19 Tage Trentino und Frankreich über deutsche Passknacker

Reisen in der Alpenregionen Deutschland, Schweiz, Italien, Österreich, Slowenien usw.
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blahwas
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Re: 19 Tage Trentino und Frankreich über deutsche Passknacke

#9 Ungelesener Beitrag von blahwas »

Do 12.9. Dosso Alto, Maniva, Croce Domini

Die Dosso Alto Höhenstraße und die Nordseite des Passo Manivas im weiteren Verlauf sind meine absoluten Lieblingsstrecken dieser Region, und eigentlich auch überhaupt. Deswegen macht es mir auch nichts aus, jedes Jahr die gleiche Route zu fahren. Heute kommen Duck (Markus) und Mirko (Angstnippel) mit, die beide das erste Mal hier in der Region Motorrad fahren. Die können sich auf etwas gefasst machen! Angstnippel hat ein Handycap wegen eines ultraeckigen Vorderreifens, und Duck ist erst 2 Tage in Italien, daher gilt das Prinzip "lose Gruppe": Ich fahre mal vor, und warte dann vor dem Abbiegen.

Es geht zunächst auf den schnellsten Weg zum Gardasee, wo natürlich reichlich Verkehr und wenig Fahrspaß ist. Dann geht's zum Ledrosee, wo man mit erheblichem Einsatz immerhin Spaß beim Überholen findet. Mir fällt eine MV Agusta Brutale Dragster RR auf, deren Fahrer anscheinend bereits alles überholt hat, jetzt auf seine Gruppe wartet - die ich wiederum gerade überholt habe - und der mich bereitwillig vorbeilässt. Danach mache ich das Foto am Passo Ampola, warte auf die beiden Mitstreiter und rufe die Vormittagspause aus. Dafür steht ein Café direkt hinter der Kreuzung zur Tremalzo bereit.

Eigentlich könnte man hier zum Passo di Tremalzo hoch fahren, aber da sieht man nicht wirklich was, und man muss umdrehen, weil der eigentliche Höhepunkt nur für Radfahrer erlaubt ist. Aus Zeitgründen sparen wir uns das. Den Passo Ampola westwärts geht es die Schlucht entlang, sehr schick zu fahren, mit etwas Aussicht und launigen Überholmanövern. Wie immer hört der dichte Verkehr am Ledrosee auf. Die Leute scheinen den ganzen Tag zwischen Ledrosee und Gardasee hin und her zu fahren.

Den Idrosee entlang stelle ich fest, dass die Mitfahrer inzwischen die italienische Seite des Motorradfahrens an sich entdeckt haben. Schließlich biegen wir auf die Dosso Alto Höhenstraße ein. Die ist etwa 3 Meter breit und schraubt sich in diversen Kehren immer höher. An einer Kehre gibt’s Pippi-Pause mit Aussicht auf den See. Dann beginnt der wirklich hohe Teil der Strecke. Hier jagt eine Hammeraussicht die nächste und man weiß gar nicht, wo man überall für Fotos oder einfach zum Gucken anhalten soll.

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Als Passknacker gibt es noch drei Pflichtstopps. Schließlich weicht der Asphalt dem Schotter, der sich aber gut fahren lässt. Dann laufen wir auf eine MV Agusta Brutale Dragster RR auf, die mir verdächtig bekannt vorkommt. Er bemerkt uns und lässt uns passieren, sein vorausfahrender Freund auf 1200 GS ebenso.

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Markus gefällt’s:

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Mirko auch:

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Kurz danach erreichen wir den Passo Maniva und kehren ein. Die andere Gruppe auch – das trifft sich gut. Ich stehe auf die MV Agusta Brutale Dragster RR, die eigentlich meiner MT-09 recht ähnlich ist – aber nur von den Daten her.

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Die Nordseite des Maniva führt komplett jenseits der Baumgrenze an diversen Radiotelekospen vorbei zum Croce Domini. Das ist laut Landkarte eine gewöhnliche Straße. In echt ist sie ca. 10 km lang unbefestigt, aber breit, eben und nicht besonders steil. Nur der letzte Kilometer ist steil und löcherig. Für die Strapazen entschädigen allerdings mit die besten Aussichten, die ich überhaupt je im Sattel hatte.

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An der Passhöhe des Croce Domini erreichen wir wieder Asphalt und schwingen uns gemütlich durch die Natur ins Tal. Dabei wird noch mal eingekehrt, ist ja Urlaub hier, und man will die Umgebung aufsagen.

Zur Weiterfahrt starte ich mit der F800R von Markus, der sich stattdessen auf meiner MT-09 vergnügt. Natürlich ist die Sitzposition ganz anders, ich habe schließlich die „Street Rallye“-Sitzbank, also eine Supermoto-Sitzposition weit vorne und oben auf dem Motorrad, während man bei der F800R mehr weiter hinten und drin sitzt statt drauf. Der Twin schiebt bei niedrigen Drehzahlen sehr gut, aber danach passiert kaum noch was. Dagegen ist mein Triple eine Abrissbirne, die bei jeder Drehzahl einschlägt und einem den Boden unter den Füßen wegzieht, dass es eine wahre Freude ist. Markus mag die Sitzposition nicht, hätte aber gern den Motor. Nö, den behalte ich!

Zurück im Tal haben wir dann eigentlich nur noch Hauptstrecken vor uns. Umwege über Höhenlagen machen wenig Sinn, da würde die Route zu lang werden. Den ersten Abstecher zum Passo Daone sparen wir uns aus Zeitgründen. Ein Abstecher geht aber: Goletto di Cadino und Passo Barmone – dien sind aber auch eher für Passknacker-Fans.

