Kreis Herzogtum Lauenburg
Endlich geht es los! Viel zu früh wache ich auf, freue mich auf die erste Ortsentdeckertour. Der Mond will seinen Platz da oben noch nicht an die Sonne abtreten, die ihr Erscheinen aber schon mit einem Dämmern ankündigt. Das Thermometer zeigt knappe +2°C an. Also noch Warten. Die sechsjährige Tochter hilft mir begeistert: „Komm, wir machen mal alle meine Puzzles!“ Okay. Mama darf ausschlafen.
Vier Stunden später steht die meine „Diva“ vor dem Haus. Die dunkelgrüne Yamaha XJ 600 S Diversion funkelt im flachen Sonnenlicht als hätte ich sie ausgiebig poliert. Man muss eben einfach nur auf das richtige Licht warten.
Die Batterie habe ich über Nacht im Keller geladen, noch warm baue ich sie ein. Ein Druck auf den Startknopf und nach kurzem Kurbeln erwacht der kleine Vierzylinder zum Leben. Ich gönne ihm den gezogenen Choke, während ich den Helm aufsetze und mich in die Handschuhe zwänge. Dann geht es los.
Tangstedt, Start- und Zielpunkt meiner Ausritte
Als erste Etappe meiner Schleswig-Holstein-Erkundungsfahrten habe ich mir das Herzogtum Lauenburg ausgesucht. Sollte es an diesem Februartag doch noch zu kalt sein, bin ich relativ schnell wieder zurück.
Aber das Wetter beglückt mit blauem Himmel und Sonnenschein, vorbei am Hamburger Nordosten und durch Ahrensburg. Dann wird es ländlicher und mein erstes Ziel kommt in Sicht.
Rausdorf
In Rausdorf kommen mir die ersten Motorräder entgegen. Es ist später Vormittag. Harleymusik weckt nun auch den letzten Langschläfer, lässig werde ich gegrüßt.
Schwarzenbek / Swattenbeek
Wenig später fahre ich nach Schwarzenbek hinein und muss grinsen. Das Ortsschild ist zweisprachig. Op Platt heet dat nu wohl ook Swattenbeek.
An einer Ampel rollt ein Wagen neben mich, tiefe Bässe wummern gegen meinen Helm. Als ich zur Seite blicke, steht da ein flacher silbergrauer Renner, eine große Sonnenbrille nickt im Takt. Der Typ trägt Hörgeräte. Aha.
Ich ziehe raus aus dem Ort, ruhig summt der Motor unter mir. Ich bin gespannt auf mein nächstes Ziel. Mitten in der Wildnis steht ein Motorrad am Rand, daneben der Fahrer. Ich halte bei ihm. Frage, ob alles in Ordnung ist. Ist es, er musste nur mal eben eine rauchen. Na, dann mal weiter.
Juliusburg
Von der Juliusburg, sollte es sie je gegeben haben, ist nichts mehr zu entdecken.
Lanze
Die Felder ringsum scheinen immer größer zu werden, ich bin im Gebiet des Elbe-Lübeck-Kanals.
Kurz hinter Basedow entdecke ich eine Brücke. Ein guter Platz für eine kurze Rast, ich habe Durst. Mitten auf den dicken Holzplanken trohnt ein Haufen Pferdeäpfel. Landidylle. Die ganze Brücke bebt, wenn ein Auto langsam darüberfährt.
Lütau
Wangelau
In Wangelau bestimmt die Lesart den Spaß am Ortsnamen. „Kaltepfote“ wär ja auch mal gut. Ob`s das vielleicht sogar gibt? Muss ich dringend Zuhause recherchieren.
Schulendorf
"Königreich Franzhagen es grüßt der Schützenkönig P.Wandschneider von 2003 bis 2004"
Hier hat sich jemand offenbar selbst ein Denkmal gesetzt.
Müssen
Müssen. Der Name ist Programm, mich zieht`s unmittelbar hinter den nächsten Baum. Der Kaffee ist durch.
Groß und Klein Pampau
Siebeneichen
Siebeneichen hat tatsächlich Chancen auf den Titel „Schönes Dorf“. Prachtvoll liegt die alte Feldsteinkirche im Ortskern. Kleine Häuser bilden einen Kreis in würdevollem Abstand. Nur Eichen kann ich nicht erkennen. Im Sommer könnten die Linden dafür ganz schön klebrig werden. Aber noch sind die Bäume unbelaubt und es zieht mich weiter.
Dorfkirche zu Siebeneichen / Fähre über den Elbe-Lübeck-Kanal bei Siebeneichen
Das Navi leitet mich die Kanalstrasse hinab, aber plötzlich ist der Weg zu Ende. Ein Schild klärt mich auf, dass die Elbe-Lübeck-Kanalfähre erst in etwas über einem Monat wieder fahren wird. Ich gönne mir eine Pause am Ufer, aber bis April will ich nicht warten. Ein freundlicher älterer Herr weist mir den Weg zur nächsten Brücke bei Büchen.
Fitzen
Hinter Fitzen führt mein Weg kilometerlang über frischen Asphalt geradeaus. Links und rechts säumt Wald die Straße. Ich lasse mich und die Gedanken schweifen. Schön ist es hier.
