Winterflucht Andalusien

Reiseberichte der Iberischen Halbinsel.
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nairolF
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Winterflucht Andalusien

#1 Ungelesener Beitrag von nairolF »

Meine erste kommerziell organisierte Motorradreise.
Eigentlich fing es letztes Jahr schon an. Da wollten wir nach Rumänien und dachten, da bräuchte man was, womit man auch Offroad fahren kann.
Also kaufte ich die Baghira. Und dann dachten wir, dass Offroad ja anders ist, als Strasse und man das erst lernen muss. Da wir zudem mittlerweile in einem Alter sind, in welchem wir erkannt haben, dass Try and Error gelegentlich teurer und zudem langwieriger ist, als sich das professionel zeigen zu lassen, machten wir ein Endurotraining.
Und dieser Anbieter (Dirt4Fun) verbringt die Wintermonate mit seinen Moppeds in Andalusien und stellt diese gegen ein gewisses Entgeld zur Verfügung. Und da er sich da ganz gut auskennt und selber auch gerne fährt, fährt er halt voraus.

So eine Woche Auszeit dachte ich mir, würde mir schon ganz gut gefallen. Daher buchte ich bei ihm für die erste April Woche und besorgte mir einen Flug nach Malaga mit Ryanair.
Netterweise fliegen die ab Nürnberg und so konnte ich hier die U-Bahn verwenden.
In Malaga angekommen nach schon 2,5h den Mietwagenschlüssel in der Hand gehabt und mit einem schnuckligen 500er (wollte ich schon immer mal fahren) nach La Herradura. (Fiat, nicht Mercedes)

Mittlerweile war es doch recht spät geworden, aber ich traf Guido den Veranstalter sowie meine 2 Mitstreiter Georg und Robert aus dem schönen Salzburg noch im Lokal. Es war das Lokal, in welchem wir von nun an jeden Abend unser Mahl zu uns nehmen sollten. Dieses war auch Teil unserer Buchung. Das Essen war gut und der Wein war vorzüglich.

Am Sonntag holte uns Guido an der Pension ab und wir gingen wenige Meter bis zu der Garage, in der er seine Boliden hortete.
Jeder von uns bekam einen solchen roten Renner, dann wurden noch Schläuche auf unsere Rucksäcke verteilt und dann konnte es schon los gehen.

Bei den Moppeds selbst handelte es sich um betagte 230er CRF Hondas, bei denen die Bezeichnung "mehr geflogen als gefahren" gar nicht so abwegig war. Georg meinte lapidar, das bliebe billig, wenn wir sie in der Schlucht versenken.
Mit immerhin 18 wackeren Pferden im Kessel war zudem die Befürchtung, dass uns der brutale Anriss überfordern könnte, eher gering.

Zunächst ging es auf einen Parkplatz am Strand. Da lagen viele Steinchen und wir bekamen einen Crashkurs im Fahren auf losem Untergrund. Slalom, richtig stehen und bremsen waren die zentralen Inhalte.
Nach einem Mittagessen in der Strandbar ging es dann los. Am anderen Ende der Stadt bog er in einen Feldweg ab und wir erklommen die ersten Steigungen. Und dann wurde es schon richtig steil. Schwer atmend und mit in den Augen schwappendem Adrenalin kam ich oben an. So gleich zum Anfang war das schon ein hartes Brett für mich. Was war ich froh, einen Trinkrucksack dabei zu haben. Der war Abends dann auch immer leer.
Lernergebnis für mich am ersten Tag: erstaunlich wie steil ich irgendwo rauf fahren kann. Gar nicht so einfach auf losem Untergrund mit der Blickführung, das mit dem Stehen auf dem Mopped muss besser werden, um die Traktion von VR und HR besser verteilen zu können, Sidi Crossfire retten den Fuss vor einem Bruch, wenn man das VR, das einem erklärt, dass es auf nassem Beton keinen Grip hat, wieder einfängt. Enduro fahren ist eine schweißtreibende Angelegenheit.
Das Ankommbier hatten wir uns redlich verdient.

