Segeltourn Kap Hoorn 2001
Verfasst: Donnerstag 8. Juli 2010, 21:42
Durch Zufall habe ich heute einen Rechner erhalten der noch ein Diskettenlaufwerk hat.
Und dann habe ich auch noch "die" Diskette gefunden.
Auch wenn´s mal keine Motorradtour ist: viel Spaß beim Lesen!
Meine Reise nach Kap Hoorn
Eigentlich war es gar nicht meine Reise, es war unsere Reise.
Die Reise von Jo, Derk und mir. Die Reise in einem Segelboot rund Kap Hoorn.
Und wie kommt „Mann“ auf die Idee rund Kap Hoorn zu Segeln?
Die Idee entstand - beim Segeln. Beim Segeln 1999 rund Mallorca. An einem lauen Novemberabend bei 27 Grad Luft und 25 Grad Wassertemperatur. Schön war es, angenehm für diese Jahreszeit. Ein Jahr hatten wir uns auf diesen Törn gefreut, es war super gelaufen: Wetter war gut, Schiff war gut, Wind war super, Crew stimmte.
Und wie jedes Jahr kam die Frage: Und was machen wir nächstes Jahr? Portugal, Türkei, Griechenland?
Das dritte mal Mallorca stand nicht zur Debatte. Die Buben ( das sind die unter 40-jährigen) plädierten für den Süden. Kanaren? Süd-Frankreich? Portugal? Türkei?
Die Alten ( die über 40-jährigen) plädieren für was anderes: Keine Ostsee, keine Nordsee, kein Ijselmeeer, nein, was anderes.
Eventuell Nordamerika, Südsee, Kuba, alles, was in den herkömmlichen Prospekten steht, kam zur Debatte. Und Kap Hoorn, steht zwar nicht in den Prospekten, wurde aber erwähnt. Ein gemeinsames Ziel haben wir an diesem Abend nicht gefunden.
Segeln um Mallorca war vorbei, Schiff übergeben, Heimflug, der Alltag beginnt.
Aber Kap Hoorn ging mir nicht mehr aus dem Kopf.
Das erste Crewtreffen war dann im Januar. Bilder gucken, Erinnerungen tauschen und die Frage „wohin“ im Jahr 2000. Die Buben waren für den Süden. Jo und ich waren für - Kap Hoorn!
Ich bekam also den Auftrag was im Süden und alles für eine Reise um Kap Hoorn zusammenzustellen. Gesagt, getan.
Zweites Crewtreffen war im April. Mit den Prospekten von der „Boot“ und der „YACHT“
ausgerüstet setzten wir uns zusammen. Der Süden war schnell vorgestellt und dann kam die
„YACHT“: Eine Werbung der Segelschule Hering: Segeln um Kap Hoorn mit der SY „SANTA-MARIA“. Beschluss: Weiter zweigleisig schlau machen, Preise zusammenfahren, etc.
Drittes Crewtreffen. Mit den Unterlagen (und nur mit diesen) von Hering kam ich zum Treffen.
Nach einer etwas längeren Diskussion stand der Entschluss fest: Im November fliegen wir 10 Tage nach Südamerika.
Am nächsten Tag die Ernüchterung. Bei einem Gespräch mit der Agentur erfuhr ich, dass für
das Jahr 2000 die Reisen um Kap Hoorn.... ausgebucht...waren!
Hier ein Platz, da einer, aber vier Plätze buchen war nicht drin, erst im März 2001 waren in einer 17 – Tagereise die Plätze verfügbar.
Krisensitzung. Der März als Termin kam bei den Buben nicht in Frage, die lange Reise war auch zu teuer, und, und, und. Aber Jo und ich wollen. Mein 25jähriges Arbeitsjubiläum und mein 45. Geburtstag stimmten meine persönliche Chefin gnädig. Der Schwiegervater war der
große Befürworter ( er wäre sehr gerne immer, hat aber nicht, nun ist er zu alt)
Jo fand noch Derk, unseren dritten Mann.
Der Rest war einfach: Buchen, Flüge klarmachen, freuen auf den 8. März 2001.
8. März 2001
Abflug Düsseldorf 20:35Uhr nach Paris mit reichlich Gepäck, 8 Grad und Nieselregen.
Abflug Charles de Gaulle 23:15 Uhr. Das erste Mal in meinem Leben verlasse ich Europa.
9. März 2001
Landung in Buenos Aires. Nach dem klimatisierten Flughafengebäude folgt der 32 Grad-Schock. Es folgt der Flugplatzwechsel mit dem Taxi vom internationalen zum nationalen Flugplatz mit dem Taxi 32 Kilometer Fahrt durch ein blitzsauberes Buenos Aires, mit Barackenvierteln und Hunderten von Mercedes LKW’s, die man hier höchstens noch beim Oldtimertreffen sieht.
Am Flughafen haben wir dann den vierten Mann, Ronald aus Frankfurt, getroffen.
Zusammen sind wir zum Strand gegangen und haben erst mal „Brahma“ - Bier, natürlich gebraut nach deutschem Reinheitsgebot, und e i s k a l t in einer Strandbude auf der anderen Seite des Atlantiks getrunken. Hätte ich geahnt, wie warm es im März in Argentinien ist, hätte ich den Parka vom Segelanzug bestimmt ins Gepäck gesteckt.
15:00 Uhr: einchecken für die letzten 2000 Kilometer gen Süden zum südlichsten (Groß-) Flugplatz der Welt, nach Ushuaia.
Viele Bücher hatte ich im Vorfeld der Reise gelesen: Sprungala/Radtke, Hiscock, Slocum, Erdmann, Gusinde, Plüschow, Fuchs. Ich war der Ansicht zu wissen, wohin die Reise geht: Zum Ende der Welt. Aber in der MD 83 befanden sich etliche Leute mit kurzer Hose, ohne Strümpfe an den Füssen, im T- Shirt. Für mich stand fest: der Flieger macht noch eine Zwischenlandung (damit die Halbbekleideten noch aussteigen können).
Passierte aber nicht. Nach der Überquerung der Anden folgte ein fantastischer Landeanflug.
Kurz war das Blau des Lago Fagnano zu erkennen, und dann ging es ab nach unten. Ich hätte schwören können, 3x in der Runde. Aber Derk, unser Flieger, wusste, es war noch nicht einmal ein Vollkreis.
Landung in Ushuaia, 18:05 Uhr Ortszeit, 16.500 Kilometer von zu Hause. Ein topmoderner Flugplatz, auf dem auch ein Concorde landen kann, der blitzschnell das Gepäck ausspuckt. 28 Grad (Plus)
Taxi zum Hotel „Cabo de Hornos“. Ca. 8 Sterne haben wir diesem Nobelschuppen verliehen. Dann raus. Die südlichste Stadt der Welt lockt. Im Hinterkopf habe ich das Buch von Martin Gusinde, einem deutschen Geistlichen, der zur vorletzten Jahrhundertwende das Land der Indianer erforschte. Aber von Indianern keine Spur. Nur Dutzende von Geschäften, die Souvenirs a la Indianer an Kreuzfahrer und andere Touristen verkaufen.
Und eine dreispurige Hauptstrasse, ausgelegt als Einbahnstrasse. Ich denke, dass alle Ein-heimischen aus dem Umkreis von 100 Kilometern, die an diesem Tag motorisiert sind, hier zu treffen waren. Vom Mittag bis zum frühen Morgen fährt alles was Fahren kann (komplett mit der gesamten Familie im Auto), so oft, so schnell und so laut wie möglich diese Hauptstrasse rauf, über die Küstenstrasse wieder zurück und dann das Ganze von vorn.
Natur pur? Nee, Verkehr wie am Elbtunnel zum Ferienbeginn.
Meine Frau hat mir ein Meyers Reiseführer geschenkt, doch leider haben alle die hier empfohlenen Restaurants geschlossen. Also, wie gelernt: Gehe dahin, wo die Einheimischen hingehen.
Der Abend war super. In einer Kneipe mit Live- Musik ab 1:00 Uhr, und, ja wirklich: Deutschen, Holländern, Iren, Dänen und Oswaldo, unserem späteren Bootsmann, haben wir uns unsere erste Feuerlandtaufe geholt.
Um 3:00 Uhr war dringend Schlaf angesagt.
10. März 2001
Um 8:00 Uhr ist die Nacht zu Ende, ein Blick raus zeigt uns dicke Wolken und Schneegestöber. Für 9:00 ist das erste Treffen mit Wolf Kloss, unserem Skipper und Eigner der „SANTA-MARIA“ angesagt. Pünktlich nach unserer dritten Kanne Kaffee erscheint Wolf dann auch um 10:00 Uhr. Bei der vierten Kanne werden die ersten Pläne gemacht. Verholen zum Schiff, Proviant besorgen und auf den fünften Mitsegler warten, der gegen Mittag eintreffen wird.
Gesagt, getan. Mit dem Seesack vom Hotel eben rüber zum Hafen, zu unserem Schiff, der „SANTA-MARIA“.
Eine Hydra 48, von Reinke: roter Rumpf, weiße Aufbauten, festes Steuerhaus. Technische Daten: 5mm Stahlbau, 18 Tonnen Verdrängung, 1,60 m Tiefgang, 2 x MB 55 PS.
Jo und ich belegen die Achterkajüte. 2 getrennte Kojen, eigene Toilette und Dusche, beheizt durch eine Heizung und die Abwärme der beiden Motore. Derk und Ronald nehmen die beiden Kojen im Vorschiff. Die Sachen aus dem Seesack verteilen, Schlafsack raus, fertig.
Jetzt geht es ans Einkaufen. Mit vier Mann in einem Jetta – Taxi zum Supermarkt. Der Proviant muss für 16 Tage und sieben Personen bevorratet werden. Genauso wie das Bier.
Empfohlen von Wolf wird uns „Kilmer´s“. (Natürlich gebraut nach deutschen Reinheitsgesetzt.) Nachdem wir dann die achte Palette in den Einkaufswagen stapeln greift Wolf mit den Worten: „Sieben Paletten waren bis jetzt Rekord“ ein. In gutem Glauben verlassen wir den Laden mit sieben Paletten und dem Inhalt von drei anderen Einkaufswagen mit Hilfe zweier Taxen.
Nachdem alle Sachen, nicht mehr sichtbar, komplett im Schiff verstaut sind, überrascht uns Oswaldo mit einer ersten Top - Mahlzeit an Bord.
Mittlerweile ist das Thermometer auf 18 Grad gestiegen und die Crew trifft sich in der Plicht.Wolf wird mit Fragen gelöchert.
Wir erfahren, dass er seit 1986 Eigner dieses Schiffes ist, sieben Mal den Atlantik (wechselnder Charter je nach Jahreszeit in der Karibik und im Mittelmeer) überquert und mit diesem Schiff schon 150.000 Seemeilen im Kielwasser gelassen hat. Die 44 Umrundungen von Kap Hoorn erfahren wir viel später.
Und dann schellt das Handy. Es ist unser fünfter Mitsegler, Burkhard aus Magdeburg. Er ist über Madrid geflogen und wird Opfer eines... STREIKS! Zur Zeit ist er im Buenos Aires und kann nur noch die letzte Maschine nach Ushuaia erwischen, wenn ein Platz frei ist.
O.K., unser erster Segeltag ist damit geknickt.
Wir lernen Oswaldo besser kennen. Er fungiert als „Best – Man“ an Bord, Seemann mit Schürze. Gelernt hat er bei der chilenischen Marine, liebt die Natur und möchte Touristik studieren. Ein netter Mensch.
Wir warten gespannt auf Burkhard. Mittlerweile hat es vier mal geregnet und drei Mal war T-Shirt angesagt.
Der Blick von Bord Richtung Norden ist fantastisch. Erst das Meer, dann das bunte Ushuaia.
Dahinter thronen die Berge, die meisten mit einer Schneekrone. Richtung Westen: Gletscher,
nach Osten freies Wasser mit Blick auf den Beagle – Kanal und die Insel Navarrino.
Die Zeit verrinnt, und dann kommt Burkhard.
105 verschwitzte, fluchende, aber trotzdem grinsende Kilo, nähern sich dem Boot. Die gereichte Dose Bier wird in Rekordzeit vertilgt. Crew komplett.
Burkhard berichtet von seiner verrissenen Anreise und bezieht seine Koje mittschiffs.
Danach ist ein Landgang mit der ganzen Crew erst ins Verkehrschaos und dann in verschiedene Lokalitäten fällig. Erster Eindruck: In dieser Zusammensetzung wird es klappen.
11. März 2001
8:00 Uhr allgemeines Wecken. Oswaldo hat ein tolles Frühstück vorbereitet. Die eigentliche Einweisung beginnt: Von Anker bis Zeisig, alles wird erklärt. Jetzt ist Wolf Chef an Bord.
Und dann endlich: 11:20 Uhr - ablegen! Wir verlassen unter Motor den Hafen von Ushuaia. Es ist bedeckt als wir in den Beagle – Kanal einbiegen, Kurs 90 Grad, Windstärke „2“ E. Ab 12:30 Uhr Segeln unter Groß und Genua.
Nach ca. Seemeilen ein erster Stop: Islates Eclaireurs. Das ist eine Vogel- und Seelöwenkolonie mitten im Beaglekanal. Selbst bei fünf Metern Abstand riskieren diese großen Tiere nur ein Auge, um zu sehen wer da ist. Und es stinkt grausam.
Weiter geht´s gen Osten, jetzt bei strahlend blauem Himmel unter Motor und gesetztem Groß. Links und rechts gleiten kleine Hacienda´s an uns vorbei. Friedlich motoren wir an der Grenze zwischen Argentinien und Chile entlang, die sich noch immer im Waffenstillstand befinden. Die Berge werden etwas flacher, die Wälder nehmen eine für uns mehr typische herbstliche Färbung an. Die ersten Anzeichen von Zivilisation werden sichtbar und wir laufen Puerto Williams an, das südlichste Dorf Südamerikas. 24 SM liegen hinter uns.
18:00 Uhr fest in Puerto Williams, die typische Zeit für Wolf´s Feierabend. Das Dorf besteht aus einer Militärbasis und hat ca.1.500 Einwohner. Wir liegen hier in einem Naturhafen mit Schwimmsteg, der gehalten wird durch einen alten... RHEINDAMPFER!
Über Funk bittet Wolf um Einklarierung. Nachdem diese immer peinliche Prozedur über uns ergangen ist und wir die Stempel in unsere Pässe erhalten haben (in Südamerika gibt es ja keine Bestechlichkeit), geht es an Land.
Wir sind heute zum Grillen beim Skipper zu Hause eingeladen. Wir schnappen uns den argentinische Fernseher und die geschmuggelten ( ! )Rosenzöglinge und laufen los. Nach 500 Metern kommt zufällig ein Chevy vorbei, ein Bekannter von Wolf. Unsere Fracht wird eingeladen und wir verabreden uns für den frühen Abend bei Wolf.
Kurz hinterm Hafen befindet sich das „E-Werk“ von Puerto Williams, drei stationär laufende Dieselgeneratoren mit einer Gesamtleistung von 3 X 930 KW. Die Schwärze, sprich den Russ, den diese Generatoren im Laufe der Zeit hinterlassen haben, können nur einen eingefleischten Bergmann nicht schocken.
Vorbei am Militärhafen mit zwei Kriegsschiffen und der Kommandantur von Puerto Williams suchen und finden wir den Weg zu Wolf´s Haus.
Freundlich werden wir durch Wolf´s venezuelanischer Frau und den beiden Kindern empfangen. Ein schöner Abend beginnt, dessen Krönung die Vorführung eines neuen Videos vom SWF sein sollte. Aber leider spricht der neue argentinische Fernseher nicht mit dem chilenischen Rekorder. Egal.
Wir verabreden uns für später auf ein Bier im Yachtclub..
Auf unserem Weg zurück zum Hafen geraten wir zufällig auf die „Plaza“, aus zwei Kneipen klingt Musik. Wir entscheiden uns für eine. In dieser obereinfachen Gaststätte sind viele Einheimische, wir finden aber trotzdem einen Platz und Jo und ich bestellen uns je einen Kaffee und einen Wodka. Ein wenig später erscheint „Mama“ dann mit zwei Tassen mit Kaffeepulver, heißem Wasser und zwei Gläsern mit einer klaren Flüssigkeit. Meiner Ansicht nach zum regulieren des Kaffees. Aber es war Wodka, ca. 100 Gramm und mit ca. 60 Umdrehungen. Nach diesem Wodka haben Jo und ich auf Dauergrinsen umgestellt.Gegen 22:00 Uhr geht´s dann zum südlichsten Yachtclub der Welt, zum „Club Naval de Yates Micalvi“.
Dieser Yachtclub befindet sich, wie schon erwähnt, in einem ehemaligen Rheindampfer. Nachdem dieser Dampfer jahrezehnte lang als Nachschubschiff für die chilenische Marineim Beaglekanal unterwegs war, wurde er im Hafen von Puerto Williams auf Grund gesetzt und fungiert nun als Sanitärgebäude, Clubhaus und Anleger. Die ehemalige Brücke dient jetzt als Clubhaus. Bei Kaminfeuer bestellen wir uns ein Bier und ein Pisco suir, das chilenische Nationalgetränk. In kurzer Zeit wird es voll im Clubhaus. Eine französische Crew, die „es“ schon hinter sich hat, einige Jugendliche aus Deutschland und Holland, die zur Zeit in Puerto Williams Urlaub machen, Wolf mit Frau, Oswaldo und einige Vereinsmitglieder sorgen für einen kurzweiligen Abend. Um 2:00 Uhr bekommt Wolf Ausgang bis zum Auslaufen und wir verholen uns aufs Schiff.
24 SM, Standort 54o 56‘S, 67o 37‘W
12. März 2001
Um 9:00 Uhr ist die Nacht zu Ende. Ein strahlend blauer Himmel in einer spiegelblanken Bucht erwartet uns. Es wird ziemlich schnell warm und wir liegen an Deck und reden über die kommenden Tage. Wieso habe ich keine kurze Hose mit? Um 11:00 Uhr wollten wir auslaufen. Nur Wolf und Oswaldo fehlen.
