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Saisonvorbereitung, oder Gnadenhof für alternde 2Räder

Verfasst: Montag 1. April 2013, 18:58
von ryna
Kaum einer kann den Frühling abwarten, um endlich wieder mit dem Töff über`s Land zu cruisen. Viele rüsten sich für die Saison; schrauben oder lassen an ihrem Reisemotorrad schrauben. Um die Winter-Umbaugeschichten zu erweitern, hier die aus der Badischen Ecke.

2013 soll das Motorradreisejahr mit vermehrten Offroadausflügen werden. Die Fahrzeuge in der Garage, eine Ducati Multistrada und eine recht stark modifizierte TRX 850 eignen sich nur bedingt für dieses Vorhaben. So wurde im Herbst letzten Jahres eine Yamaha XTZ 750, besser bekannt unter dem Namen "SuperTénéré", vor dem Teileschlachter gerettet. Hier auf der Überführungsfahrt:

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Vor dem Schneefall erfolgten die ersten Änderungen:
- Elektrik wurde überarbeitet; im Original gibt es nur eine Hauptsicherung und eine unter dem Tank versteckte Glassicherung für den Lüfter. Die Sicherungen wurden gut zugänglich in Batterienähe verlegt und als besser erhältliche Flachsicherungen ausgeführt. Zusätzlich wurde ein Hilfskabelbaum in die Lampenmaske verlegt, der eine abgesicherte Relaisschaltung für das Licht, sowie zusätzliche Verbraucher (Bordsteckdose, Heizgriffe,..) versorgt.
- Lenker erneuert, Lenkerverlegung durch geänderte Klemmböcke
- Sitzbank umgepolstert
- farbliches Outfit geändert, überwiegend foliert
- (Serien-)Vergaser überarbeitet, anders bestückt, auf mehr Drehmoment getrimmt.
- Laser-Auspuffanlage auf XTZ angepasst und Sondenanschlüsse zur Motorabstimmung in Krümmer verschweisst.
- Ein auf die Schnelle zusammengestellter Kettenöler (Kraftstoffpumpe aus Standheizung, von modifizierter Conrad-Elektronik angesteuert) machte Kettenfetten überflüssig.

Da sah die Tätärää schon so aus:

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Über Winter ging es an die Feinheiten. An dem Mopped ist von Werk aus alles fest verschraubt, zudem ist Stauraum Mangelware.
Die Sitzbank bekam eine bedienerfreundliche Fernentriegelung per Seilzug; Organspender war die Entriegelungsmechanik einer Suzuki Bandit. Von diesem Mopped stammte auch der hintere Innenkotflügel, der komplett umgebaut jetzt in der Ténéré für ein Vielfaches an Stauraum sorgt. Zugang zum Staufach hat man jetzt über eine klappbare 5mm-Carbonplatte. Diese trägt zudem die Grundplatte der Hecktasche.

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Der Patient auf dem OP-Tisch:
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Vorne im Cockpit wurden die serienmässigen 1x Abblend, 2x Fernlichtschienwerfer durch 2x H4 Klarglas-Abblend-/Fernlichtscheinwerfer ersetzt. Diese stammen aus dem Zubehör und passen demnach nicht plug&play in die Maske. Um weiterhin die Scheinwerferverstellung nutzen zu können, wurden die originalen Serienstreuscheiben entfernt, die alten Reflektoren aufgefräst und die neuen Scheinwerfereinsätze vollflächig verklebt. Und es ward Licht! Sollte es immer noch nicht ausreichen, liesse sich der rechte Scheinwerfer im Handumdrehen auf Xenon umrüsten. Damit habe ich mit der TRX in unbeleuchteten italienischen Tunnel schon sehr erhellende Erfahrunen gemacht.
Um die Navigation jenseits der geteerten Strecken komfortabler zu gestalten, sollte noch ein zweites Navi mit Topokarten ins Cockpit. Im forumseigenen Marktplatz fand ich vor einer Woche das passende Gerät, ein Garmin 2610. Herzlichen Dank an Lord Helmchen. ;)
Die Halterung für das Navi hat inzwischen auch seinen Platz im Cockpit gefunden.