Im späteren Verlauf haben wir noch einen Bundesstraßenstau, wo wir echt lange warten. Ich bin Ingenieur, und als Ingenieur kennt man Murphys Gesetz: Alles was schief gehen kann, geht auch schief. Das klingt negativ, aber man kann es positiv anwenden: Es wäre doch echt ärgerlich, wenn ich jetzt meine Handschuhe ausziehe und anfange am Handy rumzufummeln, und es dann plötzlich doch weiter geht. Dann müsste ich hektisch das Handy verstauen und die Handschuhe anziehen, um nicht den Verkehr aufzuhalten! Das wäre sehr unangenehm! Murphy kriegt das mit, ich ziehe die Handschuhe aus, halte kurz inne – gucke mich misstrauisch um – nichts passiert. Ich hole das Handy raus und entsperre es – sofort setzt sich die Kolonne vor uns in Bewegung. Ha! Wieder ein Sieg über das Schicksal! :) Anlass des Unfalls war ein Kreuzungsunfall zweier Autos, glücklicherweise offensichtlich ohne Schwerverletzte, daher regelt die Polizei den Verkehr wechselseitig.

Danach ging es wieder mit „Feuer frei!“ den Berg hoch, und zurück zum Hotel, wo wir alle ziemlich begeistert von dieser Tour waren. Der Passo Maniva hat einen festen Platz in meinem Herzen.

Die Route von heute, 345 km, weitgehend zur Nachahmung empfohlen:

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blahwas
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Re: 19 Tage Trentino und Frankreich über deutsche Passknacke

#10 Ungelesener Beitrag von blahwas »

Fr 13.9. Dolomitenrunde mit Renate

Zu jedem Höhentreffen gehört für mich eine Dolomitenrunde. Andere verbringen in den Dolomiten eine ganze Woche, ich mache das an einem Tag. Dazu werfe ich mich morgens auf die Autobahn und klappere eilig und am besten alleine alles ab, was sich irgendwie auf eine Route zwingen lässt. Heute kommt aber Renate mit, der es sonst nicht schnell genug geht.

Ins Tal runter überholen wir eine S1000RR aus München, die ich glaube ich schon in unserer Hotelgarage gesehen habe. Dann folgt Autobahn, und dann die Mautstation an der Ausfahrt. Leider wird dort keine EC/Maestro/VPay/Wieauchimmerdasjetztschonwiederheißt-Karte akzeptiert, sondern nur VISA und Bargeld. Ich zahle mit VISA, aber Renate probiert es mit der deutschen Bankkarte. Ich kann leider nicht helfen, weil die Polizei direkt dahinter steht, und dahinter stehen LKW in 2er Reihe. Also warte und warte ich. Renate erhält derweil Hilfe vom Personal, u.a. muss ihr 20 Euro-Schein geglättet werden. Danach gibt es 16,80 Euro Wechselgeld in Münzen, und ab geht’s in die Berge!

Die Hauptwege in den Dolomiten sind leider voller Verkehr und Überholverbote. Ein Bauarbeiter droht mir mit der Schaufel, als er meint, mich beim verbotenen überholen gehört zu haben. Tsts! Auf der Hochebene wird getankt, das reicht dann hoffentlich bis zum Ende.

Die Strecken selbst sind wunderschön, aber da sind immer diese anderen Leute. Leider gibt es auch bei Motorradfahrern den Typ "Ich bin zwar langsamer als Du, aber VOR dir, und ich lasse dich nicht vorbei!". Gut, dass ich statt 64 PS jetzt 115 dabeihabe und mich von fetten Harleys oder BMW K1300S "Bayerbusa" nicht lange aufhalten lassen muss. Weniger schön dagegen ist der Schwund an Baumbestand.

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Die Passknackerpunkte wandern in den Köcher, und Renate braucht erfreulich wenig Pausen. Eigentlich brauche eher ich die Pausen. Eine Mittagspause machen wir dann erst bei der Ochsenhütte am Nigerpass.

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Da gibt es einen geschotterten Parkplatz, wo Autos stehen, und ich stelle mich halt dazu. Danach fällt mir erst auf, dass es reichlich steil ist, Renate hat ja nicht allerlängsten Beine. Es klappt aber. Später erscheint eine andere Gruppe deutscher Motorradfahrer. Beim Verlassen der Location sehe ich ihre Motorräder nicht - die stehen erst ganz unten, an der Straße. Alle Kennzeichen Essen (wie ich) und Ennepetal (wie der angrenzende Kreis). Grüße in den Ruhrpott!

Besonders schön wird‘s wieder am Rollepass, da rasten wir wieder, und zufällig treffen wir auf Markus/Duck, der heute alleine auf Fototour ist. Fotografieren geht hier natürlich auch toll.

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Der Passo Ghobbera ist wegen einer Rally leider gesperrt, aber der Brocon ist offen. Eine Gruppe K1600-Fahrer behindert den Verkehr leider schon im Tal, aber da kommt man noch gut vorbei. Fahrt doch lieber Cabrio. Oder Bus. Oder Kreuzfahrtschiff. Oder einfach mal Platz machen, kostet ja nix. Der Brocon ist wieder schön.

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Und mit der richtigen Linie braucht man auch keine Angst vor Gegenverkehr zu haben, den man hier eigentlich immer hat.

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Jenseits des Brocon will ich zum Cima di Campo und Forte Leone, aber meine beiden Navis finden keinen Weg dorthin. OSM zeigt mir den rechten Weg - die Straße gibt es einfach nicht auf meinen beiden Navis. Vielleicht ist sie zu neu. Man hat hier weitgehend seine Ruhe.

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Bei einer Rast passiert uns eine Viergruppe Dänen, alle winken, drei davon auf MT-09, und alle auf dem Hinterrad. Okay? Was ist denn hier los? Ist das der geheime MT-09-Gruß?

Der Schotterweg zum Forte Leone hoch ist noch harmloser, als ich ihn in Erinnerung hatte - besser als viele Parkplätze. Renate bummelt etwas und flucht über Kuhscheiße auf dem Hinterrad, ist oben aber umso stolzer. Ein toller Punkt hier! Das Fort selbst ist geschlossen, wird aber aktuell bearbeitet, um in Zukunft zugänglich zu sein. Es gehört zur gleichen Verteidigungslinie wie das Fort, das wir am Sonntag besucht haben.