Am Tag darauf fuhr sich Guido einen Platten. So haben wir eine Vorführung bekommen, wie man so ein HR in der prallen Sonne ausbaut, den Reifen löst und den Schlauch wechselt und dann den Mantel wieder darüber stülpt. Guido war sich vermutlich nicht sicher, ob wir es richtig verstanden haben und hat deshalb bei der Montage gleich mal wieder ein Loch in den Schlauch gepiekst. Also nochmal. Auch dieses Mal wurde der neue Schlauch zerstört. Aber man kann ja auch den ursprünglich undichten Schlauch flicken. In der Theorie.
In der Praxis fährt man dann eben mit einem Platten weiter. Wegen mir hätte er das weiterhin machen können. Dann wäre ich wenigstens immer hinterher gekommen. War genau mein Tempo.
War aber auch nicht mehr weit bis zu dem Dorf, in dem wir Mittag machten. So eine Pause gab es jeden Tag in verschiedenen Dörfern und stets gab es gute spanische Hausmannskost. Sehr lecker.

Mittwoch war Ruhetag. Ansonsten sind wir jeden Tag rund 80-130km gefahren. Da war soweit ich das bislang beurteilen kann, fast alles dabei.
Schmale Gassen am Hang mit gefühltem Rollsplitt, sowie breite Schotterpisten auf denen man mal die brachiale Leistung vollständig nutzen konnte. Am Donnerstag hatten wir dann auch mal ein Flussbett dabei. Ich weiß ja nicht, wie man sowas in Echt nennt, aber für mich war es Schwimmkies. Irgendwie machte da mein VR was es wollte und ich habe mit dem Kies dann den Dreck von meinen Stiefeln gekratzt. Direkt im Anschluß ging es dann eine Brandschneise hoch. Der Weg zum Schwungholen war nicht sehr lang, so lernte ich für das nächste Mal, den Vorgang frühzeitig abzubrechen, um nicht wieder das Mopped 2/3 des Hanges runter zu bugsieren, umzuschmeissen und wieder aufzuheben. Hab ich eigentlich schon mal erwähnt, dass sowas eine schweißtreibende Angelegenheit ist? Beim dritten Versuch war ich dann oben.

Und dann haben mir irgendwie die Kräfte gefehlt und bin über das VR auf so einer Art Rollsplitt geflogen. Das Mopped ist bis an den Lenker den 60° steilen Hang runter gerutscht, aber liebenswürdigerweise mit den Rädern nach unten. So konnte ich es Stück für Stück wieder hoch ziehen. Bei der Lektion lernt man, wie wichtig es bei der Fahrzeugwahl ist auf geringes Gewicht zu achten.
Es blieb bei mir bei diesem einen Sturz und auch Georg hatte einen am Donnerstag. Nur Robert hat sich vollständig davor gedrückt die Erde zu küssen.

So hatte sich der Schwierigkeitsgrad über die Tage also gesteigert. Bei manchen Steilpassagen hoppelte das HR derartig über die Felsen und verlor Traktion, dass ich mir nicht sicher war, ob es nun an meiner falschen Gewichtsverteilung oder doch eher an dem hochpreisigen Fahrwerk lag. Aber egal! Es wurde gemeistert.

Die Krönung des Schwierigkeitsgrades erfolgte dann allerdings am Freitag. Guido nannte das was wir da fahren sollten "Single Trail". Man stelle sich also einen steilen Hang vor. So einen richtig steilen. Und dann regnet es auf trockenen Boden. Das Wasser kann nicht abfließen und sucht sich einen Weg. Es kommt viel Wasser und macht den Weg so 60-80cm breit. Und hilft Steinbrocken auch mal die Sonne zu sehen, indem das Wasser sie freilegt.
Um es kurz zu fassen: Ich war froh, dass ich keine Windel brauchte. Sowas in der Art gab es an dem Tag 4x. Zudem einige richtig lange und steile Anstiege und noch ein paar Abfahrten.

