Mit dem neuen Gespann zum Nordkap

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G-li
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Mit dem neuen Gespann zum Nordkap

#1 Ungelesener Beitrag von G-li »

Ich habe hier zwei Versionen des Berichtes: Zunächst die Zusammenfassung für den eiligen Leser, dann folgt das ausführlichere Reisetagebuch mit Bildern. Entscheide selbst, welchen Teil Du lesen möchtest.


Hier also zunächst die Zusammenfassung:

Vom 16.8. bis zum 5.9.14 waren wir (G-li und Orifahrer) mit Moby Dick (unserem neuen BMW Gespann) auf großer Skandinavientour. Viele Bekannte hatten uns im Vorfeld davon abgeraten, in 3 Wochen bis zum Nordkap und zurück fahren zu wollen. Aber wir behaupten nun, es ist machbar. Sicherlich wäre es schön, sich an einigen Stellen mehr Zeit lassen zu können für Besichtigungen, etc. Auch wäre es vielleicht schön, öfter mal kleinere Straßen zu fahren. Aber die sind weit oben im Norden auch nicht wirklich so spannend, wenn es denn überhaupt welche gibt. Kurven gibt es nicht viele. Also fahrtechnisch anspruchsvoll ist es dort oben nicht wirklich. Dafür kann man beim Fahren besser in die schöne Gegend schauen. Am besten gefallen haben uns die Lofoten und die Küstenstraße Rv 17. Das wäre sicherlich noch einmal eine Reise wert. Das sind wirklich landschaftliche Highlights. Das Nordkap selbst ist schon beeindruckend, aber es reicht, wenn man einmal dort gewesen ist. Den Südwesten Norwegens mit seinen vielen bekannten Sehenswürdigkeiten haben wir ganz ausgespart, da wir bereits 1988 schon einmal hier waren. Das würde natürlich für 3 Wochen viel zu viel, wollte man das auch alles noch sehen. Dafür ist ein gesonderter Urlaub nötig oder mindestens noch 2 Wochen mehr.

Es war auch gut, daß wir mit dem Gespann und nicht mit 2 Solomaschinen gefahren sind, wie wir es letztes Jahr bereits tun wollten, aber dann etwas dazwischen kam. Denn so konnten wir uns auf den ewig langen Etappen abwechseln, was die Sache doch sehr entspannt hat.

Unseren Reiseroute haben wir so, wie wir es vorher grob geplant hatten, durchgezogen. Von Kiel mit der Fähre nach Göteborg. Über den Inlandsvägen E45 rauf bis an die finnische Grenze. Ein kurzes Stück durch Finnland und weiter nach Norwegen hoch zum Nordkap. Über die nördlichste Stadt der Welt Hammerfest weiter nach Alta (hier gibt es Felszeichnungen aus der Steinzeit), rüber auf die Vesteralen bis Andenes, wo wir eine Walsafari mitgemacht haben. Von dort ist es nicht weit auf die Lofoten. Mit der Fähre rüber nach Bodö mit kurzem Abstecher zum BMW-Händler. Weiter auf der Rv 17 an der Küste entlang - eine der schönsten Straßen Norwegens. Leider hatten wir nicht mehr so viel Zeit, so daß wir diese Strecke nur zur Hälfte fahren konnten. Von dort weiter auf der Hauptpiste, der E6 mit einem Abstecher nach Röros, einer alten Bergbaustadt. Und dann ging es auf dem schnellsten Weg nach Oslo zur Fähre.