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Zurück geht es jetzt auf schnellstem Weg. An der Schnellstraße gibt es noch Sprit, die Yamaha hat Durst, und dann den Kaiserjäger hoch. Da laufe ich auf ein Auto auf, das seinerseits an einem Lieferwagen nicht vorbei kommt. Als der Lieferwagen in einer Linkskehre zurücksetzen muss, erkenne ich meine Chance, hupe kurz und gehe innen durch. So eine Gelegenheit bietet sich so schnell nicht wieder! Leider fehlt von Renate danach jede Spur, und auch sonst kommt keiner mehr von unten hoch, als ich warte. Oha! Besser umdrehen. Sie kommt mir bald entgegen und dreht an ihrem linken Spiegel rum. Diagnose: Sie ist umgefallen, weil sie im entscheidenden Moment Angst vorm Lieferwagen bekommen und gezögert hat. Dann stand sie, und dann war zu wenig Straße unterm Bein. Innen in der Kehre ist es sehr uneben. Leistungsabruf und/oder Hupe hätte geholfen. Sie hat sich nichts getan, aber ihre Z hat Kampfspuren am Motordeckel (trotz Sturzpads), Lenkerendgewinde, Spiegel, und der Kupplungshebel ist an der Sollbruchstelle verkürzt worden. Da wurde am letzten Fahrtag also schnell noch etwas Schrott produziert, aber keine Verletzungen. War ja auch Freitag der 13.

Zurück am Hotel wird der letzte Abend des Treffens ausreichend gewürdigt, auch wenn von 16 Teilnehmern nur noch 10 da sind. Durchgehende Anwesenheit ist ja keine Pflicht. Alle sind zufrieden, auch die Erstbesucher. Auch Markus als BMW-Alien fühlt sich wohl. Morgen reise ich mit ihm weiter.

355 km heute und sehr zur Nachahmung empfohlen!
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blahwas
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Re: 19 Tage Trentino und Frankreich über deutsche Passknacke

#11 Ungelesener Beitrag von blahwas »

Sa 14.9. Iseosee, Transfer nach Aosta

Heute ist allgemeiner Abreisetag vom Höhentreffen. Markus und ich reisen weiter nach Frankreich. Unsere Übernachtung ist heute im Aostatal, knapp vor der Grenze, noch in Italien, aber schon im französischsprachigen Teil. Zunächst fahren wir einen Bogen um den Gardasee und schnappen uns noch ein paar Straßen am Idrosee.

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Irgendwann ging es dann im Dorf rechts ab und länger steil abwärts auf einer sehr schmalen Straße.

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Sieht ja noch okay aus. Doch dann kamen Steine, …

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… und dann Waldboden. Ich halte an, um in OSM und im Navi nachzuschauen, was das soll. Geht es hier wirklich weiter? Zurück kommen wir nicht, wenn die Strecke noch schlechter wird.

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Dann erreicht uns ein Italiener auf einer Scrambler aus der Gegenrichtung. Er sagt, da geht es nicht weiter, nicht für uns, und nicht für ihn. Ich glaube ihm das, habe aber auch ernste Bedenken. Und dann kam der Panda. Klar, Italien geht nicht ohne Panda. Und Panda 4x4, natürlich das alte Modell, fährt jede Straße in Italien und jeden Maultierpfad. Und auch an den geparkten Moppeds oben im Bild vorbei ohne anzuhalten oder zu meckern – einfach mehr im Gebüsch. Wenn das die deutschen SUV-Fahrer wüssten!

Zum Iseosee ging es über den Passo Tri Termini, wo heute eindeutig die Einheimischen Supersportler regieren. Andere halten Radfahrer auf.

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Die goldene Ananas geht heute an den Fahrer einer KTM 1290 Super Duke GT, der vorbildlich Rasten und Knie schleift, dabei eine saubere Linie aufs Parkett zaubert, nicht zu laut ist, und der alle 7 Minuten am Cafe vorbei kommt, in das Markus und ich eingekehrt sind. Wir wollen uns vor der drohenden Autobahnetappe noch erholen und stärken, und außerdem die tolle Aussicht aufsaugen.

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Kehrseite der Lage: Ein Stück Käsekuchen, ein alkoholfreies Bier und eine Cola kosten zusammen schlappe 18 Euro. Dann kommt der öde Teil, 255 km Autobahn in der Poebene. Die Sonne knallt, es ist sehr warm. Rastplatz muss auch mal sein.

Die echte Autobahn durch das Aostatal kostet ziemlich viel Maut, entsprechend viele Leute sparen sie sich und fahren die Landstraße, die auch durch Ortschaften führt. So auch wir. Immer wieder schön ist die StVO für Motorradfahrer in der autonomen Region Aosta. Das hier ist rechtlich Italien, kulturell Frankreich, und im Straßenverkehr macht eigentlich jeder was er will. Wir stehen irgendwann neben einem Golf R vorne an der Ampel und lassen uns überraschen. Innerorts auf breiten Straßen wird anscheinend Autobahntempo gefahren. Fahrspuren sind gar nicht erst markiert. Es ist eigentlich durchgehend Tempolimit 50 oder 70 und Überholverbot, aber die einheimischen Motorradfahrer kommen außerorts auf ein deutlich dreistelliges Durchschnittstempo. Völlig krank aus deutscher Sicht, funktioniert aber irgendwie. Vielleicht gönne ich mir nächstes Mal die Autobahnmaut, denn es ist doch recht aufregend und damit anstrengend.

