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Sachsendampf auf schmaler Spur

Verfasst: Samstag 4. Februar 2012, 19:32
von Alteisentreiber
Bahnland Sachsen: Ergänzend zum regelspurigen Eisenbahnnetz existierten über zwanzig 750-mm Schmalspurstrecken mit einer Gesamtlänge von rund 520 Kilometern. Wenige Strecken werden noch betrieben bzw. wurden als Museumsbahnen wieder errichtet, die meisten jedoch ab 1966 stillgelegt und abgebaut. Auf der Suche nach Relikten habe ich letzen Sommer Sachsen von Ost nach West durchpflügt.

Görlitz, den Ausgangspunkt der Tour erreichte ich am späten Nachmittag. Der Biergarten am linken Neißeufer dürfte der östlichste in Deutschland sein, das linke Ufer liegt schon in Polen.

Bild Die Neiße in Görlitz

Schnell war am nächsten Morgen das erste Etappenziel Zittau erreicht, Ausgangspunkt der Strecke nach Oybin mit Streckenast nach Jonsdorf. Diese Linie ist noch voll im Betrieb, vorwiegend im Ausflugsverkehr ins Zittauer Gebirge. Charakteristisch für die Oberlausitz sind die zahlreichen Umgebindehäuser.

Bild Abfahrbereit

Bild Kurort Oybin

Bild Umgebindehaus in Oybin

Kurzerhand tauschte ich die Motorradsitzbank gegen einen Platz im Aussichtswagen.

Nun verließ ich die Oberlausitz, ab Seifhennersdorf gelangte ich mit einem kurzen Schlenker über Rumburk und Hrensko in Tschechien an die Elbe und erreichte wenig später Bad Schandau in der sächsischen Schweiz. Dort dampft es auch noch, zwar nicht auf Schienen, dafür aber auf der Elbe. Auch hier ließ ich mir eine Dampferfahrt nicht entgehen.

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Zum Weiterfahren war es inzwischen zu spät, also suchte ich mir ein Nachtquartier in Königstein unterhalb der Festung. Frühzeitig am nächsten Morgen brach ich wieder auf, in großem Bogen um Dresden herum ging es nach Meißen, hier verließ ich die Elbe und fuhr das Triebischtal aufwärts. In Robschütz wurde ich erstmalig fündig, die Widerlager und Pfeiler der 1966 stillgelegten ehemals längsten Schmalspurbrücke Deutschlands sind noch vorhanden.

Bild Meißen, Dom und Albrechtsburg

Bild Reste des Robschützer Viaduktes

Ein paar Kilometer oberhalb des Robschützer Viaduktes stieß ich auf den bestens erhaltenen "Bahnhof" Löthain, nach Sperrung der Brücke endete hier die Strecke von Lommatzsch, der letzte Zug fuhr 1972.

Bild der ehemalige Bahnhof Löthain

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Leuben - Eisenbahnbrücke ohne Eisenbahn, durch den mittleren Bogen führte die Schmalspurbahn. Die Regelspurstrecke Riesa - Nossen, die über die Brücke führte ist inzwischen auch Geschichte.

Nächstes Ziel Nossen, bis 1974 verkehrten hier noch Güterzüge auf einer Reststrecke. Der Kohleschuppen, wo die Lokomotiven ihren Brennstoffvorrat ergänzten ist noch vorhanden, ebenso der Lokschuppen (aber in einem Zustand, der das Fotografieren verbietet)

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Nun ging es aufs Erzgebirge, über Freiberg erreichte ich bald darauf Mulda. Hier zeugen nur noch die Brückenpfeiler von der Schmalspurstrecke nach Sayda, welche 1966 aufgelassen wurde.

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Als nächstes steuerte ich den ehemaligen Bahnhof in Geyer an, neben dem noch erhaltenen Lokschuppen steht auf einem Gleisstumpf ein kurzer Zug als Denkmal, allerdings in ziemlich desolatem Zustand.

Bild Geyer

Nächstes Ziel Wolkenstein, nur ein Gleisrest und einige leerstehende Gebäude erinnern an die Pressnitztalbahn nach Jöhstadt, der Restbetrieb bis Niederschmiedeberg wurde 1986 eingestellt und anschließend die Gesamtstrecke komplett abgerissen.

Bild Wolkenstein

Doch seit 1993 dampft wieder im Pressnitztal: Von Jöhstadt aus entstand auf der alten Trasse ein Museumsbetrieb bis nach Steinbach, der sich sehen lassen kann: Alle Gebäude saniert, die Trasse inklusive aller Brücken komplett erneuert und die Fahrzeuge in bestens restauriertem Zustand zeugen von dem Kraftakt, den der Museumsverein da geleistet hat und noch leistet. In Steinbach dann endlich eine betriebsfähige sächsische IV K.

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Zwei Alteisen: Sä. IV K, Baujahr 1916 und Moto Guzzi, Baujahr 1988

96 Maschinen dieser Baureihe beschaffte die Königlich Sächsische Staatseisenbahn von 1892 bis 1921, 22 Exemplare sind noch vorhanden, zum großen Teil betriebsfähig.