Wer mein Reisetagebuch liest, wird sich vielleicht wundern, daß ich öfter über die Preise in Norwegen schreibe. Aber das ist ein Thema, das einen wirklich permanent beschäftigt. Man kann gut und gerne behaupten, daß alles etwa das Doppelte kostet wie bei uns in Deutschland (8 NOK sind etwa 1€). Man muss sich einfach vorher darüber im Klaren sein, und es akzeptieren, wie es ist. Sonst sollte man lieber ein anderes Reiseziel wählen. Das einzige, was man machen kann, um zu sparen ist: Zelten oder kleine, spartanische Hütten nehmen, wie wir es gemacht haben, und sich selbst versorgen anstatt Essen zu gehen. Die Hütten sind alle mit einer Kochmöglichkeit und einem Kühlschrank ausgestattet. Schlafsack ist mitzubringen, zusätzlich Spannbettuch und Kissenbezug zu empfehlen. Mit dem Motorrad kann man nicht allzuviele Lebensmittel mitnehmen, aber die Preise im Supermarkt sind noch halbwegs erschwinglich. Der Sprit kostet übrigens knapp 2,- € pro Liter. Die Fähren sind eigentlich nicht teuer, aber es leppert sich was zusammen. Maut braucht man als Motorradfahrer in der Regel nicht zu bezahlen, außer auf einigen wenigen Straßen, wo wir nicht gewesen sind.
Das zweite Problem, neben den Preisen, ist das Wetter. Man weiß nie, was einen erwartet. Es kann 3 Wochen Superwetter sein, man kann aber auch 3 Wochen Dauerregen haben, wenn man Pech hat. Man muss halt Glück haben. Wir hatten von beidem etwas, und so wird es wohl meistens sein.
Die Reisezeit von Mitte August bis Anfang September war vielleicht etwas spät, aber hatte den Vorteil, daß nicht mehr viele Touristen unterwegs waren. Wir hatten keine Probleme eine Hütte oder einen Platz auf den Fähren zu bekommen. Wir brauchten nichts lange im Voraus buchen. Zwar hatten wir keine Mitternachtssonne mehr, dafür aber das Nordlicht, was sicherlich mindestens genauso schön ist.
Unterwegs auf den Lofoten
Unterwegs auf den Lofoten
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Fazit: Norwegen ist ein herrliches Land, wenn das Wetter mitspielt und man sich mit den Preisen abgefunden hat.
Es gibt keine Wunder - nur Training

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Nagge
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Re: Mit dem neuen Gespann zum Nordkap

#2 Ungelesener Beitrag von Nagge »

Die Zusammenfassung macht Lust auf mehr .... ich freu mich schon auf den ausführlichen Bericht :L
Grüße aus dem Schönbuch

Marc / Nagge

´s Leba isch koin Schlotzer!

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Gigl
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Re: Mit dem neuen Gespann zum Nordkap

#3 Ungelesener Beitrag von Gigl »

Servus Inge,

auch ich freu mich auf die ausführliche Variante mit Bildern! ;)

LG auch an Peter
Gigl

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G-li
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Reisetagebuch, Teil 1

#4 Ungelesener Beitrag von G-li »

Sa 16.8.14: Bielefeld - Kiel
Endlich ist es soweit. Nach über einer Woche packen und nochmal wieder umpacken, weil nicht alles ins Gespann reinpasste, sind wir nun startklar für unsere große Skandinavientour.
Endlich reisefertig!
Endlich reisefertig!
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Erst vorgestern haben wir die Fähre gebucht. Nicht Kiel - Oslo, wie eigentlich gedacht, sondern Kiel - Göteborg. Bei Kiel - Oslo war schon kein Büffet mehr zu bekommen und eine ganze Ecke teurer war es auch schon wieder geworden. Die Preise wechseln hier täglich bis stündlich. Also haben wir uns kurzfristig umentschlossen, denn es sind nur etwa 150 km mehr zu fahren als von Oslo aus.
Außerdem geht die Fähre erst abends anstatt mittags. Mittags hätten wir auch vermutlich Probleme gehabt, überhaupt die Fähre zu erwischen, denn der Stau ist heute endlos. Wir haben uns mit Moni in Hamburg zum Mittag verabredet. Unterwegs zu Moni sehen wir mehrere Mülleimer, die dazu auffordern, seine Sorgen hineinzuwerfen. Schöne Idee, denke ich, aber leider funktioniert es nicht so richtig...
Strömender Regen, Riesenstau, Zeitdruck. So richtig klappt es noch nicht mit den Sorgen...
Strömender Regen, Riesenstau, Zeitdruck. So richtig klappt es noch nicht mit den Sorgen...
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Mache mir immer noch Gedanken wegen des Wetters, das sich seit ein paar Tagen zum Schlechten gewendet hat und auch für die nächsten Tage nicht gerade pralle angesagt ist. Dann würden sich meine Vorurteile, die ich von Skandinavien habe, voll bestätigen.
Es ist schon 14:00 h durch, als wir endlich bei Moni ankommen. Als ich aus dem Beiwagen aussteige, bemerke ich, dass ich in einer Pfütze sitze. Es hatte mehrere Schauer unterwegs gegeben, aber das hat anscheinend schon gereicht.
Bei Moni halten wir uns nicht lange auf. Essen leckere Suppe und Hefezopf mit Tee. Die kleine Pause ist sehr angenehm. Danach geht's halbwegs zügig nach Kiel. Das Einchecken auf die Fähre geht superschnell und einfach. Wir beziehen unsere Kajüte, erkunden das Schiff und gehen abends zum Buffet: all you can eat. Danach nur noch in die Koje. Hoffentlich ist morgen das Wetter besser als die Wettervorhersage....