Zur Abwechslung hatten wir einen Umweg über zwei Pässe eingebaut: Raus aus dem Aostatal, rauf zum Colle Tzecore, weiter zum Colle di Joux. Zwischendurch bemerke ich Kräftesalat beim Einfedern, da das Topcase ein Eigenleben entwickelt. Die Trägerplatte ist mit je einer Schraube an den beiden Trägern fest und liegt auf der Sitzbank auf. Leider hat sich eine Schraube gelöst, so dass sich die Grundplatte und damit das Topcase um die andere Schraube verdrehen kann. Das war so nicht vorgesehen, aber die lose Schraube ist noch da, und auch sonst ist kein Teil verloren gegangen. Die Schraube wird festgezogen, der passende Inbus liegt schließlich griffbereit. Das mache ich jetzt wohl besser täglich. Auf der Fahrt muss man auf die Streckenführung achten. Dabei die Aussicht nicht ignorieren und auf die Kühe aufpassen.

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Im Tal dämmert es schon und Nebel steigt auf. Da müssen wir gleich wieder runter.

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Der Tag neigt sich dem Ende zu, lange Schatten drohen, aber es sind noch 1,5 Stunden Route übrig, und der Hunger meldet sich auch schon wieder. Dazu sind wir reichlich platt. Also fahren wir gemächlich den Pass runter, ordnen uns in den fließenden Verkehr ein, und kehren bei der letzten Pizzeria auf der Hauptstrecke ein, 4 km vor dem Ziel. Wir wären wohl beide nicht mehr aufgebrochen, hätte wir erst mal die Klamotten ausgezogen. Die Pizza schmeckt gut, für mich mit Würstel (Frankfurter - wirklich typisch Italienisch, übrigens).

Danach geht's mit dem letzten Rest Tageslicht zur Ferienwohnung ins Dorf. Leider hatte ich den Zielort nicht genau genug in die Route gepackt, oder das Navi war großzügig mit der Interpretation. Jedenfalls suchen wir das richtige Haus eine Weile. Dunkelheit und Hausnummern sind keine Freunde, aber die Gastgeberin steht an der Straße und hilft uns. Die Ferienwohnung war früher eine Scheue und wird anhand der liebevollen und umfassend alltagstaublichen Ausstattung offenbar auch vom Eigentümer reichlich genutzt. Es gibt Wii, Sky, reichlich DVDs und Bücher, ein hochwertiges Bad. Für mich ein Doppelbett, für Markus eine Schlafcouch - das war der Deal, weil ich mich um alles kümmere. Heute war viel Autobahn und Hitze, die nächsten Tage werden besser!

Heute waren es 550 km, als Transfertag extralang und nicht mit Highlights gespickt. Man hätte hier auch zwei bis drei Tage verbringen können und sich die Schweizer Grenze und die anderen Seen entlang hangeln können, aber das fand ich weniger attraktiv als 1-2 Tage zusätzlich in Frankreich. Es ist auf den Hauptstrecken sehr voll da, und auf den Nebenstrecken kommt man kaum vorwärts.

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blahwas
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Re: 19 Tage Trentino und Frankreich über deutsche Passknacke

#12 Ungelesener Beitrag von blahwas »

So 15.09. Nach Frankreich übersetzen

Nach einer erholsamen Nacht kriechen wir aus den Betten und auf die Moppeds. Flugs das Frühstück gekauft und dann über den kleinen St. Bernhard nach Frankreich gewechselt. Ein toller Pass, man hat viel zu gucken, auf beiden Seiten.

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Wir frühstücken unterhalb der Passhöhe von 2188m, mit einer Mauer als Tisch.

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Kaum in Frankreich im Tal angekommen geht’s rechts zum Lac de Roselend. Das ist zwar ein künstlicher Stausee, aber guckt einfach selbst…

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Der Tag war an diesem Punkt schon besser als der letzte. Wir waren hier schon mal vor geraumer Zeit, aber so genau wussten wir nicht, wo. Das vor meiner Passknackerzeit und dem damit verbundenen Dokumentationsfimmel. Dank Sonntag und gutem Wetter haben wir auch andere Motorradfahrer vor uns, und manchmal sogar auch hinter uns. Die Franzosen wissen eben, wie es geht! Richtig hoch wird’s dann wieder am Col de July – 1989m.

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Danach folgt eine Schleife über diverse kleine Pässe im äußersten Norden, die man jederzeit abkürzen könnte – und das haben wir auch. Ist ja Urlaub hier! Ich verachte sogar den Col du Merdassier, den mein Navi über irgendeinen doofen schlammigen Feldweg anfahren will. Ich interessiere mich mehr für diese Rundstrecke hier:

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Das ist ein „Pump Track“ für BMX- und MTB-Fahrer, die dort nur durch aufrichten und buckeln Tempo aufbauen können. Leider reichte die Bodenfreiheit der MT09 nicht. Wir wuseln stattdessen weiter quer durch die Passknackerpunkte, grob Richtung Süden. Ja, DA lang!

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Wir hatten heute viel Fahrspaß, auch wenn die Straßen nicht alle super breit ausgebaut waren, manche sahen eher so aus:

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Nach der Pause sehe ich, dass mein Topcase stark nach hinten geneigt ist. Was'n da los? Hat mir einer das Mopped umgefahren und wieder aufgerichtet? Eine eingehende Fehlersuche fördert zu Tage, dass die Gelenke nicht mehr richtig fest sind. Weil der Schwerpunkt des Topcase hinter den Gelenken an der Unterseite der Halteplatte sitzt, kann das Topcase nach hinten wegklappen, wenn es gerade nicht auf der Sitzbank aufliegt, z.B. wenn das Hinterrad gerade ausfedert. Als Gegenmaßnahme zurren wir zwei Gurte fest zwischen den Packösen (die an der Sitzbankunterseite fest sind) und der Halteplatte, so dass die Halteplatte auf der Sitzbank bleibt. Ich zweifle etwas an der Haltbarkeit, aber es das Problem trat danach tatsächlich nicht mehr auf.

Unsere Gîte (Fewo) liegt in heute Aiguebelle, südlich von Albertville. Sie ist funktional eingerichtet. Für mich gibt es ein Doppelbett, für Markus wieder eine Schlafcouch.

