(Bei denen, die meinen Text schon anderswo im Netz gelesen haben, bitte ich um Vergebung)

Vorausgeschickt: bisher war es bei meinen Motorradkäufen so, dass die Motorleistung mit jeder neuen Maschine eher abnahm. Ich kam von einer 60 PS-Maschine (Suzuki RGV 250) kurzfristig auf 27 PS (Suzuki LS 650, Stufenführerschein lässt grüßen), wechselte aber aus Langeweile gleich auf die Yamaha FZR 1000 Exup, mit lustigen 145 Pferden auf dem Papier. Das alles geschah im Jahr 2 meiner Motorrad-"Karriere", und die Yamaha blieb bis im Dezember 2016 das stärkste Motorrad - alle Nachfolger (Yamaha TRX, Triumph Daytona, Ducati 748, Harley Road King und die Bande der Supermotos) waren schwächer.
Die beiden sportlichen Alpenrundfahrten 2015 und 2016 weckten ganz leise den Wunsch nach ein bisschen mehr Druck im Kessel. Dass sich die Harley im Kreis der Alpenmasters ein bisschen schwer (sic!) tun würde, war mir klar - aber ich suchte meine Rettung in der Gruppengröße, da es pro Teilnehmer meist um ca. 2 km/h langsamer zugeht. Hätte ich den Sound- und dementsprechenden Drehmoment-Umbau der Harley vor der Tour erledigt, hätte der durchschnittliche Speed wieder um 2 km/h schneller sein können *g*
Das Cevennen-Brennen 2016 feuerte den Wunsch nach mehr Feuer im Motor nochmals an. Hilflos zusehen zu müssen, wie die KTM-Wummen aus den Kehren raus in Wurmlöcher verschwanden und erst nach gefühlten Stunden wieder am Horizont zu erkennen waren, tat manchmal etwas weh - mir im Herzen, der Duc in der hochdrehenden Mechanik. Dazu kam, dass ich zwar der Duc ihre Schmerzen mit frischem Öl lindern konnte, meine noch zu Mofa-Zeiten totgefahrene Schulter sich jedoch nicht betäuben ließ, weder mit tubenweise Voltaren im stillen Hotel-Kämmerlein, noch mit lustigen Verrenkungen am Lenker während der Fahrt.
..und dann fällst Du am Ende der Tour steifgefahren vom Motorrad in den Parkplatz-Kies und musst aus Deinen blutunterlaufenen Augenwinkeln einen Heinz erkennen, der sich lässig und gelenkig von seinem Motorrad schwingt und mit einem "Alles-richtig-gemacht"-Lächeln von einem Ohr zum anderen das erste Kaltgetränk des Abends bestellt.
..das tat manchmal mehr weh als das Bein, das noch in der Sitzkuhle der Duc hing, weil ich's nicht mehr hoch genug heben konnte.
Langer Rede, kurzer Sinn:
nachdem die ehrwürdig gealterte Duc Öl-abhängig wurde und Haltungsschäden beim Halter hervorzurufen begann, reifte der Wunsch nach etwas Frischem relativ zügig in mir heran. Benelli verkackte es erstklassig, mir eine normal krasse Maschine zu verkaufen, mein KTM-Dealer sprang dann mit sich-reibenden-Händen in die Bresche und zahlte für meine hassgeliebte 690er-Duke einen Preis jenseits von "soll-ich-mir-das-nicht-doch-nochmal-überlegen?". Und natürlich hatte er – wie immer auch in den Jahren zuvor – eine Maschine im Laden stehen, die man(n) unbedingt haben musste.
Ich ließ also am letzten Samstag Morgen den Reaktor in der Duke zum ersten Mal hochfahren. Mit beim Druck auf den Startknopf eingelegten Gang durchbrach ich als erste Amtshandlung fast das Tor der Tiefgarage - 2 Grad minus, die Kupplung klebt, das Leder ist klamm. Aber nordwärts stiegen Straße und Thermometer an.
