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Ein heisser Trip nach Südtirol

Verfasst: Freitag 20. Juli 2012, 10:18
von castle-of-teck
Eine ganz schön heisse Tour....

...im nachhinein, aber eigentlich sollte ja alles ganz anders werden ;-)


Es ist Juni 2012, das Wetter ist sein Tagen BESTENS. Ich sitze nach einem Wochenende in der Garage im Büro und höre mir die Schwärmerei meines Kollegen über das Bergwetter in der Schweiz an.
Ganz schön fies... :oops:
Okay, abwarten bis der Kollege, mit dem ich mich Urlaustechnisch abwechsle, den ersten Kaffee intus hat.
Bis zum ersten Schluck konnte ich ( gerade so ) noch warten, dann habe ich mich mit "meinem" Stift ( wir markieren unsere Urlaube am Wandkalender, so daß jeder einen Überblick hat ) ins Nachbarbüro begeben.
Der Kollege kennt die Prozedur schon und schaut mich mit dem Worten "wann ?" fragend an.

Gut, also Freitag frei und Donnerstag 13.00 Uhr Abflug, ich war ja dieses Jahr noch nicht in Südtirol...schallendes Gelächter allerseits, Hubert winkt ab und meint ich solle das wiederkommen nicht vergessen - Montag + Dienstag ist er mit seiner Frau auf ein langes WE in Berlin.

Dann die Sache beim Chef noch eingetütet - Formsache, wenn wir uns untereinander einig sind.

Handy, raus, booking.com befragt nach Unterkünften. Ich wollte am ersten "halben" Tag keinen Stress aufkommen lassen und habe mit ein Zimmer in der Nähe des Reschenpass auf Österreichischer Seite gesucht - Bingo, gibt´s in Pfunds überhaupt Privathäuser ohne Zimmervermietung ? :lol:
Hotel König, das beste Halbpensions-Essen das ich je bekommen habe, 5 Gänge ( !!! )
Für Freitag und Samstag ein kleine Albergo - "Albergo Tuenno" in Tuenno, zwischen Bozen und Trento, in der Nähe des Lago di Santa Giustina. 42 Euro für ÜF, mit sehr guten Kritiken - geht klar.

Donnerstag mittag dann "Pünktlich" um zwölf Uhr :D losgefahren, erstmal Bahn von Stuttgart über Ulm und Fernpass. Dann mautfrei die letzten paar Kilometer bis Pfunds.
Als ich den Fernpass hinabfahre, habe ich den Eindruck in einen Backofen hineinzufahren :oops: : 32 Grad.
Also Tempo ´rausnehmen, Pause, an der nächsten Tanke ein 0,5 Liter Wasser "auf Ex" - mein mitgeführtes Apfelschorle kocht, ist völlig ungeniessbar.

Im Hotel dann noch etwas Diskussion mit der Chefin zwecks Zimmer - nein, ich möchte KEIN Zimmer zur Strasse raus. 4 Euro mehr und ich habe ein traumhaftes Doppelzimmer mit Balkon "hintenraus" , mit Blick auf den riesigen Garten und dem Bach. Geht doch... :roll:

Der Plan für Freitag war mit einem Wort beschrieben : Stilfser.

Ich war noch nie dort oben, fahre ja auch noch nicht sooo lange. Alle Berichte die ich bisher gelesen habe gingen in die gleiche Richtung : Niemals am Wochenende. Aber - ich habe mir ja extra Freitag freigenommen und lasse mir Zeit.

Nach einem Prima Frühstück fahre ich um 10 Uhr in Pfunds los, und muss Schilder lesen zwecks Baustelle am Reschen mit längeren Wartezeiten. Also rechts ab Richtung Samnaun/St.Moritz in die Schweiz.
Der Zöllner guckt kurz hoch, winkt mich durch und weiter gehts. Ein schönes, korkenziehermässiges Strässchen mit vernünftigem Belag und jeder Menge kleiner Baustellen. Dann weiter über Zernes ins Münstertal, wunderschön zu fahren. So langsam komme ich im Wochenende an, abschalten, reisen statt rasen.
Ich muss direkt mal stehenbleiben und das erste Foto machen :
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So geht es gerade weiter...
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In der Schweiz nochmal getankt und dann über Stilfs hoch aufs Stilfser Joch.

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Aber weiter, die Spitzkehren sind eng und ich gehe lieber auf Nr Sicher, also ersten Gang. Hier fährt anscheinend die ganze Welt rum- Norweger, Dänen, die unvermeidlichen Holländer im Wohnmobil, gefühlt die Hälfte der Kennzeichen ist irgendwo aus Sachsen/Thüringen.

