Stettiner Haff und Grenze nach Polen

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Roland
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Stettiner Haff und Grenze nach Polen

#1 Ungelesener Beitrag von Roland »

Hallo zusammen,

Bevor die neue Saison wieder anfängt, versuch ich mich noch an einem zweiten Reisebericht aus 2016. Nachdem mein erster Bericht eine klassisch fahrorientierte Tour Richtung Alpen war (Kurzbeschreibung: Kurven, Kurven, Kurven), wird dieser Bericht hier ein klein wenig bildungslastiger werden – das schon mal vorab als Warnung.
Es geht in den „tiefen“ Nordosten Deutschlands, genauer gesagt direkt an die polnische Grenze. Ich muss zugeben, dass ich vorher noch nie an dieser Grenze und auch noch nie in Polen selbst war – das ist für mich ein weißer Fleck auf der Landkarte. Hab zwar inzwischen etliche Touren in die neuen Bundesländer und auch nach Tschechien gemacht, aber „so weit nach Osten“ bin ich doch noch nie vorher gekommen. Irgendwie komisch, wie weit man in die Ferne reist und wie wenig man manch näheres land bzw. Gegend kennt.

Die Tour fand im Rahmen eines Bildungsurlaubs statt: 12 Motorradfahrer fahren interessante Orte an, eigentlicher Inhalt des Urlaubs sind aber die Orte und die Veranstaltungen/Aktivitäten vor Ort: in diesem Fall die deutsche Geschichte vor und nach der Wende. Beginn war am Sonntag abend in Pasewalk. Da es vom Rhein-Main-Gebiet aus über 700km nach Pasewalk sind, hab ich mir zur Anreise zwei Tage Zeit genommen.

Samstag, 27.8.2016 10:30

Bei tollem Wetter starte ich Richtung Osten. Ein Stück Autobahn um Frankfurt herum, dann auf die Landstraße am Vogelsberg vorbei. Auf der Strecke ein erster kleiner Halt, weil mir das Motiv und das Licht so gut gefällt.

Jetzt ist es an der Zeit, sich das erste mal über sich selbst zu ärgern: Ich hab die Kamera nicht mitgenommen, da in solchen Gruppen eh alle mit Fotoapparaten rumlaufen und dauernd fotografieren. Deshalb sind die Motive auf der Hinfahrt nur mit dem Handy fotografiert. (Merkliste: Vielleicht doch ne eigene Kamera mitnehmen.)

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Gegen Abend komm ich am Ende eines einem heißen Tag nach Wittenberg, Irgendwie sinds dann doch 499km geworden – keine Ahnung, wer hier für die Routenplanung zuständig war, hüstel. Das Hotelzimmer ist günstig, hat aber leider direkte Sicht auf die Bahnlinie auf der anderen Straßenseite (ich führ das jetzt nicht weiter aus, aber wenns an dem Tag heiss gewesen wäre und man bei geöffnetem Fenster hätte schlafen müssen, nicht auszudenken).
Der bildungsbeflissene Tourist wandelt abends durch Wittenberg, ich such aber nur ein nettes und nicht überfülltes Restaurant, was nicht ganz einfach ist. Es wird ein Thai.
Zuletzt geändert von Roland am Montag 27. Februar 2017, 17:58, insgesamt 1-mal geändert.
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Roland
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Re: Stettiner Haff und Grenze nach Polen

#2 Ungelesener Beitrag von Roland »

Sonntag, 28.8.2016, 9:30

Nach gutem Frühstück geht’s weiter. Ich hatte mir einige nette Sträßchen ausgesucht, um östlich von Berlin nach Norden zu fahren.

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Was die Karte mir aber nicht verriet: Am Sonntag fährt bei gutem Wetter augenscheinlich ziemlich jeder automobile Berliner raus ins Umland. Entsprechend quälen sich lange Blechkolonnen durch die touristenorientierte Gegend, mehr als 50-60km/h waren kaum drin. So macht das keinen echten Spass und ich hätte genausogut eine schnellere und hässlichere Route aussuchen können (Keine Ahnung, wer hier wieder die Route…). Nördlich Berlin wird die Gegend dann recht offen und flach mit großen Feldern. Es ist auch heute wieder recht heiß. Gegen 17:00 Uhr komme ich nach knapp 300 km in Pasewalk an. Einige der Teilnehmer sind schon da, den Rest des Nachmittags gibt’s Kaltschalen auf der Terrasse. Zwei der Mitfahrer kenne ich von früheren Bildungsurlauben.
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Re: Stettiner Haff und Grenze nach Polen

#3 Ungelesener Beitrag von Roland »

Montag, 29.8.2016, 9:15

Nach dem Frühstück geht’s zunächst zur Stadtführung in Pasewalk: Kleines Städtchen, früher mal für den Handel wichtig, Reste einer Stadtmauer, hübsche und relativ belebte Innenstadt, Viele Kindergärten und Altenheime, ansonsten ist mit Arbeitsplätzen ziemliche Fehlanzeige.