Was wir aufgrund "nicht vorhanden" nicht geübt haben, war Schlamm und Sand. Schnee gab es auch keinen. Aber ganz viel rauf und runter. Schotter, Kies und Felsbrocken gab es zu Hauf. Und wenn wir mal Zeit hatten zu gucken, auch noch eine wunderschöne Landschaft.

Resumee der Woche: Irgendwas werde ich gelernt haben. Zumindest das Stürzen weh tut. Auch, dass es einen mit einer Form verblödetem Stolz erfüllt, wenn man hochkonzentriert eine Steigung bezwungen hat und kurzatmig der Schweiß auf allen Poren trieft. Auch, dass für mich 18PS völlig ausreichend sind in einem solchen Terrain. Und dass ich in noch keinem Urlaub so schnell von Zuhause und der Arbeit abschalten konnte. Letzteres wird sich vermutlich reduzieren, falls ich doch mal einen Funken Talent in mir entdecken sollte.

Womit eigentlich klar ist, dass ich etwas in dieser Form vermutlich mal wieder machen werden. Evtl sogar die gleiche Tour noch mal. :)

Mit den Bildern ist das so eine Sache. Natürlich habe ich einige. Allerdings keine von den schweren Passagen. Da war stets das Mobiltelefon im Rucksack. Einige von der Landschaft. Mal schauen...

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ryna
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Re: Winterflucht Andalusien

#2 Ungelesener Beitrag von ryna »

:lol: , es scheint dir Spaß gemacht zu haben.
... Mir das lesen auf jeden Fall. DD

nairolF
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Re: Winterflucht Andalusien

#3 Ungelesener Beitrag von nairolF »

Gerade auf Youtube entdeckt.
Da haben wohl einige Österreicher vor 4 Jahren die gleiche Tour gebucht.
Auch wenn ich zugeben muss, dass ich mich an die ein oder andere Sonderprüfung nicht erinnern kann :Mh:
Aber vielleicht ist das ja saisonal bedingt, oder er muss gelegentlich mal die Route aktualisieren...

Zuletzt geändert von nairolF am Mittwoch 12. April 2017, 11:03, insgesamt 1-mal geändert.

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maxmoto
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Re: Winterflucht Andalusien

#4 Ungelesener Beitrag von maxmoto »

Das Lesen hat wirklich Vergnügen bereitet.
Ich hab's fast voll miterlebt - ohne Schwitzen und Keuchen. :mrgreen:
18 PS - wenn man es nicht probiert hat, glaubt man nicht, dass die ausreichen. Meine kleine Beta hat deren 15, ich halte sie bei solchen Strecken für ausreichend motorisiert und merke immer wieder, dass sie mehr kann als ich.

Für Straßenfahrer sind Tagesleistungen von 80 - 130 km eher nicht so der Hit - für die andalusischen Naturstraßen/Offroadstrecken kann ich nur sagen: Reschbeggt!
Und der eine Pausentag war sicher höchst Willkommen.

Leider kann ich den Film nicht sehen. (Es ist ein Fehler aufgetreten ...)
maxmoto
was ist was wert


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ryna
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Re: Winterflucht Andalusien

#5 Ungelesener Beitrag von ryna »

Korrigierter Link


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TomK
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Re: Winterflucht Andalusien

#6 Ungelesener Beitrag von TomK »

Super beschrieben, unterhaltsam :L :L :L

Ja, das mit der Leistung im Gelaende wird oft ueberbewertet ;)

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netter Mann
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Re: Winterflucht Andalusien

#7 Ungelesener Beitrag von netter Mann »

Danke für diesen kleinen aber feinen Bericht!
So einen Trip würde ich auch sehr gern mal machen... Urlaub, Einstieg ins Endurofahren, zufrieden und voller Eindrücke (Wortspiel) nach Hause.
Wunderbar! :Ni:
Herrliche Grüße,
Jens Helge

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Linus
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Re: Winterflucht Andalusien

#8 Ungelesener Beitrag von Linus »

Eine schöne und mundwinkelindiehöheziehende Winterflucht. Und das ganz ohne Fotos: toll ge- und beschrieben!
Fremde sind Freunde, die wir noch nicht kennenlernen durften

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