Ich musste mal wieder raus. Nein, die Corona-Sperren, die seit März galten, waren dieses mal nicht Schuld an meinem Fernweh.
Eigentlich musste ich den Kopf mal wieder frei bekommen. Der Hintergrund ist der Verlust meines Arbeitsplatzes zum 30.06.2020.
Mein Arbeitgeber hat sich entschieden die Produktion seiner Produkte in ein osteuropäisches Land zu verlagern.
Mit mir gingen an dem Stichtag ca. 450 andere Kolleginnen und Kollegen - die restlichen 150 Kollegeninnen und Kollegen, bis auf wenige Ausnahmen, folgen bis spätestens zum Jahresende.
Das ist eine Situation, mit der ich noch nie konfrontriert worden bin. Nach über 13 Jahren im Unternehmen fiel mir der Abschied nicht leicht.
Schon seit längerem schwirrte mir der Gedanken im Kopf herum mal das Friaul zu besuchen.
Bei der Detailplanung bin ich, warum auch immer, über die "Route des Grandes Alpes" gestolpert.
Das Friaul hätte ich an einem langen Wochenende besucht, die Route des Grand Alpes (RDGA) würde definitiv mehr Zeit in Anspruch nehmen.
Allein die Anfahrt würde mindestens einen vollen Tag beanspruchen. Aufgrund meiner familiären Situation habe ich Anfangs nicht gedacht, die RDGA befahren zu können.
Dann ergab sich aber die Gelegenheit für fünf Tage zu verreisen. Die RDGA rückte in greifbare Nähe.
Immernoch unschlüssig, ob die mir zur Verfügung stehenden Tage ausreichten um die RDGA zu befahren, fragte ich hier im Forum an.
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Und so nahm das Projekt RDGA seinen Lauf....
Mein erster Reisetag begann früh morgens um 2:30 Uhr. Ich war mit meiner Frau und den Kindern noch im Münsterland in NRW bei meinen Schwiegereltern zu Besuch.
Tags zuvor waren wir auf einer Hochzeit eingeladen. Coronavirus bedingt fiel diese ein wenig anders aus, als man es normalerweise "gewohnt" ist.
Mittags Standesamt, dann gemeinsames Essen und das war's mehr oder weniger - keine abendliche Party.
Somit konnte ich zeitig ins Bett gehen. Ein wenig Schlaf war für den folgenden Tag dringend erforderlich.
Wie schon geschrieben, klingelte der Wecker um 2:30 Uhr. Leise schlich ich mich ins Badezimmer.
Gerade wollte ich das Zimmer wieder verlassen und zum Auto gehen, da hörte ich meine dreijährige Tochter sagen: "Papa, hier bleiben".
Zum Glück schlief sie bald wieder ein und um 3:19 Uhr saß ich allein im Auto auf dem Weg in Richtung Niederbayern. (Meine Frau und die Kinder sollten am folgenden Freitag per Bahn nach Hause fahren.)
Erschwerend kam hinzu, dass wir dieses mal mit unserem Anhänger unterwegs waren. Dieser setzte meine legale Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h hinab.
Die weitere Fahrt verlief jedoch reibungslos, so dass ich um Punkt 11:00 Uhr zuhause ankam.
Eine Woche vor der Abfahrt checkte ich meine gute Africa Twin nochmals durch. Alles ok: Flüssigkeiten, Kettenspannung, Reifen....
Jedoch gab es bei den Reifen einen kleinen Schönheitsfehler: Sie sahen zwar noch gut aus, aber ich habe doch vorsichtshalber mal den Profiltiefenmesser aus dem Werkzeugkasten geholt.
Dann folgte die Ernüchterung: Vorne 2mm, hinten 3mm Restprofiltiefe. Tja, so kann man sich täuschen. Auf der Twin waren noch die Erstausrüsterreifen von Dunlop montiert.
Mit denen würde ich die geplanten 2.500 km nie mehr schaffen! Die Twin war mit ihnen gerade mal 5.280 km gelaufen.
Mit den Michelin Anakee 2 auf meiner BMW R1100GS bin ich mit einem Satz 19.500 km gefahren! Was für Unterschiede!!!
Ein neuer Satz Reifen musste her. Aber welcher und würde ich ihn noch so schnell erhalten? Eigentlich wollte ich den Heidenau K60 Scout ausprobieren.
Da dieser aber ein Diagonalreifen ist, und der nach meinem derzeitigen Kenntnisstand in die Fahrzeugpapiere eingetragen werden muss, fiel er aus meiner Wunschliste heraus.
Welche Reifen kamen noch in Frage? Nach einigem suchen konnte ich folgende Reifen in meine Wunschliste eintragen:
1.) Pirelli Scorpion Rally STR
2.) Michelin Anakee Adventure
3.) Continental TKC70
Etwas nervös und mit feuchten Fingern rief ich meine Werkstatt an:
"Könnt ihr mir meine Wunschreifen besorgen?"
"Den Pirelli gibt es nur für hinten."
"Ok, dann den Anakee Adventure. Schaffst du das diese Woche noch?"
"Geliefert wird er. Aufziehen ist auch kein Problem, nur ein- und ausbauen schaffe ich diese Woche nicht mehr."
"OK, dann baue ich die Räder aus und bringe sie dir vorbei."
"Ja, das geht."
"Kann ich mir die Räder auch am Sonntag abholen?"
"Mmh, ich kann sie dir in den Hof legen."
"Ok, klasse! Danke!"
Gesagt, getan. So stand dann meine Twin eine gute Woche aufgebockt in der Garage.