Und dann hat Derk „die“ Idee: Dingi fahren! Gesagt, getan. Dingi runter von Deck und dann sind wir in dieser wunderschönen Bucht rumgeheizt. Ein tolles Gefühl in einer Bucht rumzuheizen, die von Gletschern umgeben ist. Aber da Dingi fahren auf Dauer auch nicht glücklich macht, war der Spaß nach einer Stunde auch vorbei. Übrigens hat Wolf es uns nie geglaubt, dass wir mit dem Ding eine Stunde unterwegs waren.
Also gehen wir noch mal in die „City“ zur Plaza, wo Wolf seine Agentur unterhält. Er versucht gerade mit einem deutschen Fernsehteam, den Folgecharterern, zu telefonieren.
Uns empfiehlt er derweil seine Stammkneipe. Und die ist noch etwas einfacher als die von gestern. Rohe Holztische, Fassofen, „integrierte“ Küche und ausschließlich Dosengetränke, kredenzt von Mama. Auch ohne Kühlschrank sind die Getränke kühl. Wolf kommt auch noch auf ein Bier, dann geht’s zurück zur „SANTA-MARIA“.
Ablegen um 12:20 Uhr. Strahlend blauer Himmel, bei null Wind geht es Richtung Ost in den Beagle-Kanal. Die Stimmung ist prächtig und nach zwei Stunden erreichen wir die Isla Martillo. Hier zeigt uns Wolf eine Pinguinkolonie. Die „SANTA-MARIA“ liegt mit dem Bug fast auf dem Strand. Aber die kleinen Kerle beachten uns absolut nicht. Sie stehen in der Sonne, gehen ab und zu ins Wasser oder zu ihren Nestern, die etwas höher liegen. Unter Schleichfahrt verlassen wir diesen Ort der Ruhe und nehmen wieder Kurs 90 Grad auf.
Mittlerweile zeigt das Thermometer am Deckhaus 30 Grad. Aus Ermangelung an anderen Glücksspielen lassen sich Derk und Burkhard abwechselnd von uns in den Mast winschen. Von dort oben haben sie schöne Bilder gemacht.
Etwas später steuert Wolf eine Durchfahrt zwischen einigen Inseln an. Diese urwüchsige Landschaft ist atemberaubend. Die Kiefern sind alle West-Ost ausgerichtet und stehen so dicht, dass es unmöglich scheint hier zu landen.
Etwas später laufen wir am Wrack der „LOGOS“ vorbei. Seit 1988 liegt der 120-Meter Dampfer hier hoch unten trocken auf einem Unterwasserriff. Die „LOGOS“ war das vorletzte und noch einzig sichtbare Schiff von ca. 150, die zwischen der Le Maire Straße und Kap Hoorn den Kampf gegen die Naturgewalten verloren haben.
Wir ändern den Kurs auf 120 Grad und laufen jetzt durch den Paso Picton zum südlichsten Dorf der Welt – Puerto Torro.
Puerto Torro besteht im wesentlichen aus einem uralten Anleger der Marine, ein paar Blechhütten und einer kleinen Sporthalle. Um den Anleger herum liegen ungefähr 50 Fischerboote, die hier ihren Fang, die Königskrabbe oder Centolla, an größere Kühlschiffe zum Transport nach Punta Arenas, umschlagen. Das Fleisch dieser niedlichen Tiere wird in Ushuaia zum Preis von 7 US$ pro 100 Gramm gehandelt.
Welch ein Unterschied! Die Fischer mit ihren mehr oder weniger Lumpen am Leib und wir mit unseren mehr oder weniger nagelneuen wasserdichten Segelanzügen.
Doch sehr wohl ist die Begrüßung herzlich, denn Wolf ist nicht das erste Mal hier im letzten Teil der zivilisierten Welt.
Da es erst 18:00 Uhr ist, schlägt Wolf einen Landgang vor. Kurz hinter den Blechhütten wird das Gelände unwegsam und wir bannen uns einen Weg durch das dichte Unterholz. Erst hören wir einen Bach plätschern, danach sehen wir einen kleinen Wasserfall. Dahinter liegt ein kleiner See, künstlich, wie Wolf sagt, aufgestaut von Bibern.
Die Biber, führt Wolf aus, sind die große Plage für Feuerland. Seit ungefähr 40 Jahren leben Biber in diesem für sie idealen Gebiet und vermehren sich redlich, da sie keine natürlichen Feinde haben. Wenn der Mensch nicht eingreift, werden die Wälder am Beagle – Kanal in 20 Jahren verschwunden sein.
Wir erklären uns spontan zu Biberjägern und beginnen an drei Stellen die Dämme zu öffnen.
Es ist mühsam, richtig mühsam. Aber irgendwann fängt es an zu rauschen, die Dämme lösen sich langsam auf, der Wasserpegel fällt und die Mittelburg wird sichtbar. Sechs Männer, mit Ästen bewaffnet stehen atemlos an einem fallenden Wasserspiegel. Wenn die Mittelburg trockenfällt fliehen die Biber. Die Spannung steigt. Und plötzlich hechtet Derk los, rutscht im Schlamm aus. „Sch..., fasst hätte ich einen gehabt“. Aber nur fast. Das Gelächter ist groß und auf dem Heimweg stellen wir fest, dass man die Fähigkeiten für den Job eines Biberjägers nicht mit der Muttermilch einsaugt, sondern bestimmt noch was lernen muss.
Zurück am Anleger tätigt Wolf ein kleines Tauschgeschäft. Eine halbe Stange Zigaretten und eine Flasche Rum wechseln den Besitzer und Oswaldo holt so viele Centolla´s, wie er tragen kann. Auf dem Anleger vor unserem Boot werden diese bis 60 Zentimeter im Durchmesser großen Krabben erst von Oswaldo, dann von Derk gewaltsam ihrer essbaren Teile entledigt, auf das „wie“ werde ich hier aber nicht eingehen.
Oswaldo hatte schon Reis und einige Saucen vorbereitet, etwas Brot, Wolf´s Lieblingsrotwein –10 Minuten später beginnen sieben hungrige Männer vier Kilo Nettofleisch zu verspeisen.
Nein, verspeisen ist nicht das richtige Wort, einige Szenen sind dem Klassiker “Das große Fressen“ entliehen. Insbesondere Derk scheint für diese Köstlichkeiten einen zweiten Magen in Reserve zu halten.
Mit letzter Kraft verholen Jo und ich zum Achterschiff um das bis jetzt erlebte mit einem kleinen Zigarillo zu verdauen. Unter Deck herrscht Rauchverbot.
Während wir schweigend den Sonnenuntergang genießen und das Treiben um uns herum beobachten, legt über uns ein 16-Meter Katamaran, die „KAUPA“, Heimathafen Riga, an.
Selber segle ich seit über 20 Jahren Katamaran, aber nach genauem Studium dieses Fahrzeuges beschließe ich für mich, dass ich selbst bei einer Regatta auf dem Baldeneysee mit diesem Gerät Bammel hätte. Die Seereling ist abgerissen, der Mast ist geknickt (deswegen auch der Stop in Puerto Toro), alles macht den Eindruck irgendwie repariert oder auswechselbedürftig zu sein. Eine Frau und vier Männer segeln dieses Schiff, ihr Aussehen ähnelt bestimmt dem vom alten Slocum nach seiner Weltumsegelung.
Aber sie haben es getan, sie haben ihren Traum einer Weltumsegelung (jedenfalls schon mal bis hier) erfüllt.
Nach einem „Gemütlichen“ im Deckhaus ist der Abend um 22:30 Uhr beendet und Jo und ich verholen in die Achterkajüte.
Doch um 4:00 Uhr ist die Nachruhe vorbei. Unser Überlieger, die Mannschaft der „KAUPA“ hat ihren Diesel-Außenborder gestartet, und dieses Geräusch ,nachts und überm Wasser, treibt j e d e m Harley-Fahrer die Tränen ins Auge.
25 SM, 55 04 S, 67 04W
13. März 2001
8:00 Uhr, 8 Grad, bewölkt, 1005 mbar.
Wir haben einen langen Weg vor uns. Gefrühstückt wird beim Segeln – richtig – Segeln. Wind aus NNO zwischen 3 und 5 Bft. Zum ersten mal lernen wir die Seetauglichkeit der “SANTA -MARIA“ kennen. Die Riesengenua mit dem „GORE TEX“ – Logo steht gut und bei erst südlichem, dann südwestlichem Kurs macht das Segeln Riesenspaß. Wir erreichen den Paso Goree. Hier beobachten wir die Fischer bei ihrer Arbeit. Beim Einlaufen in die Bahia Nassau schließt sich uns eine Delfinschule an. Mit sieben Knoten auf der Uhr laufen wir Richtung Kap Hoorn. Gegen 12:00 Uhr Reff 1 für Groß und Genua und Oswaldo zaubert eine Pizza Centolla.
Der Ausblick auf Navarino ist fantastisch. Gletscher, blaues Wasser, Wind, Delfine. Die Stimmung an Bord ist fantastisch, so ungefähr hatten wir uns das Alles vorgestellt. Aber das schönste war: Derk hat Langeweile! Ja, endlich Langeweile. Derk hat diese Reise ja nur gebucht, um endlich Mal Langeweile zu haben. Als ich ihn nach zwei Stunden, in denen er mit Blick auf Navarino, ausschließlich an der Backbordunterwand gelehnt, frage, was los ist bekomme ich zur Antwort: “ Kann ich endlich mal meine Ruhe haben?“
Gegen 15:00 Uhr erreichen wir das Wollaston Archipel. Wilde, unberührte Natur, zuletzt von den Yamana-Indianern vor 100 Jahren bewohnt, hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Normalerweise ist hier ein ausgewiesenes Naturschutzgebiet, aber wo kein Kläger,.... Hier gibt es nichts, was irgendwie an Zivilisation erinnert. Noch nicht einmal Müll an der Flutkante. Die Tierwelt besteht ausschließlich aus Seevögeln.
Vorbei an einer Untiefe, der Banco Castro, laufen wir in den Canal Washington, der die Inseln Bayly und Wollaston trennt.
Gegen 17:00 Uhr die erste große Kursänderung von 200 auf 120 Grad. Der Wind hat auf 6 Bft. aufgefrischt, dunkle Wolken ziehen auf, das Barometer ist auf 994 mbar gefallen, die Temperatur beträgt noch 6 Grad.
Kaum haben wir den Canal Washington verlassen und den Canal Franklin unterm Kiel, ändert sich der Rhythmus der Wellen, wir befinden uns im Pazifik. Auf Steuerbord ist das „Falso Cabo de Hornos“ zu sehen.
Die Wolken werden dunkler, die Böen ruppiger. Die „SANTA- MARIA“ schiebt mit 8 Knoten Fahrt durchs Wasser.
18:00 Uhr: Klar zum Segelbergen, Motor an, Genua weg, Groß weg, wir steuern den Naturhafen Puerto Maxwell auf der Isla Hermite an. Beim Eindrehen in diese Bucht zeigt sich, für uns alle überraschend, ein weiteres Schiff. Wir werfen, nein, Oswaldo wirft den Anker und wir gehen beim Franzosen längsseits. Zusätzlich werden am Heck zwei Landverbindungen erstellt, Fender noch mal umgehängt, kurze Begrüßung von Skipper zu Skipper.
18:20 Ruhe an Bord. Nicht weil wir schlafen, sondern weil Oswaldo wieder ein geniales Mahl bereitet hat. Der Skipper legt vor, Jo reicht den Rotwein. Nach dem Essen spül ich schnell mit Oswaldo, was mir für den Folgetag eine Extraportion der Zwischenmahlzeit sichert. Danach verhol ich mich mit Jo und einer Dose Bier aufs Achterschiff. Es erscheinen auch die Franzosen auf dem Oberdeck ihres Schiffes, ein Gläschen Rotwein in der Hand, einer der Herren mit Krawatte, die Dame mit hochhackigen Schuhen. Nach kurzer Zeit tauchen unsere Nachbarn wieder ab, weil ihr Skipper, nach erfolgter Kap Hoorn Umrundung, ein ..... Klavierkonzert gibt!
Unsere Crew dagegen sitzt jetzt schweigend auf dem Vorschiff und bestaunt einen glasklaren Regenbogen über einer goldroten Insel, der gegenüberliegenden Isla Maxwell. Ein Teil des Himmels ist wahnsinnig blau, der andere tiefschwarz. Da wo die untergehende Sonne hinlangt ergeben sich in den herbstlichen Bäumen und der Pazifikdünung phantastische Farbspiele. Mit der scheidenden Sonne wird es kalt und wir begeben uns zum wärmenden Ofen.
Wolf packt wieder tief in die Trickkiste. Da für morgen, dem Tag unserer Kap Hoorn Umrundung wegen Funkstörungen keine Wettervorhersage zu empfangen ist, holt er sein Laptop raus, schließt ihn an und wenig später sehen wir ein tolles Bild auf dem Bildschirm: Über der Drake-Straße, also zwischen uns und der Antarktis, befindet sich ein von West nach Ost ziehendes Tief mit s i e b z e h n Kringeln! Fein und sauber zu sehen und für die Lieben zu Hause auch gleich ausgedruckt, denn wann bekommt man schon so ein schönes Tief zu sehen? 200 Meilen weiter südlich herrschen 954mbar.
Das war´s, mein erster Gedanke, jetzt werden wir hier erst mal richtig schön eingeweht, angenehme Nachtruhe, Kap Hoorn ist gestrichen wegen geht nicht, aber wir haben ja nette Nachbarn, die uns auf ein kleines Konzert einladen können, Bier haben wir genug, morgen ist Lesetag usw.
Wolf versucht noch mal über Funk mit der Radiostation von Kap Hoorn und Lennox Kontakt aufzunehmen. Ohne Erfolg. Dann erklärt er: Auch die niedlichen Tiefs wie dieses hier ziehen schnell und wir werden die erste Möglichkeit zur Umrundung nutzen, morgen oder übermorgen oder überübermorgen, immer tranquillo. Bis jetzt musste er erst dreimal den Versuch abbrechen. Devise: Barograph beobachten (zur Zeit 992 mbar) und abwarten. Bis 22:00 Uhr sitzen wir noch zusammen und erörtern was ist wenn, bis Wolf seinen Schlafsack nimmt und sich in seine Koje im offenen Deckhaus zurückzieht. Burkhard, Jo und ich verholen in die Achterkajüte, lauschen noch ein wenig den Geschichten aus der DDR und fallen dann komatös in den Wohlverdienten.
55 SM, 55 49´S, 67 30´W
Mittwoch, 14. März 2001
Um 7:30 Uhr werde ich wach. Sofort öffne ich die Luke der Achterkabine und stürme raus. Nicht weil ich pinkeln muss, das Wetter interessiert mich: Wolkenfetzen fliegen über den Himmel, teilweise blau, dann dunkel, alles was es so gibt, zeigt sich. In der Bucht ist es fast windstill.
Der Barograph zeigt 992 mbar. Wir frühstücken anständig mit Rührei und Kaffee. Wolf entscheidet: Wir werden es versuchen, wenn es aber zu heftig wird, kehren wir um. Also, rein in den schweren Kampfanzug, langer Hinni, Halsmanschette (praktisches Teil aus dem Motorradzubehör), Mütze, Handschuhe, Sonnenbrille, Livebelt.
Leinenverbindung lösen, ein leises Aurevoir ( man will ja nach einer Konzertnacht nicht stören), Anker auf und ab. Vorsichtshalber binden wir ein Reff ins Groß und setzten die Genua nur bis zu Gore. Ich übernehme das Ruder. Nach verlassen von Puerto Maxwell empfangen uns muntere 6 Bft. aus NNO bei 9 Grad Lufttemperatur. Wir biegen ein in den Paso Sur und dann werden wir regelrecht überfallen. Nicht von Indianern, nein von „Williwauws“!
Williwauws sind für diese Ecke typische Fallwinde, die bis 120 km/h Windgeschwindigkeit entwickeln können. Und man kann die Willis sehen. Es sieht aus, als ob eine gasförmige Kugel die 450 Meter hohen Berge runterzischt, aufs Wasser klatscht und dann als Wasser/Luftgemisch weiterjagt. Der erste Willi, den ich sehe, und ich wusste sofort was es ist, zischt uns vor dem Bug vorbei. Der zweite trifft uns am Heck und legt die 16 Tonnen der „SANTA- MARIA“ ordentlich aufs Wasser. Respekt! Sofort luve ich an, Reff II ins Groß und die Genua wird bis zum Go eingedreht. Raumer Wind und Sonnenschein in der Bahia San Francisco! Aber nur kurz, dann legt der Wind wieder zu, es wird dunkel, dann hell, der Wind schwankt zwischen 5 und 6 Bft, Seegang zwischen vier und fünf.
Ab 10:15 Uhr ist die Isla Hornos in Sicht. Zweimal müssen wir noch Halsen, dann haben wir das „Hoorn“ vor Augen. Der Graph fällt auf 990 mbar.
11:44Uhr: Die „SANTA- MARIA“ liegt mit backstehenden Segeln vor Kap Hoorn, ungefähr zwei Kabellängen neben einer Untiefe, die bei Hochwasser und 7 Bft. nicht mehr sichtbar ist. Oswaldo holt Champagner und Gläser. Ein Hieb mit der Machete, die Gläser werden gefüllt und geleert und dann jede Menge Bilder gemacht. Geschafft, ein irres Gefühl! Und dann heißt es schneller werden.
Von Westen naht eine nachtschwarze Wand. Gläser und Kameras verschwinden, die „SANTA MARIA“ ist schnell auf Kurs gebracht. Erst jetzt übergebe ich das Steuer an Jo. Schnell sind 30 Knoten Windgeschwindigkeit erreicht, das Schiff läuft bis zu 10 Knoten und das relativ feucht. Die 8 Grad Lufttemperatur werden gefühlt wie Frost.