Bild Einfahrt in Jöhstadt



Auf dem Erzgebirgskamm fuhr ich weiter, am Fichtelberg vorbei ging es nach Oberrittersgrün. Der ehemalige Bahnhof wurde zum Museum umgestaltet und erinnert so an die Strecke nach Grünstädtel, die 1971 den Betrieb einstellte.

Bild Museumsbahnhof Oberrittersgrün

Langsam näherte sich meine "Erkundungsfahrt" dem Ende. In Carlsfeld, dem Endpunkt der Strecke von Wilkau-Haßlau (eingestellt 1967,abschnittsweise Restverkehr bis 1979) stehen einige abgestellte Wagen und im Lokschuppen eine IV K, deren betriebsfähige Aufarbeitung vorgesehen ist.

Bild Bild
Carlsfeld

Letzte Station meiner Reliktsuche war der Bahnhof Wilzschhaus, ein paar neue Gleise und Weichen sowie eine fertige Rollwagenanlage deuten hier auf einen geplanten Museumsbetrieb hin.

Bild
Wilzschhaus

Hier endete meine Erkundungsfahrt, ich habe dabei aus Zeitmangel längst nicht alle Strecken ansteuern können, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Am nächsten Tag bin ich übers Vogtland, Tschechien und die Oberpfalz zurück nach Nürnberg gefahren, aber diese Tour ist eine andere Geschichte.

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Re: Sachsendampf auf schmaler Spur

Verfasst: Samstag 4. Februar 2012, 20:32
von Balu
Vielen Dank, dass du uns da auf einen Nostalgietrip mitgenommen hast!
Wunderbare Bilder und zwei schöne Filmchen haben mich in meinen Kindheit zurück versetzt, als ich noch hinterm Hbf wohnte, wo es es noch Dampfloks gab und einige Dieselloks.
Schade, dass man diesen Flair heutzutage nur noch bei Museumsfahrten erleben darf.
War ´ne gute Idee von dir!

Re: Sachsendampf auf schmaler Spur

Verfasst: Samstag 4. Februar 2012, 21:20
von Mimoto
..oh mal was ganz anderes hier.

Vielen Dank, schöne Bilder und an Dampflocks hab ich sogar noch Kindheitserinnerungen, wir hatten zwischen 1970 -1980 in einem Stadtteil ausserhalb von Oberstein gewohnt dort gab es einen Fussüberweg über die Gleise die noch heute nicht elektrifiziert sind (Bundeswehr, US Armee Baumholder etc. wegen der größer nutzbaren Gleishöhe) daher nur Diesel und damals noch richtig große Dampfloks, es gab sogar welche die hatten saarländische Kohle mit einer Lok vorne und einer hinten, wir Kinder sind dann wenn die Dinger ankamen auf diese Brücke und haben uns in die Rußwolke gestellt und unseren Spass gehabt. Feinstaub, Krebs und so gab es ja damals noch nicht. :mrgreen:

Grüße

Re: Sachsendampf auf schmaler Spur

Verfasst: Samstag 4. Februar 2012, 21:38
von MoniK
Perfektes Timing!

Meine Eltern sind gerade zu Besuch; mein Vater ist zwar absolut computerabstinent, dafür aber ein begeisterter Eisenbahnliebhaber und -kenner und hat gerade sehr interessiert Deine Reise mitverfolgt. :)

Herzlichen Dank für diesen Bericht!

Grüssle,
Moni

Re: Sachsendampf auf schmaler Spur

Verfasst: Montag 6. Februar 2012, 20:39
von Buntspecht64
... ich kenne da noch jemanden, der sich seeeeeehhhhrrrrrrr über diesen Bericht freuen wird, mein lieber Ingo :lol: ,
Er freut sich immer riesig, wenn es im Urlaub ein Eisenbahnmuseum oder dergleichen zu besichtigen gibt :mrgreen:

Vielen Dank und Herzliche Grüße

Kirsten

Re: Sachsendampf auf schmaler Spur

Verfasst: Montag 6. Februar 2012, 23:49
von BITZER
Kirsten steht auf Schuh,Taschen- und Glitzerläden. ;)

Ingo

Re: Sachsendampf auf schmaler Spur

Verfasst: Dienstag 7. Februar 2012, 16:40
von AlterHeizer
Mimoto hat geschrieben:..oh mal was ganz anderes hier. ...
Genau! Nostalgie pur! Als Kind war ich, vermutlich wie alle Kinder seinerzeit, von den Dampfrössern fasziniert, zudem gab`s in der Verwandschaft mehrere Eisenbahner inkl. Lokführer! Und mit dem Zug gefahren wurde damals häufig - ein Auto war noch nicht vorhanden - und als neugieriges Kind hielt man gerne mal den Kopf aus dem Fenster - und schon hatte man Ruß in den Augen!
Aber eine ziemlich schmutzige Veranstaltung war das schon, denn der Ruß wurde gleichmäßig im Land verteilt ... :roll:
Herzlichen Dank für`s Zeigen!