Marokko
Verfasst: Dienstag 4. Juni 2013, 20:03
Es ist laut, sehr laut! Es ist hektisch, sehr hektisch!! Ein undurchdringliches Stimmengewirr legt sich über die Szene in mindestens fünf verschiedenen Sprachen. Wir werden von zehn Leuten gleichzeitig angesprochen, die uns ihre „Hilfe“ anbieten. Aber was heißt hier schon „uns“? Anke wird als Frau gänzlich ignoriert und wir hören immer nur „Monsieur, Monsieur“. Schnell merken wir, dass Hilfe gleichbedeutend ist mit Business, und Höflichkeit gerne als Schwäche gedeutet wird. Der aufkommende Ärger über diese Tatsache hilft uns dann, uns von der provozierten Hektik nicht anstecken zu lassen und mit klarem Kopf die Situation zu erfassen.
Was ist denn schon passiert? Obwohl auf afrikanischem Kontinent befinden wir uns auf spanischem Boden innerhalb der Enklave Ceuta (oder Sebta) und nähern uns den hermetisch abgeriegelten Grenzanlagen. Hunderte selbsternannte Schreiber wollen gegen ein entsprechendes Trinkgeld bei den Einreiseformalitäten behilflich sein und kennen vor lauter Konkurrenzkampf kein Halten mehr. Einer ist im unvermeidlichen Stop&Go vor der eigentlichen Grenze besonders hartnäckig und spricht mich in einer Mischung aus Französisch, Spanisch, Englisch, Deutsch immer wieder an. Irgendwann frage ich ihn nach seinen Vorstellungen und bekomme direkt das zweite Vorurteil bestätigt: „Was Du meinst.“ Genau davor wird in den einschlägigen Foren gewarnt und die Vereinbarung eines Festpreises empfohlen. Als ich ihm sage „Nichts“ wird das dritte Vorurteil widerlegt: von wegen sprachgewaltig und schlagfertig. Der Mensch ist fassungslos sprachlos. Meine Begründung, dass wir uns das auch ohne fremde Hilfe zutrauen scheint ihn jedoch so bei der Ehre zu packen, dass er einwilligt und uns ohne Bakschisch bei den Grenzformalitäten helfen will. Auf den Müllhaufen mit den Vorurteilen. Es lockt ein uns unbekannter Kontinent mit einer fremden Kultur und Religion, die wir als Gäste ungeachtet allen Unverständnisses achten und respektieren wollen. Also auf in unser „Abenteuer“.
Tatsächlich sind wir in einer knappen halben Stunde afrikatauglich abgestempelt und bedanken uns entgegen der Vereinbarung mit zehn Euro. Spätestens jetzt geraten auch die Vorurteile gegenüber uns Europäern in bedenkliche Schieflage und wir trennen uns in Freundschaft mit herzlichen Umarmungen.
Jetzt sind wir tatsächlich hier! Gestern noch standen wir vor diesem Wegweiser: So nah und aufgrund der heftigen Stürme doch so fern. Alle Fähren waren abgesagt, sodass wir uns auf einem Campingplatz in Tarifa einrichten und noch einmal gedanklich unser Vorhaben durchgehen. Noch nie haben wir soviele ungläubige Reaktionen ob unseres Reisezieles erhalten! Die aktuelle Sicherheitslage, der Krieg in Mali und die Warnungen des Auswärtigen Amtes wurden immer wieder angeführt. Natürlich haben wir diese Dinge auch verfolgt, waren uns aber auch einig, dass in einem Land, in dem Tausende europäische Rentner den Winter mit ihren Wohnmobilen verbringen, keine großen Sicherheitsrisiken zu erwarten sind. Zudem soll es auch in deutschen Großstädten bei nächtlichen Kneipenbummeln schon zu Gewalttaten gekommen sein.
