
Prolog: Juli 2012, drei Tage frei, Wetterprognose bestens - und mein neues Getriebe & Kupplung wollen ausgiebig probegefahren werden - also auf in die Alpen!
Tag 1: Getreu dem Motto "Nur der frühe Vogel fängt den Wurm / vermeidet den Stau" breche ich mit Minimalgepäck noch vor Sonnenaufgang bei klarem Himmel auf, über die Dosenbahn will ich bis zum Chiemsee.
Kaum zeigt sich die Sonne am Horizont, färbt sich der Himmel rot - Mist, sieht doch nicht so toll aus mit dem Wetter, alle Schattierungen von Hellgrau bis Dunkelschwarzgrau tun sich auf. Kurz vor München wird der Verkehr dicht und zähflüssig, genervt verlasse ich die Autobahn, schlage mich über Landstrassen nach Bad Endorf durch.
Was ist das denn? Ich stehe am Nordende des Chiemsees, Blickrichtung Süden - aber keine Chiemgauer Alpen in Sicht, haben sie die etwa über Nacht abgetragen? Endlich, bei Marquartstein taucht schemenhaft die Silhouette der Alpengipfel aus dem Hochnebelgrau auf. Über den Klobensteinpass falle ich in Tirol ein, weiter gehts über Kufstein zum Pass Thurn. Ein Blick auf die Hohen Tauern genügt um die Großglockner-Hochstrasse aus dem Tourenplan zu streichen:

Also mal wieder Felbertauerntunnel, vielleicht sieht ja dahinter das Wetter besser aus... Denkste! Genauso grau in grau geht es weiter über Lienz nach Oberdrauburg, dann auf den Gailbergsattel.

Oberdrauburg vom Gailbergsattel aus
Nach einer letzten Kehrengruppe erreiche ich mein Tagesziel Kötschach-Mauthen, nehme im Tourenfahrer-Partnerhaus "Gailtaler Hof" (empfehlenswert) Quartier und hau mich für eine Stunde aufs Ohr.

Am Nachmittag wollte ich zur Straniger Alm und evtl. weiter über den Kamm (Schotterpiste) zum Passo del Cason di Lanza, aber kaum habe ich das Gailtal verlassen setzt Sprühregen ein. Einen halbherzigen Versuch unternehme ich, die steile Kehrenstrecke im dichten Wald zu befahren, aber das inzwischen schmierige Lehm/Schottergemisch lässt bei dem Wetter keinen Fahrspass aufkommen, nach vielleicht drei Kilometern breche ich ab, fahre zurück nach Kö-Mau und dann den Plöckenpass hinauf, nehme mir dafür viel Zeit. Rechts und links der Strasse erinnern viele Relikte aus der Zeit des Ersten Weltkrieges an die strategische Bedeutung dieses Alpenüberganges:



Zurück im Hotel sitze ich noch einige Zeit mit anderen Moppedfahrern zusammen, bei Benzingesprächen und Bier klingt der Tag standesgemäß aus.
Tag 2 : Wieder falle ich über den Plöcken im Friaul ein, auf direktem Weg geht es hinunter nach Tolmezzo und dort ein paar Kilometer weiter Richtung Mauriapass. Mein erstes Tagesziel - Valle di Preone über Sella Chiampon. Dieses schmale Strässlein stellt eine kaum befahrene Verbindung zur Südrampe der Sella Chianzútan dar. Ausgangspunkt ist Preone, welches buchstäblich am Berghang klebt - und bei der schmalen Ortsdurchfahrt glaubt man dass hinter jeder Kurve auf einem Hinterhof die Welt zu Ende sei.

Preone
Auf schmaler Asphaltpiste geht es zunächst kurvenreich aufwärts, einige mit Feldsteinen und Beton ausgemauerte Wasserablaufrinnen erfordern Aufmerksamkeit. Eine canyonartige Schlucht wird überquert, mit angegebenen 20% Steigung geht es dann in vielen engen Kehren zwischen Felswand und Abgrund (meist sind nur Rudimente einer Randsicherung vorhanden) zur Passhöhe mitten im Wald hinauf, an die sich ein bewirtschaftetes Hochtal anschließt.


Windungsreich führt die Strecke danach abwärts, zum Teil unter Felsüberhängen und immer dicht am Abgrund entlang, bis sie schließlich in die Südrampe der Sella Chianzútan einmündet.
Dazu gibts ein Filmchen:
Nach dem Verlassen des Valle di Preone geht es die Südrampe der Sella Chianzútan auf bestens ausgebauter Piste hinunter. Hinter San Francesco biege ich ab und fahre über Pielungo auf Kurven ohne Ende hinüber zum Lago di Tramonti - wenig Verkehr, schmale Traumstrecke! Nach Überqueren der Staumauer geht es meinem Wendepunkt entgegen - Lago di Ca`Selva. Auf schmaler Asphaltpiste, teilweise direkt in der Felswand oberhalb einer tiefen Schucht erreiche ich bald darauf den Stausee, auch hier ist die Staumauer befahrbar. Nach Überquerung endet der Asphaltbelag, eine staubige Schotterpiste führt zwar am Südufer des Sees entlang - aber die Zeit zur Erkundung fehlt mir (außerdem soll die Weiterfahrt zur Forcella Clautana und weiter ins Cellinatal nicht befahrbar sein).
Kurz vor dem See bin ich aber an einer Abzweigung vorbeigekommen mit Hinweisschild "Lago di Ca´Zul". Auf meinem Papiernavi gibt es auch eine Zufahrt mit langem Tunnel, kurzerhand probiere ich es. Hoch über dem Seeufer windet sich das Teerband an den Felswänden entlang, das Seepanorama ständig aus einem anderen Blickwinkel - fantastisch! Bald darauf stehe ich vor dem Tunnelportal, aber die Beschilderung ist eindeutig, hier gehts nicht weiter! (zwei Tunnel von jeweils ca. 1,5 km sollen es sein).
Bis dahin habe ich gefilmt:
Also zurück zum Lago di Tramonti, Badepause und dann weiter Richtung Norden. Über den Passo di Monte Rest (Kehrenorgie) erreiche ich das Tagliamentotal, die anschliessende Forcella Priuso führt mich zurück an die Staatsstrasse 52 bei Villa Santina. Bei Eisbecher und Espresso doppio überlege ich, ob ich über den Monte Zoncolan oder die Panoramica delle Vette zurück zum Plöckenpass fahre - beide Pisten kenne ich schon, aber der Monte San Simeone ist ja auch nicht weit weg, und den kenne ich noch nicht...
Kurzentschlossen fahre ich zum Lago Interneppo und suche mir die Zufahrt zum Monte San Simeone. Eine sehr schmale Beton/Asphaltpiste führt in zahllosen unübersichtlichen Windungen hinauf, bei Gegenverkehr wird es problematisch, besonders in den extrem engen Kehrtunnels, von denen es einige gibt. Blöderweise haben die Kamera-Akkus hier den Geist aufgegeben


Der Ausblick vom Gipfelplateau über das breite Schotterbett des Tagliamento hinunter in die venezianische Tiefebene ist einmalig, bei weniger Dunst sollte die Adriaküste zu sehen sein.

Blick vom Monte San Simeone
Zurück in Kötschach-Mauthen klingt der Tag standesgemäß bei Lagerfeuer, Bier und Benzingesprächen aus.
Leider musste ich am nächsten Tag schon zurück,es ging über den Großglockner, aber jede Menge Wohnmobile und Reisebusse dämpfen den Fahrspass mächtig.
Gruß aus Nürnberg
Lutz