Ein Abenteuer und was davon übrig blieb
Verfasst: Freitag 28. August 2015, 19:29

Wie ein umgefallener Korkenzieher schraubt sich die Straße 11km den Berg nach oben. Ich bin wieder Zuhause. Zuhause auf einer meiner Hausstrecken. Ich suche die Strasse vor mir systematisch nach Schlaglöchern, Versenkungen, Geröll und Kies, knöchelhohen Pfützen oder Streifen komplett fehlenden Asphalts ab... doch die Strasse ist in tadellosem Zustand. Schon bin ich ein wenig gelangweilt und sehne mich an die Strassen des griechischen Hochgebirges und Albaniens zurück, die mich immer wieder an einen Endzeitfilm erinnert haben.
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Endlich ist Land in Sicht. Die Überfahrt von Acona nach Patras schien sich für mich in eine quälende Länge zu ziehen... wollten wir doch endlich auf unsere Motorräder aufsitzen und einfach nur losfahren...

Schnell lassen wir Patras hinter uns und erreichen die Strassen ins Gebirge. Wir werden nicht enttäuscht. Vor uns befinden sich herrliche kleine Strassen, die sich ihren eigenen Weg den Berg hinauf suchen. Ein Intermezzo einer Kurvenorgie, sodass uns vor Freude fast schwindelig wird. Endlich wieder eins mit der Maschine. Das Fliegen über den Asphalt und die Suche nach der perfekten Linie. Wir sind im Fluss.


Unzählige Kilometer fliegen wir über die Strassen hinweg und folgen den sich ewig windenden Strassen in all ihren Variationen bergauf und bergab von Tal zu Gipfel und zum nächsten Tal.

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Nach zwei Tagen stehen wir an der Grenze zu Albanien. Ein Zollbeamter möchte uns davon abraten diese Route zu wählen, da die Strasse in katastrophalem Zustand sei in Albanien und wir besser an einem Grenzübergang weiter östlich in das Land einreisen sollten.

Wir wollen jedoch unser Glück probieren. - Der Zollbeamte hatte nicht untertrieben. Was die Strasse so katastrophal machte, war der Umstand, dass nur noch rund 50 bis 60 Prozent Asphalt auf dieser waren, der Rest war gesäumt mit riesigen und auch tiefen Schlaglöchern, Geröll und loser Erde. Die Strasse sah aus, als sein ein Kometenregen auf diese niedergegangen. So etwas hatte ich noch nicht einmal in Kambodscha gesehen. Hier zu fahren trieb die Anforderungen auf eine neue Stufe für mich und erforderte volle Konzentration... für einen erfahrenen Offroad-Profi sicherlich "normal"; für mich etwas völlig Neues und es bereitete mir Freude wie einem kleinen Kind. Nach zehn Minuten kamen uns zwei Mopedfahrer auf Adventuremopeds entgegen. Der Vordere hatte den Hinteren im Schlepptau. Der tat mir richtig leid... hier einen Ausfall der Maschine zu haben, ist ein technisches Worst-Case-Szenario, denn schon nach der Durchfahrt des ersten Städtchens, was mehr einer riesigen Barracke glich, wurde einem klar, dass die Menschen hier, wenn auch überschwenglich freundlich, wirklich sehr arm waren. Hier sah man nicht einmal eine Tankstelle, noch sonst ein "richtiges" Geschäft. An Ersatzteile oder eine passende Werkstatt war hier erst einmal nicht zu denken. Wohlhoffend, dass uns nicht gleiches Schicksal ereilen würde, setzten wir unsere fahrt fort und flogen an einigen Off-Road-Vehikeln aus Griechenland und Tschechien vorbei, die hier offensichtlich auch ihren Spass suchten.
Nach guten 30km erreichten wir das nächste Städtchen. Zum Glück gab es hier so etwas wie eine Tankstelle.

Da es noch nicht allzu spät war, beschlossen wir unsere Reise fortzusetzen, da die Strasse hier auch schon wieder wesentlich besser aussah. Bis wir eine Unterkunft zum Übernachten fanden, mussten wir noch eine Stunde durch die Dunkelheit fahren...
Schließlich erreichten wir einen Campingplatz, aßen Lamm, tranken amerikanisches Bier und schliefen in einer Blockhütte.

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Im weiteren Verlauf der Reise kamen wir am Ohrid-See vorbei und sollten von dort aus eine Strasse ins Gebirgen einschlagen... wir holperten also gute 15km über Geröll und am Ende standen wir hier.

Ja, da guggste blöd, wenn Du in Deiner Karte eine Straße eingezeichnet hast und am Ende in einer Sackgasse stehst

Die Kinder fanden es sichtlich auch lustig, was die beiden Deppen auf ihren fetten Maschinen hier machen.

Bei Albanien wird einem bewusst, dass die Menschen hier noch einmal unter ganz anderen Bedingungen zu leben haben, wie es zum Beispiel in Mazedonien oder Montenegro der Fall ist.

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Irgendwann nach Kotor und Dubrovnik hat sich mein Freund dann entschieden einfach anzuhalten und umzudrehen. Ich bin vorausgefahren und habe das erst gar nicht mitbekommen; also fuhr ich rechts ran und habe gewartet. Da schon nach kurzer Zeit die Autos vorbeifuhren hinter denen er hätte sein müssen, es aber nicht war, bekam ich schon einen Schreck, dass etwas passiert sein könnte und bin sofort die Strecke zurückgefahren. Gute 10 km habe ich das gemacht, da er nirgends auszumachen war


Ich war erst einmal sprachlos... - Wenn irgendwas nicht gestimmt hätte, wieso hatte er die ganze Zeit nichts gesagt? Mehrmals habe ich gefragt, ob alles in Ordnung sei und er antwortete immer mit "Ja", auch wenn mir seine zunehmende Stille die letzten 1 1/2 Tagen auch aufgefallen waren. Ich dachte, es wäre etwas privates Zuhause und hatte deswegen nie nachgehakt.
Jetzt stehe ich hier also... an der Küste Kroatiens. Ohne den Freund, mit dem ich die Tour gemeinsam geplant hatte und wir uns schon Monate vorher darauf gefreut hatten. Und jetzt ist etwas passiert, womit ich überhaupt nicht gerechnet hatte.
Zu einer Interaktion gehören immer zwei. Ich muss also zwangsläufig etwas getan haben, was Anteil daran hat, weshalb er jetzt nicht mehr hier ist. Es geht mir in meinen Gedanken nicht um Schuldzuweisung... ich wüsste nur zu gerne, was der Auslöser gewesen ist, dass jemand einfach abhaut. Abhaut ohne Bescheid zu sagen, was ihm nicht gefällt und was es für ihn derart unerträglich macht, dass er die Reise nicht weiter fortsetzen möchte. Das gibt mir zu denken...
... und ich bin ihm nicht einmal böse, da er ein sehr guter Freund für mich gewesen ist... ich bin einfach nur maßlos enttäuscht, dass er nicht ein einziges Mal einfach seinen Mund aufgemacht und gesagt hat, was ihm missfällt und was er gerne anders hätte und ich hätte es ihm zu Liebe sofort getan, denn ich will schließlich, dass auch er sich wohl fühlt. Aber das ist einfach nicht geschehen...

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Ich fahre noch am gleichen Tag durch bis in die Slowakei und übernachte dort. Am Folgetag nehme ich noch ein paar Alpenpässe mit und erreiche am späten Abend mein Zuhause.
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