So. 17.8.14: Göteborg - Malung
...nein - ist es nicht. Im Gegenteil. Seit Wochen hatte ich es mir ja schon in meinen düsteren Gedanken schlimm ausgemalt. Deswegen hatte ich auch immer noch Bedenken, ob wir denn tatsächlich diese Reise antreten sollten. Aber Peter träumt schon ewig davon, einmal mit dem Motorrad zum Nordkap zu fahren. Und ich weiß, wenn sich mein Mann etwas in den Kopf gesetzt hat, dann zieht er das auch durch - komme was wolle. Und mit so einem neuen Gespann fahren würde die Sache ja noch einmal toppen. Aber das Wetter jetzt toppt meine schlimmsten Vorstellungen.
Nachdem wir geduscht und noch ein letztes Mal feudal gefrühstückt haben, geht es hinaus in den Göteborger Regen. Ich spanne zunächst den Schirm im Beiwagen auf, da es nur langsam zum Ausgang geht. Die Spritzdecke mache ich heute nicht drauf. War gestern blöd mit dem nassen Hintern trotz Spritzdecke. Die Scheibe erzeugt einen solchen Unterdruck, dass die Spritzdecke sich vollkommen aufbläht und irgendwo das Wasser sich seinen Eingang sucht. Auch die Jacke bläht sich so stark auf, wenn die Spritzdecke drauf ist, dass einem ganz kalt wird an Brust und Armen. Also lieber alles offen lassen, dann ist's sogar weniger schlimm. Wir müssen ja erst einmal unsere Erfahrungen sammeln, wie es denn am besten geht, da wir bis jetzt kaum im Regen gefahren sind mit unserem neuen Gespann namens Moby Dick, das kein Dach hat wie unser altes Gespann es hatte. Jetzt weiß ich auch, warum es diesen Namen trägt. Nicht nur weil es von der Firma Mobec gebaut wurde und weil es groß und weiß ist. Anscheinend auch deshalb, weil es sich gerne im Wasser aufhält. Der heutige Unterwassereinsatz lässt es jedenfalls stark vermuten. Wir hätten uns doch wohl lieber einen anderen Namen ausdenken sollen. Aber wer weiß, was uns erwartet hätte, hätten wir es "Der weiße Hai", "Polarfuchs" oder gar "Yeti" getauft.
Wir fahren auf der Autobahn Richtung Oslo und biegen dann nach rechts ab auf die E 45. Wir wollen möglichst schnell auf dem Inlandsvägen gen Norden, um dann an der Küste Norwegens wieder zurück zu fahren - denn es ist ja schon spät im Jahr. Ich hoffe nicht schon zu spät....
Ab und zu hört es immer mal kurzzeitig auf zu regnen. Na ja, ein Wal muss ja auch zwischendurch mal Luft holen - aber nur um kurz später wieder abzutauchen. Eine Regenpause haben wir für einen Fahrerwechsel genutzt. Jeder von uns ist dann heute über 200 km gefahren. Immer so zwischen 70 und 90. Auf der Autobahn war auch mal 100 oder sogar 110 erlaubt. Man sollte sich nur tunlichst daran halten, denn Blitzen gibt es wie Sand am Meer und die Strafen sind hoch.
Wasserstandsmessungen am Boot. Noch brauchen wir keine Lenzpumpe.
Wasserstandsmessungen am Boot. Noch brauchen wir keine Lenzpumpe.
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Nun sitzen wir in einer kleinen Hütte auf dem Campingplatz bei Malung. 400 schwedische Kronen (das sind etwa 45,-€) kostet die kleinste Hütte mit 2 Betten, 2 Kochplatten, einem Kühlschrank und das wichtigste: mit einer kleinen, aber funktionierenden Heizung. Der Regen wird jetzt noch heftiger und wir sind froh hier im Trockenen zu sitzen. Nachdem wir selbst erst mal trocken gelegt und die Betten bezogen sind, werden wir das für den ersten Abend geplante opulente Mahl zu uns nehmen: Eine Dose Ravioli und zum Nachtisch die längste Praline der Welt.