Was kommt als nächstes? Alle Plaste-Anbauteile werden auf Dzus-Schnellverschlüsse umgerüstet. Die Kofferhalter müssen noch konstruiert, die Sturzbügel umgebaut werden. Ganz am Schluss weicht der 750ccm Motor gegen ein 850ccm Pendant aus einer TDM. Dieser hat neben mehr Hubraum eine bessere Getriebeabstufung. Der Triebling mit wenig Kilometer wartet schon fertig eingestellt im Teileregal.
Die Maraschinokirsche auf dem Sahnehäubchen wird in der finalen Evolutionsstufe die Beatmung der Ténéré durch Flachschiebervergaser sein. Temporär sollen hier meine selbstgebauten Keihin FCR40 aus der TRX zum Einsatz kommen. Das Ziel liegt bei rund 90Nm und ca. 80PS. Das sollte der niedriger verdichtete TDM-Motor schon hergeben. Zum Vergleich - die TRX zeichnete über 99Nm/5.300U/min und über 93PS auf das Leistungsdiagramm; gemessen bei 100.000km Laufleistung auf dem Motor.

Keihin im Rohbau:
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Bedarfsgerechte Ansaugtrichter aus Vollmaterial herausgeschält:
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Fertig, jetzt mit vereinfachtem Synchronisierversteller, gibt es so auch nicht zu kaufen:
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Schön, wenn man sich aus dem reichhaltigen Fundus bedienen kann.

André wird sicherlich neugierig auf das Gesamtgewicht des Touristenschiffs sein; ich stelle das Töff am Ende im vollen Reiseornat auf die Waage. Was jetzt schon klar ist, vom Leichtgewicht eurer professionell aufgebauten Rallye-Katis werde ich Galaxien weit entfernt sein. Aber mit euren Sahnestückchen :L lässt sich kaum etwas vergleichen.

Die Kosten für so ein in-den-Dreck-werf-Motorrad wird vielleicht für manch einen interessant sein - derzeit liege ich mit Anschaffung und Ersatzmotor noch unter 2.000,- € Materialkosten (ohne Flachschieber :lol: ).

Die Ténéré wird im Doppelpack aufgebaut. Mit auf der Tour ist mein Kumpel "Klaus vom Berg" (stiller Mitleser hier im Forum), der sich bauartähnlich auch eine XTZ für die Tour rüstet. Auch diese wurde im Herbst vor dem Teileschlachter bewahrt. Das brainstorming der zwei Schraubärbuden funktioniert formidabel!
Hier die zwei Moppeds bei der ersten Ausfahrt letzten Herbst:

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LGKS-Tour, es gibt noch viel zu tun.

Re: Saisonvorbereitung, oder Gnadenhof für alternde 2Räder

Verfasst: Montag 1. April 2013, 19:53
von Gigl
Ich kann nur meine Bewunderung zum Ausdruck bringen, vor soviel Geschick und Schrauberkenntnis! :L

Aus altem Eisen und Kunststoff ein so tolles Gerät auf die Räder zu stellen, dazu kann ich nur gratulieren! ;)

Viel Spaß damit

Gigl

Re: Saisonvorbereitung, oder Gnadenhof für alternde 2Räder

Verfasst: Montag 1. April 2013, 20:23
von Balu
Himmel Arsch und Zwirn ...

Könnt ich doch dein Nachbar sein!
Voll geiler Umbau! Ich find deine/eure Ideen echt super!
So ein Maschinchen aus deiner Hand könnte mir gut gefallen! :mrgreen:

Re: Saisonvorbereitung, oder Gnadenhof für alternde 2Räder

Verfasst: Montag 1. April 2013, 20:48
von Andre
Lieber Ryna McGyver,

mir war zwar schon vorher klar, dass Du aus einem Tüddelband und einem Gummibärchen nahezu alles zu bauen in der Lage bist :lol: , aber was Du hier zusammengeschraubt hast ist schon die wahre Wonne :L :L (und dass auch noch ohne die Kriegskasse zu arg zu beuteln).
Ich kann Dir versichern, wäre ich mit Deinem Sachverstand und Geschick gesegnet würde auch mein Weg nicht in die "Profiküche" zur Umrüstung gehen, sondern in die heimische Garage.