Auf Höhe des Berghotels "Franzenhöhe" dann die ersten Bilder was hier so los ist :
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Ab 2013 wirdßs wohl tatsächlich ernst mit der Maut :twisted:

Oben dann "angenehme" 18 Grad - he, wir sind auf 2753 Meter ! Das könnte noch interessant werden. Ein paar Leute tragen Skier herum, hoppla !

Die unvermeidliche Wurst bei Richard - 5,50 Euro, mir bleibt fast der Bissen im Hals stecken.

Die obligatorischen Bilder der Stilfser-Kehren
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Hier fährt wirklich die ganze Welt hoch :
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Also wieder hinab nach Bormio, wo mich das Panorama ungleich mehr fasziniert wie beim Aufstieg. Ich nehme mir wieder Zeit, bin im "Fotomodus" - die Nikon klickt, die Objektive dürfen im Wechsel mal ´ran.
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Gottseidank habe ich das Tele mitgenommen, so daß die Aufnahme vom Wasserfall hinter dem Hotel gelingt.
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Allerdings wird es auch heute wieder heiss, in Bormio an einer Apotheke hat es 33 Grad. Also nix wir rauf auf den Gavia - gleich viel angenehmer. Der Gavia ist m.E. fahrerisch recht anspruchsvoll, da unübersichtlich und mit einem wahren Flickenteppich versehen, aber mit sehr wenig Verkehr. Insgesamt ein schönes Stückchen Landschaft, oben liegt sogar noch das eine oder andere Eckchen Schnee.
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Auf der Passhöhe begegne ich dieser wunderschönen Figur - vielleicht kann jemand etwas darüber erzählen ?
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Die zweite längere Pause des Tages dann auf dem Passo Tonale - da oben wird grad gebaut, und genau neben der Ampel ist ein kleines Cafe. Die Bedienung versteht zwar werde deutsch noch Englisch, aber ich komme zu einem Blaubeerkuchen und eine Flasche Wasser, zusammen für weniger als fünf Euro. Bingo !

Den Abstieg vom Tonale gen Pelizzano habe ich ehrlich gesagt bereut- schöne Strecke, aber leider die falsche Fahrtrichtung...da muss ich nochmal lang, ganz sicher

Irgendwann gegen halb sechs komme ich dann in Tuenno an, die Wirtsleute in der Albergo sind sehr freundlich und mein Moped verschwindet zwischen Sprachfetzen in Deutsch, Englisch und Italienisch in der verschlossenen Garage des Hauses. Prima.

Das Abendessen war lecker, aber irgendwie komme ich nicht zu Ruhe. Liegt es daran, daß die gesamte Dorfgemeinschaft unter meinem Fenster Party macht, oder am Scheinwerfer ? An Fenster schliessen ist nicht zu denken, gegen Mitternacht hat es immer noch 28 Grad im Zimmer. :roll:
Aber : Die Zimmer sind frisch renoviert, feinster Marmor überall, nagelneue Duschkabinen, neue Matratzen. Das hätte ich in dieser Preisklasse nicht erwartet.

Samstag :
Es war am Stilfser schon nicht zu übersehen - in Südtirol findet ein Radrennen statt, einige Pässe sind gesperrt. ich bin gespannt, wo ich heute langfahren darf ?
Aber alles halb so wild - es hat aber schon wieder 29 Grad, als ich um 10 Uhr auf 600m über NN aufbreche. Ich habe 4,5 Liter Wasser dabei, hoffentlich reicht das.

Es geht los über den ( für mich gänzlich neuen ) Mendelpass, dann weiter Bozen, Kastelruth, Wolkenstein, Grödnerjoch, Valparola, Falzarego. Ich liebe die Steinwüste oben am Valparola, hier möchte ich mal morgends bei Sonnenaufgang mit der Kamera stehen. Das muss gigantisch sein.
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Meine Tour geht weiter, die ersten 2 Liter Wasser sind weg. Im "Tal" auf 1500m empfängt mich wieder eine Gluthitze, ich sehe schleunigst daß ich auf den Valle hochkomme.

Ganz und gar unfreiwillig bringt mich hier eine Baustelle in den Genuß des passo Rolle, ich kenne die Strecke inzwischen und spiele ein wenig mit einem Boxer herum. Leider muss ich den Spaß beim Fotostop beenden - es ist einfach zu herrlich, also wieder die Kamera raus.

