / Lago d'Orta

#3 Ungelesener Beitrag von boro »

Klasse Bericht. Danke dafür!!!
Varallo sieht ja klasse aus. Werde ich mir dick in der Karte anmalen.


Gruß
Jochen
"Reisen ist die Sehnsucht nach dem Leben."

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Secutor
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Re: Nördliches Piemont / Lago d'Orta

#4 Ungelesener Beitrag von Secutor »

Hallo Peter,
Hallo Jochen,

Varallo und der Sacro Monte sind unbedingt sehenswert! Wie ich aber schon angedeutet habe, aufgrund der großen Busparkplätze vermute ich, dass während der Hauptsaison dort der sprichwörtliche Teufel los ist.
Als wir am ersten Oktoberwochende dort waren, sind so wenig Leute unterwegs gewesen, dass man sich begrüßt hat wenn man sich über den Weg gelaufen ist.
Zur Hauptsaison befürchte ich allerdings einen Massenauflauf wie in Altötting.

Für den zweiten Teil such ich noch ein paar schöne Bilder vom Sacro Monte raus.
Grüße
Michael


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Mimoto
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Re: Nördliches Piemont / Lago d'Orta

#5 Ungelesener Beitrag von Mimoto »

Secutor hat geschrieben:..... meine beiden Damen winkten dankend ab...
...hab ich da was verpasst. :shock: :lol: ....Muss gerade schmunzeln, ist aber ne andere Geschichte.

Und WIR ist dann Du alleine und Dein gelbes Baby!? (..die Neugier eines virtuell Mitreisenden..)

Schöne Strecke, einiges dieses Jahr auch wieder gefahren. Ja er Maloya, ist eigentlich ne Klippe und kein Pass, von
Chiavenna kommend ist schnell klar wo oben ist, kommt man aber von Sankt Moritz entlang der Seen ist man erstmal
verdutzt was den hier wohl der Pass war. Aber die Strecke ist ein Traum, fahr ich mit dem Moto unglaublich gerne,
egal ob Verkehr oder keiner herrscht. :mrgreen:

..3 Ellbogengelenke pro Arm?
:lol:

"Wallfahrtsort mit Kalvarienberg" ist eine deutliche Untertreibung. Tatsächlich handelt es sich um 40 Kapellen, teilweise in der Größe mehrstöckiger Häuser, in denen Szenen aus der Bibel anhand von 600 lebensgroßen Figuren aus Holz und Stuck dargestellt werden. Entstanden ist diese Anlage zwischen 1500 und 1650.
Wie Phantasialand, und wer hat es erfunden. :)
Tolle Fotos, durch die Sonne wirkt das sehr echt.
Hab nie davon gehört, da werden sich die Damen sicher ärgern nicht dabei gewesen zu sein.



Astrein, bin gespannt wie es weiter geht! :D
Michael /mimoto

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michaelklbg
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Re: Nördliches Piemont / Lago d'Orta

#6 Ungelesener Beitrag von michaelklbg »

Danke für den Bericht, schöne Bilder.

Du möchtest 3 Ellbogengelenke?
Ich wünsch mir kleinere Ginger, die nach Bedarf verlängert werden können, bei jedem Gelenk dreidimensional OHNE Einschränkung manövierbar sind, und den Biß einer Grippzange haben!
Im Vergleich zu einem verbauten Motor, bei dem die Konstrukteure den Wettbewerb des "Möglichst Unmöglichen" gewonnen haben, muss das Schrauben an einem Mittelmotor ein Vergnügen sein! :mrgreen:
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Der Michl mit den 3 Zylindern

Michl hat uns am 25. Juli 2013 für immer verlassen †
Schlaf nun in Frieden, ruhe sanft.
>>Michl<<

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Rainer
Beiträge: 41
Registriert: Freitag 2. Dezember 2011, 19:00
Wohnort: Rosenheim

Re: Nördliches Piemont / Lago d'Orta

#7 Ungelesener Beitrag von Rainer »

Toller Bericht und prachtvolle Bilder!

Besonders nett fand ich den Hinweis, welche Hilfe manch altes Instrument doch bieten kann. Welches Auto hat heute noch einen Amperemeter? Beim gleichen Problem würde man mit moderner Technik vermutlich entweder am Ende liegen bleiben oder das Aggregat schaltet sich gar einfach mit einer Lichterfehlermelderorgel ab :P

Macht neugierig auf die Fortsetzung ...

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MoniK
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Registriert: Sonntag 19. Juni 2011, 11:15
Wohnort: Trier

Re: Nördliches Piemont / Lago d'Orta

#8 Ungelesener Beitrag von MoniK »

Rainer hat geschrieben:Macht neugierig auf die Fortsetzung ...
Neee, macht nicht neugierig ... ich warte da schon ungeduldig drauf! :D

Mal wieder wunderschöne Fotos mit informativem und unterhaltsam geschriebenen Text! Top!

Bitte mehr davon!
Danke.
:)
Moni
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