Nach einer halben Stunde ist der Spuk vorbei, der Himmel wird wieder blau, der Wind wird schwächer und wir gehen auf nördlichen Kurs. Kurze Zeit später sind wir in Lee vom Kap und müssen die Maschine anwerfen. Im SO der Insel gehen wir am Punta Espolon bei spiegelglatter See vor Anker. Dingi runter und Oswaldo setzt uns über zur Isla Hornos. Jo, Derk und ich warten am Strand auf den Rest der Crew, Wolf bleibt für alle Fälle an Bord.
Nachdem wir das Dingi hoch und trocken liegen haben beginnen wir mit dem Aufstieg. Eine steile Holzstiege führt zum Plateau. Hier oben steht eine kleine blaue Maschinenkammer für die Flurbahn zum Strand, mit der die Versorgungsmittel per Seilzug hochgeschafft werden. Beschriftet ist die Hütte mit“ Bienvenidos Isla Cabo de Hornos Territorio Chile- Cape Horn“.
Ja, wir sind wirklich da. Genau da, wo wir hin wollten. Es ist fantastisch. Wir sitzen hier oben auf einem Felsen zwischen Atlantik und Pazifik unter blauem Himmel und mir fallen die Worte eines der großen Autoren ein: „Sturmumtost und wolkenverhangen, nur selten hat ein Mensch das Kap in seiner Schönheit je gesehen“. Und jetzt sitzen wir hier oben und haben Sicht bis zum Horizont.
Unser erster Weg führt uns zum Denkmal der Kap Hoorniers. Seit 1989 steht hier ein Gedenkstein der Vereinigung der noch lebenden wahren Kapitäne, die unter Segel Kap Hoorn von Ost nach West umsegelt haben im Gedenken an ihre toten Kameraden. Direkt daneben stehen einige quadratische Stahlplatten, die auf der Spitze stehen. Die Mitte dieser Platten sind unterschiedlich ausgenommen und zeigen einen segelnden Albatross.
Danach geht es auf strikt ausgelegten Wanderwegen (wegen der Minengefahr) zum Leuchtturm und wieder werden Fotos gemacht. Der nächste Weg geht zur Kapelle, in der man vom Inselkommandanten sogar getraut werden kann.
Anschließend ist ein Besuch beim „Commandante“ und seiner Familie angesagt. Als Gastgeschenk überreichen wir einen Wimpel der deutschen Gesellschaft zur Retter Schiffbrüchiger und eine Gedenkmünze unserer Heimatinsel Borkum.
Im Gegenzug werden wir zu einer Tasse Tee eingeladen und mit Hilfe Oswaldos entsteht ein lockeres Gespräch. Und dann gibt es „Sie“: Die Stempel in unsere Reisepässe:
Isla Hornos Chile Lat 55 58S Long 67 17 W
Noch einmal gehen wir zu den Steilklippen und sehen bis zu Horizont gen Süden, sehen wie das Blau der Wellen an den Untiefen weiß zerstäubt, sehen diese Weite, sehen dieses Grün der Pflanzen auf der geschützten Ostseite.
Dann wird es Zeit zum Übersetzen. Noch eben ein paar Bilder gemacht von der „SANTA-MARIA“ , bekalmt vor grüner Insel und blauem Himmel.
Dingi hoch, Motor an, dann segeln wir zu Cala Martial in Lee der Isla Herschel. Liegend vor Bug- und Heckanker zaubert Oswaldo noch mal und um 21.00 Uhr ist Ruhe an Bord. Die Missweisung in diesem Seegebiet beträgt 14
34SM, 55 49S 67 18W
Donnerstag, 15. März 2001
Wach werde ich um 6.30 Uhr. Der Grund hierfür ist das Zittern der „SANTA-MARIA“ vor ihren Ankern. Die Art dieses Zitterns kannte ich bisher nur vom Segeln mit meinem Cat beim Abwettern eines Gewitters.
Aber jetzt haben wir 16 Tonnen unterm Hintern. Beim an Deck gehen habe ich zum Glück keine Mütze auf. Ein Williwau nach dem anderen jagt die Berge runter und am Ausgang der Bucht fliegt das Wasser waagerecht vorbei.
Beim Frühstück ist Wolf cool wie immer. Kein Wort über Wind, für uns ein Zeichen: Hafentag! Weit gefehlt: Bei Verhältnissen, bei denen viele Segler die Segel abnehmen und die Fender und Festmacher kontrollieren kommt das Kommando: Anker auf, Reff III. Motor an und raus aus der Bucht. Es war heftig. Neun saubere Beauforts erwarten uns. Ich habe nicht ein Foto von diesem Erlebnis gemacht. Jo steht am Ruder. Die ersten 100 Meter mit halben Wind sind schon beachtlich. Doch dann halsen wir, die „Santa Maria“ geht auf Vorwind, Welle und Strom laufen mit und bei dem kleinen „G“ in der Genua laufen wir staunend ab. Zwischen steilen Felsen im Paso Bravo machen wir im strömenden Regen Rauschefahrt.
Der Starkwind wird langsam weniger. Die Sonne kommt wieder raus und wir queren wieder die Bahia Nassau. Und der Wind lässt weiter nach. Gegen 15.00 Uh stehen die Segel voll und als wir die Isla Nueva auf Steuerbord haben hat das Meer nur noch kleine Schaumkronen, bei der Isla Lennox auf Backbord laufen wir ruhig unter Genua an einer sonnenbeschienenen Insel vorbei. Wolf zeigt uns hier die Reste von Goldgräberlagern. Wir motoren noch um ein Untiefe und eine vorgelagerte Kleininsel und der Anker fällt auf drei Meter in Lee von Lennox. Wir liegen in der Nähe des zerfallenen Anlegers und des Hauses des „Commandante“. Oswaldo setzt uns wieder über und der Commandante in seiner besten Uniform und seinem Sohn begrüßen uns per Handschlag „Ola, Seniores“. Endlich liegt hier mal Treibgut am Strand. Jo, Derk und ich laufen gen Norden, Burkhard und Ronald gen Süden. Nach ein paar Metern wenden wir uns ins Innere und treffen auf Stacheldraht. Minen? Wir bleiben lieber außerhalb. Wenig später mündet ein Bach ins Meer,wir folgen seinem Lauf und sehen auf der anderen Seite eine verlassene Kaserne. An der nächsten schmalen Stelle queren wir den Bach, doch wie in jedem Tidengewässer sind die Uferbereiche total versumpft. So sehen dann auch unsere Schuhe und Hosen aus. Bei der genauen Inspektion der verlassenen Militärbehausung entdecken wir nichts, nur etwas Müll. Da es Zeit fürs Essen wird gehen wir am Strand zurück und finden einen toten Seeelefanten. Derk kommt auf die Superidee diesem Dreimeterteil die Stoßzähne zu entfernen.
Gesagt, getan. Mit zwei Ästen aus dem Treibgut versuchen wir dem Kadaver das Maul zu öffnen. Das Ergebnis ist umwerfend, ein nicht endender Strom von Fliegen nutzt die erste kleine Öffnung, um an die frische Luft zu gelangen. Wir nutzen unsere Füße um möglichst schnell möglichst weit wegzulaufen und stehen wieder an der Mündung des Baches. Diesmal ist es egal, quer durch und gut is. Wir treffen Burkhard hier allein und Derk dreht noch eine Runde am Strand mit ihm (vielleicht findet man ja doch noch etwas). Derk erfährt hier, dass wir alle zum Tee beim Commandante eingeladen waren, seine Frau sogar Lippenstift aufgelegt hatte ( da man nur alle drei Monate Besuch bekommt, aber nur im Sommer!), doch Ronald für uns alle abgesagt hat. Danke!
Oswaldo zaubert schon wieder, ich hole meine CDs und Wolf hört seit langem und Oswaldo teilweise zum ersten Mal unsere Musik der 70er und 80er Jahre.
35 SM, 55 14S 66 51W
Freitag, 16. März 2001
Um 7.00 Uhr ist die Nacht zu Ende, 8.15 Uhr Anker auf. Der Wind bläst aus NNW mit Stärke 2-3, Lufttemperatur 8 C, 999mbar. Da wir Kurs 350 laufen müssen, geht es nur unter Motor.
Im Laufe des Vormittages fällt der Graf auf 992 mbar und der Wind frischt auf 8 Beaufort auf. In der Bahia Oglander nimmt Wolf die zweite Maschine dazu und mit 110 PS schieben wir noch saubere 3,5 Knoten Fahrt über Grund.
Derweil sitzen wir geschützt im Deckshaus und lassen das Erlebte Revue passieren. Obwohl es knallt und schaukelt serviert Oswaldo um 12.00 Uhr einen schmackhaften Snack. Im Paso Picton nehmen die gegenanlaufenden Wellen eine beachtliche Höhe an.
Hier entwickelt sich ein interessantes Gespräch: eigentlich möchte die Crew lieber nach Osten zur Le – Maire Street segeln, anstatt nach Westen in die Darwin Range. Aber Wolf bringt Argument um Argument gegen eine Planänderung.
Nachdem wir Puerto Toro auf Backbord gelassen haben wird es langsam trocken und im Beagle – Kanal stehen die Segel wieder Reff um Reff voll.
Bei strahlendem Sonnenschein machen wir um 16.45 Uhr wieder in Puerto Williams fest.
Zuerst werden die Duschen gestürmt und danach ein Sundowner auf dem Achterdeck genommen.
Jetzt ist ein Besuch im „Martin Gusinde Museum“ geplant, doch hier ist dicht. Also wird erst die Ortschaft und dann das Indianerdorf besucht. Hier im Dorf leben auch die letzten beiden noch lebenden Indianer, die Schwestern Calderone. Ihre Hütte kriegen wir zu Gesicht. Und dann kommt die Krönung: von einem Grundstück stürmt eine Meute von 10 Hunden auf uns zu. Nur Joe´s phantastischer Ausbildung haben wir es zu verdanken, das wir ohne Blessuren vom Acker kommen.
In diesem sonst ruhigen, bunten Wellblechdorf gibt es noch eine Besonderheit: das letzte Münztelefon vor dem Südpol. Hier ist ein Anruf zu Hause, ungeachtet der Zeitverschiebung, ein Muss. Doch, zum ersten und einzigen mal in Chile, steht hier ein Automat, der mit chilenischen Pesos gefüttert werden möchte. Und hiervon haben wir keinen einzigen.
Wir schlendern zurück zur Plaza, Wolf´s Stammkneipe ist geöffnet und wir trinken ein Christal – Bier (natürlich nach deutschem Reinheitsgebot gebraut). Ab 22.00 Uhr ist der Yachtclub geöffnet und unsere „Hoornier“ - Fete beginnt.
Beim Knistern des Kaminfeuers entwickelt sich ein schöner Abend. Ein Höhepunkt ist der Eintrag ins Gästebuch des Clubs. Unter anderem, neben den Weltberühmtheiten, finden wir einen Eintrag von zwei brasilianischen Crews, die mit dem Hobie 18 das Kap gerundet haben. Derk stellt fest, dass er mit dem Vereinswirt auch Borkumer Platt reden kann, und so gelangen einige Mixgetränke in unsere Köpfe. Zum Glück beträgt der Weg zur Koje nur 30 Meter.
40 SM 54 55S 68 19 W
Samstag, 17. 03. 2001
Über diesen Tag sagt das Logbuch lediglich:
13.30 Uhr abgelegt, Wind West 4 – 7, 986 hPa, 3-18 Grad, 19.10 fest Puerto Navarino an Boje. Komplett unter Motor.
Endlich mal ausschlafen und gemütlich an Deck frühstücken in einer supertollen Umgebung. Das Wasser im Naturhafen ist spiegelglatt. Die Bäume, Berge und Gletscher sind alle doppelt vorhanden.
Wir stiefeln erst mal zum Supermarkt um unsere Bier- und Speisenvorräte zu ergänzen. Ein paar Flaschen Wein und eine Flasche Whisky wechseln auch noch den Besitzer und zurück geht’s. Was sich aber als sehr schwierig erweist. Denn die Bierpaletten gehen ruckzuck kaputt. Aber auch hier weiß Wolf Abhilfe. Einer seiner Nachbarn fährt uns, zum kleinen Unkostenbeitrag von 10 Dollar, mit seinem Chevy zur „SANTA-MARIA“. Schnell sind die Sachen verstaut und dann ist es auch schon 11.00 Uhr, also Zeit für den Frühschoppen.
Mama steht schon wieder hinterm Tresen und serviert uns unser Dosenbier. Um 12.30 Uhr hat Wolf seine Geschäfte erledigt und gesellt sich zu uns. Noch ein Bier und um 13.30 Uhr legen wir ab. Mittlerweile ist es bewölkt und der Westwind bläst mit 5 Bft. Wir steuern Kurs 270,
den Weg nach Ushuaia zurück. Einer nach dem anderen verschwindet mal für ein Stündchen in der Koje. Gegen 8.00 Uhr liegt Ushuaia auf Steuerbord, der Wind bläst mit 7 Bft., das Thermometer am Deckshaus zeigt noch 3 Grad und die ganz dicke Ausrüstung samt Handschuhen kommt zum Ersteinsatz
Mit Büchsenlicht laufen wir in die Bucht von Puerto Navarino, einer Fünf –Haus – Ortschaft, ein und machen an einer Boje fest. Nach dem gelungenen Mahl hat keiner mehr Lust auf nichts, die Sünden der vorangegangenen Nacht fordern ihren Tribut. Der Ofen bullert vor sich hin und nach etwas Smalltalk ist um 21.30 Uhr ist Ruhe an Bord.
28 SM, 54 56‚S 69 09‚W
Sonntag, 18.03 2001
Um 7.00 Uhr ist die Nacht zu Ende und eine halbe Stunde später verlassen wir den Windschatten des Liegeplatzes Richtung Westen. Bei 4 Grad pfeift uns der Wind mit 3-5Bft. entgegen. Derk steuert uns vier Stunden durch Rött und Gischt, so was nennt man auch „Selbstkasteiung“, die Crew sitzt derweil gut gelaunt im Deckshaus.
Das Rundherum wird wieder karger und die Gletscher nähern sich dem Beagle-Kanal. Und als dann der erste Gletscher bis ins Wasser reicht, wird das langweilige Motoren auch wieder interessant.
Gegen 13.00 Uhr zeigt das Thermometer noch +1 Grad und es fängt an zu schneien. Und das macht Spaß! Schneeballschlacht an Bord? Kein Problem. Um 13.30 Uhr fällt der Anker bei drei Metern in der Caletta Olla und Oswaldo und Ronald bringen eine Heckleine aus. Wir liegen an einem blitzsauberen Kieselstrand vor einer dichten, urwaldähnlichen grünen Wand.
Ein paar Meter weiter liegt eine Yacht aus Australien. Wolf fordert uns auf in zwei Partien das Dingi zu besteigen und im dichten Schneetreiben mit Riesenflocken und 25 Metern Sicht entschwindet das Dingi zur anderen Seite der Bucht. Bei der zweiten Rutsche bin ich auch dabei. Wolf findet einen Weg in das dichte Grün. Nach ein paar Metern wird es irgendwie warm im Gebüsch und beim schmelzenden Schnee (und der dicken Kleidung) denken wir eher, wir sind irgendwo im Regenwald. Wir essen Calafate-Beeren und Baumpilze und staunen Bauklötze über die Vielfalt der Fauna.
Doch kurze Zeit später sind alle Bäume tot. Die Biber haben auch hier ein Feuchtbiotop geschaffen, dem die Natur nicht gewachsen ist. Das Laufen wird schwierig. Im Durchschnitt sind die vorhandenen, von den Bibern geschaffenen Tümpel 1,2 Meter tief und das Gelände sumpfig. Aber Wolf kennt den Weg. Wir müssen nur höllisch aufpassen bei den trockenen Fluchtwegen der Biber, allzu leicht kann man sich in diesen grasbewachsenen Kanälen die Gebeine vertreten.
An den Hängen, ab 100 Metern Höhe, wächst die Schneeschicht. Wir erreichen wieder einen Wald, aber diesmal ist er anders: Kiefern, Efeu und blühende Blumen. Und dann stehen wir vor einen See, die Endmoräne eines Gletschers. Weißes und blaues Eis treiben auf der spiegelglatten Oberfläche. Ich will so einen blauen Klotz haben, aber keine Chance.Über uns, vor der Silhouette des Gletschers und den schneebedeckten Gipfeln, kreisen ungefähr 30 Kondore.
Wolf packt seinen Rucksack aus und es gibt Kekse und für jeden eine Dose „Christal“ - Bier. Nach einer halben Stunde schweigen wird es Zeit zum Aufbruch. In einem Gebüsch entdecken wir das Skelett eines Guanakos, der Schädel muss mit.
Diesmal queren wir das Sumpfgebiet und die Wanderung wird zur Turnübung. Über gefällte Baumstämme jonglierend und jede Stütze nutzend nähern wir uns unserem Ausgangspunkt. Doch in Wasser stehende Bäume haben einen Nachteil: sie werden morsch. Und so einem Blender bin ich dann auf den Leim gegangen: Nachdem ich auf einem Moos ausgerutscht bin, konnte ich gerade noch einen 30cm Stamm erwischen, der dann auch prompt abbricht. Doch im Fallen erwische ich den nächsten Stamm, und der hält dann. Wer hatte wohl die Lacher auf seiner Seite? Nur der Steuerborbstiefel hat etwas Wasser gemacht.