Göttin, alt und neu
Dann plötzlich ein Abzweig, ich muss scharf bremsen. Beinahe hätte ich den Weg nach Göttin verpasst. Oder heißt es zur Göttin? Am Ortseingang erwarten mich gleich zwei Ortsschilder. Beim Aufstellen des neuen hat man das alte wohl vergessen. Oder hat sich niemand getraut, die ursprüngliche Göttin zum Schrott zu werfen?
Womöglich bin ich in eine fromme Gegend geraten, denn wenig später entdecke ich diesen LKW auf dem Firmengelände einer Spedition…
Sogar mit Quellenangabe: Gal. 6.1
Weiter geht es durch ländliche Straßen, zum Teil von Linden gesäumt. Ich lasse die Diva schnurren und genieße die Landschaft um mich herum. Zwar macht die große Tourenscheibe ihre Arbeit und hält mir den Fahrtwind von der Brust, aber insgesamt ist es doch ein kühler Tag. Außerdem wird es oberhalb 80km/h recht laut. Turbulenzen umrauschen dann unangenehm den Helm. Ich denke über einen Aufsatzspoiler nach.
Ach egal, im Sommer kommt wieder die kleine Scheibe drauf und heute habe ich alle Zeit der Welt. Dieser Sonntag gehört nur mir.
Ein Freund sprach erst vor kurzem vom „Motorradwandern“. Und heute beginne ich zu erahnen, was er damit meinte.
Hakendorf
Klein und Groß Zecher
Klein und Große Zecher. Welche Geschichte mag wohl zu diesen Namen geführt haben? Ein Schelm, wer böses dabei denkt.
In Klein Zecher findet sich ein Gedenkstein. Die Inschrift lautet: „1996 In Erinnerung an den Wallfahrtsort Kl. Zecher mit Heilquelle und Marien-Kapelle 1230 / 1406“. Vielleicht werde ich später mal nachforschen… Wikipedia hält sich wortkarg. Eines erfahre ich immerhin. Ich stehe auf einer Anhöhe von stolzen 43 Metern über Normalnull. Für Schleswig-Holstein, dessen höchste Erhebung überhaupt der Bungsberg mit 167,4 Meter misst, ist das doch schon was.
Klein Zecher
Die Gegend hier sieht ganz anders aus als rund um mein Zuhause. Große Ackerflächen und kleinere Kiefernwäldchen erinnern mich an einen Sommerurlaub auf Rügen. Dabei bin ich grad mal 100km gefahren.
Zuckerhut
Seedorf
Windmühle
Ratzeburger Dom / Bikertreff an der Schlosswiese
An der Ratzeburger Schlosswiese finden sich an schönen Tagen viele Sonnenhungrige ein. Es gibt fangfrischen Fisch, Kaffee, Kuchen und Eis. Ein beliebter Tourenstopp für Motorradfahrer. Ich parke meine kleine Diva zwischen einer böse aussehenden Bandit und einer sehr schicken Moto Guzzi. Hier stehen ganz schöne Rennsemmeln. Ob die auf Dauer auch so bequem sind wie meine Kleine? Auch so manche Sozia kriegt offensichtlich nicht viel Kissen geboten.
Einhaus
Einhaus. Der Name trügt, hier gibt es tatsächlich mehrere Behausungen!
Als ich die Maschine am Straßenrand abstelle, hält neben mir ein Auto. Musik quillt aus der herunterfahrenden Seitenscheibe, eine grellbunt geschminkte Frau mit Lippenpiercings und rosa Haarpracht grinst mich an. Der dazu passende braungebrannte Muskelmann lehnt sich vom Fahrersitz herüber: „Brauchen Sie Hilfe?“ Ich bin gerührt, ausgerechnet die beiden halten an und sind besorgt um mich. Ich muss meine Klischees dringend mal überdenken...
Und erst jetzt fällt mir auf, wie viele Motorradfahrer heute grüßend an mir vorbeigeschossen sind, als ich irgendwo vor einem Ortsschild am Straßenrand stand. Kein einziger hatte mal nachgefragt.
Oh ja, ich muss wirklich dringend meine Klischees überdenken!
Unmittelbar an der B208 entdecke ich diese Plüschtiere auf der Weide. Als ich näher komme, werde ich vielstimmig und mit quietschendem „I-A“ begrüßt. Einige der brauen sind so groß wie Pferde. Wie hießen die im Zoo nochmal? Katalanische Riesenesel?
Siebenbäumen
Labenz
Labenz, das
Ein allgemein bekannter Gegenstand oder eine vertraute Erfahrung, für den oder die bisher noch keine Bezeichnung existiert.
Douglas Adams, John Lloyd & Sven Böttcher: Der tiefere Sinn des Labenz
Die Sonne steht schon tief am Himmel, das Gegenlicht blendet. Mein getöntes Innenvisier leistet jetzt gute Dienste. Die Schatten werden deutlich länger und es wird wieder kälter.
Auf meiner Ortsnamen-Liste stehen für heute eigentlich noch Schretstaken, Köthel und Rümpel. Ich entschließe mich aber für den direkten Heimweg und kürze ab.
Eine knappe Stunde später schnalle ich die Koffer vom Träger und schiebe ich die Diva in die Garage. Es dämmert nun deutlich und ich bin durchgefroren. Als ich aus der Dusche komme, ist es draußen dunkel. Der Mond meldet sich für seine nächste Runde.
Es war ein Genusstag. Ich spüre tiefe Zufriedenheit in mir.
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