Mo. 18.8.14: Malung - Strömsund
Heute Nacht habe ich immer wieder das Wasser in der Ablaufrinne unserer Hütte plätschern gehört. Morgens sieht das Wetter aber dann doch geringfügig besser aus. Nachdem wir geduscht, gefrühstückt und unsere ganzen Plünnen eingepackt haben, soll es losgehen. Aber das Abblendlicht funktioniert nicht. Wie, etwa schon wieder die Birne im Eimer? Wo ist der Ersatzlampenkasten? Nach kurzer Suche haben wir ihn gefunden. Doch die neue Birne funktioniert auch nicht. Jetzt ist guter Rat teuer. Die Stimmung wird schon leicht gereizt. Glücklicherweise wackelt Peter noch einmal an der Steckverbindung - und siehe da - es geht. Puh, nochmal Schwein gehabt.
Kurz tanken mit Kreditkartenautomat und dann geht es weiter auf der E 45. Heute ist es viel leerer als gestern. Wir kommen zügig voran. Mal regnet es leicht, dann wieder nicht. Ab und zu kommt sogar die Sonne raus, aber alles im Minutenabstand. Immer, wenn ich gerade den Fotoapparat herausholen will, fängt es wieder an zu tropfen. Vieles hier erinnert mich an Kanada. Die Landschaft, die Straßen, die Holzhäuser und Ortschaften, die entgegenkommenden Trucks und Wohnmobile. Wir kommen immer wieder an wunderschönen Seen mit kleinen Inseln vorbei. Wie Spirit Island im Jasper Nationalpark, denke ich.
'Spirit Island' in Schweden
'Spirit Island' in Schweden
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Nach einer kleinen Pause tauschen wir mal wieder unsere Plätze und ich fahre etwa 100 von den 470 Kilometern, die wir heute Abend auf der Uhr haben werden. Das Navi führt uns eine Nebenstrecke, wo wir auch einige Kilometer Schotter haben. Mit dem Gespann macht mir das viel weniger aus als mit der Solo - null Problemo. Dann fährt Peter wieder. Und prompt fängt es wieder an zu regnen. Der Regen wird immer heftiger und wir sind beide langsam ziemlich durchgefroren. In Strömsund fragen wir am Campingplatz nach einer Hütte. Wir bekommen eine für 350,- Kronen. Sie ist sehr klein (eine bessere Telefonzelle), aber es ist alles da: Kochgelegenheit, Kühlschrank, Wasserkocher und sogar eine Mikrowelle. Aber wir müssen uns schon ziemlich stapeln. Die Heizung bullert - irgendwie werden wir die Sachen schon trocken kriegen.
Ich laufe noch allein in den Ort zum Einkaufen. Ein wenig Obst wegen der Vitamine. Die Sonne scheint und es wird richtig warm. Peter hat sich derweil vor der Hütte an den See gesetzt und ein paar schöne Fotos gemacht. Unsere deutschen Hüttennachbarn bewundern erst einmal unser Gespann und wir halten im Laufe des Abends noch ein paar Pläuschchen.
Was gibt es heute zum Abendessen? Schinkennudeln aus der Tüte, und zum Nachtisch Obstsalat.