Am Strand bleiben Jo und ich im Schneegestöber zurück und spinnen: wie lange könnten wir hier, alleine und auf uns selbst gestellt, ohne irgendetwas überleben? Wir spießen den Schädel auf einen Ast und postieren ihn an der Flutkante (von wegen Einfuhrbestimmungen und so). Sehr beeindruckend. Und noch etwas entdecken wir: An der Flutkante liegen Zehntausende von toten Fischen, eine Art Hering. Und noch etwas: keine Möwe zankt sich um dieses Aas, kein Fisch ist angeknabbert oder sonst wie gefleddert. Wenn ich dann an unsere Möwen denke... Doch dann erscheint Wolf im Schneegestöber. An Bord stelle ich fest, das ich vergessen hatte mir eine Hose unter den Segelanzug zu ziehen. Aber im Endeffekt war ich weit vorne damit. Chili-con-Carne und Karamellpudding erwarten uns. Heute veranstalten wir die zweite CD-Fete, diesmal ausgerichtet von Wolf. Um 21.30 Uhr ist Ende im Salon, der Skipper schläft im sitzen – verständlicherweise. Jo, Burkhard und ich verziehen uns nach achtern und stellen fest, dass die Darwin-Range doch was hat.
32 SM
Montag, 19.03. 2002
8.45 Uhr Anker auf. Bei 1011 hPa und 5 Grad, 3 Bft aus W verlassen wir unseren ruhigen Ankerplatz. Fast neun Stunden laufen wir unter Motor Richtung West. Das Treibeis wird dichter und die Gletscher kommen näher.
Das Dingi kommt wieder zum Einsatz. Der Anker fällt und wir setzen zum 100 Meter entfernten Strand über. Aber auch das ist kein leichtes Unterfangen; die Eisschollen müssen kunstvoll umfahren werden. Diesmal geht es über einen mit Eisbrocken übersäten Strand, dann über eine Kante in ein Geröllfeld. Auch hier sollte man beim laufen gut aufpassen. Dann folgt eine Grünfläche, die mit Wasser untersät ist. Auch nicht schlecht. Aber Meter um Meter nähern wir uns der Bruchkante des Gletschers, bis Oswaldo uns empfiehlt nicht näher an den Gletscherfuß zu gehen. Vor diesen schmutzig weißen Wand zu stehen ist überwältigend. So weit das Auge reicht: weiß, weiß und noch mal weiß.
Auf dem Rückweg stolpert Ronald und fällt Burkhard von hinten in die Beine. So schnell geht es, Burkhard verdreht sich das Knie.
Später steuert Wolf die „SANTA-MARIA“ in Schleichfahrt durchs Eis. Unsere Schraube dreht ungeschützt und wenn man einer Kollision vorbeugen kann, sollte man es tun. Trotzdem rumst es manchmal mächtig an unserem Rumpf.
Unser Ziel, den Gletscher „Romanche“, erreichen wir nicht. Wir haben auflaufend Wasser und das Eis ist zu dicht. So brechen wir ab und spielen ein bisschen. Jo und Burkhard lassen sich auf einer 15m³ Eisscholle absetzen. Da wir schneller treiben als die Scholle sind schnell einige Meter zwischen uns und den „Aussätzigen“. Es ist sehr lustig anzusehen, wie zwei Leute krampfhaft versuchen auf dieser spiegelglatten Fläche Halt zu finden.
Und zur Krönung des abends wird geangelt, keine Fische, sondern Eis – blaues Eis. Wir holen so einen passenden Brocken an Bord und freuen uns.
Wieder unter Schleichfahrt laufen wir zwei Meilen zurück und finden hinter einer kleinen Huk, der Caletta Pia, vor Anker und zwei Heckleinen einen Platz für die Nacht. Direkt neben einem Wasserfall, der aus 60 Metern direkt neben der „SANTA-MARIA“ ins Meer fällt. Wieder liegt eine Yacht in der Nähe, die „COAN“.
33 SM, 54 46´S, 69 40‚W
Dienstag, 20. 03. 2001
7.00 Anker auf. Dass Barometer ist auf 1024 mbar gestiegen.
Wenn wir noch zu den Gletschern wollen, dann jetzt bei ablaufend Wasser. Das Eis ist nicht so dicht wie gestern und wir kommen ziemlich rasch vorwärts.
Bei dem frühen Aufbruch habe ich vergessen, mir meinen Segelanzug anzuziehen. Und so stehe ich zwei Stunden in einer Jogging-Hose bei vier Grad an Deck. Schweigend, wie auch der Rest der Crew. Nach dem Gletscher „Romanche“ folgen noch drei Gletscher, die am Ende dieses Fjords ihr Ende finden. Da sie unbenannt sind, werden sie direkt getauft. Getauft auf die Namen unserer Frauen: Moni, Dotti und Brigitte.
Die Abbruchkante von „ Moni“ misst Wolf mit dem Radar ein: Breite: 1.200 Meter, Höhe 120 Meter.
Und wir haben das unverschämte Glück, dass sich ein Teil von dieser Kante löst und ins Meer stürzt. Erst sieht man es, dann hört man es. Ein Grollen wie Kanonendonner und dann beginnt die Eisfläche sich zu bewegen, so wie damals bei „Jim Knopf und die wilde 13“ sich das Meer bewegt hat. Das ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich den Anflug von Seekrankheit habe. Oder sind es die Spätfolgen des blauen Eises?
Auf jeden Fall bin ich durchgefroren und lege mich erst mal wieder hin. Bis der dusselige Motor endlich verstummt. Wind!
Bei Windstärken zwischen 3 und 5 Bft aus West sausen wir den Beaglekanal runter gen Ost. Zwischenzeitlich begegnen wir einer chilenischen Fregatte. Wir sehen sie erst sehr spät und sie ist zu Anfang nur an ihrer Bugwelle zuerkennen. Dieses Schiff ist für diese Gegend perfekt getarnt.
Ungefähr 10 Seemeilen vor Ushuaia lässt Wolf nach Backbord abdrehen und wir laufen in eine langgestreckte, nach Westen laufende Bucht ein, der Cala Yendegaia.
Um 19.00 Uhr ( hat Wolf schon wieder eine Stunde länger gemacht?) fällt in der untergehenden Sonne vor einem wahnsinnigen Panorama der Anker auf drei Meter Wassertiefe.
Essen fassen, Bordfete – was auch sonst. Der Grundtenor bei unseren Gesprächen ergibt: Der Ausflug in die Kordilleren war ein unerwartetes Erlebnis der besonderen Art.
47 SM, 54 51´S, 68 49´W
Mittwoch, 21. März 2001
2 Grad Celsius, 1034 mbar.
Nach einem gemütlichen Frühstück setzen wir zu der verlassenen Ortschaft über.
Wolf erzählt, dass die ganze Gegend, so weit das Auge reicht, also bis zu den umliegenden schneebedeckten Bergkuppen in der Ferne, dem ursprünglichen Besitzer, einer jugoslawischen Familie, die seit Anfang des letzten Jahrhundert dort ein Sägewerk unterhalten hat, von „Benetton“ für eine Millionen Dollar abgekauft wurde.
Aber nicht um eine Ferienanlage zu bauen oder ein Hotel, die Umgebung könnte das auf jeden Fall leisten, nein, sondern damit die vorhandenen Häuser wieder verfallen und das gesamte Gebiet im Ursprung erhalten bleibt und sich wieder regeneriert. Denn nach 100 Jahren Sägewerk fehlen doch ein paar Bäume.
Bei steigenden Temperaturen bis 25 Grad erlaufen wir die Gegend und entdecken Berge von Muschelschalen, die von den Ureinwohnern Feuerlands in Hunderten von Jahren geleert wurden. Mittlerweile sind diese beachtlichen Hügel von Gras überwachsen, aber wenn man ein wenig kratzt und richtig schaut findet man unter der Grasnabe nur Muschelschalen.
Der Abfluss der Gletscher hat ein riesiges, flaches Delta geschaffen. Wir wandern an den Hängen dieser Ufer und sehen zum ersten Mal - Zäune! Aber auch das hat sich bald erledigt, denn hier wird kein Vieh mehr gehalten.
Unser Naturbursche Wolf möchte uns noch die Überreste der Sägemühle zeigen, die noch zwei Kilometer entfernt ist, doch die Crew - streikt. Alle sind zu warm angezogen und zwei Kilometer Fußmarsch bis jetzt reichen auch.
Am ehemaligen Anleger finden wir „British Steel“, die Relikte einer 1897 in Birmingham gebauten Dampfmaschine, die hier jetzt locker vor sich her oxidieren.
Wir legen unter traumhaften Bedingungen, die See ist wieder spiegelglatt und alle Gletscher sind doppelt da, wieder ab und laufen zum ausklarieren – mal wieder nach Puerto Williams, größtenteils unter Segeln. Bei achterlichem Wind zeigt das Thermometer 35 Grad.
Wolf lädt zu sich nach Hause und wir sehen das Video, jetzt funktioniert es. Teile dieses Videos werden zur Zeit auf vielen Fernsehsendern gezeigt.
Anschließend ist das Abschlussessen bei „Mama“ angesagt. Wir bekommen einen Sonderraum in ihrer Gaststätte. Mama möchte nicht, dass wir dem Fußballspiel Chile – Uruguay auf TV beiwohnen. Denn manchmal flippen ein paar Fischer nach langer Zeit auf See ein wenig aus.
Aber nach dem Essen, das dem von Oswaldo in keiner Weise das Wasser reichen kann, stehen wir im Schankraum und passiert ist nichts.Und dann beginnt der unwiederbringlich letzte Abend im „Club Navale“. Eine neue Crew aus Frankreich ist anwesend sowie jede Menge Clubmitglieder.
Wir fragen Wolf, wie er den für uns letzten Tag gestalten möchte. Er schlägt vor, sofort nach Ushuaia zu laufen. Aber da sind wir absolut gegen. Wiederstand, Streik, Meuterei! Fast drei Wochen unterwegs und kein Feuer gemacht! Und eine Nacht haben wir noch. Die Feier wird lustig und nach einem Absacker, an Bord, bei drei Grad auf dem Achterdeck bis 4.30 Uhr, beziehen wir Stellung unter Deck.
42 SM
Donnerstag, 22.03 2001
Die Sonne lacht. Landgang. Das Martin-Gusinde-Museo steht auf dem Programm. Hier stehen Exponate, die im Buch „Der trauernde Blick“ beschrieben sind. Der zweite Teile der Ausstellung befasst sich mit der Fauna und Flora vom Terra del Fuego. Hier sehen wir unseren ersten Bieber.
Beim Besuch der „Werft“ am Strand bestaunen wir, wie mit Hilfe eines Rohres, Wasser und Feuer bei einem Fischerboot ein neues Kielholz geformt und angepasst wird.
Dann ist es so weit. Noch kurz „Ola“ bei Mama und um 12.00 Uhr kommt der Emigrationsoffizier. Stempel, Stempel, Stempel, Ola, adios Chile. Bei 2 Bft. aus West geht’s, mal wieder unter Motor, Richtung West. Ja, was ist denn in der Tüte die Oswaldo mitgebracht hat? Steaks, gute argentinische Steaks. Bei mittlerweile 5 Bft. und ordentliche Gebolze gegenan setzt Wolf einen Funkspruch ab: Wir haben Schwierigkeiten mit der Maschine, sie läuft heiß. Aus sicherheitlichen Gründen, bei mittlerweile 6 Bft, und zu einer Fehleranalyse werden wir nicht nach Ushuaia, sondern die Calla Mejillones anlaufen. Puerto Williams und Ushuaia bestätigen und um 16.00 Uhr fallen zwei Anker auf 3 Meter Wassertiefe.
Mal wieder hat Wolf uns zu einem herrlichen Fleckchen Erde gebracht, diesmal nur acht Meilen von der Zivilisation entfernt. Schnell ist das Dingi zu Wasser gebracht und Joe, Derk und ich machen uns auf den Weg zum hiesigen Friedhof. Der Weg führt am Ufer entlang durch zwei kleine Bäche. Und dann stehen wir vor ihm, dem CEMENTERIO INDIGENA MEJILLONES, declarado monumento national. So blau wie jetzt war der Himmel noch nie und schweigend betreten wir den Friedhof. 1978 fand hier die letzte Beerdigung statt, und es werden mit Sicherheit jemals nur noch zwei stattfinden. Dann sind alle jemals lebenden Feuerlandindianer in den ewigen Jagdgründen verschwunden. Der Stein an der Gruft der Familie Calderon steht auf jeden Fall schon. In einer Ecke des Friedhofes ist ein Holztippi nachgebaut, das mit Blumen und Inschriften geschmückt ist.
Für den Rückweg benutzen wir die Straße, besser gesagt den Feldweg. Und dann passiert es schon wieder. Diesmal sind es keine Hunde ,sondern etwa 30 leckere argentinische Rinder, die im wilden Lauf auf uns zurasen. Ich frage Joe „Und jetzt“ und erhalte als Antwort “Weiß ich auch nicht“. Leben ade, nein höllische Schmerzen werden gleich meinen Körper durchzucken. In Western hat man ja schon oft genug gesehen, was eine aufgebrachte Rinderherde anrichten kann. Doch dann, urplötzlich und ohne ein Vorzeichen, fällt die ganze Herde nach Steuerbord ab und verschwindet im dichten Wald. Das, so denke ich noch immer, war der gefährlichste Augenblick unserer Reise.
Mittlerweile haben unsere Kollegen schon ein Feuer entzündet und Burkhard zeigt, was er bei der FdJ so alles gelernt hat. Baumweise schleppt er Holz an und ist sichtlich stolz darauf uns zu zeigen, was ein Ossi so alles drauf hat. Die Steaks und der Salat schmecken hervorragend, und dann, keine100 Meter von unserem Feuer entfernt, entdeckt Derk eine Bieberburg.
Die Burg ist in einem Talauslauf in drei Barrieren angelegt. Wir beginnen beim untersten Damm, erst zögerlich, dann mit vollem Einsatz wird dieser Damm geknackt. Bei den anderen beiden Dämmen teilen wir uns auf und malochen, bis uns der Schweiß in den Schuhen steht.Wenn erst mal ein Anfang gemacht ist, geht die Demontage eines solchen Dammes relativ schnell von sich. Das abströmende Wasser spült die Äste sowie die eingelagerte Erde fort und schnell entstehen drei rauschende Wasserfälle. Wir bewaffnen uns mal wieder mit einem ortsüblichen Meinungsveränderungsstäbchen (sprich: Knüppel) und warten. Wieder wird im oberen Teil die Mittelburg sichtbar und dann, ja dann wird es dunkel. Wir haben Schwierigkeiten durch das dichte Unterholz zum Feuer zu stolpern, das mittlerweile eine beachtliche Höhe erreicht hat. Wolf hat Mühe den Holzsammeldrang von Burkhard Einhalt zu gebieten.
Gegen 22.00 Uhr wird es ungemütlich und wir setzen zur „SANTA -MARIA“ über.
Wolf berichtet, dass er über Telefon die Nachricht bekommen hat, dass Chartersegler in der Kap Horn Fahrt bei Ankunft in Ushuaia pro Mitsegler eine Abgabe von 1.000 US-.$ zu entrichten hätten. Plan A: Zurück nach Puerto Williams und Ausreise per Flieger über Punta Arenas nach Buenos Aires, Kosten pro Person: 150 $. Plan B, von Wolf: Abwarten und Mate trinken. Auf Deutschlandfunk hören wir, das heute die Mir im Pazifik abstürzen wird. Wir sitzen unter Deck und dann sehen wir sie alle1 Und dann kommt sie auch noch mal zurück! Na gut, es war ein Satellit und durch das Schwojen des Bootes haben wir ihn auch zweimal gesehen, aber die Mir war es garantiert nicht. Wir haben Tränen über diese Episode gelacht.
15 SM
Freitag, 23.03.2001
Schon um 8.00 Uhr heißt es „Anker auf“ und bei 3 Bft. aus SW und 3 Grad Celsius startet unser letzter Tag, und das noch unter Segeln.
Ein dicker Kreuzfahrer kommt uns entgegen, ein zweiter liegt in Ushuaia an der Pier. Um 12.00 Uhr machen wir im Yachthafen fest und Wolf und Owaldo entschwinden Richtung Imigrationsoffizier.
Uns bleibt nur die traurige Aufgabe unseren Seesack zu packen und die letzten fünf Dosen Bier in Angriff zu nehmen. Wolf erscheint kurz und wortkarg und verschwindet bald darauf wieder.
Oswaldo kommt wieder zurück und bereitet die letzte Mahlzeit an Bord für uns. Ein paar Bier hat er auch mitgebracht.
Dann kommt Wolf wieder zurück, lächelnd, und verteilt unsere Pässe. Auf die Frage, was los war stellt er nur eine Frage: „Wisst ihr denn nicht in welchem Teil des Globus wir uns befinden?“
Burkhard und Ronald verlassen die „SANTA MARIA“ sofort, denn sie wollen noch die 17.00 Uhr Maschine nach Buenos Aires erwischen.
Wir drei haben es nicht eilig, denn wir haben noch eine ( im nachhinein Ushuaia-Deluxe-) Nacht in der Acht-Sterne-Luxus-Herberge am Ende der Welt gebucht.
12 SM
Gesamt 423 Seemeilen
Bei Windstärke 0 – 10 Bft. Temperaturen von 0 – 30 Grad, strahlend blauer Himmel- Schneefall
Fazit 1
Auf dem Rückflug haben wir drei beschlossen, uns jeden Jahrestag unserer Kap Horn Umsegelung auf Borkum in den Dünen zum Zelten zu treffen. Das ging natürlich in die Hose weil, wir arbeiten durften.
Der Kontakt zu Burkhard blieb ein halbes Jahr erhalten, er ist in Charter mittlerweile um das Kap Der Guten Hoffnung gesegelt.
Unsere alte Crew ist auch wieder zusammen gesegelt und das mit den Buben. Und das nicht im Süden, nein, wir waren 10 Tage Anfang Mai in Irland. Erst waren die Buben dagegen, doch hinterher waren alle begeistert von Land, Leute und vom Segeln.
Fazit 2
Unsere Reise um Kap Horn ist mir, wie diese Erinnerungen zeigen, noch immer lebhaft im Gedächtnis. Verantwortlich für diese Tatsache sind Wolf und Oswaldo, die nie müde wurden unsere Fragen zu beantworten und uns alle Schönheiten am Ende der Welt vor Augen zu führen und dazu noch ein kulinarisches Erlebnis zu liefern Es war ein außergewöhnliches Erlebnis.
