Gut zu wissen, denn später erreichten wir ein ausgewaschenes breites Flussbett. Abwechselnd ist hier brettharter Sand in Wellblechform, der einem bei langsamer Fahrt die Kronen aus dem Gebiss haut, und puderfeiner Sand, der mal das Hinterrad, mal das Vorderrad pendeln lässt. Wir drehen am Gashahn und lassen die Maschinen laufen. Das ist ein Spaß!

Versetzt fahre ich zum Guide an einer Hotelanlage vorbei, die ich interessiert beäuge. Zu spät bemerke ich aus dem Augenwinkel, wie er die Spur wechselt und kräftig abbremst, da er eine Abzweigung noch erreichen möchte. Ich sehe mich nur noch auf ihn zufliegen, haue die Bremsen rein, doch zu spät und keine Ahnung wie, haue ich das Bike rechts neben ihn und mich selbst nach links, um nicht auf ihn draufzuknallen. Mit einem dumpfen Schlag lande ich auf linker Schulter und Hüfte, schleife einen ächzenden Laut von mir gebend noch ein wenig den gewalzten Steinboden entlang, ehe ich auch schon wieder abrupt zu einem Stillstand komme. Ich stütze mich in den einbeinigen Kniestand, um mich kurz zu orientieren, muss an Pascal und sein Schlüsselbein denken und rudere erst einmal, wie ein Ertrinkender im Meer, mit den Armen in der Luft, um zu überprüfen, ob sich noch alles bewegen lässt. Nichts, Schultern, Arme in Ordnung. Noch immer stehe ich nicht auf und warte auf ein Signal von meinem Körper, ob irgendwas doch nicht in Ordnung ist. Meine linke Hüfte spüre ich. Wie ein kräftiger blauer Bluterguss fühlt es sich an. Die Art blaue Flecken, die wir uns während der Schulzeit mal gerne zugefügt hatten, wenn wir mit dem Knie von unserem Kontrahenten einen Tritt an der Oberschenkelaussenseite abbekommen haben. Das sind die Momente, wo man die Engel auf Trompeten und das Halleluja singen hört.
Die anderen kommen herbei und holen mich zurück auf die Beine. Tut gut Leute dabeizuhaben, die einem hochhelfen, wenn es einen mal auf die Schnauze haut. Selbst schuld bin ich schließlich, hätte ich einen größeren Abstand eingehalten und wäre aufmerksamer gewesen, wäre das sicher zu vermeiden gewesen.
Hilft im Moment alles nix. Auftstehen. Daraus lernen. Und weiter geht's.

Mir haben schon immer Leute imponiert, die Biss haben. Also eine ordentliche Portion Ehrgeiz; die Ziele haben und sich bemühen diese dann auch zu erreichen. Wenn ich also ein "Bundesverdienstkreuz fürs unerschrockene Schotterfahren" zu vergeben hätte, so bekäme dieses in unserer Gruppe, nicht einer der Kerle, sondern ganz klar Andrea. Ich war schon mit manchem Mann auf Tour, der hätte neben ihr auf diesen Strecken mehr als nur blass ausgesehen.
Irgendwie mag ich diese kleinen KTMs. Sie ist wie ein Gegenbild zu den vor High-Tech überbordenden PS-Monstern der gegenwärtigen Zeit. Sie ist herrlich primitiv; verfügt im Prinzip nur über zwei Räder, einen kleinen giftigen Motor, Bremsen und Federwegen so lang wie die Beine eines Geparden. (Ok, so wie ich damit fahre, hat das eher die Wirkung, als hätte sie die Beine eines angeschossenen Huhns.)
Unser Maxmoto, er ist für mich so etwas wie ein Philosoph und Dichter auf zwei Stollenreifen. Der ist völlig gelassen und tiefenentspannt auf gröbstem Geröll unterwegs (wenn er nicht gerade mit Baumstämmen in Büschen kollidiert). Unterwegs wurden wir immer wieder mit Anekdoten aus dem Leben und jeder Menge Wortwitz erheitert. Ein Unikat für sich.
Was haben wir heute schon alles an Untergrund gehabt. Sand, Schotter, gröbstes Geröll, fiesen Lavakies, lehmigen Matsch und richtig dicke Gesteinsbrocken am Strand über den man nur so hinweggeholpert ist und einfach nur hoffte, nicht jeden Moment abgeworfen zu werden. Jeder Untergrund hatte einen auf andere Weise herausgefordert und jedes Mal hinterher war man wieder stolz wie Oskar, irgendwie durchgekommen zu sein.
Und dann ist dort dieser Moment in der Pause, wo die Spannung im Körper nachlässt und die Du die Schönheit dieser kargen Landschaft in Dir aufnehmen kannst. In dem Moment ist dann einfach alles perfekt.
Mein Eindruck nach diesen gerade zwei Mal Schottern ist folgender: Es hat je nach Gelände seinen eigenen Anspruch und Schwierigkeitsgrad an und für den Fahrer... gerade das bringt nun am Anfang sehr viele Erfolgserlebnisse, macht irrsinnig Spaß und löst schon fast so etwas wie Wehmut aus, wo ich weiß, dass ich jetzt wieder nach Deutschland komme und dort nicht einfach nach Herzenslust Schottern können werde, wie es jetzt gerade noch möglich gewesen ist. Sich selbst einen Weg durchs Geröll und Unterholz suchen zu können, abseits vorgegebener Pfade hat auch für den Kopf etwas ungemein befreiendes.
Kurioserweise halte ich das Fahren mit einer Straßenmaschine nach dieser Erfahrung, für wesentlich gefährlicher, als das Schottern in der Pampa. Mich würde nicht wundern, wenn schon mancher nicht mehr im öffentlichen Straßenverkehr unterwegs ist, sondern nur noch auf Geröll-, Schotter- und Pistenstraßen.
Bedanken möchte ich mich bei Max, der Initiator dieser Reise ist und ohne den es für uns erst gar nicht dazu gekommen wäre. Bei Liane für die schöne Zeit bei der Erkundung der Insel und im botanischen Garten. Für das toll harmonierende Team Andrea und Pascal für die vielen Offroad-Tipps... und ohnehin bei euch allen für die schöne Zeit und die amüsanten Abende bei gemeinsamen leckersten kulinarischen Genüssen!