Hocherfreut, ohne Zaubern im Getriebe und am Kupplungshebel rollte ich dorfbewohnertauglich durch Laas. Die kleine Duke wollte in den engen Gassen entweder den 1. Gang und 6 Mille auf der Uhr, oder den 2. Gang und frischen Kleber unter den falschen Zähnen. Die Große fuhr einfach, unauffällig und gelassen und zwinkerte mich aus dem Cockpit mit „Nicht legal“ und „Glatteisgefahr“ und „Benzinstand niedrig“ ein bisschen an. In der ersten nennenswerten Kurve kam dann noch das TC-Leuchten dazu, weil frischer Gummi auf kaltem, feuchtem Asphalt wohl auch nicht ganz OK sein soll.
Kaum 5 km gefahren, befand ich mich schon im KFZ-Riesentorlauf-Hooligan-Modus. Hohe, aufrechte Sitzposition, breiter Lenker, fein gebetteter Arsch und die Hebeleien bereits ab Werk passend eingestellt – ich konnte nicht anders, als mich an den lieben Mitbürgern in den gewärmten Fahrzeugen vorbeizuballern. Himmel, WAS für ein Druck, der da am unterkühlten Hinterreifen zerrt – und dabei so unaufgeregt und cremig an der Kette zieht, als wär’s ein Gummiband, an dem die Karre hängt.
Diverse TC-Blinkereien aus dem Cockpit später wemste ich mich durch die erste Kehre des Reschenpasses bereits mit ausgestrecktem Bein, im Eck Nr. 2 steckte mein starres Knie im föhnigen, warmen Wind des Nordens. Und obwohl die Maschine unter mir noch keine 6000 Umdrehungen in der Minute kurbelte, trat es mich den Pass hoch wie noch niemals zuvor.
Diese Wucht beim Gasaufziehen, dieses absolut vibrationslose, einfach nur kranke Hochdrehen, das butterweiche, dennoch exakte und kurzwegige Getriebe und vor allem die Handlichkeit des 1300 ccm großen Motorrads flashten mich komplett. Sowas hatte ich bisher noch nicht erlebt, einzig eine Fahrt vor langen Jahren in einem leicht zurechtgemachten Lancia Delta Integrale war ähnlich druckvoll…
Ich ließ den Fahrmodus auf „Street“, die TC auf „ein“, und das ABS auf normal. Schon mit diesen Hausfrauen-Einstellungen pulverisierte die KTM sämtliche im Kopf vorhandenen „Boah-war-das-geil-Erinnerungen“ der letzten 20 Jahre. In den Kehren konnte ich so früh ans Gas gehen wie sonst nur mit der Harley – allerdings mit gefühlt doppelt so hohem Speed – um dann zu merken, wie Hinterreifen und Elektronik das Diskutieren begannen, sich in Bruchteilen von Sekunden einigten und dann das Vorderrad für kurze Augenblicke vom Teer rissen. Ganz krasses Kino!
Um mich nicht schon auf den ersten 100 Kilometern auf der KTM umzubringen, befuhr ich nach der Reschenpass-Klapsmühlen-Runde gemeinsam mit Buell-Kollege-Johann den Trampelpfad von Kastelbell hoch nach St. Martin am Felsen. Eng, einspurig, rollgesplittet, unübersichtlich, mit geistesgestörten Einheimischen auf der grundsätzlich falschen Fahrbahnseite. Und ließ mich dann nochmals aus den durchgewetzten Stiefeln holen, angesichts des absolut direkten, dabei aber niemals _zu_ direktem Ansprechverhaltens des Motors, des butterweichen Einsetzens der immensen Leistung, der absoluten Handlichkeit und Spurtreue und des geilen Auspuff-Patschens beim Anbremsen der zahlreichen Ecken und Kanten des Weges. Mit diesem Ding sind selbst die ältesten und erfahrendsten Murmeltiere auf dem Stilfser Joch verloren – sie werden es nicht mehr schaffen, nicht unter die Räder zu kommen *ggg*
Wäre man nicht moralisch zumindest einigermaßen gefestigt, man müsste ab und zu auf diesem Motorrad masturbieren, ganz definitiv!