Heute sind wir dem Nordkap wieder ein gutes Stück näher gekommen. Nun haben wir seit zu Hause etwa die halbe Strecke.
Regenbogen über dem See bei Strömsund
Regenbogen über dem See bei Strömsund
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G-li
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Reisetagebuch, Teil 2

#5 Ungelesener Beitrag von G-li »

Di. 19.8.14: Strömsund - Jokkmokk

Ich werde zum 3. Mal wach. 6:40 h. Zeit zum Aufstehen. Das Wetter sieht trüb aus, aber es regnet wenigstens nicht. Erstmal duschen. Die Dusche ist angenehm. Man muss nicht alle 5 Sekunden auf den Knopf drücken damit das Wasser weiterläuft, wie auf dem letzten Campingplatz. Dann Frühstück machen. Nicht einfach in diesem heillosen Chaos in der winzigen Butze. Heute gibt es Spiegelei. Ich koche gleich noch die restlichen 4 Eier für unterwegs. Nachdem wir uns gestärkt haben, heißt es alles zusammenpacken und das Chaos beseitigen. Spülen und putzen muss man ja die Hütten hier auch noch. Alles in allem brauchen wir etwa 2 1/2 Stunden vom Aufstehen bis zum Losfahren.
Unterwegs auf den Inlandsvägen (E45)
Unterwegs auf den Inlandsvägen (E45)
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Weiter auf der E 45. Das Wetter wird besser. Auch wenn es immer wieder mal regnet. Am Nachmittag wird es noch besser, die Sonne scheint. Wir wechseln uns zweimal mit dem Fahren ab im Laufe des Tages. Ich genieße die Landschaft vom Beiwagen aus. Kann gar nicht verstehen, wieso alle immer sagen, es sei so langweilig hier oben. Immer dieselbe Landschaft. Ich finde keinen einzigen der heutigen 500 Kilometer langweilig. Ich kann hier stundenlang gucken mit wachsender Begeisterung. Ein wunderschöner See reiht sich an den anderen. Plötzlich sehen wir ein Auto warnblinkend auf der Straße stehen. Sehen dann warum. Rechts neben der Straße steht ein Rentier oder war' s ein Hirsch - ich hätte gesagt Karibu, aber die gibt es ja nur in Alaska und Kanada. Er schaut ganz verwundert auf das seltsame Gefährt, das sich da nähert. Ich habe gleich die Kamera schussbereit, die wir im Fußraum des Beiwagens platziert haben. Und bekomme auch ein paar schöne Aufnahmen von ihm.
Das 'Renntier' (wie wir auf einer deutschen Übersetzung in Norwegen gelernt haben) ;-)
Das 'Renntier' (wie wir auf einer deutschen Übersetzung in Norwegen gelernt haben) ;-)
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Kurz vor unserem heutigen Ziel Jokkmokk überschreiten wir den Polarkreis. Kurze Foto- und Pinkelpause und weiter geht es nach Jokkmokk, wo wir uns eine Hütte auf einem der beiden Campingplätze suchen wollen. Der erste Camingplatz gefällt mir nicht, weil er so groß ist. Wir fahren noch einmal ein paar Kilometer zurück zum anderen. Der ist aber schon voll. Also wieder zurück zu dem großen. Ich entere die Rezeption. Was kostet eine Hütte? 2er-Hütten sind alle belegt und die 4er-Hütte kostet 970 Kronen, was etwa 110,-€ entspricht. Was nun? Zum Zelt aufbauen haben wir jetzt wirklich überhaupt keinen Bock. Wir hätten zwar alles dabei, aber eher nur für den Notfall. Aber da war doch noch ein Schild "Stuga" kurz vor dem Campingplatz. Wir fragen dort bei einem Privathaus. Für 600,- Kronen bekommen wir eine 4er-Hütte, wenn auch ohne Duschmöglichkeit. Aber direkt am See sehr idyllisch gelegen und sehr groß. Hier können wir uns ausbreiten. Das Chaos ist zwar nicht geringer als in der letzten Hütte, aber man kann wenigstens drumherum laufen.
Am Polarkreis
Am Polarkreis
PA144334.jpg (79.69 KiB) 6864 mal betrachtet
Heute gibt es Kartoffelsuppe aus der Tüte mit Bockwürstchen und Butterbrot. Zwar nicht wirklich passend zur kulinarischen Hauptstadt Schwedens 2014, in der wir uns gerade aufhalten. Aber wir sind da nicht unbedingt so anspruchsvoll, was das Essen betrifft.