In San Martina di Castrozza dann eine Automaten-Tanke, an der sich eine ganze Clique Zweitakter-Treiber aufhält. EC-Karte nimmt der Automat keine, nur Scheine, also haben die Jungs Sprit über - und ich lasse alle Autos in der Warteschlange hinter mir. Nochmals Danke, Jungs ! ich hoffe, die Carabinieri haben dem fröhlichen Treiben kein jähes Ende gesetzt - einer fuhr, ohne Helm, innerhalb der Tanke das Moped an die Seite...

Okay, es ist verd... heiss hier, wo gehts zum nächsten Pass ? Passo Boldo ist das nächsten Schild, und ab durch die Mitte. Ein schöner, versteckter kleiner Pass, der viel durch den Wald führt. Prima.
Oben an der Raststation dann wieder einmal eine Gruppe Ösis auf Junggesellenabschied - irgendwie treffe ich jedesmal so eine Truppe, wenn ich nach Südtirol fahre. :lol:
Die Warnweste - Weltklasse. Die Puppe scheint auch Standard zu sein
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Ich bastle ein wenig am Navi herum, mein "Füllstand" an Trinkwasser ist wieder ergänzt, und der Passo Manghen liegt genau auf meiner Route zurück zur Albergo. Also warum nicht ?
Tatsächlich ist der Manghen eine schöne, schmale Strasse - feinste Ziegenpfade, würde Jörg sagen. Anspruchsvoll, aber mit guten Asphalt, die Nordseite ist sogar völlig neu asphaltiert.
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Als ich nach der Passhöhe das "Hexenhäuschen" am See sehe, ärgere ich mich daß ich mein Gepäck nicht dabeihabe - kann man hier übernachten ? Ein Traum, ich kann mich kaum sattsehen.
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Irgendwann ist sogat der Italiener mit seinem Womo an mir vorbei, und ich düse bergab gen Molina, hungrig wie ein Wolf. Das Navi sagt was von 70 Minuten zur Albergo - das ginge noch, vor 20.30 kriege ich dort sowieso nix zu futtern.
Dann eine Baustelle, die SS612 ab Molina gen Trento ist gesperrt - und mir fällt zum zweiten Mal die Pizzeria an der Wegkreuzung SS612/SP71 auf, jede Menge Locals kommen und gehen mit Bergen an Pizzaschachteln wieder. Also : Abendessen. Lecker !

Gut gestärkt und augeruht mache ich mich eine 3/4 Stunde später wieder auf den Weg zur Albergho, die Sp71 Richtung Trento entlang. Genau das hat mir der Arzt verschrieben - nur gelegentlich Verkehr, eine gut ausgebaute Strasse die sich immer am Fluss entlang windet. Die Zeit vergeht, der Tacho steht manchmal sogar auf 80 - so schnell war ich heute nicht immer.

Aber wenn´s dem Esel zu wohl wird, fährt er eine Abkürzung - in meinerm Fall war das ein Abstecher in die Weinberge, hoch nach Masen/Faedo. Die Dörfchen werden kleiner, bestehen zum Teil nur noch aus einem halben Dutzend Häusern und natürlich den Weinbau-Betrieben.
Es geht über 2 m breite Strassen in die Berge, zum Teil ist die Strasse sogar mit Pflanzen überwachsen - herrlich.
Unterhalb Faedo dann ein herrlicher Blick übers Tal, mitten in den Weinbergen - ich stelle einfach die Strom an den Strassenrand und wage mich in den Weinberg, um ein paar Aufnahmen zu machen. Es ist aber leider schon eine halbe Stunde zu spät - naja, muss ich halt nochmal wiederkommen.
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Aufgefallen ist mir dort, daß jede Menge Blumen zusätzlich zu den Reben abgepflanzt sind- ich vermute mal für die Bienen zwecks Bestäubung. Sieht aber insgesamt wunderschön aus.
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Dann die letzten km heim - ich tanke nochmal am Automaten in Mezzolombardo, es wird schon so langsam dunkel. Macht nix, jetzt nur aufpassen beim Heimweg durch die Apfelplantagen, es hat einige Kehren *grins*

Gegen 21.40 Uhr komme ich dann in der Albergo an, in der Eisdiele ist Hochbetrieb, die Türe zum Restaurant steht offen - haben die auf mich gewartet ? Ich werd´s wohl nie erfahren... ;)

Okay, dann jetzt noch ein Eis, das habe ich mir nach 420km in dieser Bruthitze sowieso verdient.
Sage und schreibe 6,5 Liter Wasser habe ich heute getrunken - und jeden Tropfen davon gebraucht. Fast 12 Stunden weg, was solls.