Wir finden noch ein offenes Restaurant in Spaziergang-Entfernung, wo wir liebevoll bedient werden. Für uns gibt es sehr reichhaltige Salatteller. Markus trinkt im Unterschied zum Vorjahr nicht mehr jeden Abend die Bar leer. So finden wir auch nüchtern in den Schlaf nach einem tollen Start in Frankreich!

Tagesroute 337 km
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Re: 19 Tage Trentino und Frankreich über deutsche Passknacke

#13 Ungelesener Beitrag von blahwas »

Mo 16.09. Madelaine, Iseran, Galibier

Auf schnellstem Weg zum Col de la Madelaine. Der "richtigen", 2000 Meter hoch (davon 7 Meter aufgeschüttet). Dort wird dann gefrühstückt. Da wir früh dran sind, können wir den Passschildaufbau als Tisch benutzen.

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Der Col du Tra lag am Weg, den nimmt man mit, so als Abwechslung. Da gibt’s Kehren, wo man seinen Mitfahrer elegant im Auge behalten kann. Nicht dass der da hinten heimlich eine dreckige Linie fährt!

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Wir kommen wieder durch Bourg-Saint-Maurice, da waren wir auch schon gestern. Dann geht’s Richtung Col de Iseran. Er liegt auch sehr abgelegen hinter Val-d'Isère. Man kann nicht mal eben irgendwo anders hin abbiegen – man fährt ihn ganz oder gar nicht. Deshalb war ich vermutlich noch nie da. Auf dem Weg dorthin lange nix außer Landschaft. In eine Galerie (seitlich offener Tunnel) wurde extra eine Ampel mit Wartezeitanzeige gebaut, damit man auch in Ruhe ein Foto davon machen kann. Vorbildlich, diese Franzosen!

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Der Iseran ist der landschaftlich beeindruckendste Pass, den ich bisher gefahren bin. Das hat sich gelohnt!

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Außerdem ist er nach mancher Defintion der höchste "überfahrbare" Gebirgspass der Alpen - höher als Col de Bonette (und niedriger als Cime de Bonette, die eigentlich kein Pass ist). Markus und ich verlieren uns einige Minuten aus den Augen, aber Markus wartet dann halt weiter vorne mit der Mittagspause. Dann machen wir noch einen ganz kurzen Abstecher zum Col du Mont Cenis Richtung Italien. Dann geht es tatsächlich mal ohne Höhepunkte 40 km das Tal entlang, bis wird auf die Route des Grade Alpes (RDGA) einbiegen. Statt den Télégraphe nehmen wir heute den Col d'Albanne. Der ist etwas westlicher und den kennt kein Mensch. Das ist eigentlich eine Sackgasse, aber man kann per Schotter nach Süden weiter auf die RDGA. Die Strecke ist total seriös und kein bisschen gefährlich.

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Die RGDA Richtung Süden kommt der Galibier. Das ist einer der Klassiker im Radsport und auch auf der RDGA. Es gibt einen Tunnel auf 2556m, aber ohne Schnee kommt man auch über die Passhöhe von 2642m. So oder so ist man jenseits der Baumgrenze.

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Es gibt noch einen kleinen Snack am Cafe am Col de Lautaret, am südlichen Ende des Galibier. Wir sind die letzten Gäste heute. Zuletzt fahren wir den Col de Granon. Das ist eine Sackgasse mit mäßigem Straßenzustand, aber toller Landschaft und beeindruckenden Farben.

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Weiter geht es nur mit Ausnahmegenehmigung, weil Militärgebiet. Man sieht schon diverse historische Anlagen vom Col aus. Es ist nach 18 Uhr und Zeit, hurtig zum Hotel zu kommen. Wir müssen durch Briancon und dann noch etwas Bundesstraße fahren.
Wir haben heute zwei Einzelzimmer. Markus hat sogar drei Betten. Zum Abendessen gibt’s Burger direkt im Hotelrestaurant, nach dynamischen Spaziergang.

Wir hatten 375 km heute und jeder davon war genial!

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Re: 19 Tage Trentino und Frankreich über deutsche Passknacke

#14 Ungelesener Beitrag von blahwas »

Di 17.09. Italien, Izoard, Vars, Bonette

Morgens sind wir im Hotel aufgebrochen, um den kleinen Schotterpass Col de la Pousterle in der Nähe gefahren, und zwar ohne Gepäck! Das tut doch mal wieder gut. Der Pass an sich war nichts besonders und weder besonders schwer noch schön noch lang. Immerhin fahren wir das erste Mal durch eine Elektroschranke.

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Danach wieder zum Hotel, eingeladen und ausgecheckt. Markus nimmt mir etwas Gepäck ab (Vakuumbeutel mit sauberer Wäsche). Das ist der größte Freundschaftsdienst, den ich mir bei einer Rundreise vorstellen kann - Danke, Mann! Nebenan kaufen wir Frühstück ein und los geht die Tour! Der zweite Punkt heute ist der Col de l'Echelle. Da fährt man reichlich Kilometer ein Hochtal entlang, biegt rechts ab, und kommt dann irgendwie nach Italien rüber, und zwar nach Bardonecchia. Wir frühstücken aber erst, und fahren dann lieber wieder zurück und zum Montgenèvre, weil wir lieber in Frankreich als in Italien fahren, und weil ich nicht glauben konnte, dass es da durchgeht. Über den Montgenèvre geht es nach Italien. Eigentlich wollte ich die Asietta-Höhenstraße fahren, aber mit dieser Topcase-Konstruktion wird das nichts. Auch Markus war nicht ZU begeistert von der Vorstellung, 50 km Schotter zu fahren. Also hatte ich umgeplant und schnappe in Italien ich nur einen Passknacker, den Colle del Sestrière mitten in einem Ort, und dann sonst nur die Kurvenstrecken rundum. Das klappt gut um macht Spaß. Und Spaß muss ja auch mal sein.