Und: Wir haben Calafate-Beeren gegessen!!!
Und dann habe ich auch noch "die" Diskette gefunden.
Auch wenn´s mal keine Motorradtour ist: viel Spaß beim Lesen!
Meine Reise nach Kap Hoorn
Eigentlich war es gar nicht meine Reise, es war unsere Reise.
Die Reise von Jo, Derk und mir. Die Reise in einem Segelboot rund Kap Hoorn.
Und wie kommt „Mann“ auf die Idee rund Kap Hoorn zu Segeln?
Die Idee entstand - beim Segeln. Beim Segeln 1999 rund Mallorca. An einem lauen Novemberabend bei 27 Grad Luft und 25 Grad Wassertemperatur. Schön war es, angenehm für diese Jahreszeit. Ein Jahr hatten wir uns auf diesen Törn gefreut, es war super gelaufen: Wetter war gut, Schiff war gut, Wind war super, Crew stimmte.
Und wie jedes Jahr kam die Frage: Und was machen wir nächstes Jahr? Portugal, Türkei, Griechenland?
Das dritte mal Mallorca stand nicht zur Debatte. Die Buben ( das sind die unter 40-jährigen) plädierten für den Süden. Kanaren? Süd-Frankreich? Portugal? Türkei?
Die Alten ( die über 40-jährigen) plädieren für was anderes: Keine Ostsee, keine Nordsee, kein Ijselmeeer, nein, was anderes.
Eventuell Nordamerika, Südsee, Kuba, alles, was in den herkömmlichen Prospekten steht, kam zur Debatte. Und Kap Hoorn, steht zwar nicht in den Prospekten, wurde aber erwähnt. Ein gemeinsames Ziel haben wir an diesem Abend nicht gefunden.
Segeln um Mallorca war vorbei, Schiff übergeben, Heimflug, der Alltag beginnt.
Aber Kap Hoorn ging mir nicht mehr aus dem Kopf.
Das erste Crewtreffen war dann im Januar. Bilder gucken, Erinnerungen tauschen und die Frage „wohin“ im Jahr 2000. Die Buben waren für den Süden. Jo und ich waren für - Kap Hoorn!
Ich bekam also den Auftrag was im Süden und alles für eine Reise um Kap Hoorn zusammenzustellen. Gesagt, getan.
Zweites Crewtreffen war im April. Mit den Prospekten von der „Boot“ und der „YACHT“
ausgerüstet setzten wir uns zusammen. Der Süden war schnell vorgestellt und dann kam die
„YACHT“: Eine Werbung der Segelschule Hering: Segeln um Kap Hoorn mit der SY „SANTA-MARIA“. Beschluss: Weiter zweigleisig schlau machen, Preise zusammenfahren, etc.
Drittes Crewtreffen. Mit den Unterlagen (und nur mit diesen) von Hering kam ich zum Treffen.
Nach einer etwas längeren Diskussion stand der Entschluss fest: Im November fliegen wir 10 Tage nach Südamerika.
Am nächsten Tag die Ernüchterung. Bei einem Gespräch mit der Agentur erfuhr ich, dass für
das Jahr 2000 die Reisen um Kap Hoorn.... ausgebucht...waren!
Hier ein Platz, da einer, aber vier Plätze buchen war nicht drin, erst im März 2001 waren in einer 17 – Tagereise die Plätze verfügbar.
Krisensitzung. Der März als Termin kam bei den Buben nicht in Frage, die lange Reise war auch zu teuer, und, und, und. Aber Jo und ich wollen. Mein 25jähriges Arbeitsjubiläum und mein 45. Geburtstag stimmten meine persönliche Chefin gnädig. Der Schwiegervater war der
große Befürworter ( er wäre sehr gerne immer, hat aber nicht, nun ist er zu alt)
Jo fand noch Derk, unseren dritten Mann.
Der Rest war einfach: Buchen, Flüge klarmachen, freuen auf den 8. März 2001.
8. März 2001
Abflug Düsseldorf 20:35Uhr nach Paris mit reichlich Gepäck, 8 Grad und Nieselregen.
Abflug Charles de Gaulle 23:15 Uhr. Das erste Mal in meinem Leben verlasse ich Europa.
9. März 2001
Landung in Buenos Aires. Nach dem klimatisierten Flughafengebäude folgt der 32 Grad-Schock. Es folgt der Flugplatzwechsel mit dem Taxi vom internationalen zum nationalen Flugplatz mit dem Taxi 32 Kilometer Fahrt durch ein blitzsauberes Buenos Aires, mit Barackenvierteln und Hunderten von Mercedes LKW’s, die man hier höchstens noch beim Oldtimertreffen sieht.
Am Flughafen haben wir dann den vierten Mann, Ronald aus Frankfurt, getroffen.
Zusammen sind wir zum Strand gegangen und haben erst mal „Brahma“ - Bier, natürlich gebraut nach deutschem Reinheitsgebot, und e i s k a l t in einer Strandbude auf der anderen Seite des Atlantiks getrunken. Hätte ich geahnt, wie warm es im März in Argentinien ist, hätte ich den Parka vom Segelanzug bestimmt ins Gepäck gesteckt.
15:00 Uhr: einchecken für die letzten 2000 Kilometer gen Süden zum südlichsten (Groß-) Flugplatz der Welt, nach Ushuaia.
Viele Bücher hatte ich im Vorfeld der Reise gelesen: Sprungala/Radtke, Hiscock, Slocum, Erdmann, Gusinde, Plüschow, Fuchs. Ich war der Ansicht zu wissen, wohin die Reise geht: Zum Ende der Welt. Aber in der MD 83 befanden sich etliche Leute mit kurzer Hose, ohne Strümpfe an den Füssen, im T- Shirt. Für mich stand fest: der Flieger macht noch eine Zwischenlandung (damit die Halbbekleideten noch aussteigen können).
Passierte aber nicht. Nach der Überquerung der Anden folgte ein fantastischer Landeanflug.
Kurz war das Blau des Lago Fagnano zu erkennen, und dann ging es ab nach unten. Ich hätte schwören können, 3x in der Runde. Aber Derk, unser Flieger, wusste, es war noch nicht einmal ein Vollkreis.
Landung in Ushuaia, 18:05 Uhr Ortszeit, 16.500 Kilometer von zu Hause. Ein topmoderner Flugplatz, auf dem auch ein Concorde landen kann, der blitzschnell das Gepäck ausspuckt. 28 Grad (Plus)
Taxi zum Hotel „Cabo de Hornos“. Ca. 8 Sterne haben wir diesem Nobelschuppen verliehen. Dann raus. Die südlichste Stadt der Welt lockt. Im Hinterkopf habe ich das Buch von Martin Gusinde, einem deutschen Geistlichen, der zur vorletzten Jahrhundertwende das Land der Indianer erforschte. Aber von Indianern keine Spur. Nur Dutzende von Geschäften, die Souvenirs a la Indianer an Kreuzfahrer und andere Touristen verkaufen.
Und eine dreispurige Hauptstrasse, ausgelegt als Einbahnstrasse. Ich denke, dass alle Ein-heimischen aus dem Umkreis von 100 Kilometern, die an diesem Tag motorisiert sind, hier zu treffen waren. Vom Mittag bis zum frühen Morgen fährt alles was Fahren kann (komplett mit der gesamten Familie im Auto), so oft, so schnell und so laut wie möglich diese Hauptstrasse rauf, über die Küstenstrasse wieder zurück und dann das Ganze von vorn.
Natur pur? Nee, Verkehr wie am Elbtunnel zum Ferienbeginn.
Meine Frau hat mir ein Meyers Reiseführer geschenkt, doch leider haben alle die hier empfohlenen Restaurants geschlossen. Also, wie gelernt: Gehe dahin, wo die Einheimischen hingehen.
Der Abend war super. In einer Kneipe mit Live- Musik ab 1:00 Uhr, und, ja wirklich: Deutschen, Holländern, Iren, Dänen und Oswaldo, unserem späteren Bootsmann, haben wir uns unsere erste Feuerlandtaufe geholt.
Um 3:00 Uhr war dringend Schlaf angesagt.
10. März 2001
Um 8:00 Uhr ist die Nacht zu Ende, ein Blick raus zeigt uns dicke Wolken und Schneegestöber. Für 9:00 ist das erste Treffen mit Wolf Kloss, unserem Skipper und Eigner der „SANTA-MARIA“ angesagt. Pünktlich nach unserer dritten Kanne Kaffee erscheint Wolf dann auch um 10:00 Uhr. Bei der vierten Kanne werden die ersten Pläne gemacht. Verholen zum Schiff, Proviant besorgen und auf den fünften Mitsegler warten, der gegen Mittag eintreffen wird.
Gesagt, getan. Mit dem Seesack vom Hotel eben rüber zum Hafen, zu unserem Schiff, der „SANTA-MARIA“.
Eine Hydra 48, von Reinke: roter Rumpf, weiße Aufbauten, festes Steuerhaus. Technische Daten: 5mm Stahlbau, 18 Tonnen Verdrängung, 1,60 m Tiefgang, 2 x MB 55 PS.
Jo und ich belegen die Achterkajüte. 2 getrennte Kojen, eigene Toilette und Dusche, beheizt durch eine Heizung und die Abwärme der beiden Motore. Derk und Ronald nehmen die beiden Kojen im Vorschiff. Die Sachen aus dem Seesack verteilen, Schlafsack raus, fertig.
Jetzt geht es ans Einkaufen. Mit vier Mann in einem Jetta – Taxi zum Supermarkt. Der Proviant muss für 16 Tage und sieben Personen bevorratet werden. Genauso wie das Bier.
Empfohlen von Wolf wird uns „Kilmer´s“. (Natürlich gebraut nach deutschen Reinheitsgesetzt.) Nachdem wir dann die achte Palette in den Einkaufswagen stapeln greift Wolf mit den Worten: „Sieben Paletten waren bis jetzt Rekord“ ein. In gutem Glauben verlassen wir den Laden mit sieben Paletten und dem Inhalt von drei anderen Einkaufswagen mit Hilfe zweier Taxen.
Nachdem alle Sachen, nicht mehr sichtbar, komplett im Schiff verstaut sind, überrascht uns Oswaldo mit einer ersten Top - Mahlzeit an Bord.
Mittlerweile ist das Thermometer auf 18 Grad gestiegen und die Crew trifft sich in der Plicht.Wolf wird mit Fragen gelöchert.
Wir erfahren, dass er seit 1986 Eigner dieses Schiffes ist, sieben Mal den Atlantik (wechselnder Charter je nach Jahreszeit in der Karibik und im Mittelmeer) überquert und mit diesem Schiff schon 150.000 Seemeilen im Kielwasser gelassen hat. Die 44 Umrundungen von Kap Hoorn erfahren wir viel später.
Und dann schellt das Handy. Es ist unser fünfter Mitsegler, Burkhard aus Magdeburg. Er ist über Madrid geflogen und wird Opfer eines... STREIKS! Zur Zeit ist er im Buenos Aires und kann nur noch die letzte Maschine nach Ushuaia erwischen, wenn ein Platz frei ist.
O.K., unser erster Segeltag ist damit geknickt.
Wir lernen Oswaldo besser kennen. Er fungiert als „Best – Man“ an Bord, Seemann mit Schürze. Gelernt hat er bei der chilenischen Marine, liebt die Natur und möchte Touristik studieren. Ein netter Mensch.
Wir warten gespannt auf Burkhard. Mittlerweile hat es vier mal geregnet und drei Mal war T-Shirt angesagt.
Der Blick von Bord Richtung Norden ist fantastisch. Erst das Meer, dann das bunte Ushuaia.
Dahinter thronen die Berge, die meisten mit einer Schneekrone. Richtung Westen: Gletscher,
nach Osten freies Wasser mit Blick auf den Beagle – Kanal und die Insel Navarrino.
Die Zeit verrinnt, und dann kommt Burkhard.
105 verschwitzte, fluchende, aber trotzdem grinsende Kilo, nähern sich dem Boot. Die gereichte Dose Bier wird in Rekordzeit vertilgt. Crew komplett.
Burkhard berichtet von seiner verrissenen Anreise und bezieht seine Koje mittschiffs.
Danach ist ein Landgang mit der ganzen Crew erst ins Verkehrschaos und dann in verschiedene Lokalitäten fällig. Erster Eindruck: In dieser Zusammensetzung wird es klappen.
11. März 2001
8:00 Uhr allgemeines Wecken. Oswaldo hat ein tolles Frühstück vorbereitet. Die eigentliche Einweisung beginnt: Von Anker bis Zeisig, alles wird erklärt. Jetzt ist Wolf Chef an Bord.
Und dann endlich: 11:20 Uhr - ablegen! Wir verlassen unter Motor den Hafen von Ushuaia. Es ist bedeckt als wir in den Beagle – Kanal einbiegen, Kurs 90 Grad, Windstärke „2“ E. Ab 12:30 Uhr Segeln unter Groß und Genua.
Nach ca. Seemeilen ein erster Stop: Islates Eclaireurs. Das ist eine Vogel- und Seelöwenkolonie mitten im Beaglekanal. Selbst bei fünf Metern Abstand riskieren diese großen Tiere nur ein Auge, um zu sehen wer da ist. Und es stinkt grausam.
Weiter geht´s gen Osten, jetzt bei strahlend blauem Himmel unter Motor und gesetztem Groß. Links und rechts gleiten kleine Hacienda´s an uns vorbei. Friedlich motoren wir an der Grenze zwischen Argentinien und Chile entlang, die sich noch immer im Waffenstillstand befinden. Die Berge werden etwas flacher, die Wälder nehmen eine für uns mehr typische herbstliche Färbung an. Die ersten Anzeichen von Zivilisation werden sichtbar und wir laufen Puerto Williams an, das südlichste Dorf Südamerikas. 24 SM liegen hinter uns.
18:00 Uhr fest in Puerto Williams, die typische Zeit für Wolf´s Feierabend. Das Dorf besteht aus einer Militärbasis und hat ca.1.500 Einwohner. Wir liegen hier in einem Naturhafen mit Schwimmsteg, der gehalten wird durch einen alten... RHEINDAMPFER!
Über Funk bittet Wolf um Einklarierung. Nachdem diese immer peinliche Prozedur über uns ergangen ist und wir die Stempel in unsere Pässe erhalten haben (in Südamerika gibt es ja keine Bestechlichkeit), geht es an Land.
Wir sind heute zum Grillen beim Skipper zu Hause eingeladen. Wir schnappen uns den argentinische Fernseher und die geschmuggelten ( ! )Rosenzöglinge und laufen los. Nach 500 Metern kommt zufällig ein Chevy vorbei, ein Bekannter von Wolf. Unsere Fracht wird eingeladen und wir verabreden uns für den frühen Abend bei Wolf.
Kurz hinterm Hafen befindet sich das „E-Werk“ von Puerto Williams, drei stationär laufende Dieselgeneratoren mit einer Gesamtleistung von 3 X 930 KW. Die Schwärze, sprich den Russ, den diese Generatoren im Laufe der Zeit hinterlassen haben, können nur einen eingefleischten Bergmann nicht schocken.
Vorbei am Militärhafen mit zwei Kriegsschiffen und der Kommandantur von Puerto Williams suchen und finden wir den Weg zu Wolf´s Haus.
Freundlich werden wir durch Wolf´s venezuelanischer Frau und den beiden Kindern empfangen. Ein schöner Abend beginnt, dessen Krönung die Vorführung eines neuen Videos vom SWF sein sollte. Aber leider spricht der neue argentinische Fernseher nicht mit dem chilenischen Rekorder. Egal.
Wir verabreden uns für später auf ein Bier im Yachtclub..
Auf unserem Weg zurück zum Hafen geraten wir zufällig auf die „Plaza“, aus zwei Kneipen klingt Musik. Wir entscheiden uns für eine. In dieser obereinfachen Gaststätte sind viele Einheimische, wir finden aber trotzdem einen Platz und Jo und ich bestellen uns je einen Kaffee und einen Wodka. Ein wenig später erscheint „Mama“ dann mit zwei Tassen mit Kaffeepulver, heißem Wasser und zwei Gläsern mit einer klaren Flüssigkeit. Meiner Ansicht nach zum regulieren des Kaffees. Aber es war Wodka, ca. 100 Gramm und mit ca. 60 Umdrehungen. Nach diesem Wodka haben Jo und ich auf Dauergrinsen umgestellt.Gegen 22:00 Uhr geht´s dann zum südlichsten Yachtclub der Welt, zum „Club Naval de Yates Micalvi“.
Dieser Yachtclub befindet sich, wie schon erwähnt, in einem ehemaligen Rheindampfer. Nachdem dieser Dampfer jahrezehnte lang als Nachschubschiff für die chilenische Marineim Beaglekanal unterwegs war, wurde er im Hafen von Puerto Williams auf Grund gesetzt und fungiert nun als Sanitärgebäude, Clubhaus und Anleger. Die ehemalige Brücke dient jetzt als Clubhaus. Bei Kaminfeuer bestellen wir uns ein Bier und ein Pisco suir, das chilenische Nationalgetränk. In kurzer Zeit wird es voll im Clubhaus. Eine französische Crew, die „es“ schon hinter sich hat, einige Jugendliche aus Deutschland und Holland, die zur Zeit in Puerto Williams Urlaub machen, Wolf mit Frau, Oswaldo und einige Vereinsmitglieder sorgen für einen kurzweiligen Abend. Um 2:00 Uhr bekommt Wolf Ausgang bis zum Auslaufen und wir verholen uns aufs Schiff.
24 SM, Standort 54o 56‘S, 67o 37‘W
12. März 2001
Um 9:00 Uhr ist die Nacht zu Ende. Ein strahlend blauer Himmel in einer spiegelblanken Bucht erwartet uns. Es wird ziemlich schnell warm und wir liegen an Deck und reden über die kommenden Tage. Wieso habe ich keine kurze Hose mit? Um 11:00 Uhr wollten wir auslaufen. Nur Wolf und Oswaldo fehlen.