Ich bin sehr gespannt, dass Teil in natura zu erleben. Klar interessiert mich das auch Gewicht, aber nicht um irgendwelche Vergleiche heranzuziehen (was mir eh nicht zusteht, da ich keinen Handschlag an meinem Moped dafür mache), sondern lediglich in der Betrachtung in wie weit sich welcher Gewichtsunterschied in der Praxis sich nun wirklich bemerkbar macht.
Bislang kann ich ja lediglich die GS ADV gegen die "nackte" 690er vergleichen - dass sind ungefähr 100 kg - und im handling abseits des Asphalts sind das definitiv schon Galaxien.

Mögen Dir auch weiterhin nie die Ideen ausgehen :L

Gruss
André

Re: Saisonvorbereitung, oder Gnadenhof für alternde 2Räder

Verfasst: Montag 1. April 2013, 20:51
von boro
Der Reiner ist ein gescheiter Fuchs. :L



Gruß
Jochen

Re: Saisonvorbereitung, oder Gnadenhof für alternde 2Räder

Verfasst: Montag 1. April 2013, 21:18
von ryna
André, das Gewicht der Tätärää ist bei motorradonline mit 235kg ausgewiesen, d.h. mit 26l Sprit an Bord. Unter diese Zahl werde ich kaum kommen, dazu fehlen die Mittel und die Zeit. Leichtbaumotorräder habe ich schon gebaut, das frisst neben einem wenig bescheidenen Geldbetrag auch eine sehr grosse Menge Zeit weg. Die Ligurische wollte ich noch im rüstigen Alter befahren. :lol:
Ein Bild aus dem Archiv, wie Leichtbau im Motorinneren aussah. Als Mann vom Fach kannst du in etwa den Aufwand mit Bastelkellermitteln abschätzen:

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Ziel an derTenere ist es, ein cremig zu fahrendes 2Rad für leichtere Offroadausflüge auf die Räder zu stellen, mit dem es sich von Zuhause auf eigenen Rädern ins Zielgebiet und zurück fahren lässt und das zudem in die finanzielle Schublade "Drittmotorrad" passt. Zudem schmerzt ein Umfaller bei einem alten Hobel deutlich weniger, was sich auch auf einen gelockerten Fahrstil auswirkt.


Andre hat geschrieben:Mögen Dir auch weiterhin nie die Ideen ausgehen :L
Danke! :L
Das Leben würde andernfalls recht trostlos werden.

Re: Saisonvorbereitung, oder Gnadenhof für alternde 2Räder

Verfasst: Montag 1. April 2013, 22:17
von maxmoto
Ich hoffe, Du bist des Bayerischen soweit mächtig, dass Du erkennst, dass es sich bei folgendem Ausspruch um das im Bayerischen größtmögliche Kompliment handelt.
Mensch ryna, Du bist a Hund!
Ich überleg mir dauernd, ob ich für die LKS und das Schotterjahr noch ne alte Domi oder ähnliches zulegen soll, kam zu dem Schluß, dass ich mit meiner GS fahre und die einfach für einen Monat Vollkasko versichere, weil das die scheinbar billigste Lösung ist und jetzt haust Du da ein Pfund raus, das mich richtig grübeln lässt.
Nicht, dass ich sowas nur ansatzweise könnte - ich müsste alles dem Schrauber meines Vertrauens in Auftrag geben und dann wäre so eine 1.000 € Domi sicher gleich bei gut 3.000 € - also wird's wohl bei Vollkasko für die GS bleiben.
Ich freu mich aber schon drauf, Dein Teil in Natura zu sehen.
Hut ab!

Re: Saisonvorbereitung, oder Gnadenhof für alternde 2Räder

Verfasst: Montag 1. April 2013, 23:01
von ryna
Max, eine Domi 650 hatte ich bis vor ein paar Jahren auch. An der musst du für so eine Tour fast nichts machen. Der Motor mit seinem geringen Ölvorrat wird recht heiß, ein Ölkühler hilft nachhaltig. Für meine Domi habe ich mir bei ebay den Ölkühler einer ollen GSX 550 für ~10€ besorgt, in einem Hydraulikfachgeschäft Leitungen mit Schraubanschlüsse pressen lassen ( ~30€) und in die Leitung zum Öltank/Rahmenhauptrohr eingeschleift.
Es muss speziell nicht zwingend der Kühler einer GSX sein, es geht nahezu alles in der kleinen Baugrösse.

Billiger als VK ist das allemal und leichter zu fahren als die GS vermutlich auch. Bei Bedarf versorge ich dich mit Detailbilder zum Nachbauen.