Mit viel Zeit im Gepäck nehmen wir kleine Strassen am Rio Tejo entlang und erreichen irgendwann mit Castelo Branco die erste größere Stadt. Es dauert auch nicht lange, bis ein Motorradladen gefunden ist. Der Chef glaubt mir meine Grössenbezeichnung nicht und macht sich selbst ein Bild davon. Jetzt erst denke ich darüber nach, dass die geländetaugliche Kombination aus 21" vorne und 18" hinten nicht ganz so gebräuchlich sein könnte. Die Menschen in dem Laden sind extrem freundlich und hilfsbereit und durchsuchen das ganze Lager. Der Chef telefoniert in der Umgebung herum und kann leider auch keinen Reifen auftreiben. Wir bedanken uns, füllen die Kaffekasse der Werkstatt auf und fahren weiter.
Über die N233und die winzige N569 gelangen wir an die spanische Grenze, wo sich zunächst nur die Strassenbezeichnung ändert (EX205). Doch bereits bei Eljas verändert sich die Landschaft so dramatisch, dass wir anhalten müssen und das Bild erst einmal in uns aufsaugen. So ist es mir bisher immer nur in Spanien ergangen; diese unbegreifliche Weite die sich dem Auge bietet, wirft mich immer wieder um. Wir geniessen die kurvenreiche Fahrt über mehrere kleine Pässe an etlichen Stauseen vorbei und überqueren den Rio Aragon. Vor dem Hintergrund der Reifensuche durchfahren wir die Stadt Plasencia und haben leider bei gleich zwei Motorradhändlern wieder kein Glück. Beide versichern uns auch, dass es einen solchen Reifen in ganz Plasencia nicht geben würde.
Ein kurzer Blick auf die Karte zeigt uns, dass die nächste größere Stadt in ca. 150 km Entfernung liegt, wenn wir uns an die N110 halten. Die französischen Nationalstrassen im Sinn und die nun zu ignorierenden Verlockungen der Hochebenen von Villafranca, Paramera und vor allem der Sierra de Gredos, erscheint das zunächst nicht allzu verlockend. Aber diese Nationalstrasse hat es sowohl fahrerisch als auch landschaftlich in sich. Natürlich ist die landwirtschaftliche Nutzung intensiv. Erst glaubt man, dass alle Oliven dieser Welt von hier kommen müssen, dazu gesellen sich dann fein säuberlich abgetrennt aller Weizen dieser Welt, aller Kork dieser Welt, alle Kirschen dieser Welt,..... Auch die Tierhaltung scheint geordnet zu sein; links der Strasse jagen sich Pferdeherden, rechts davon grasen Rinder in einem imposanten Panorama.
Doch dann der Höhepunkt: wir fahren seit mehreren Stunden durch einen Talkessel, der ringsum von hohen Bergen umgeben ist und befinden uns dabei ständig auf etwa 1.400 m Höhe. Und dann taucht vor uns auf einem Hügel inmitten des Talkessels eine komplett erhaltene mittelalterliche Stadt auf, die komplett von einer Wehrmauer umgeben ist. Mit jedem Kilometer, den wir näher kommen öffnen sich unsere staunenden Münder weiter - Avila. Habe ich noch nie von gehört! Werde ich nie wieder vergessen!!
Wir fahren in die Stadt und finden tatsächlich in dem engen Gewirr der Gassen recht schnell einen Motorradladen. Schnell ist mein Wunsch geäußert und der Chef sagt ganz trocken: "Aber heute nicht mehr! Heute spielt Spanien". Selten hat mich ein "manana" so zufrieden gestellt. Wir verabreden einen Termin für den nächsten Morgen, kaufen noch ein wenig Proviant ein und finden auch noch einen schönen Campingplatz in Navaluenga am Ufer des Rio Alberche, wo wir uns noch lange bei einem guten Roten über die Eindrücke des Tages austauschen.
Wir müssen früh aufstehen und zusammenpacken, um unseren Termin einhalten zu können. Schon als wir den Laden betreten, erkenne ich am Gesicht des Inhabers, dass etwas nicht stimmt. Genauso ist es: er hat einen 17" Reifen bestellt. Gleichzeitig bietet er uns an, "seinen Neffen" nach Madrid zu schicken, um den Reifen zu tauschen und ist irritiert, dass wir das freudestrahlend annehmen. Wir freuen uns regelrecht darüber, dass wir dadurch die Gelegenheit haben, uns in Ruhe die Stadt anzusehen und ich baue schon einmal das Hinterrad aus.
Hier ein paar Impressionen einer Stadt, die in meinem persönlichen Spanienreiseführer auf der ersten Seite stehen würde:
Als wir um 14:00 zurück sind ist der Reifen gewechselt und montiert. Nach großem Palaver und dem Austausch der Mailadressen geht es weiter und wir können noch etliche schöne Kilometer bei einer großen Runde durch die Sierra de Guaderrama genießen, bis wir bei Abejar am Stausee de la Cuerda unser Zelt auf 1.153 m Höhe aufbauen. Zu unserer großen Enttäuschung müssen wir uns den Platz heute mit zwei weiteren Gästen teilen
Spanien ist wieder einmal Motorradfahren im 16:9 - Format. Man kann sich während der Fahrt auf die Umgebung einlassen und geniessen. Entspannung und Genuss pur!