Mi. 20.8.14: Jokkmokk - Enontekiö
Abfahrt wie üblich gegen 9:00 h. Das Wetter ist trüb, auch wie üblich. Aber wenigstens kein Regen. Nach ein paar Kilometern kommen die ersten blauen Flecken zum Vorschein - nein, nicht bei mir - sondern am Himmel. Hoffnung macht sich breit. Aber leider nur für eine halbe Stunde. Danach regnet es wieder. Die Temperaturen gehen immer weiter runter. Während es gestern noch 11 bis 12 Grad waren, sind es heute noch 10 bis 8 Grad. Wohlweislich habe ich mir schon den elektrischen Heizsitz in den Beiwagen gelegt. Ja, ja, man braucht auf fast nichts zu verzichten in so einem Gespann. Nur ein WC fehlt noch...
Und trotzdem wird mir kalt. Ich sauge die Wärme von unten in mich hinein und will eigentlich gar nicht wieder aussteigen. Aber nach etwa 300 km, von denen ich auch etwa 100 gefahren bin, bis es mir zu kalt wurde, erreichen wir die finnische Grenze. Vorher tanken wir noch auf. Denn der Sprit in Schweden kostet etwa so viel wie bei uns, und wir wissen nicht, wie die Preise in Finnland sind. Ein warmer Kakao wirkt Wunder und wir kaufen noch Obst und Vitamintabletten für unsere letzten schwedischen Kronen. Wir fahren über die Grenze und dann noch vielleicht 50 Kilometer, bis wir ein Schild sehen, das einen Campingplatz mit Luxushütten ankündigt. Da überlegen wir nicht lange und fragen gleich nach. Und tatsächlich, die Hütte hat eine kleine Küche, ein eigenes Bad, sogar TV und eine kleine Terrasse - und sie ist mukkelig warm. Kostenpunkt 60,-€ (wir sind hier ja wieder im Eurogebiet), und das ist gegen Jokkmokk spottbillig. Als wir einziehen, ist dann die Freude noch größer, denn es hängt ein Schild an der Wand, das das Passwort für das WLAN ausweist. Dann ist der Abend ja gerettet. Moni, übrigens vielen Dank für das Hefezopf-Rezept und die Fotos, die wir nun auch erhalten haben. Während Peter mit Kirsten facetimed, schreibe ich mein Tagebuch und Mails.
Wir freuen uns schon auf unsere Miracoli, die wir uns gleich machen werden. Ja, auf einer solchen Reise lernt man die einfachen Dinge wieder zu schätzen.
Die Zündschlüssel steckten sogar...
Die Zündschlüssel steckten sogar...
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Hä?
Hä?
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G-li
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Reisetagebuch, Teil 3

#6 Ungelesener Beitrag von G-li »