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Mittags dann der erste Ausflug mit den Motorrädern: zuerst die Formalien zu den Gruppenfahrregeln. Motorräder aller Couleur sind versammelt, unter anderem auch ein Dreiradroller: Dann Rundfahrt Richtung Ostsee zum Stettiner Haff (das ist dieser Teich direkt vor der Ostsee – siehe Karte), Diskussion zum Thema Umweltschutz im ehemaligen Tuppenübungsplatz. Fischbrötchen am Haff. Hier begegnet uns zum ersten Mal das Thema Wölfe und Biber, die hier inzwischen wieder beheimatet sind. Während durch die zunehmende Biberpopulation erhebliche Schäden verursacht werden, ist der Wolf eher ein psychologisches Problem‚ wir alle erinnern uns an Rotkäppchen… Am Ende des Tages stehen 138km auf dem Zähler.
Und noch eine unangenehme Nachbemerkung: In den kleinen Dörfern dort oben waren fast alle Straßenlaternen mit NPD-Plakaten bepflastert, nur selten sah man mal ein anderes Parteiplakat.

Hier eine Übersicht der Strecken:

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Re: Stettiner Haff und Grenze nach Polen

#4 Ungelesener Beitrag von Roland »

Dienstag, 30.08.2016 (183 km)

Gleich morgends geht’s auf kleinen Sträßchen zu einem Biohof – jedenfalls für fast alle: Die Aprilia weigert sich anzuspringen. Auf einer Rundfahrt über die Weiden bekommen wir einen Eindruck von der Größe des Hofes und der freilaufenden Herden. Cirka 4.000 Rinder auf 5.000 Hektar. Zum Treiben der Herden hat der Hof zwei Pickups mit zusätzlichem seitlichen Rammschutz, die mich an diesen Abenteuerfilm mit John Wayne in der Serengeti oder so erinnern. Ich komm grad nicht auf den Namen. Über die Wendezeit und den Umbau des VEG unterhalten wir uns danach mit der Geschäftsführerin. Wer sich mit der Abwicklung von DDR-Betrieben schon mal beschäftigt hat, wird auch hier nicht überrascht. Um die Wölfe, die hier auch schon gesichtet wurden, macht man sich Sorgen.

Von dort geht’s weiter nach Stettin: Auf den Pflasterpisten in Polen hat der Roller einen Platten: Wir nehmen das platte Rad mit und schaffen es tatsächlich, den Reifen in Stettin reparieren zu lassen. Ansonsten gibt’s in Stettin lecker Mittagessen mit Blick auf die Oder sowie eine eher touristische Stadtrundfahrt mit dem Bus. Der Führer will uns nahebringen, dass Stettin mal deutsch war, indem er unter anderem auf verwitterte deutsche Beschriftungen an einzelnen Gebäuden verweist.

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Danach zurück nach Pasewalk.

Zu den Strecken muss man sagen, dass sie motorradfahrerisch häufig nicht allzu anspruchsvoll und auch nicht allzu spannend sind. Wenn jede 45 Grad Kurve mit einem Schild „Achtung Kurve“ eingeleitet wird, weiss man, wo man dran ist. Aber ich bin ja nicht hier zum Kurvenfahren :shock: :-(
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Re: Stettiner Haff und Grenze nach Polen

#5 Ungelesener Beitrag von Roland »

Mittwoch, 31.08.2016 (263 km)