So mutiert unsere Raseenduro wieder zur Reiseenduro und wird erstmalig per Spedition in sonnigere Gefilde nach Madrid verfrachtet. Wir fliegen eine Woche später nach und entscheiden uns aufgrund der durch den langen Winter fehlenden Fahrpraxis, erst einmal zwei Tage von Madrid über Landstraßen durch Andalusien in Richtung Tarifa zu bummeln. Endlich wieder on the road, Sonne und Landschaft genießen und wieder Vertrauen in Maschine und Fahrkönnen sammeln. Beinahe unverzeihlich, welche Orte und Landschaften zu Randerscheinungen verkommen, da wir erstmalig in Andalusien sind. Südlich von Ronda machen wir Pause am Embalse del Guadarranque bevor wir in Tarifa die Zwangspause zu einem Strandspaziergang nutzen und uns davon überzeugen können, dass es die Sonne tatsächlich noch gibt. Tags darauf das gleiche Bild: heftige Stürme verhindern jeglichen Fährverkehr. So brechen wir auf gut Glück auf nach Algeciras, wo heute auch tatsächlich eine einzige Fähre ablegen soll. Das wird unsere! Und so können wir nach der oben geschilderten Prozedur die Uhren um zwei Stunden zurückdrehen und die ersten 150 km auf marokkanischem Boden zurücklegen. Zunächst befahren wir eine vierspurige mit Palmen gesäumte Straße direkt an der Küste entlang. Trotz der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h kommt keine Langeweile auf, da es schon hier soviel Neues und Fremdes zu sehen gibt! Landschaftlich interessant wird es hinter Tetouan, wo wir in das R(K)ifgebirge abbiegen und für die erste Nacht unser Zelt in Chefchaouen aufbauen. Chefchaouen ist eine schöne Stadt, die lange unter spanischem Einfluss stand und mit ihren blauweiß gestrichenen Häusern und engen Gassen auch eher andalusisch wirkt. Leider ist es schon spät, sodass wir auf unserem abendlichen Bummel durch den Ort kaum Fotos machen können. Dafür zieht uns das Treiben sofort in seinen Bann und wir genießen die Atmosphäre.
Am nächsten Morgen starten wir zur Durchquerung des Rifgebirges; eines der größten Cannabisanbaugebiete überhaupt. Früher wurde die Durchreise nur im Konvoi empfohlen, was heute überflüssig erscheint. Allerdings nervt die ständige Anmache schon ein wenig. Überhaupt entsteht der Eindruck, dass wir trotz der vermeintlichen Einsamkeit beim Bereisen einer wunderschönen Gebirgslandschaft nie „allein“ sind. Sobald wir anhalten um ein Foto zu schießen, die Karte zu wenden oder einfach eine Pause einzulegen , wächst ein Mensch aus dem Boden, der in gewohnter Neugierde einen Haufen Fragen stellt und grundsätzlich etwas zu verkaufen hat. Der normale Ablauf eines Gespräches entwickelt sich in etwa so: Bonjour! – Ca va? – Wie heißt Du? – Wo kommst Du her? – Wo willst Du hin? – Smoke? Haschisch? Chocolade? Höfliches aber bestimmtes Ablehnen reicht in den meisten Fällen und während einer ca. einstündigen Picknickpause lernen wir gezählte 15 verschiedene Verkäufertypen kennen!
So erreichen wir über die N2 und die R509 durch abwechslungsreiche, kurvenreiche Gebirgslandschaft mit Zedern- und Eichenwäldern unser Tagesziel Fes wieder relativ spät. Schon weit im Norden der Stadt warten an den Kreisverkehren der Zubringerstraßen die „Hello – Brothers“ auf Reisende: Mopedfahrende Schlepper, die „Hello“ – rufend und neben Dir her fahrend ihre Hilfe bei der Suche nach Medina, Hotel oder Campingplatz anbieten. Total uneigennützig und karitativ, natürlich. Wir lachen und erwidern die Rufe, finden unseren Weg aber auch so und checken auf dem empfehlenswerten Campingplatz für zwei Nächte ein, um uns die alte Königsstadt Fes einen Tag lang in Ruhe anzuschauen.