Do. 21.8.14: Enontekiö - Skarsvag

Unser iPhone weckt uns um 6:30 Uhr. Wir wollen früh los, da wir heute noch fast bis zum Nordkap fahren wollen - und das sind etwa 460 km. Peter hat gestern Abend noch eine Hütte über Booking.com 14 km vor dem Nordkap reserviert.
Es ist bewölkt, aber trocken bei 6 bis 8 Grad. Wir ziehen schon einmal vorsorglich zwei Fleecepullis drunter und natürlich die dicken Winterhandschuhe, mit denen ich kaum noch meine Finger bewegen kann. Heute fahre ich die ersten 111 km, denn es ist für mich immer eine Überwindung, den warmen Heizsitz im Beiwagen zu verlassen, um auf die Maschine zu steigen. Obwohl die Füße auf der GS bedeutend wärmer gehalten werden als im Boot. Nach ein paar Kilometern kommen wir bereits an die Grenze zu Norwegen. Es geht mir gut, denn es ist gar nicht so kalt, wie ich dachte. Nach einer Pinkelpause wechseln wir uns ab. Wir fahren zunächst bis nach Karasjok, der Hauptstadt der Samen und Sitz des Samenparlaments. Hier gibt es auch ein Samenmuseum, das wir uns anschauen. Eine gute Gelegenheit für eine Aufwärmpause. Wir lernen über das Leben der Samen, obwohl das Museum nicht allzuviel hergibt. Vielleicht hätten wir doch in den benachbarten Samen Themenpark gehen sollen. Vielleicht hätte der etwas mehr gezeigt. Aber was soll's.
Wir haben zwar kein Snowmobil, aber noch geht es ohne...
Wir haben zwar kein Snowmobil, aber noch geht es ohne...
PA144422.jpg (86.52 KiB) 6857 mal betrachtet
Wir fahren weiter immer Richtung Norden. Die Landschaft wird immer karger und bergiger, und zu unserem Erstaunen ist das Land hier viel stärker besiedelt als in Schweden und Finnland. Nach dem Ort Lakselv kommen wir an die Küste, an der sich nun die Straße entlang windet. Wirklich schöne Gegend. Das Wasser hat eine tolle blaue Farbe. Man könnte meinen in Griechenland oder auf Korsika zu sein. Einzig die Temperaturen wollen nicht so ganz passen.
Immer an der Küste entlang Richtung Nordkap
Immer an der Küste entlang Richtung Nordkap
PA144473.jpg (62.82 KiB) 6857 mal betrachtet
Das Wetter ist sogar recht freundlich, was sich aber im Laufe der Fahrt noch ändert. Viele Rentiere sieht man hier neben und auch auf der Straße. Immer dankbare Fotomotive. Wir kommen zum Nordkaptunnel. Er ist mittlerweile abbezahlt und kostet keine Maut mehr, wie noch vor einigen Jahren. Er ist ca. 7 km lang und auf dem ersten Kilometer sehr nebelig. Es ist schon ein seltsames Gefühl, wenn man sich vorstellt, daß man sich dort 200 Meter unter dem Meer befindet.
Rohrpost zum Nordkap
Rohrpost zum Nordkap
PA144486.jpg (87.42 KiB) 6857 mal betrachtet
So langsam wird es immer nasser und kälter. Das Navi leitet uns zum Campingplatz, aber der ist erst einmal der falsche. Schade, der Hund des Betreibers, mit dem ich mich gleich schon angefreundet hatte, war soooo lieb. Also fahren wir noch einen Kilometer weiter zum nächsten Campingplatz. Kirkeporten, hier sind wir richtig. Die Hütte hat zwar Schlafplätze für 5 Personen, ist aber trotzdem sehr klein und kalt. Hier sind es mittlerweile nur noch 4,5 Grad. Der Heizkörper, den wir direkt anmachen, hat eine Fläche von etwa 30 mal 30 cm. Ob das reicht? Aber dafür sind wir hier auf dem nördlichsten Campingplatz der Welt, und wir haben schließlich unsere dicken Yeti-Daunenschlafsäcke dabei...
Die Hütte auf dem nördlichsten Campingplatz der Welt
Die Hütte auf dem nördlichsten Campingplatz der Welt
PA144506.jpg (75.53 KiB) 6857 mal betrachtet
Wildwechsel in Skarsvag
Wildwechsel in Skarsvag
PA144509.jpg (83.2 KiB) 6857 mal betrachtet
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G-li
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Reisetagebuch, Teil 4

#7 Ungelesener Beitrag von G-li »