Und dann hat Derk „die“ Idee: Dingi fahren! Gesagt, getan. Dingi runter von Deck und dann sind wir in dieser wunderschönen Bucht rumgeheizt. Ein tolles Gefühl in einer Bucht rumzuheizen, die von Gletschern umgeben ist. Aber da Dingi fahren auf Dauer auch nicht glücklich macht, war der Spaß nach einer Stunde auch vorbei. Übrigens hat Wolf es uns nie geglaubt, dass wir mit dem Ding eine Stunde unterwegs waren.
Also gehen wir noch mal in die „City“ zur Plaza, wo Wolf seine Agentur unterhält. Er versucht gerade mit einem deutschen Fernsehteam, den Folgecharterern, zu telefonieren.
Uns empfiehlt er derweil seine Stammkneipe. Und die ist noch etwas einfacher als die von gestern. Rohe Holztische, Fassofen, „integrierte“ Küche und ausschließlich Dosengetränke, kredenzt von Mama. Auch ohne Kühlschrank sind die Getränke kühl. Wolf kommt auch noch auf ein Bier, dann geht’s zurück zur „SANTA-MARIA“.
Ablegen um 12:20 Uhr. Strahlend blauer Himmel, bei null Wind geht es Richtung Ost in den Beagle-Kanal. Die Stimmung ist prächtig und nach zwei Stunden erreichen wir die Isla Martillo. Hier zeigt uns Wolf eine Pinguinkolonie. Die „SANTA-MARIA“ liegt mit dem Bug fast auf dem Strand. Aber die kleinen Kerle beachten uns absolut nicht. Sie stehen in der Sonne, gehen ab und zu ins Wasser oder zu ihren Nestern, die etwas höher liegen. Unter Schleichfahrt verlassen wir diesen Ort der Ruhe und nehmen wieder Kurs 90 Grad auf.
Mittlerweile zeigt das Thermometer am Deckhaus 30 Grad. Aus Ermangelung an anderen Glücksspielen lassen sich Derk und Burkhard abwechselnd von uns in den Mast winschen. Von dort oben haben sie schöne Bilder gemacht.
Etwas später steuert Wolf eine Durchfahrt zwischen einigen Inseln an. Diese urwüchsige Landschaft ist atemberaubend. Die Kiefern sind alle West-Ost ausgerichtet und stehen so dicht, dass es unmöglich scheint hier zu landen.
Etwas später laufen wir am Wrack der „LOGOS“ vorbei. Seit 1988 liegt der 120-Meter Dampfer hier hoch unten trocken auf einem Unterwasserriff. Die „LOGOS“ war das vorletzte und noch einzig sichtbare Schiff von ca. 150, die zwischen der Le Maire Straße und Kap Hoorn den Kampf gegen die Naturgewalten verloren haben.
Wir ändern den Kurs auf 120 Grad und laufen jetzt durch den Paso Picton zum südlichsten Dorf der Welt – Puerto Torro.
Puerto Torro besteht im wesentlichen aus einem uralten Anleger der Marine, ein paar Blechhütten und einer kleinen Sporthalle. Um den Anleger herum liegen ungefähr 50 Fischerboote, die hier ihren Fang, die Königskrabbe oder Centolla, an größere Kühlschiffe zum Transport nach Punta Arenas, umschlagen. Das Fleisch dieser niedlichen Tiere wird in Ushuaia zum Preis von 7 US$ pro 100 Gramm gehandelt.
Welch ein Unterschied! Die Fischer mit ihren mehr oder weniger Lumpen am Leib und wir mit unseren mehr oder weniger nagelneuen wasserdichten Segelanzügen.
Doch sehr wohl ist die Begrüßung herzlich, denn Wolf ist nicht das erste Mal hier im letzten Teil der zivilisierten Welt.
Da es erst 18:00 Uhr ist, schlägt Wolf einen Landgang vor. Kurz hinter den Blechhütten wird das Gelände unwegsam und wir bannen uns einen Weg durch das dichte Unterholz. Erst hören wir einen Bach plätschern, danach sehen wir einen kleinen Wasserfall. Dahinter liegt ein kleiner See, künstlich, wie Wolf sagt, aufgestaut von Bibern.
Die Biber, führt Wolf aus, sind die große Plage für Feuerland. Seit ungefähr 40 Jahren leben Biber in diesem für sie idealen Gebiet und vermehren sich redlich, da sie keine natürlichen Feinde haben. Wenn der Mensch nicht eingreift, werden die Wälder am Beagle – Kanal in 20 Jahren verschwunden sein.
Wir erklären uns spontan zu Biberjägern und beginnen an drei Stellen die Dämme zu öffnen.
Es ist mühsam, richtig mühsam. Aber irgendwann fängt es an zu rauschen, die Dämme lösen sich langsam auf, der Wasserpegel fällt und die Mittelburg wird sichtbar. Sechs Männer, mit Ästen bewaffnet stehen atemlos an einem fallenden Wasserspiegel. Wenn die Mittelburg trockenfällt fliehen die Biber. Die Spannung steigt. Und plötzlich hechtet Derk los, rutscht im Schlamm aus. „Sch..., fasst hätte ich einen gehabt“. Aber nur fast. Das Gelächter ist groß und auf dem Heimweg stellen wir fest, dass man die Fähigkeiten für den Job eines Biberjägers nicht mit der Muttermilch einsaugt, sondern bestimmt noch was lernen muss.
Zurück am Anleger tätigt Wolf ein kleines Tauschgeschäft. Eine halbe Stange Zigaretten und eine Flasche Rum wechseln den Besitzer und Oswaldo holt so viele Centolla´s, wie er tragen kann. Auf dem Anleger vor unserem Boot werden diese bis 60 Zentimeter im Durchmesser großen Krabben erst von Oswaldo, dann von Derk gewaltsam ihrer essbaren Teile entledigt, auf das „wie“ werde ich hier aber nicht eingehen.
Oswaldo hatte schon Reis und einige Saucen vorbereitet, etwas Brot, Wolf´s Lieblingsrotwein –10 Minuten später beginnen sieben hungrige Männer vier Kilo Nettofleisch zu verspeisen.
Nein, verspeisen ist nicht das richtige Wort, einige Szenen sind dem Klassiker “Das große Fressen“ entliehen. Insbesondere Derk scheint für diese Köstlichkeiten einen zweiten Magen in Reserve zu halten.
Mit letzter Kraft verholen Jo und ich zum Achterschiff um das bis jetzt erlebte mit einem kleinen Zigarillo zu verdauen. Unter Deck herrscht Rauchverbot.
Während wir schweigend den Sonnenuntergang genießen und das Treiben um uns herum beobachten, legt über uns ein 16-Meter Katamaran, die „KAUPA“, Heimathafen Riga, an.
Selber segle ich seit über 20 Jahren Katamaran, aber nach genauem Studium dieses Fahrzeuges beschließe ich für mich, dass ich selbst bei einer Regatta auf dem Baldeneysee mit diesem Gerät Bammel hätte. Die Seereling ist abgerissen, der Mast ist geknickt (deswegen auch der Stop in Puerto Toro), alles macht den Eindruck irgendwie repariert oder auswechselbedürftig zu sein. Eine Frau und vier Männer segeln dieses Schiff, ihr Aussehen ähnelt bestimmt dem vom alten Slocum nach seiner Weltumsegelung.
Aber sie haben es getan, sie haben ihren Traum einer Weltumsegelung (jedenfalls schon mal bis hier) erfüllt.
Nach einem „Gemütlichen“ im Deckhaus ist der Abend um 22:30 Uhr beendet und Jo und ich verholen in die Achterkajüte.
Doch um 4:00 Uhr ist die Nachruhe vorbei. Unser Überlieger, die Mannschaft der „KAUPA“ hat ihren Diesel-Außenborder gestartet, und dieses Geräusch ,nachts und überm Wasser, treibt j e d e m Harley-Fahrer die Tränen ins Auge.
25 SM, 55 04 S, 67 04W
13. März 2001
8:00 Uhr, 8 Grad, bewölkt, 1005 mbar.
Wir haben einen langen Weg vor uns. Gefrühstückt wird beim Segeln – richtig – Segeln. Wind aus NNO zwischen 3 und 5 Bft. Zum ersten mal lernen wir die Seetauglichkeit der “SANTA -MARIA“ kennen. Die Riesengenua mit dem „GORE TEX“ – Logo steht gut und bei erst südlichem, dann südwestlichem Kurs macht das Segeln Riesenspaß. Wir erreichen den Paso Goree. Hier beobachten wir die Fischer bei ihrer Arbeit. Beim Einlaufen in die Bahia Nassau schließt sich uns eine Delfinschule an. Mit sieben Knoten auf der Uhr laufen wir Richtung Kap Hoorn. Gegen 12:00 Uhr Reff 1 für Groß und Genua und Oswaldo zaubert eine Pizza Centolla.
Der Ausblick auf Navarino ist fantastisch. Gletscher, blaues Wasser, Wind, Delfine. Die Stimmung an Bord ist fantastisch, so ungefähr hatten wir uns das Alles vorgestellt. Aber das schönste war: Derk hat Langeweile! Ja, endlich Langeweile. Derk hat diese Reise ja nur gebucht, um endlich Mal Langeweile zu haben. Als ich ihn nach zwei Stunden, in denen er mit Blick auf Navarino, ausschließlich an der Backbordunterwand gelehnt, frage, was los ist bekomme ich zur Antwort: “ Kann ich endlich mal meine Ruhe haben?“
Gegen 15:00 Uhr erreichen wir das Wollaston Archipel. Wilde, unberührte Natur, zuletzt von den Yamana-Indianern vor 100 Jahren bewohnt, hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Normalerweise ist hier ein ausgewiesenes Naturschutzgebiet, aber wo kein Kläger,.... Hier gibt es nichts, was irgendwie an Zivilisation erinnert. Noch nicht einmal Müll an der Flutkante. Die Tierwelt besteht ausschließlich aus Seevögeln.
Vorbei an einer Untiefe, der Banco Castro, laufen wir in den Canal Washington, der die Inseln Bayly und Wollaston trennt.
Gegen 17:00 Uhr die erste große Kursänderung von 200 auf 120 Grad. Der Wind hat auf 6 Bft. aufgefrischt, dunkle Wolken ziehen auf, das Barometer ist auf 994 mbar gefallen, die Temperatur beträgt noch 6 Grad.
Kaum haben wir den Canal Washington verlassen und den Canal Franklin unterm Kiel, ändert sich der Rhythmus der Wellen, wir befinden uns im Pazifik. Auf Steuerbord ist das „Falso Cabo de Hornos“ zu sehen.
Die Wolken werden dunkler, die Böen ruppiger. Die „SANTA- MARIA“ schiebt mit 8 Knoten Fahrt durchs Wasser.
18:00 Uhr: Klar zum Segelbergen, Motor an, Genua weg, Groß weg, wir steuern den Naturhafen Puerto Maxwell auf der Isla Hermite an. Beim Eindrehen in diese Bucht zeigt sich, für uns alle überraschend, ein weiteres Schiff. Wir werfen, nein, Oswaldo wirft den Anker und wir gehen beim Franzosen längsseits. Zusätzlich werden am Heck zwei Landverbindungen erstellt, Fender noch mal umgehängt, kurze Begrüßung von Skipper zu Skipper.
18:20 Ruhe an Bord. Nicht weil wir schlafen, sondern weil Oswaldo wieder ein geniales Mahl bereitet hat. Der Skipper legt vor, Jo reicht den Rotwein. Nach dem Essen spül ich schnell mit Oswaldo, was mir für den Folgetag eine Extraportion der Zwischenmahlzeit sichert. Danach verhol ich mich mit Jo und einer Dose Bier aufs Achterschiff. Es erscheinen auch die Franzosen auf dem Oberdeck ihres Schiffes, ein Gläschen Rotwein in der Hand, einer der Herren mit Krawatte, die Dame mit hochhackigen Schuhen. Nach kurzer Zeit tauchen unsere Nachbarn wieder ab, weil ihr Skipper, nach erfolgter Kap Hoorn Umrundung, ein ..... Klavierkonzert gibt!
Unsere Crew dagegen sitzt jetzt schweigend auf dem Vorschiff und bestaunt einen glasklaren Regenbogen über einer goldroten Insel, der gegenüberliegenden Isla Maxwell. Ein Teil des Himmels ist wahnsinnig blau, der andere tiefschwarz. Da wo die untergehende Sonne hinlangt ergeben sich in den herbstlichen Bäumen und der Pazifikdünung phantastische Farbspiele. Mit der scheidenden Sonne wird es kalt und wir begeben uns zum wärmenden Ofen.
Wolf packt wieder tief in die Trickkiste. Da für morgen, dem Tag unserer Kap Hoorn Umrundung wegen Funkstörungen keine Wettervorhersage zu empfangen ist, holt er sein Laptop raus, schließt ihn an und wenig später sehen wir ein tolles Bild auf dem Bildschirm: Über der Drake-Straße, also zwischen uns und der Antarktis, befindet sich ein von West nach Ost ziehendes Tief mit s i e b z e h n Kringeln! Fein und sauber zu sehen und für die Lieben zu Hause auch gleich ausgedruckt, denn wann bekommt man schon so ein schönes Tief zu sehen? 200 Meilen weiter südlich herrschen 954mbar.
Das war´s, mein erster Gedanke, jetzt werden wir hier erst mal richtig schön eingeweht, angenehme Nachtruhe, Kap Hoorn ist gestrichen wegen geht nicht, aber wir haben ja nette Nachbarn, die uns auf ein kleines Konzert einladen können, Bier haben wir genug, morgen ist Lesetag usw.
Wolf versucht noch mal über Funk mit der Radiostation von Kap Hoorn und Lennox Kontakt aufzunehmen. Ohne Erfolg. Dann erklärt er: Auch die niedlichen Tiefs wie dieses hier ziehen schnell und wir werden die erste Möglichkeit zur Umrundung nutzen, morgen oder übermorgen oder überübermorgen, immer tranquillo. Bis jetzt musste er erst dreimal den Versuch abbrechen. Devise: Barograph beobachten (zur Zeit 992 mbar) und abwarten. Bis 22:00 Uhr sitzen wir noch zusammen und erörtern was ist wenn, bis Wolf seinen Schlafsack nimmt und sich in seine Koje im offenen Deckhaus zurückzieht. Burkhard, Jo und ich verholen in die Achterkajüte, lauschen noch ein wenig den Geschichten aus der DDR und fallen dann komatös in den Wohlverdienten.
55 SM, 55 49´S, 67 30´W
Mittwoch, 14. März 2001
Um 7:30 Uhr werde ich wach. Sofort öffne ich die Luke der Achterkabine und stürme raus. Nicht weil ich pinkeln muss, das Wetter interessiert mich: Wolkenfetzen fliegen über den Himmel, teilweise blau, dann dunkel, alles was es so gibt, zeigt sich. In der Bucht ist es fast windstill.
Der Barograph zeigt 992 mbar. Wir frühstücken anständig mit Rührei und Kaffee. Wolf entscheidet: Wir werden es versuchen, wenn es aber zu heftig wird, kehren wir um. Also, rein in den schweren Kampfanzug, langer Hinni, Halsmanschette (praktisches Teil aus dem Motorradzubehör), Mütze, Handschuhe, Sonnenbrille, Livebelt.
Leinenverbindung lösen, ein leises Aurevoir ( man will ja nach einer Konzertnacht nicht stören), Anker auf und ab. Vorsichtshalber binden wir ein Reff ins Groß und setzten die Genua nur bis zu Gore. Ich übernehme das Ruder. Nach verlassen von Puerto Maxwell empfangen uns muntere 6 Bft. aus NNO bei 9 Grad Lufttemperatur. Wir biegen ein in den Paso Sur und dann werden wir regelrecht überfallen. Nicht von Indianern, nein von „Williwauws“!
Williwauws sind für diese Ecke typische Fallwinde, die bis 120 km/h Windgeschwindigkeit entwickeln können. Und man kann die Willis sehen. Es sieht aus, als ob eine gasförmige Kugel die 450 Meter hohen Berge runterzischt, aufs Wasser klatscht und dann als Wasser/Luftgemisch weiterjagt. Der erste Willi, den ich sehe, und ich wusste sofort was es ist, zischt uns vor dem Bug vorbei. Der zweite trifft uns am Heck und legt die 16 Tonnen der „SANTA- MARIA“ ordentlich aufs Wasser. Respekt! Sofort luve ich an, Reff II ins Groß und die Genua wird bis zum Go eingedreht. Raumer Wind und Sonnenschein in der Bahia San Francisco! Aber nur kurz, dann legt der Wind wieder zu, es wird dunkel, dann hell, der Wind schwankt zwischen 5 und 6 Bft, Seegang zwischen vier und fünf.
Ab 10:15 Uhr ist die Isla Hornos in Sicht. Zweimal müssen wir noch Halsen, dann haben wir das „Hoorn“ vor Augen. Der Graph fällt auf 990 mbar.
11:44Uhr: Die „SANTA- MARIA“ liegt mit backstehenden Segeln vor Kap Hoorn, ungefähr zwei Kabellängen neben einer Untiefe, die bei Hochwasser und 7 Bft. nicht mehr sichtbar ist. Oswaldo holt Champagner und Gläser. Ein Hieb mit der Machete, die Gläser werden gefüllt und geleert und dann jede Menge Bilder gemacht. Geschafft, ein irres Gefühl! Und dann heißt es schneller werden.
Von Westen naht eine nachtschwarze Wand. Gläser und Kameras verschwinden, die „SANTA MARIA“ ist schnell auf Kurs gebracht. Erst jetzt übergebe ich das Steuer an Jo. Schnell sind 30 Knoten Windgeschwindigkeit erreicht, das Schiff läuft bis zu 10 Knoten und das relativ feucht. Die 8 Grad Lufttemperatur werden gefühlt wie Frost.