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Zurück über den Montgenèvre geht es wieder nach Frankreich, schweizer Motorradfahrer jagen, die italienische Sitten beherrschen. Wer fährt denn sonst bitte Yamaha FJR mit Brülltüten und fährt auf einer Kurvenstrecke mit Tunneln im Hochgebirge, als wäre es ein Computerspiel?

Dann geht es wieder auf die Route das Grande Alpes. Über den Izoard geht es mit reichlich Fahrspaß. Die Landschaft ist auch beeindruckend, aber man ist es inzwischen fast schon gewohnt. Abwärts kann man rechts zum Col de Furfande abbiegen, einem Schotterpass, der nur von einer Seite befahrbar ist. Es sind 29 km bis zum Gipfel. Da die Yamaha schon seit 15 km auf Reserve fährt und die nächste Tanke 27 km entfernt ist, bei einer vermutete Reservereichweite von 45 km, habe ich Bedenken, diesen Schotterpass jetzt zu fahren. Man könnte zuerst tanken fahren, was ein großer Umweg und Zeitverschwendung ist. Man könnte Benzin bei Markus abzapfen - einen Schlauch habe ich, aber kein geeignetes Gefäß. Plastikflaschen werden von Benzin ruckzuck aufgelöst. Man könnte bei Anwohnern hausieren gehen, wobei das hier ja kein echter Notfall ist. Wie ich so sinniere kommt Markus mit dem größten Vorschlag aller Zeiten um die Ecke: Ich kann mir sein Motorrad leihen. Er hat ja deutlich mehr Reichweite. Wow. Da bin ich baff. Sein Motorrad zu verliehen fällt niemanden leicht. Mir ein Motorrad zu leihen, wenn man weiß, dass ich alles außer langsam bin, ist eine andere Hausnummer. Und für den explizierten Wunsch, einen Schotterpass damit zu fahren, ein Straßenmotorrad zu verleihen, das zeugt von Vertrauen, das als Selbstaufgabe grenzt. Da kann ich gar nicht anders, als ECHT?! JA KLAR! zu sagen. Markus will derweil sein gewerkschaftlich garantiertes Mittagsnickerchen halten - ob er da ein Auge zubekommt?

Nun denn, auf geht's mit einer F800R auf Pirelli Angel GT einen Schotterpass hoch. Das Gepäck haben wir extra abgebaut. Die Kehren sind betoniert, die Geraden lose. Es sind Furchen drin und auch Steine bis Golfballgröße. Der 1. Gang ist sehr lang übersetzt, der Motor schiebt ganz unten aber gut, die Sitzposition ist tief und hecklastig, aber das klappt eigentlich alles sehr gut. Ich mache zwei Pausen für Konzentration und Handgelenke auf 8 km. 2 km vor dem Ziel warnt ein Schild vor den Herausforderungen des letzten Abschnitts und empfiehlt, hier zu parken. Ich beiße mich natürlich durch bis ganz oben. Geschafft! Hier geht’s nicht mehr weiter.

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Und da oben stehen dann Autos. Panda, natürlich, aber nicht 4x4 aus 1983, sondern das aktuelle 0815-Modell, und auch sonst normale Autos. Andere Wege hierher gibt es nicht. Okay, die Locals sind also recht schmerzfrei. Oder Touristen mit Mietwagen. Offenbar hat denen noch niemand gesagt, dass man einen SUV mit Allradantrieb und 2 Tonnen Masse für solche Wege braucht.

Im Display der F800 steht "Lamp". Tatsächlich, das Rücklicht hängt schief. Es ist rechts und links mit einer Schraube fest, und die rechte ist nicht mehr im Gehäuse drin. Clever, der Bordcomputer! Ich verwende die noch montierten Rokstraps, um das Rücklicht mittig zu fixieren, damit es nicht ganz verloren geht. Den Pass runter geht es einfacher als hoch, mit Angst vorm ungebremsten Absturz statt Angst vorm Abwürgen und Umkippen im Stand. Am Parkplatz angekommen ist Markus putzmunter und am Telefonieren. Er guckt sich das Rücklicht genauer an und fixiert es mit Kabelbindern. Ich stopfe das abgebrochene Massekabel wieder in den Kabelschuh, damit es wieder ordnungsgemäß leuchtet. Voila, sieht auf den ersten und zweiten Blick normal aus und hält 100 Jahre, oder bis zum Morgen vor der nächsten Fahrt zum TÜV.

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Danach geht es zur nächsten Tanke. Dank Google finden wir eine Tanke in 12 km Entfernung, und dann geht's euphorisch den Col du Vars hoch. Das macht ja mal richtig Laune! Dort wird auch mal eingekehrt und Eis und Kaffee genossen. Meine Yamaha freut sich über ein kleines Familientreffen.

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Dann geht's spaßig nach Jausieres zu unserer bescheidenen Unterkunft, doch dazu später mehr. Jetzt gilt es keine Zeit zu verlieren, wenn wir haben noch einen Plan: Die Cime de la Bonette liegt nur 12 km die Straße rauf. Die höchste "Passstraße" Europas. Nur warten darf man nicht, denn es wird bald dunkel. Die Fahrt ist einfach wunderbar! Man hat 18 Uhr fast alles für sich alleine. Bei bestem Wetter und Fernsicht.

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Da uns das noch nicht genügt, biegen wir abwärts scharf links ab und Col de la Moutière. Einfach hier scharf links fahren. Da fährt man 3 km Schotter und landet bei einem Bunker. Auf die Strecke kann man vom Bonette oben hinabblicken. Die Murmeltiere wundern sich über die späte Störung. Wir freuen uns über die Landschaft und das Abenteuerfeeling.