Fr. 22.8.14: Skarsvag - Nordkap - Hammerfest

Als ich das erste Mal um 2:45 Uhr wach werde, ist es draußen dämmerich, aber nicht richtig dunkel. Der große Tag ist da. Ziel aller Mühen und Entbehrungen der letzten Tage. Das Nordkap ist in greifbarer Nähe.
Gegen 9:00 Uhr machen wir uns startklar und rollen gen Nordkap. Das Wetter ist nicht so sonnig, wie erhofft, aber nicht schlecht für Nordkapverhältnisse. Es ist bedeckt, aber man kann alles sehen, kein Nebel und auch kein Regen. Nachdem wir unseren Eintritt von 490,- NOK bezahlt haben, gehen wir zuerst zur Weltkugel, dem Monument des Nordkaps, wo jeder Besucher ein Bild von sich macht. Es sind auch einige Motorradfahrer hier. Wir unterhalten uns mit einem Finnen und machen gegenseitig Fotos von uns.
Zwei Bielefelder am Nordkap
Zwei Bielefelder am Nordkap
PA144549.jpg (53.64 KiB) 6849 mal betrachtet
Nachdem wir draußen das Gelände abgegrast haben, sogar noch einen Geocache hier oben geloggt haben, gehen wir ins Nordkap-Besucherzentrum. Es macht erst um 11:00 Uhr auf. Wir sind bereits um 9:30 Uhr dort gewesen, aber wenn man schon einmal in seinem Leben hier ist, muss man sich auch alles richtig anschauen.
Ist ganz nett gemacht. Man kann sich einen Film anschauen und noch eine andere Lightshow über den Jahrezeitenverlauf am Nordkap. Wir lernen auch über den 2. Weltkrieg, in dem die Deutschen auch am Nordkap gewütet haben. Das beste deutsche Kriegsschiff, die Scharnhorst hatte eine Besatzung von 1900 Mann. Nach langem Kampf ist sie gesunken und fast alle sind umgekommen.
Nachdem wir uns alles ausführlich angeschaut und fotografiert haben, fahren wir weiter in Richtung Hammerfest. Den ersten Teil des Weges fahren wir zurück genauso wie auch hin.
Moby Dick am Nordkap
Moby Dick am Nordkap
PA144655.jpg (70.22 KiB) 6849 mal betrachtet
Wildlife
Wildlife
PA144650.jpg (76.1 KiB) 6849 mal betrachtet
Nordkapfahrer unter sich
Nordkapfahrer unter sich
PA144662.jpg (63 KiB) 6849 mal betrachtet
Rückweg vom Nordkap
Rückweg vom Nordkap
PA144676.jpg (91.84 KiB) 6849 mal betrachtet
Unterwegs kaufen wir ein paar Lebensmittel ein. Das Wetter wird immer besser und wir haben das erste Mal in dieser Woche mehrere Stunden strahlenden Sonnenschein am Stück. Da sieht die Welt doch gleich anders aus. Aber kalt ist es trotzdem. In Hammerfest finden wir auf dem Campingplatz ein nettes Hüttchen. Zuerst machen wir uns etwas zu Essen, da uns der Magen bereits in den Kniekehlen hängt. Was es heute gibt? Ich habe Köttbuller eingekauft (kennt man ja von Ikea) und dazu Kartoffelsalat. Mal keine Nudeln.
Abends steigen wir auf den Aussichtshügel, von wo aus man einen guten Blick auf die Stadt hat. Hammerfest hat knapp 10000 Einwohner und lebt von der Erdgasindustrie. Die Stadt ist nicht besonders schön, aber es ist die nördlichste Stadt der Welt und schon deshalb einen Besuch wert.
Es gibt keine Wunder - nur Training

Gigl
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Re: Mit dem neuen Gespann zum Nordkap

#8 Ungelesener Beitrag von Gigl »

Spannender Bericht Inge,
etwas Härte gehört zu so einer Tour schon, Regen, Kälte, was wir beim Biken so gar nicht brauchen, habt ihr
ja genug gehabt! ;)
Peter hat die Skidoos aber mit einem eigenartigen "Wärnichtschlechtblick" angesehen, der Fuhrpark für den Winter
wäre aufzurüsten! :D

Freu mich auf die Fortsetzung
Gigl

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