on any sunday hat geschrieben:Könntest du vielleicht mal kurz die Unterschiede im Fahrverhalten etc. im Vergleich zur alten 660 beschreiben. Frag fürn Freund.

Sehr gerne. Vorher kurz zur 660er. Sie ist was Fahrwerk, Motor und Auspuff angeht Original. Die Gabel und das Lenkkopflager hatten schon einen Service hinter sich, die Federn sind aber geblieben. Die Schwingenlager und das Federbein wären aktuell zur Wartung fällig. Das Federbein hat schon ein kleines aber spürbares losbrechmoment. Ich hab Sinter-Bremsbeläge montiert und total abgenudelte Heidenau K60 Scout drauf.
Jetzt zum Vergleich: Man sitzt auf der 660er etwas weiter am Lenker und zum Vorderrad, daher wirkt sie gegenüber der 700er etwas kopflastiger (sogar mit leerem Tank der 660er; Reserve war schon an). Der Lenker ist etwas anders gekröpft, was auf der 700er erst etwas Gewöhnung bedarf, aber genau so i.O. ist wie bei der 660er. Die Rückspiegel haben unterschiedliche Formen, aber man sieht bei beiden gleich gut seine eigenen Schultern, sonst auch nicht viel mehr. Die 660er hat einen etwas kürzeren Radstand und daher auch einen noch kleineren Wendekreis beim rangieren. Beim fahren ist die 700er noch einen kleinen Tick wendiger, was ich aber großteils den Pirellis auf der 700er zuschreibe (bzw. den abgenudelten K60). Würde ich mich selbst auf einer winkligen Bergstraße verfolgen, ich könnte in den Kurven bei identischen Reifen sicherlich nicht viel schneller sein.
Den "Kamineffekt" zwischen Tank und Cockpit der 660er hat die 700 überhaupt nicht. Der Windschutz ist nahezu identisch. Die 700er ist insgesamt ein klein wenig niedriger (2-3 cm) und ist natürlich schlanker. Der Sozius-Höcker fehlt mir nicht und so ist das Aufsteigen auch leichter, weil der Soziusplatz rund 10 cm niedriger ist. Die Bremsen sind bei der 660er aufgrund der Sinter-Beläge um einiges aggresiver. Die Bremsen der 700er sind aber insbesondere für den Geländeeinsatz besser dosierbar. Da sind die Sinter-Beläge viel zu aggresiv. Die hintere Bremse der 700er ist luschig, aber die braucht man eh nicht. Mit normalen Belägen würde ich sagen, dass die Bremsen bis auf`s ABS nahezu gleich sind.
Federung: Die 700er wirkt deutlich straffer. Auf schlechten Straßen hat man mehr Rückmeldung. Die 660er ist da viel weicher, so dass man über schlechte Straßen bei der 700er gerne mal den Popo hebt, wo man bei der 660er noch fest mit dem Arsch im Sattel bleibt. Offroad und im Stehen ändert sich dass dann etwas. Da macht die 700er eine deutlich bessere Figur, aber da kommen die schwächen meines ausgelutschten 660er Federbeins wohl auch am besten durch.
Hauptunterschied ist natürlich der Motor. Da liegt eine Weltmacht dazwischen. Der 700er macht aber auch aufgrund des Auspuffs ganz schön Remmi Demmi, da wirkt die 660er schon fast braf. Über den Unterschied bei den Vibrationen brauchen wir wohl nicht sprechen. Bei der 700er im Vergleich quasi nicht vorhanden. Ich hab da so eine (natürlich abgesperrte

) Teststrecke. Da werden die Beschleunigungswerte zwischen zwei Fixpunkten gerne gemessen. Beschleunigt wird bei 100 km/h im letzten Gang. Auf der Strecke kommt die 660er auf 150 km/h, die 700er schafft da schon Tacho rd. 185 (Rekordhalterin: Ducati Mulitistrada 1200 mit 247 km/h). Der Motor der 700er ist ja schon öfters als super elastisch beschrieben worden. 50 km/h im 6. Gang sind kein Problem. Wheely ist trotz der relativ langen Schwinge (+ 9 cm gegenüber 660er) kein Problem, wenn man mit der Kupplung etwas spielt. Und Ölstand messen: Endlich ein Ölschauglas!
Schaltung: Da hohlt die 660er etwas auf. Die 660er schaltet butterweich. Der Schaltweg ist super kurz. Bei der 700er ist mir der Schaltweg eigentlich zu lange und das Getriebe ist im Vergleich viel hackeliger, wobei es schon besser geworden ist gegenüber dem Auslieferungszustand. Bei beiden Getrieben gilt beim hochschalten: warum braucht man einen "Schaltautomaten"? Also Typisch Yamaha und ich jammere auf hohem Niveau.
Zur Qualität. Verarbeitet sind ja beide perfekt, außer der Endtopf der 700er. Da hat`s dem Schweißer bei meiner wohl in den Feierabend pressiert. Die 660er ist halt gebaut wie ein Panzer. So viele Beilagscheiben und Distanzhülserl wie bei der 660er sind natürlich nicht verbaut. Braucht die 660er aber wohl wegen den Vibrationen. Bei einem Sturz werden bei der 700er aber mehr fetzen fliegen. Aber da hat Yamaha mit dem Elkamet Tank und den Crashpads der 660er es fast mit der Robustheit übertrieben (hab es getestet). Bei der Bedinung braucht man eigentlich keine Einweisung beim Händler, nur dass sich das Lenkerschloss der 700er nur links arretieren lässt. Ansonsten ist alles da, wo man es gewohnt ist. Außer der Zündschlüssel, der ist jetzt vor dem Lenker. Ja, und der Tankdeckel der 700er. Sieht scheiße aus, ist scheiße, aber hat sie nunmal. Andererseits hätte ein konventioneller Tankdeckel das Design der Tankabdeckung gestört. Das ist mir aber erst aufgefallen, als die beiden wirklich nebeneinander standen. So hab ich mich mit ihm arrangiert und nach dem 5. Tanken weis man auch, wierum er dann wieder drauf muss.
Verbrauch: Mit der 660er hab ich zuhause immer so rd. 4,7 bis 4,9 l/100 km gebraucht. Der Verbrauch der 700er liegt bei ca. 4,2 bis 4,4 Liter. Aber ging bei der 660er so bei 320 bis 350 KM die Reserve an, ist man bei der 700er bei 240 bis 250 km. Reserve bei der 700er: rd. 100 km, bei der 660er rd. 130 bis 150 km. Es ist deutlich weniger Reichweite, aber es reicht und man gewöhnt sich drann.
So, das war jetzt viel geschrieben. Ein paar Dinge wird wohl nur Dein Freund als 660z fahrer verstehen, aber er weis sicherlich was gemeint ist. Wenn noch Fragen sind -> gerne!
VG
Roland