Nach einer halben Stunde ist der Spuk vorbei, der Himmel wird wieder blau, der Wind wird schwächer und wir gehen auf nördlichen Kurs. Kurze Zeit später sind wir in Lee vom Kap und müssen die Maschine anwerfen. Im SO der Insel gehen wir am Punta Espolon bei spiegelglatter See vor Anker. Dingi runter und Oswaldo setzt uns über zur Isla Hornos. Jo, Derk und ich warten am Strand auf den Rest der Crew, Wolf bleibt für alle Fälle an Bord.
Nachdem wir das Dingi hoch und trocken liegen haben beginnen wir mit dem Aufstieg. Eine steile Holzstiege führt zum Plateau. Hier oben steht eine kleine blaue Maschinenkammer für die Flurbahn zum Strand, mit der die Versorgungsmittel per Seilzug hochgeschafft werden. Beschriftet ist die Hütte mit“ Bienvenidos Isla Cabo de Hornos Territorio Chile- Cape Horn“.
Ja, wir sind wirklich da. Genau da, wo wir hin wollten. Es ist fantastisch. Wir sitzen hier oben auf einem Felsen zwischen Atlantik und Pazifik unter blauem Himmel und mir fallen die Worte eines der großen Autoren ein: „Sturmumtost und wolkenverhangen, nur selten hat ein Mensch das Kap in seiner Schönheit je gesehen“. Und jetzt sitzen wir hier oben und haben Sicht bis zum Horizont.
Unser erster Weg führt uns zum Denkmal der Kap Hoorniers. Seit 1989 steht hier ein Gedenkstein der Vereinigung der noch lebenden wahren Kapitäne, die unter Segel Kap Hoorn von Ost nach West umsegelt haben im Gedenken an ihre toten Kameraden. Direkt daneben stehen einige quadratische Stahlplatten, die auf der Spitze stehen. Die Mitte dieser Platten sind unterschiedlich ausgenommen und zeigen einen segelnden Albatross.
Danach geht es auf strikt ausgelegten Wanderwegen (wegen der Minengefahr) zum Leuchtturm und wieder werden Fotos gemacht. Der nächste Weg geht zur Kapelle, in der man vom Inselkommandanten sogar getraut werden kann.
Anschließend ist ein Besuch beim „Commandante“ und seiner Familie angesagt. Als Gastgeschenk überreichen wir einen Wimpel der deutschen Gesellschaft zur Retter Schiffbrüchiger und eine Gedenkmünze unserer Heimatinsel Borkum.
Im Gegenzug werden wir zu einer Tasse Tee eingeladen und mit Hilfe Oswaldos entsteht ein lockeres Gespräch. Und dann gibt es „Sie“: Die Stempel in unsere Reisepässe:
Isla Hornos Chile Lat 55 58S Long 67 17 W
Noch einmal gehen wir zu den Steilklippen und sehen bis zu Horizont gen Süden, sehen wie das Blau der Wellen an den Untiefen weiß zerstäubt, sehen diese Weite, sehen dieses Grün der Pflanzen auf der geschützten Ostseite.
Dann wird es Zeit zum Übersetzen. Noch eben ein paar Bilder gemacht von der „SANTA-MARIA“ , bekalmt vor grüner Insel und blauem Himmel.
Dingi hoch, Motor an, dann segeln wir zu Cala Martial in Lee der Isla Herschel. Liegend vor Bug- und Heckanker zaubert Oswaldo noch mal und um 21.00 Uhr ist Ruhe an Bord. Die Missweisung in diesem Seegebiet beträgt 14
34SM, 55 49S 67 18W
Donnerstag, 15. März 2001
Wach werde ich um 6.30 Uhr. Der Grund hierfür ist das Zittern der „SANTA-MARIA“ vor ihren Ankern. Die Art dieses Zitterns kannte ich bisher nur vom Segeln mit meinem Cat beim Abwettern eines Gewitters.
Aber jetzt haben wir 16 Tonnen unterm Hintern. Beim an Deck gehen habe ich zum Glück keine Mütze auf. Ein Williwau nach dem anderen jagt die Berge runter und am Ausgang der Bucht fliegt das Wasser waagerecht vorbei.
Beim Frühstück ist Wolf cool wie immer. Kein Wort über Wind, für uns ein Zeichen: Hafentag! Weit gefehlt: Bei Verhältnissen, bei denen viele Segler die Segel abnehmen und die Fender und Festmacher kontrollieren kommt das Kommando: Anker auf, Reff III. Motor an und raus aus der Bucht. Es war heftig. Neun saubere Beauforts erwarten uns. Ich habe nicht ein Foto von diesem Erlebnis gemacht. Jo steht am Ruder. Die ersten 100 Meter mit halben Wind sind schon beachtlich. Doch dann halsen wir, die „Santa Maria“ geht auf Vorwind, Welle und Strom laufen mit und bei dem kleinen „G“ in der Genua laufen wir staunend ab. Zwischen steilen Felsen im Paso Bravo machen wir im strömenden Regen Rauschefahrt.
Der Starkwind wird langsam weniger. Die Sonne kommt wieder raus und wir queren wieder die Bahia Nassau. Und der Wind lässt weiter nach. Gegen 15.00 Uh stehen die Segel voll und als wir die Isla Nueva auf Steuerbord haben hat das Meer nur noch kleine Schaumkronen, bei der Isla Lennox auf Backbord laufen wir ruhig unter Genua an einer sonnenbeschienenen Insel vorbei. Wolf zeigt uns hier die Reste von Goldgräberlagern. Wir motoren noch um ein Untiefe und eine vorgelagerte Kleininsel und der Anker fällt auf drei Meter in Lee von Lennox. Wir liegen in der Nähe des zerfallenen Anlegers und des Hauses des „Commandante“. Oswaldo setzt uns wieder über und der Commandante in seiner besten Uniform und seinem Sohn begrüßen uns per Handschlag „Ola, Seniores“. Endlich liegt hier mal Treibgut am Strand. Jo, Derk und ich laufen gen Norden, Burkhard und Ronald gen Süden. Nach ein paar Metern wenden wir uns ins Innere und treffen auf Stacheldraht. Minen? Wir bleiben lieber außerhalb. Wenig später mündet ein Bach ins Meer,wir folgen seinem Lauf und sehen auf der anderen Seite eine verlassene Kaserne. An der nächsten schmalen Stelle queren wir den Bach, doch wie in jedem Tidengewässer sind die Uferbereiche total versumpft. So sehen dann auch unsere Schuhe und Hosen aus. Bei der genauen Inspektion der verlassenen Militärbehausung entdecken wir nichts, nur etwas Müll. Da es Zeit fürs Essen wird gehen wir am Strand zurück und finden einen toten Seeelefanten. Derk kommt auf die Superidee diesem Dreimeterteil die Stoßzähne zu entfernen.
Gesagt, getan. Mit zwei Ästen aus dem Treibgut versuchen wir dem Kadaver das Maul zu öffnen. Das Ergebnis ist umwerfend, ein nicht endender Strom von Fliegen nutzt die erste kleine Öffnung, um an die frische Luft zu gelangen. Wir nutzen unsere Füße um möglichst schnell möglichst weit wegzulaufen und stehen wieder an der Mündung des Baches. Diesmal ist es egal, quer durch und gut is. Wir treffen Burkhard hier allein und Derk dreht noch eine Runde am Strand mit ihm (vielleicht findet man ja doch noch etwas). Derk erfährt hier, dass wir alle zum Tee beim Commandante eingeladen waren, seine Frau sogar Lippenstift aufgelegt hatte ( da man nur alle drei Monate Besuch bekommt, aber nur im Sommer!), doch Ronald für uns alle abgesagt hat. Danke!
Oswaldo zaubert schon wieder, ich hole meine CDs und Wolf hört seit langem und Oswaldo teilweise zum ersten Mal unsere Musik der 70er und 80er Jahre.
35 SM, 55 14S 66 51W
Freitag, 16. März 2001
Um 7.00 Uhr ist die Nacht zu Ende, 8.15 Uhr Anker auf. Der Wind bläst aus NNW mit Stärke 2-3, Lufttemperatur 8 C, 999mbar. Da wir Kurs 350 laufen müssen, geht es nur unter Motor.
Im Laufe des Vormittages fällt der Graf auf 992 mbar und der Wind frischt auf 8 Beaufort auf. In der Bahia Oglander nimmt Wolf die zweite Maschine dazu und mit 110 PS schieben wir noch saubere 3,5 Knoten Fahrt über Grund.
Derweil sitzen wir geschützt im Deckshaus und lassen das Erlebte Revue passieren. Obwohl es knallt und schaukelt serviert Oswaldo um 12.00 Uhr einen schmackhaften Snack. Im Paso Picton nehmen die gegenanlaufenden Wellen eine beachtliche Höhe an.
Hier entwickelt sich ein interessantes Gespräch: eigentlich möchte die Crew lieber nach Osten zur Le – Maire Street segeln, anstatt nach Westen in die Darwin Range. Aber Wolf bringt Argument um Argument gegen eine Planänderung.
Nachdem wir Puerto Toro auf Backbord gelassen haben wird es langsam trocken und im Beagle – Kanal stehen die Segel wieder Reff um Reff voll.
Bei strahlendem Sonnenschein machen wir um 16.45 Uhr wieder in Puerto Williams fest.
Zuerst werden die Duschen gestürmt und danach ein Sundowner auf dem Achterdeck genommen.
Jetzt ist ein Besuch im „Martin Gusinde Museum“ geplant, doch hier ist dicht. Also wird erst die Ortschaft und dann das Indianerdorf besucht. Hier im Dorf leben auch die letzten beiden noch lebenden Indianer, die Schwestern Calderone. Ihre Hütte kriegen wir zu Gesicht. Und dann kommt die Krönung: von einem Grundstück stürmt eine Meute von 10 Hunden auf uns zu. Nur Joe´s phantastischer Ausbildung haben wir es zu verdanken, das wir ohne Blessuren vom Acker kommen.
In diesem sonst ruhigen, bunten Wellblechdorf gibt es noch eine Besonderheit: das letzte Münztelefon vor dem Südpol. Hier ist ein Anruf zu Hause, ungeachtet der Zeitverschiebung, ein Muss. Doch, zum ersten und einzigen mal in Chile, steht hier ein Automat, der mit chilenischen Pesos gefüttert werden möchte. Und hiervon haben wir keinen einzigen.
Wir schlendern zurück zur Plaza, Wolf´s Stammkneipe ist geöffnet und wir trinken ein Christal – Bier (natürlich nach deutschem Reinheitsgebot gebraut). Ab 22.00 Uhr ist der Yachtclub geöffnet und unsere „Hoornier“ - Fete beginnt.
Beim Knistern des Kaminfeuers entwickelt sich ein schöner Abend. Ein Höhepunkt ist der Eintrag ins Gästebuch des Clubs. Unter anderem, neben den Weltberühmtheiten, finden wir einen Eintrag von zwei brasilianischen Crews, die mit dem Hobie 18 das Kap gerundet haben. Derk stellt fest, dass er mit dem Vereinswirt auch Borkumer Platt reden kann, und so gelangen einige Mixgetränke in unsere Köpfe. Zum Glück beträgt der Weg zur Koje nur 30 Meter.
40 SM 54 55S 68 19 W
Samstag, 17. 03. 2001
Über diesen Tag sagt das Logbuch lediglich:
13.30 Uhr abgelegt, Wind West 4 – 7, 986 hPa, 3-18 Grad, 19.10 fest Puerto Navarino an Boje. Komplett unter Motor.
Endlich mal ausschlafen und gemütlich an Deck frühstücken in einer supertollen Umgebung. Das Wasser im Naturhafen ist spiegelglatt. Die Bäume, Berge und Gletscher sind alle doppelt vorhanden.
Wir stiefeln erst mal zum Supermarkt um unsere Bier- und Speisenvorräte zu ergänzen. Ein paar Flaschen Wein und eine Flasche Whisky wechseln auch noch den Besitzer und zurück geht’s. Was sich aber als sehr schwierig erweist. Denn die Bierpaletten gehen ruckzuck kaputt. Aber auch hier weiß Wolf Abhilfe. Einer seiner Nachbarn fährt uns, zum kleinen Unkostenbeitrag von 10 Dollar, mit seinem Chevy zur „SANTA-MARIA“. Schnell sind die Sachen verstaut und dann ist es auch schon 11.00 Uhr, also Zeit für den Frühschoppen.
Mama steht schon wieder hinterm Tresen und serviert uns unser Dosenbier. Um 12.30 Uhr hat Wolf seine Geschäfte erledigt und gesellt sich zu uns. Noch ein Bier und um 13.30 Uhr legen wir ab. Mittlerweile ist es bewölkt und der Westwind bläst mit 5 Bft. Wir steuern Kurs 270,
den Weg nach Ushuaia zurück. Einer nach dem anderen verschwindet mal für ein Stündchen in der Koje. Gegen 8.00 Uhr liegt Ushuaia auf Steuerbord, der Wind bläst mit 7 Bft., das Thermometer am Deckshaus zeigt noch 3 Grad und die ganz dicke Ausrüstung samt Handschuhen kommt zum Ersteinsatz
Mit Büchsenlicht laufen wir in die Bucht von Puerto Navarino, einer Fünf –Haus – Ortschaft, ein und machen an einer Boje fest. Nach dem gelungenen Mahl hat keiner mehr Lust auf nichts, die Sünden der vorangegangenen Nacht fordern ihren Tribut. Der Ofen bullert vor sich hin und nach etwas Smalltalk ist um 21.30 Uhr ist Ruhe an Bord.
28 SM, 54 56‚S 69 09‚W
Sonntag, 18.03 2001
Um 7.00 Uhr ist die Nacht zu Ende und eine halbe Stunde später verlassen wir den Windschatten des Liegeplatzes Richtung Westen. Bei 4 Grad pfeift uns der Wind mit 3-5Bft. entgegen. Derk steuert uns vier Stunden durch Rött und Gischt, so was nennt man auch „Selbstkasteiung“, die Crew sitzt derweil gut gelaunt im Deckshaus.
Das Rundherum wird wieder karger und die Gletscher nähern sich dem Beagle-Kanal. Und als dann der erste Gletscher bis ins Wasser reicht, wird das langweilige Motoren auch wieder interessant.
Gegen 13.00 Uhr zeigt das Thermometer noch +1 Grad und es fängt an zu schneien. Und das macht Spaß! Schneeballschlacht an Bord? Kein Problem. Um 13.30 Uhr fällt der Anker bei drei Metern in der Caletta Olla und Oswaldo und Ronald bringen eine Heckleine aus. Wir liegen an einem blitzsauberen Kieselstrand vor einer dichten, urwaldähnlichen grünen Wand.
Ein paar Meter weiter liegt eine Yacht aus Australien. Wolf fordert uns auf in zwei Partien das Dingi zu besteigen und im dichten Schneetreiben mit Riesenflocken und 25 Metern Sicht entschwindet das Dingi zur anderen Seite der Bucht. Bei der zweiten Rutsche bin ich auch dabei. Wolf findet einen Weg in das dichte Grün. Nach ein paar Metern wird es irgendwie warm im Gebüsch und beim schmelzenden Schnee (und der dicken Kleidung) denken wir eher, wir sind irgendwo im Regenwald. Wir essen Calafate-Beeren und Baumpilze und staunen Bauklötze über die Vielfalt der Fauna.
Doch kurze Zeit später sind alle Bäume tot. Die Biber haben auch hier ein Feuchtbiotop geschaffen, dem die Natur nicht gewachsen ist. Das Laufen wird schwierig. Im Durchschnitt sind die vorhandenen, von den Bibern geschaffenen Tümpel 1,2 Meter tief und das Gelände sumpfig. Aber Wolf kennt den Weg. Wir müssen nur höllisch aufpassen bei den trockenen Fluchtwegen der Biber, allzu leicht kann man sich in diesen grasbewachsenen Kanälen die Gebeine vertreten.
An den Hängen, ab 100 Metern Höhe, wächst die Schneeschicht. Wir erreichen wieder einen Wald, aber diesmal ist er anders: Kiefern, Efeu und blühende Blumen. Und dann stehen wir vor einen See, die Endmoräne eines Gletschers. Weißes und blaues Eis treiben auf der spiegelglatten Oberfläche. Ich will so einen blauen Klotz haben, aber keine Chance.Über uns, vor der Silhouette des Gletschers und den schneebedeckten Gipfeln, kreisen ungefähr 30 Kondore.
Wolf packt seinen Rucksack aus und es gibt Kekse und für jeden eine Dose „Christal“ - Bier. Nach einer halben Stunde schweigen wird es Zeit zum Aufbruch. In einem Gebüsch entdecken wir das Skelett eines Guanakos, der Schädel muss mit.
Diesmal queren wir das Sumpfgebiet und die Wanderung wird zur Turnübung. Über gefällte Baumstämme jonglierend und jede Stütze nutzend nähern wir uns unserem Ausgangspunkt. Doch in Wasser stehende Bäume haben einen Nachteil: sie werden morsch. Und so einem Blender bin ich dann auf den Leim gegangen: Nachdem ich auf einem Moos ausgerutscht bin, konnte ich gerade noch einen 30cm Stamm erwischen, der dann auch prompt abbricht. Doch im Fallen erwische ich den nächsten Stamm, und der hält dann. Wer hatte wohl die Lacher auf seiner Seite? Nur der Steuerborbstiefel hat etwas Wasser gemacht.
Am Strand bleiben Jo und ich im Schneegestöber zurück und spinnen: wie lange könnten wir hier, alleine und auf uns selbst gestellt, ohne irgendetwas überleben? Wir spießen den Schädel auf einen Ast und postieren ihn an der Flutkante (von wegen Einfuhrbestimmungen und so). Sehr beeindruckend. Und noch etwas entdecken wir: An der Flutkante liegen Zehntausende von toten Fischen, eine Art Hering. Und noch etwas: keine Möwe zankt sich um dieses Aas, kein Fisch ist angeknabbert oder sonst wie gefleddert. Wenn ich dann an unsere Möwen denke... Doch dann erscheint Wolf im Schneegestöber. An Bord stelle ich fest, das ich vergessen hatte mir eine Hose unter den Segelanzug zu ziehen. Aber im Endeffekt war ich weit vorne damit. Chili-con-Carne und Karamellpudding erwarten uns. Heute veranstalten wir die zweite CD-Fete, diesmal ausgerichtet von Wolf. Um 21.30 Uhr ist Ende im Salon, der Skipper schläft im sitzen – verständlicherweise. Jo, Burkhard und ich verziehen uns nach achtern und stellen fest, dass die Darwin-Range doch was hat.