Die älteste der vier Königsstädte mit der sagenumwobenen Medina. Wir lassen uns vom Campingplatz per Taxi an den Südrand der Medina fahren und bummeln den kompletten Tag durch die Stadt. Von der ersten Sekunde an sind wir fasziniert und lassen uns von dem orientalischen Charme verzaubern. Enge Gassen, die nur mit Handkarren oder Eseln versorgt werden können liegen unter schattenspendenden Strohmatten. Lebende Tiere landen Minuten später auf Tellern, Handwerker zaubern Gegenstände mit spärlichstem Werkzeug, Geräusche und Gerüche lassen uns mehr als einmal zusammenzucken, da sie kaum zuzuordnen sind.
Was ist denn schon passiert? Obwohl auf afrikanischem Kontinent befinden wir uns auf spanischem Boden innerhalb der Enklave Ceuta (oder Sebta) und nähern uns den hermetisch abgeriegelten Grenzanlagen. Hunderte selbsternannte Schreiber wollen gegen ein entsprechendes Trinkgeld bei den Einreiseformalitäten behilflich sein und kennen vor lauter Konkurrenzkampf kein Halten mehr. Einer ist im unvermeidlichen Stop&Go vor der eigentlichen Grenze besonders hartnäckig und spricht mich in einer Mischung aus Französisch, Spanisch, Englisch, Deutsch immer wieder an. Irgendwann frage ich ihn nach seinen Vorstellungen und bekomme direkt das zweite Vorurteil bestätigt: „Was Du meinst.“ Genau davor wird in den einschlägigen Foren gewarnt und die Vereinbarung eines Festpreises empfohlen. Als ich ihm sage „Nichts“ wird das dritte Vorurteil widerlegt: von wegen sprachgewaltig und schlagfertig. Der Mensch ist fassungslos sprachlos. Meine Begründung, dass wir uns das auch ohne fremde Hilfe zutrauen scheint ihn jedoch so bei der Ehre zu packen, dass er einwilligt und uns ohne Bakschisch bei den Grenzformalitäten helfen will. Auf den Müllhaufen mit den Vorurteilen. Es lockt ein uns unbekannter Kontinent mit einer fremden Kultur und Religion, die wir als Gäste ungeachtet allen Unverständnisses achten und respektieren wollen. Also auf in unser „Abenteuer“.
Tatsächlich sind wir in einer knappen halben Stunde afrikatauglich abgestempelt und bedanken uns entgegen der Vereinbarung mit zehn Euro. Spätestens jetzt geraten auch die Vorurteile gegenüber uns Europäern in bedenkliche Schieflage und wir trennen uns in Freundschaft mit herzlichen Umarmungen.
Jetzt sind wir tatsächlich hier! Gestern noch standen wir vor diesem Wegweiser: So nah und aufgrund der heftigen Stürme doch so fern. Alle Fähren waren abgesagt, sodass wir uns auf einem Campingplatz in Tarifa einrichten und noch einmal gedanklich unser Vorhaben durchgehen. Noch nie haben wir soviele ungläubige Reaktionen ob unseres Reisezieles erhalten! Die aktuelle Sicherheitslage, der Krieg in Mali und die Warnungen des Auswärtigen Amtes wurden immer wieder angeführt. Natürlich haben wir diese Dinge auch verfolgt, waren uns aber auch einig, dass in einem Land, in dem Tausende europäische Rentner den Winter mit ihren Wohnmobilen verbringen, keine großen Sicherheitsrisiken zu erwarten sind. Zudem soll es auch in deutschen Großstädten bei nächtlichen Kneipenbummeln schon zu Gewalttaten gekommen sein.