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Zurück in Jausiers schnappen wir uns das Abendessen am See. So kann der Tag ausklingen. Zurück zum Hotel mache ich die erste Fahrt mit der Yamaha beim Dunkelheit und bin vom LED-Licht begeistert: Das Licht liefert eine komplett einheitliche Ausleuchtung eines klar abgegrenzten Bereichs, der geradeaus auch perfekt reicht. In Kurven sieht man eher weniger, weil sie vorne weiter einfedert als hinten. So kommen wir wieder an der Unterkunft an, der vielleicht schönsten auf dieser Reise.

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Nein, wir haben nicht das ganze Schloss, nur ein 30 qm-Zimmer mit sehr getrennten Betten, Platz für vier Leute und Balkon. Unser Hotelzimmer riecht inzwischen sehr nach dem Käse, den wir jetzt zwei Tage spazieren fahren, den wir vor der Abendrunde hier abgelegt haben. Dafür haben wir einen Balkon zum Tal und können am Himmel 1 Million Sterne sehen. Lichtverschmutzung gibt es hier nicht wirklich. Sehr zufrieden geht’s ins Bett.

317 km heute mit besonders schönen Hotspots
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#15 Ungelesener Beitrag von blahwas »

Mi 18.9. Westwärts, Drôme

Früh geht es raus aus dem Apartment. Wir müssen erstmalig unseren Müll selbst wegbringen. Dann wird zunächst mal Strecke gemacht, denn hier in der Region war ich ja schon dieses Jahr. Im Supermarkt in Barcelonette kaufen wir Frühstück und Getränke. Dann wird weiter die Bundesstraße vom letzten Urlaub gefahren, wobei wir eine Gruppe gar nicht so langsamer Holländer aufschnupfen.

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An der Staumauer des Lac de Serre-Poncon geht’s rechts hoch, und dann wieder zu dieser 1a-Frühstückslocation (siehe auch anderen Reisebericht), wie für uns gemacht. Dort auch netter Schwatz mit deutschem Solo-Fahrer (trotz BMW GS).

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Dann fahren wir weiter westwärts. Tagesbefehl: Alle Passknacker abgrasen, die ich in den letzten Frankreich-Urlauben liegenlassen habe. Und alle die am Weg liegen oder besonders schön sind, natürlich.

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Außerdem fingere ich endlich mal den langen Inbus aus meinem Reisewerkzeug (unten im Tankrucksack), um den Topcaseträger rrrichtig festzuziehen, und nicht das kurze Ikea-Dings, das man mir kurz vor Abreise gereicht hat. Das Ergebnis nehme ich vorweg: Ich musste den ganzen Tag nicht mehr nachziehen. Dafür war das Tanken war wieder mal knapp, nach 40 km Reserve gehen 13,2 Liter in den 14 Liter-Tank. Es ist sehr dünn besiedelt hier und es sind auch wenig Touristen unterwegs.

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Die Einheimischen haben aber reichlich Pass-Schildern aufgestellt, und das Passknacker-Team hat sie in seine Datenbank aufgenommen, also muss ich da jetzt „leider“ entlangfahren. Die Einheimischen danken es, und halten die Schilder heute extra für uns instand.

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Mangels Höhenmetern ist es sehr warm heute. Daher wählen wir einen neuen Modus: Markus wartet nicht mehr wenn ich Fotos mache, sondern lässt sich die weitere Fahrtrichtung zeigen und rollt dann vor, um den Fahrtwind zu genießen. Wir sind ja beide mit Membran angezogen, um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Manchmal sucht er sich auch ein schattiges Plätzchen oder fängt an, Grashalme zu knipsen. Auch wenn ich einen Abstecher fahre rastet er derweil gerne. So kann er sich erholen, und ich kann mich verausgaben. Mittags machen wir eine längere Pause in einem 10 Seelen-Dorf. Es fehlt an touristischer Infrastruktur, daher wählen wir einen Spielplatz. Dort gibt es Schatten, Schaukeln, Bank, Zweitbank, fließend Wasser, Mülleimer, reichlich Ruhe, und natürlich LTE.

Wir fahren jetzt zwar noch durch verhältnismäßig flaches Land, aber je mehr wir uns dem Vercours näher, desto felsiger wird es, und bald fahren wir durch Schluchten.

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Dort habe ich ein Schreckmoment mit einem Wohnmobil von rechts, das eigentlich warten müsste, dessen Fahrer aber komplett von seiner A-Säule verdeckt ist. Die Beifahrerin kann ich sehen, aber sie dreht sich zur anderen Seite. Klarer Fall: Vollbremsung! Ich komme rechtzeitig zum Stehen, bzw. kann die Bremse wieder lösen, denn das Wohnmobil wartet dann doch, und Markus fährt nicht auf - also alles gut!

Wir machen die zweite lange Pause in einem richtigen Eiscafé in einem Dorfzentrum – das gehört ja auch zur Motorradtour. Dort gibt es selbstgemachtes Eis, das zwar 3 Euro pro Kugel kostet, was mich aber gerade nicht abschreckt. Außerdem gibt es eine echt fröhliche Mitinhaberin. Ist klar, die darf ja auch den ganzen Tag lecker Eis essen! Das kommt auf meine „Ideen für den vorgezogenen Ruhestand zwecks Geldwäsche“-Liste.

Die Schatten werden schon wieder länger und wir machen noch etwas Strecke. In Sichtweite des Vercours biegen wir von der Bundesstraße ab in ein verschlafenes Nest. Dort haben wir heute eine „Ferienwohnung“, die eher ein ganzes Haus ist. Es geht über zwei Etagen, wir haben zwei Schlafzimmer, eine große Wohnküche und ein riesiges Bad. Im Erdgeschoss ist alles recht rustikal, im 1. Stock aber topmodern. Die Türschlösser erinnern mich an die Vorkriegswohnung meiner Großeltern mit ihren Hebeln, Riegeln und 15 cm langen Schlüsseln. Leider müssen die Motorräder an der Dorfstraße stehen, aber hier kommt augenscheinlich niemand je vorbei. Die Unterkunft ist so abgelegen, dass das Handynetz erstmals schwächelt, aber das WLAN ist gut. Nach dem Hochladen der heutigen 22 Passknacker-Nachweise bin ich in der Rangliste auf Platz 4 aufgestiegen. Heute bin ich meinen 1000. Passknacker dieser Saison gefahren!