32 SM
Montag, 19.03. 2002
8.45 Uhr Anker auf. Bei 1011 hPa und 5 Grad, 3 Bft aus W verlassen wir unseren ruhigen Ankerplatz. Fast neun Stunden laufen wir unter Motor Richtung West. Das Treibeis wird dichter und die Gletscher kommen näher.
Das Dingi kommt wieder zum Einsatz. Der Anker fällt und wir setzen zum 100 Meter entfernten Strand über. Aber auch das ist kein leichtes Unterfangen; die Eisschollen müssen kunstvoll umfahren werden. Diesmal geht es über einen mit Eisbrocken übersäten Strand, dann über eine Kante in ein Geröllfeld. Auch hier sollte man beim laufen gut aufpassen. Dann folgt eine Grünfläche, die mit Wasser untersät ist. Auch nicht schlecht. Aber Meter um Meter nähern wir uns der Bruchkante des Gletschers, bis Oswaldo uns empfiehlt nicht näher an den Gletscherfuß zu gehen. Vor diesen schmutzig weißen Wand zu stehen ist überwältigend. So weit das Auge reicht: weiß, weiß und noch mal weiß.
Auf dem Rückweg stolpert Ronald und fällt Burkhard von hinten in die Beine. So schnell geht es, Burkhard verdreht sich das Knie.
Später steuert Wolf die „SANTA-MARIA“ in Schleichfahrt durchs Eis. Unsere Schraube dreht ungeschützt und wenn man einer Kollision vorbeugen kann, sollte man es tun. Trotzdem rumst es manchmal mächtig an unserem Rumpf.
Unser Ziel, den Gletscher „Romanche“, erreichen wir nicht. Wir haben auflaufend Wasser und das Eis ist zu dicht. So brechen wir ab und spielen ein bisschen. Jo und Burkhard lassen sich auf einer 15m³ Eisscholle absetzen. Da wir schneller treiben als die Scholle sind schnell einige Meter zwischen uns und den „Aussätzigen“. Es ist sehr lustig anzusehen, wie zwei Leute krampfhaft versuchen auf dieser spiegelglatten Fläche Halt zu finden.
Und zur Krönung des abends wird geangelt, keine Fische, sondern Eis – blaues Eis. Wir holen so einen passenden Brocken an Bord und freuen uns.
Wieder unter Schleichfahrt laufen wir zwei Meilen zurück und finden hinter einer kleinen Huk, der Caletta Pia, vor Anker und zwei Heckleinen einen Platz für die Nacht. Direkt neben einem Wasserfall, der aus 60 Metern direkt neben der „SANTA-MARIA“ ins Meer fällt. Wieder liegt eine Yacht in der Nähe, die „COAN“.
33 SM, 54 46´S, 69 40‚W
Dienstag, 20. 03. 2001
7.00 Anker auf. Dass Barometer ist auf 1024 mbar gestiegen.
Wenn wir noch zu den Gletschern wollen, dann jetzt bei ablaufend Wasser. Das Eis ist nicht so dicht wie gestern und wir kommen ziemlich rasch vorwärts.
Bei dem frühen Aufbruch habe ich vergessen, mir meinen Segelanzug anzuziehen. Und so stehe ich zwei Stunden in einer Jogging-Hose bei vier Grad an Deck. Schweigend, wie auch der Rest der Crew. Nach dem Gletscher „Romanche“ folgen noch drei Gletscher, die am Ende dieses Fjords ihr Ende finden. Da sie unbenannt sind, werden sie direkt getauft. Getauft auf die Namen unserer Frauen: Moni, Dotti und Brigitte.
Die Abbruchkante von „ Moni“ misst Wolf mit dem Radar ein: Breite: 1.200 Meter, Höhe 120 Meter.
Und wir haben das unverschämte Glück, dass sich ein Teil von dieser Kante löst und ins Meer stürzt. Erst sieht man es, dann hört man es. Ein Grollen wie Kanonendonner und dann beginnt die Eisfläche sich zu bewegen, so wie damals bei „Jim Knopf und die wilde 13“ sich das Meer bewegt hat. Das ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich den Anflug von Seekrankheit habe. Oder sind es die Spätfolgen des blauen Eises?
Auf jeden Fall bin ich durchgefroren und lege mich erst mal wieder hin. Bis der dusselige Motor endlich verstummt. Wind!
Bei Windstärken zwischen 3 und 5 Bft aus West sausen wir den Beaglekanal runter gen Ost. Zwischenzeitlich begegnen wir einer chilenischen Fregatte. Wir sehen sie erst sehr spät und sie ist zu Anfang nur an ihrer Bugwelle zuerkennen. Dieses Schiff ist für diese Gegend perfekt getarnt.
Ungefähr 10 Seemeilen vor Ushuaia lässt Wolf nach Backbord abdrehen und wir laufen in eine langgestreckte, nach Westen laufende Bucht ein, der Cala Yendegaia.
Um 19.00 Uhr ( hat Wolf schon wieder eine Stunde länger gemacht?) fällt in der untergehenden Sonne vor einem wahnsinnigen Panorama der Anker auf drei Meter Wassertiefe.
Essen fassen, Bordfete – was auch sonst. Der Grundtenor bei unseren Gesprächen ergibt: Der Ausflug in die Kordilleren war ein unerwartetes Erlebnis der besonderen Art.
47 SM, 54 51´S, 68 49´W
Mittwoch, 21. März 2001
2 Grad Celsius, 1034 mbar.
Nach einem gemütlichen Frühstück setzen wir zu der verlassenen Ortschaft über.
Wolf erzählt, dass die ganze Gegend, so weit das Auge reicht, also bis zu den umliegenden schneebedeckten Bergkuppen in der Ferne, dem ursprünglichen Besitzer, einer jugoslawischen Familie, die seit Anfang des letzten Jahrhundert dort ein Sägewerk unterhalten hat, von „Benetton“ für eine Millionen Dollar abgekauft wurde.
Aber nicht um eine Ferienanlage zu bauen oder ein Hotel, die Umgebung könnte das auf jeden Fall leisten, nein, sondern damit die vorhandenen Häuser wieder verfallen und das gesamte Gebiet im Ursprung erhalten bleibt und sich wieder regeneriert. Denn nach 100 Jahren Sägewerk fehlen doch ein paar Bäume.
Bei steigenden Temperaturen bis 25 Grad erlaufen wir die Gegend und entdecken Berge von Muschelschalen, die von den Ureinwohnern Feuerlands in Hunderten von Jahren geleert wurden. Mittlerweile sind diese beachtlichen Hügel von Gras überwachsen, aber wenn man ein wenig kratzt und richtig schaut findet man unter der Grasnabe nur Muschelschalen.
Der Abfluss der Gletscher hat ein riesiges, flaches Delta geschaffen. Wir wandern an den Hängen dieser Ufer und sehen zum ersten Mal - Zäune! Aber auch das hat sich bald erledigt, denn hier wird kein Vieh mehr gehalten.
Unser Naturbursche Wolf möchte uns noch die Überreste der Sägemühle zeigen, die noch zwei Kilometer entfernt ist, doch die Crew - streikt. Alle sind zu warm angezogen und zwei Kilometer Fußmarsch bis jetzt reichen auch.
Am ehemaligen Anleger finden wir „British Steel“, die Relikte einer 1897 in Birmingham gebauten Dampfmaschine, die hier jetzt locker vor sich her oxidieren.
Wir legen unter traumhaften Bedingungen, die See ist wieder spiegelglatt und alle Gletscher sind doppelt da, wieder ab und laufen zum ausklarieren – mal wieder nach Puerto Williams, größtenteils unter Segeln. Bei achterlichem Wind zeigt das Thermometer 35 Grad.
Wolf lädt zu sich nach Hause und wir sehen das Video, jetzt funktioniert es. Teile dieses Videos werden zur Zeit auf vielen Fernsehsendern gezeigt.
Anschließend ist das Abschlussessen bei „Mama“ angesagt. Wir bekommen einen Sonderraum in ihrer Gaststätte. Mama möchte nicht, dass wir dem Fußballspiel Chile – Uruguay auf TV beiwohnen. Denn manchmal flippen ein paar Fischer nach langer Zeit auf See ein wenig aus.
Aber nach dem Essen, das dem von Oswaldo in keiner Weise das Wasser reichen kann, stehen wir im Schankraum und passiert ist nichts.Und dann beginnt der unwiederbringlich letzte Abend im „Club Navale“. Eine neue Crew aus Frankreich ist anwesend sowie jede Menge Clubmitglieder.
Wir fragen Wolf, wie er den für uns letzten Tag gestalten möchte. Er schlägt vor, sofort nach Ushuaia zu laufen. Aber da sind wir absolut gegen. Wiederstand, Streik, Meuterei! Fast drei Wochen unterwegs und kein Feuer gemacht! Und eine Nacht haben wir noch. Die Feier wird lustig und nach einem Absacker, an Bord, bei drei Grad auf dem Achterdeck bis 4.30 Uhr, beziehen wir Stellung unter Deck.
42 SM
Donnerstag, 22.03 2001
Die Sonne lacht. Landgang. Das Martin-Gusinde-Museo steht auf dem Programm. Hier stehen Exponate, die im Buch „Der trauernde Blick“ beschrieben sind. Der zweite Teile der Ausstellung befasst sich mit der Fauna und Flora vom Terra del Fuego. Hier sehen wir unseren ersten Bieber.
Beim Besuch der „Werft“ am Strand bestaunen wir, wie mit Hilfe eines Rohres, Wasser und Feuer bei einem Fischerboot ein neues Kielholz geformt und angepasst wird.
Dann ist es so weit. Noch kurz „Ola“ bei Mama und um 12.00 Uhr kommt der Emigrationsoffizier. Stempel, Stempel, Stempel, Ola, adios Chile. Bei 2 Bft. aus West geht’s, mal wieder unter Motor, Richtung West. Ja, was ist denn in der Tüte die Oswaldo mitgebracht hat? Steaks, gute argentinische Steaks. Bei mittlerweile 5 Bft. und ordentliche Gebolze gegenan setzt Wolf einen Funkspruch ab: Wir haben Schwierigkeiten mit der Maschine, sie läuft heiß. Aus sicherheitlichen Gründen, bei mittlerweile 6 Bft, und zu einer Fehleranalyse werden wir nicht nach Ushuaia, sondern die Calla Mejillones anlaufen. Puerto Williams und Ushuaia bestätigen und um 16.00 Uhr fallen zwei Anker auf 3 Meter Wassertiefe.
Mal wieder hat Wolf uns zu einem herrlichen Fleckchen Erde gebracht, diesmal nur acht Meilen von der Zivilisation entfernt. Schnell ist das Dingi zu Wasser gebracht und Joe, Derk und ich machen uns auf den Weg zum hiesigen Friedhof. Der Weg führt am Ufer entlang durch zwei kleine Bäche. Und dann stehen wir vor ihm, dem CEMENTERIO INDIGENA MEJILLONES, declarado monumento national. So blau wie jetzt war der Himmel noch nie und schweigend betreten wir den Friedhof. 1978 fand hier die letzte Beerdigung statt, und es werden mit Sicherheit jemals nur noch zwei stattfinden. Dann sind alle jemals lebenden Feuerlandindianer in den ewigen Jagdgründen verschwunden. Der Stein an der Gruft der Familie Calderon steht auf jeden Fall schon. In einer Ecke des Friedhofes ist ein Holztippi nachgebaut, das mit Blumen und Inschriften geschmückt ist.
Für den Rückweg benutzen wir die Straße, besser gesagt den Feldweg. Und dann passiert es schon wieder. Diesmal sind es keine Hunde ,sondern etwa 30 leckere argentinische Rinder, die im wilden Lauf auf uns zurasen. Ich frage Joe „Und jetzt“ und erhalte als Antwort “Weiß ich auch nicht“. Leben ade, nein höllische Schmerzen werden gleich meinen Körper durchzucken. In Western hat man ja schon oft genug gesehen, was eine aufgebrachte Rinderherde anrichten kann. Doch dann, urplötzlich und ohne ein Vorzeichen, fällt die ganze Herde nach Steuerbord ab und verschwindet im dichten Wald. Das, so denke ich noch immer, war der gefährlichste Augenblick unserer Reise.
Mittlerweile haben unsere Kollegen schon ein Feuer entzündet und Burkhard zeigt, was er bei der FdJ so alles gelernt hat. Baumweise schleppt er Holz an und ist sichtlich stolz darauf uns zu zeigen, was ein Ossi so alles drauf hat. Die Steaks und der Salat schmecken hervorragend, und dann, keine100 Meter von unserem Feuer entfernt, entdeckt Derk eine Bieberburg.
Die Burg ist in einem Talauslauf in drei Barrieren angelegt. Wir beginnen beim untersten Damm, erst zögerlich, dann mit vollem Einsatz wird dieser Damm geknackt. Bei den anderen beiden Dämmen teilen wir uns auf und malochen, bis uns der Schweiß in den Schuhen steht.Wenn erst mal ein Anfang gemacht ist, geht die Demontage eines solchen Dammes relativ schnell von sich. Das abströmende Wasser spült die Äste sowie die eingelagerte Erde fort und schnell entstehen drei rauschende Wasserfälle. Wir bewaffnen uns mal wieder mit einem ortsüblichen Meinungsveränderungsstäbchen (sprich: Knüppel) und warten. Wieder wird im oberen Teil die Mittelburg sichtbar und dann, ja dann wird es dunkel. Wir haben Schwierigkeiten durch das dichte Unterholz zum Feuer zu stolpern, das mittlerweile eine beachtliche Höhe erreicht hat. Wolf hat Mühe den Holzsammeldrang von Burkhard Einhalt zu gebieten.
Gegen 22.00 Uhr wird es ungemütlich und wir setzen zur „SANTA -MARIA“ über.
Wolf berichtet, dass er über Telefon die Nachricht bekommen hat, dass Chartersegler in der Kap Horn Fahrt bei Ankunft in Ushuaia pro Mitsegler eine Abgabe von 1.000 US-.$ zu entrichten hätten. Plan A: Zurück nach Puerto Williams und Ausreise per Flieger über Punta Arenas nach Buenos Aires, Kosten pro Person: 150 $. Plan B, von Wolf: Abwarten und Mate trinken. Auf Deutschlandfunk hören wir, das heute die Mir im Pazifik abstürzen wird. Wir sitzen unter Deck und dann sehen wir sie alle1 Und dann kommt sie auch noch mal zurück! Na gut, es war ein Satellit und durch das Schwojen des Bootes haben wir ihn auch zweimal gesehen, aber die Mir war es garantiert nicht. Wir haben Tränen über diese Episode gelacht.
15 SM
Freitag, 23.03.2001
Schon um 8.00 Uhr heißt es „Anker auf“ und bei 3 Bft. aus SW und 3 Grad Celsius startet unser letzter Tag, und das noch unter Segeln.
Ein dicker Kreuzfahrer kommt uns entgegen, ein zweiter liegt in Ushuaia an der Pier. Um 12.00 Uhr machen wir im Yachthafen fest und Wolf und Owaldo entschwinden Richtung Imigrationsoffizier.
Uns bleibt nur die traurige Aufgabe unseren Seesack zu packen und die letzten fünf Dosen Bier in Angriff zu nehmen. Wolf erscheint kurz und wortkarg und verschwindet bald darauf wieder.
Oswaldo kommt wieder zurück und bereitet die letzte Mahlzeit an Bord für uns. Ein paar Bier hat er auch mitgebracht.
Dann kommt Wolf wieder zurück, lächelnd, und verteilt unsere Pässe. Auf die Frage, was los war stellt er nur eine Frage: „Wisst ihr denn nicht in welchem Teil des Globus wir uns befinden?“
Burkhard und Ronald verlassen die „SANTA MARIA“ sofort, denn sie wollen noch die 17.00 Uhr Maschine nach Buenos Aires erwischen.
Wir drei haben es nicht eilig, denn wir haben noch eine ( im nachhinein Ushuaia-Deluxe-) Nacht in der Acht-Sterne-Luxus-Herberge am Ende der Welt gebucht.
12 SM
Gesamt 423 Seemeilen
Bei Windstärke 0 – 10 Bft. Temperaturen von 0 – 30 Grad, strahlend blauer Himmel- Schneefall
Fazit 1
Auf dem Rückflug haben wir drei beschlossen, uns jeden Jahrestag unserer Kap Horn Umsegelung auf Borkum in den Dünen zum Zelten zu treffen. Das ging natürlich in die Hose weil, wir arbeiten durften.
Der Kontakt zu Burkhard blieb ein halbes Jahr erhalten, er ist in Charter mittlerweile um das Kap Der Guten Hoffnung gesegelt.
Unsere alte Crew ist auch wieder zusammen gesegelt und das mit den Buben. Und das nicht im Süden, nein, wir waren 10 Tage Anfang Mai in Irland. Erst waren die Buben dagegen, doch hinterher waren alle begeistert von Land, Leute und vom Segeln.
Fazit 2
Unsere Reise um Kap Horn ist mir, wie diese Erinnerungen zeigen, noch immer lebhaft im Gedächtnis. Verantwortlich für diese Tatsache sind Wolf und Oswaldo, die nie müde wurden unsere Fragen zu beantworten und uns alle Schönheiten am Ende der Welt vor Augen zu führen und dazu noch ein kulinarisches Erlebnis zu liefern Es war ein außergewöhnliches Erlebnis.
Und: Wir haben Calafate-Beeren gegessen!!!