Der Samstag war für mich der spannendste Tag. Die Planung erfolgte anhand einer genauen Karte im Maßstab
1:100.000 und des TomTom Urban. Einige interessante Punkte, die in diversen Reiseberichten als besonders
lohnend erwähnt wurden, galt es anzusteuern. Das Ganze verknüpft zu einer maximal 300 km langen Rundfahrt
auf teilweise schwierigem Geläuf. Die tschechischen Straßen – und vor allem die für uns interessanten Neben-
strecken - sind berühmt für ihre harmonisch in die Landschaft eingebettete Streckenführung, aber gleichzei-
tig auch berüchtigt für ihre rustikale Beschaffenheit. Dass der Split am Straßenrand den Bremsweg erheblich
verlängert, war dann eine Erfahrung, die wir an einer Straßenkreuzung leider machen mussten. Aber außer ein
paar Kratzern an Lack und Selbstbewusstsein ging der kleine Rutscher glimpflich aus.
Das erste Ziel war der Berg Jeschken bei Liberec. Dieser 1012 m hohe Berg steht einfach so in der ansonsten
eher hügeligen Gegend des Böhmerwaldes herum und fordert mit seiner bis zum Gipfel astrein asphaltierten
Straße förmlich zum Hinauffahren auf. Die phantastische Aussicht bei strahlendem Sonnenschein und bester
Fernsicht war das erste Highlight des Tages. Dass die Parkplatzwächterin einen verstörten Eindruck machte
und nicht mehr wusste, wer bezahlt hat und wer nicht, konnte unsere gute Laune nicht trüben. Leben und leben
lassen. Wir haben alle brav bezahlt und die eingefangenen Bilder auf die Speicherchips der Kameras und in´s
Langzeitgedächtnis unserer Gehirne abgespeichert.

Unser Weg führte uns weiter nach Süden. Zunächst die geschwungenen Serpentinen des Jeschken hinab Richtung
Cesky Dub.

Die kleinen Straßen nehmen jede Landschaftsformation mit. Es geht ständig rauf und runter, links und rechts und
dann wieder durch einen kleinen Ort, in dem uns Kinder zuwinken und sogar ein Polizist auf einem Motorrad die
linke Hand lässig zum Gruß hebt. Nette Leute, die Tschechen! Die Straßen sind wenig befahren und so kommen
wir trotz verhaltener Geschwindigkeit zügig voran. Die Landschaft erinnert mich manchmal ein wenig an´s Allgäu.
Zudem scheint auch Tschechien einen sehr feuchten Sommer erlebt zu haben, denn die Wiesen sind sattgrün und
die Natur steht voll im Saft. Prall mit Obst gefüllte Bäume in liebevoll angelegten Vorgärten zeugen von einem
besonderen Verhältnis der Menschen zu ihrer Umgebung. Vom (ehemaligen) Ostblock ist hier keine Spur zu sehen.
Alles macht einen sehr aufgeräumten Eindruck.


Ab und zu ein Päusschen, um den ausgeschwitzten Flüssigkeitsspeicher wieder auf zu füllen nähern wir uns über
Frydstein, Zeleny Brod und Semily dem Riesengebirge.

Zur breit ausgebauten Straße Richtung Spindlermühle gibt es leider keine Alternative. Der Weg in den Nationalpark
ist mehrspurig und für einen schnellen Abtransport der Touristen entsprechend ausgebaut. Der Ort selbst ist voller
Restaurants, Grillbuden, Andenkenläden und Hotels. Da die Straße in´s Gebirge Richtung polnische Grenze gesperrt
war und der Schrankenwärter überhaupt kein Verständnis für unseren Wunsch, die letzten 300 Höhenmeter auch
noch zu bewältigen, hatte, legten wir erst einmal eine Mittagsrast ein. Es dauerte ewig, es kam das falsche Essen
und die getrennte Zahlung schien eine unüberwindbare Hürde zu sein. Vielleicht war es dem starken Andrang geschul-
det, vielleicht den mangelnden Sprachkenntnissen – egal – wir sind satt geworden und wissen nun, dass man um diesen
Touri-Ort einfach einen großen Bochen machen sollte.

Und den haben wir dann auch gemacht. Bevor wir das Riesengebirge verlassen haben, sind wir noch einmal hoch zur
Sprungschanze nach Harrachov gefahren. Ist schon beeindruckend, wenn man sich vorstellt, dass hier im Winter
Menschen mit unter die Füße geschnallten Zaunlatten einfach ´runterspringen. Dann schon lieber mit dem Motorrad
hochfahren. Aber leider war das verboten und vielleicht doch ein bischen zu steil. So entstand immerhin ein schönes
Gruppenfoto und wir konnten dem Riesengebirge den Rücken kehren.

Denn das Isergebirge wartete schon auf uns. Zunächst windet sich die Straße hinauf zu einem kleinen Stausee, der
idyllisch zwischen grünen Hügeln liegt. Es ist Wochenende und die Menschen aus der Gegend haben bei dem schönen
Wetter ihre Fahrräder ´rausgeholt, ihre Inlinescater untergeschnallt oder die Oma in den Rolli gesetzt uns sind in´s
Blaue gefahren. Die Strecke ist auf 40 km/h ausgebremst und so gondeln wir genüsslich durch die Landschaft. Auch
hier wieder freundliche Blicke und die eine oder andere zum Gruß erhobene Hand. Nette Leute – aber das sagte ich
schon. Über dem Rücken des Isergebirges nähern wir uns langsam dem Ort Frydland. Als die gleichnamige Burg hinter
einer Wegbiegung in der Abendsonne auftauchte, legten wir noch einmal eine Genießerpause ein.

Die Digitalkameras surrten und die Blicke schweiften noch einmal umher. Dann war der schöne Teil des Tages vorbei.
Ein winziges Steinchen setzte den Kontaktschalter meiner Fußbremse schachmatt und das System meldete einen
Ausfall von ABS und Bremskraftverstärker. Die letzten 30 km bis zu unserer Unterkunft legten wir vorsichtshalber
auf der Schnellstraße zurück. Dank Fehlersuche per Internet war das Problem aber noch am selben Abend behoben
und so klang der Tag bei einer guten Mahlzeit und dem einen oder anderen Bierchen gemütlich aus.
Halt! Der Abstecher in`s Zittauer Gebirge sollte nicht unerwähnt bleiben. Der Besuch des „Kelchsteins“ war noch
einmal ein schöner Abschluss des Tages.

Das war mein erster Reisebericht in diesem Forum. Wenn er euch gefallen hat, könnte ich wohl in Zukunft noch den
einen oder anderen beisteuern.
Macht´s gut.
Gruß Werner