Da kein Restaurant in der Nähe ist, schlachten wir die Vorräte, was auch mal gemütlich ist – back to Basics. Im letzten gemeinsamen Urlaub haben wir noch mit Campingkram gekocht. Nach dem Abendessen bin ich nur noch Platz 6 der Passknacker-Rangliste, weil die anderen eben auch noch gefahren sind, oder zumindest ihre Nachweise hochladen.

Ich gehe noch spazieren. Der Nachthimmel ist hier am Ende der Welt natürlich nicht von schlechten Eltern. Im Dorf bellt mich ein sehr großer Hund an, der aus seiner Hütte auf mich zu rennen will, aber altersbedingt Mühe hat, aufzustehen. Man sollte ja allgemein nicht versuchen, Tieren mit vier Beinen davonzurennen, aber hier hätte es vielleicht funktioniert. Stehen bleiben erscheint mir trotzdem klüger. Der Hund bellt weiter, kommt im Halbkreis langsam auf mich zu, bellt immer unentschlossener, schnüffelt etwas an mir rum und beschließt dann, dass ich cool bin. So kann ich beruhigt ins Bett gehen.

Heute waren es 354 km, und die Route war arm an super-spektakulären Höhepunkten, aber man kam gut voran, hatte reichlich Kurven und die Welt so ziemlich für sich alleine.

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blahwas
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Re: 19 Tage Trentino und Frankreich über deutsche Passknacke

#16 Ungelesener Beitrag von blahwas »

Do 19.9. Vercours, Chartreuse

Wir verlassen unser Haus gegen 8:30. Die Reise führt ab jetzt stetig Richtung Norden, und damit neigt sie sich irgendwie dem Ende zu, auch wenn wir uns erst Sonntag trennen werden. Heute wird nur der Vercours befahren, und nördlich davon, jenseits von Grenoble, auch die Region Chartreuse. Als erster Pass steht heute der Col de Russet auf dem Programm. Den hatte ich zwar schon im Juni, aber es ist der schönste Pass weit und breit, den will ich Markus natürlich nicht vorenthalten. Außerdem ist es der schnellste Weg ;) Heute früh ist es noch frisch mit 12°C. Das war die letzten Tage morgens öfters so, aber heute bleibt es frisch. In den Vercours hoch wird es eher kühler als wärmer. Wir freuen uns darüber nach der Hitze gestern. Der Col de Russet ist noch immer eine Kurvenorgie erster Güte, die wir sehr genießen.

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An der Passhöhe gibt es das Frühstück. Wir haben Würste, aber nur auf den Reifen.

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So kann der Tag beginnen. Weiter im Vercours geraten wir in Nebel - oder in eine Wolke? Zwei mal Links abbiegen, und die Sonne ist wieder da. Aber seht selbst...

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Danach folgen viele verschiedene kurvige Ministraßen bei eitel Sonnenschein, leider teilweise mit Gravillons. Tolle Aussichten. Es ist eher kalt. Interessant ist noch, dass es immer wieder Hammer Aussichten gibt.

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Und dass eine Straße zwischen Felsen scheinbar ins nichts führt… und dann ist da ein Loch im Felsen, und man fährt 500 Meter durch einen einsamen Tunnel. Für wen wurde der gebaut? Na, für uns natürlich!

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Durch das dicht besiedelte Tal Isère-Tal kommen wir ohne große Umstände, und dann schwingen wir uns ins Chartreuse-Gebirge ein. Leider werden wir öfters von Schotter auf der Strecke ausgebremst – Gravillons! Das zerrt an Laune und Durchschnittstempo. Am Osthang kommt noch reichlich Touristenverkehr dazu (Gleitschirmflieger usw.), was den Effekt verstärkt. Dafür entschädigen die Aussichten teilweise. Markus sieht glücklich aus.

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Wir haben zwei Einzelzimmer im Hotel. Ein Restaurant ist im gleichen Haus, aber als wir um 20:30 dort Abendessen wollen, werden wir abgewiesen, da es ausgebucht ist. Das ist schade. Der Hotelwirt leidet mit uns, eigentlich sogar mehr als wir, denn richtig viel Hunger haben wir beide nicht. Der Wirt telefoniert und findet leider nichts Offenes in der fußläufigen Nähe. 7 km Motorrad fahren wollen wir nicht. Da hat er die Idee, das Frühstücksbuffet zu plündern, und deckt uns einen Teller mit Schinken und Käse, zum Genuss auf dem Zimmer. Brot haben wir ja noch: Einen Rest Baguette und Markus‘ eiserne Reserve Schwarzbrot, die er sicherlich auch nicht wieder zurück nach Deutschland fahren will, nachdem er ihr schon den Autoreisezug, Österreich, Italien und Frankreich gezeigt hat. So tafeln wird dann auf meinem Zimmer je einem 3 cm dickes Brot, davon 2 cm Schinken, und der Rest Käse und Brot. Das macht reichlich satt und ich gehe noch spazieren. Warum das Hotel nur 2 Sterne hat, verstehe ich nicht, da wären auch 3 angebracht. Die Zimmer und Bäder sind geräumig, modern und sauber. Das WLAN ist offen und schnell. Es gibt einen Parkplatz mit abgesperrtem Tor. Allenfalls ein paar mehr Steckdosen am Zimmer wären nett.

Wir hatten heute 414 km, die in Summe doch anstrengend waren. Ein paar Highlights waren dabei, aber im Chartreuse war der Straßenzustand wegen Garvillons leider eher schlecht. Dafür habe ich viel Neues gesehen und mein Passknacker-Lebenswerk gepflegt.

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Zuletzt geändert von blahwas am Dienstag 10. Dezember 2019, 14:43, insgesamt 1-mal geändert.

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