Allerdings habe ich gegen Abend festgestellt, daß mein VR selbst bei Strassenmarkierungen schon deutlich weniger Grip hatte als mir lieb war - das kenne ich, leider, schon vom HR. Also morgen nix mehr mit Pässe, sondern Brennermaut und ab nach Hause.

Naja, so ganz strikt habe ich es dann doch nicht durchgezogen - am Fernpass ist eine Baustelle, und auf die hatte ich null Bock. Also Hantenjoch hoch und mir das Namlostal einmal genauer angesehn. Im Namlostal dann die Überraschung des Jahres - solche Spritpreise gab es zuletzt -- wann ? Bei der Einführung der Deutschen Mark ? ( Keine Ahnung ob das E5, E10 oder E605 war - die Karre lief damit, basta. )
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Zum Abschluß dieses WE war das genau das richtige, auch wenn ich vom Hantenjoch bergab freiwillig sehr vorsichtig war - mein VR hatte zwar noch genügend Restprofil, aber überraschend wenig Grip.

In Ulm auf der AB ( die Abkürzung über die B10 habe ich bewusst ausgelassen ) fing es dann nochmal kräftig an zu regnen, und obwohl ich eigentlich alles andere als ein Regenschisser bin, hatte ich dann am VR bei ca. 80 Aquaplaning. Super. Naja, war eh viel Stau bis ich den Aichelberg runter war und dann war ich ja auch schon zuhause.

Mein Fazit :
Das war genau richtig, 3,5 Tage, über ein Dutzend Pässe, 1500km gefahren und mal wieder ein bisschen Spitzkehren fahren trainiert !
Auch das alleine fahren war für diesen Trip exakt richtig, so konnte ich einfach viel besser relaxen. In der Hitze hätte ich mit den vielen, kleinen Pausen meine Mitfahrer wahrscheinlich in den Wahnsinn getrieben.
Ich bin Montag tief entspannt und grinsend wieder ins Büro gegangen. So sollte es sein.

Re: Ein heisser Trip nach Südtirol

Verfasst: Freitag 20. Juli 2012, 10:40
von qpeter
Super! Danke dafür.

Viele Grüße aus Südostoberbayern
Peter

Re: Ein heisser Trip nach Südtirol

Verfasst: Freitag 20. Juli 2012, 11:58
von kuno
Vielen Dank fürs Mitnehmen auf diese schöne Tour :)

Re: Ein heisser Trip nach Südtirol

Verfasst: Freitag 20. Juli 2012, 12:55
von Ulrich
Super, eine tolle Serie.
...sogar einen NRWandalen Aufkleber habe ich auf den Bildern gefunden...

Re: Ein heisser Trip nach Südtirol

Verfasst: Freitag 20. Juli 2012, 13:41
von Doris
Tolle Bilder, super Bericht!
Danke fürs Mitnehmen!

Namlostal - für mich eine der schönsten
Strecken, die ich gefahren bin
Die Kurven schwingen im perfekten Rythmus.. :D

Re: Ein heisser Trip nach Südtirol

Verfasst: Freitag 20. Juli 2012, 17:39
von Balu
Passo Valles, Rolle und Brocon.
Vor fast drei Wochen bin ich dort auch lang gefahren. Nur hatten wir dort Kühe und keine aufblasbare Puppe! :lol:

Danke für´s Mitnehmen und die schönen Bilder!

Re: Ein heisser Trip nach Südtirol

Verfasst: Freitag 20. Juli 2012, 18:01
von AlterHeizer
castle-of-teck hat geschrieben: .... Auf der Passhöhe begegne ich dieser wunderschönen Figur - vielleicht kann jemand etwas darüber erzählen ? Bild
Das hatten wir schon mal als Bilderrätsel ... das ist die "Madonna dell Vette" und wenn mein Italienisch gut genug ist, die Schutzheilige der Radfahrer ...
http://www.bormio.info/scoprire_bormio/ ... i-ciclisti

Herzlichen Dank für Deinen Bericht, die herrlichen Bilder und für`s Mitnehmen auf die Dolo-Runde, so eine Flucht aus dem Alltag ist eine feine Sache!

Re: Ein heisser Trip nach Südtirol

Verfasst: Freitag 20. Juli 2012, 21:28
von Savethefreaks
Danke für die virtuelle Reise! So eine Mini-Tour allein hat wirklich ihre Vorteile, da kann ich Dich echt verstehen!

Und bei den Bildern, die dabei rausgekommen sind, hat sich der Solo-Tripp wirklich gelohnt!