Am Mittwoch wechseln wir das Hotel und fahren mit vollem Gepäck. Zunächst geht’s wieder nach Polen. Wir besuchen den Soldatenfriedhof Stare Csarnowo und sprechen mit dem dortigen Vertreter des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Hier sind viele Kriegstote (Nur Deutsche, das wird streng nach Nationalität getrennt behandelt) aus ganz Polen umgelagert worden. Ich hatte mir vorher noch nie Gedanken zur Kriegsgräberfürsorge gemacht, aber hier ist es so, dass im Jahr ca. 1.000 Besucher vorbeikommen und dafür ein Angestellter in Vollzeit beschäftigt wird. Originalton: „Manchmal kommt mehrere Tage gar niemand, dann vielleicht gleich zehn auf einmal. Und da sind die ca 100 Offiziellen, die einmal im Jahr einer Umbettungszeremonie beiwohnen, schon mitgezählt. Die Gräber von Soldaten werden nicht nach 30 Jahren aufgelöst. Durch Ihren Kampf fürs Vaterland haben sich die armen Kerle einen unendlichen Liegeanspruch erworben, sei es als Ehre oder zur Mahnung…
Gegen den Friedhof und das kleine Ausstellungsgebäude läßt sich ansonsten nichts sagen.

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Anschließend auf polnischer Seite auf kleinen Sträßchen und Sandwegen an der Oder entlang ein Stück nach Süden – das Dreirad haben wir auf größeren Straßen vorausgeschickt.

Bei Schwedt gibt’s noch ein Gespräch im Nationalpark unteres Odertal. Der dortige Mitarbeiter ist aber in erster Linie Vogelliebhaber und möchte seine Adler geschützt sehen. Auch er sieht die zunehmende Population von Wölfen und Bibern übrigens kritisch.

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Danach geht’s weiter nach Frankfurt/Oder, wo wir nach 263 Kilometern ankommen.
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Re: Stettiner Haff und Grenze nach Polen

#6 Ungelesener Beitrag von Roland »

Donnerstag, 01.09.2016 (107 km)

Nachdem wir gestern einen deutschen Soldatenfriedhof auf russischer Seite gesehen haben, geht’s heute zur russischen Gedenkstätte „Seelower Höhen“ auf deutscher Seite. Die Seelower Höhen bildeten Anfang 1945 die letzte deutsche Verteidigungslinie vor Berlin. Die Einnahme der Höhen war deshalb für die Sowjetunion wichtig, auch um vor den Amerikanern nach Berlin zu kommen. Noch 1945 wurde dort dann eines der ersten russischen Kriegerdenkmale in der D D R erstellt, das aus heutiger Sicht etwas nachdenklicher und weniger heroisch wirkt wie spätere Denkmale.

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Danach geht’s auf die polnische Seite nach Küstrin. Die Stadt war 1945 zur Festung erklärt und in den darauffolgenden Kämpfen weitgehend dem Erdboden gleich gemacht worden. Sie wurde danach nicht wieder aufgebaut, man kann dort durch die Straßen einer nicht mehr existierenden Stadt laufen. Ein Museum erinnert daran.
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Re: Stettiner Haff und Grenze nach Polen

#7 Ungelesener Beitrag von Roland »

Freitag, 02.09.2016

Der Freitag ist motorradfrei: Vormittags Führung durch Frankfurt/Oder mit einem Stadtplaner, Diskussion um den Rückbau von Plattenbauten (ca.12.000 Wohneinheiten rückgebaut, echt der Wahnsinn), nachmittags Oderflussfahrt mit einem der letzten Oderkapitänen.

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Die Oder ist übrigens sehr langsam fließend und sehr flach, häufig unter 2 Metern, und deshalb trotz ihrer augenscheinlichen Größe so gut wie nicht von Schiffen befahren.

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Re: Stettiner Haff und Grenze nach Polen

#8 Ungelesener Beitrag von Roland »

Samstag, 03.09. 2016 (638 km)

Es ist Zeit für die Rückfahrt (Die Beschreibung des tränenreichen Abschieds spar ich mir an dieser Stelle). Beim Beladen werf ich erst mal die BMW um und zerschreddere die Verkleidungsscheibe – Mist, großer Mist… (Jetzt ist es Zeit, bittere Zären zu vergießen!)

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Danach fahr ich mit zwei anderen Richtung Heimat. Grobe Strategie: 200km Bundesstraße, 200 km Autobahn, 200km kleine Sträßchen. Die 640km waren dann doch ganz gut zu schaffen und speziell das letzte Drittel, in dem es wieder echte Kurven gab, hat auch ziemlich Spass gemacht.

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Und nun zur Moral der Erzählung:

1. Es gibt – zumindest für mich – auch weiterhin Gegenden und Themen in Deutschland und an Deutschlands Grenzen, von denen ich echt keine Ahnung habe.
2. Was ich von den Wölfen halten soll, weiß ich immer noch nicht.
3. Kurvenreiche Strecken haben ihre Vorteile ;)

In diesem Sinne: Möge die neue Saison kommen
Roland
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