So mutiert unsere Raseenduro wieder zur Reiseenduro und wird erstmalig per Spedition in sonnigere Gefilde nach Madrid verfrachtet. Wir fliegen eine Woche später nach und entscheiden uns aufgrund der durch den langen Winter fehlenden Fahrpraxis, erst einmal zwei Tage von Madrid über Landstraßen durch Andalusien in Richtung Tarifa zu bummeln. Endlich wieder on the road, Sonne und Landschaft genießen und wieder Vertrauen in Maschine und Fahrkönnen sammeln. Beinahe unverzeihlich, welche Orte und Landschaften zu Randerscheinungen verkommen, da wir erstmalig in Andalusien sind. Südlich von Ronda machen wir Pause am Embalse del Guadarranque bevor wir in Tarifa die Zwangspause zu einem Strandspaziergang nutzen und uns davon überzeugen können, dass es die Sonne tatsächlich noch gibt. Tags darauf das gleiche Bild: heftige Stürme verhindern jeglichen Fährverkehr. So brechen wir auf gut Glück auf nach Algeciras, wo heute auch tatsächlich eine einzige Fähre ablegen soll. Das wird unsere! Und so können wir nach der oben geschilderten Prozedur die Uhren um zwei Stunden zurückdrehen und die ersten 150 km auf marokkanischem Boden zurücklegen. Zunächst befahren wir eine vierspurige mit Palmen gesäumte Straße direkt an der Küste entlang. Trotz der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h kommt keine Langeweile auf, da es schon hier soviel Neues und Fremdes zu sehen gibt! Landschaftlich interessant wird es hinter Tetouan, wo wir in das R(K)ifgebirge abbiegen und für die erste Nacht unser Zelt in Chefchaouen aufbauen. Chefchaouen ist eine schöne Stadt, die lange unter spanischem Einfluss stand und mit ihren blauweiß gestrichenen Häusern und engen Gassen auch eher andalusisch wirkt. Leider ist es schon spät, sodass wir auf unserem abendlichen Bummel durch den Ort kaum Fotos machen können. Dafür zieht uns das Treiben sofort in seinen Bann und wir genießen die Atmosphäre.
Am nächsten Morgen starten wir zur Durchquerung des Rifgebirges; eines der größten Cannabisanbaugebiete überhaupt. Früher wurde die Durchreise nur im Konvoi empfohlen, was heute überflüssig erscheint. Allerdings nervt die ständige Anmache schon ein wenig. Überhaupt entsteht der Eindruck, dass wir trotz der vermeintlichen Einsamkeit beim Bereisen einer wunderschönen Gebirgslandschaft nie „allein“ sind. Sobald wir anhalten um ein Foto zu schießen, die Karte zu wenden oder einfach eine Pause einzulegen , wächst ein Mensch aus dem Boden, der in gewohnter Neugierde einen Haufen Fragen stellt und grundsätzlich etwas zu verkaufen hat. Der normale Ablauf eines Gespräches entwickelt sich in etwa so: Bonjour! – Ca va? – Wie heißt Du? – Wo kommst Du her? – Wo willst Du hin? – Smoke? Haschisch? Chocolade? Höfliches aber bestimmtes Ablehnen reicht in den meisten Fällen und während einer ca. einstündigen Picknickpause lernen wir gezählte 15 verschiedene Verkäufertypen kennen!
So erreichen wir über die N2 und die R509 durch abwechslungsreiche, kurvenreiche Gebirgslandschaft mit Zedern- und Eichenwäldern unser Tagesziel Fes wieder relativ spät. Schon weit im Norden der Stadt warten an den Kreisverkehren der Zubringerstraßen die „Hello – Brothers“ auf Reisende: Mopedfahrende Schlepper, die „Hello“ – rufend und neben Dir her fahrend ihre Hilfe bei der Suche nach Medina, Hotel oder Campingplatz anbieten. Total uneigennützig und karitativ, natürlich. Wir lachen und erwidern die Rufe, finden unseren Weg aber auch so und checken auf dem empfehlenswerten Campingplatz für zwei Nächte ein, um uns die alte Königsstadt Fes einen Tag lang in Ruhe anzuschauen.
Die älteste der vier Königsstädte mit der sagenumwobenen Medina. Wir lassen uns vom Campingplatz per Taxi an den Südrand der Medina fahren und bummeln den kompletten Tag durch die Stadt. Von der ersten Sekunde an sind wir fasziniert und lassen uns von dem orientalischen Charme verzaubern. Enge Gassen, die nur mit Handkarren oder Eseln versorgt werden können liegen unter schattenspendenden Strohmatten. Lebende Tiere landen Minuten später auf Tellern, Handwerker zaubern Gegenstände mit spärlichstem Werkzeug, Geräusche und Gerüche lassen uns mehr als einmal zusammenzucken, da sie kaum zuzuordnen sind.