Während der morgentlichen Autofahrt nach Hause war mir schon ein bisschen mulmig zumute, ob ich meine Reifen noch bekommen würde.
Wenn nicht, hätte sich die Tour erledigt.
Ich bekam meine Reifen! Was war ich froh, dass ich mich auf meine Werkstatt mal wieder zu 100% verlassen konnte!
Das Einbauen der Räder ging recht schnell. Die richtige Kettenspannung einzustellen dauerte dagegen etwas länger als geplant.
Gut, dass meine Koffer und die Packrolle für die Reise schon fix und fertig gepackt waren.
Ich sattelte mein Pferd, sagte dem Zumo noch wo ich hin wollte und los ging es in Richtung Alpen.
Kurz vor der Abfahrt reservierte ich mir über Booking.com noch ein Einzelzimmer in einem Hostel in Garmisch-Partenkirchen.
Die Corona-Pandemie bedingten Grenzschließungen sollten am 15.06. aufgehoben werden.
Ich wollte so nah wie möglich an der Grenze übernachten, um dann am nächsten Tag direkt zu unseren Nachbarn nach Österreich übersetzen zu können.
Nachmittags wurde das Wetter schlechter und es begann zu regnen. Die Fahrt nach Garmisch war eher unspektakulär - Autobahn im Regen eben....
In München wunderte ich mich ein wenig über den Verkehr um das Olympiazentrum herum. Ich habe nicht damit gerechnet auf einem Sonntag hier im Stau zu stehen...

Für 39€/Nacht ohne Frühstück war das Zimmer im "Hostel der Athleten" gut und ehrlich gesagt besser als ich es erwartete.

Nachdem ich mein Zimmer bezogen hatte, fuhr ich an diesem Abend nur noch eben etwas essen und zur Tankstelle, um mir die Vignetten für Österreich und die Schweiz zu kaufen.
Die schweizer Vignette bekam ich an diesem Abend leider nicht mehr.
Zurück im Hostel steckte ich noch eben alle Ladegeräte an die vorhandenen Steckdosen und fiel bald darauf ins Bett.
Der nächste Tag sollte auch wieder lang werden....
Hier geht's zu den Tracks in Google MyMaps
Fortsetzung folgt...