nach Westen, nach Westen… 14.03.2020
„Wieso fahren wir eigentlich immer nur in die eine Richtung“, beschwert sich Minisozia eines Abends bei mir.
„Naja, weil`s in die andere Richtung erst total zugebaut und danach echt langweilig zum Fahren ist“, entgegne ich und steige in den Keller hinab, um am PC eine Beweisroute nach Westen zu planen.
Sie wird schon sehen.
Tage später.
„So, Süße, spring in die Klamotten, wir fahren heute mal in die andere Richtung. Außerdem möchte ich mir Dir die neue Sitzbank ausprobieren.“
- Die wurde ganz frisch um vier Zentimeter aufgepolstert. Kniewinkel und so. -
„Och nöö. Ich bin total müde und hab auch gar kein Bock“, grummelt es mir hinter dem Tablet aus ihrem Zimmer entgegen.
Ist wohl gar nicht immer so ganz einfach für eine fast Dreizehnjährige, Eltern zu haben, denk ich mir. Andersrum ist es ja manchmal genauso.
Fahr ich eben allein. Nach Westen, schließlich hab ich extra `ne Route gebaut.
Und es ist tatsächlich ganz genau so, wie ich es prophezeit habe. Ein Ort reiht sich an den nächsten, dauernd 50`erverkehr. Ätzend. Hab ich ja auch gleich gewusst.
Ach, ich krieg` den Kopf nicht frei. Gedanken immer ganz woanders heute.
Irgendwann lichtet sich die Bebauung. Stattdessen wird es ländlich. Zum Glück.
Anhalten. Durchatmen. Umgucken. Ist doch gar nicht mehr so schlimm hier.
Eigentlich sogar fast schön.
Wo bin ich eigentlich?
Ja, nee. Is klar.
Wird schon stimmen.
Ich sach mal so, je weiter Du in Schleswig-Holstein nach Westen fährst, desto platter wird das da.
Irgendwo liegt da sogar die tiefste Stelle Deutschlands, also quasi schon
unterplatt!
(
https://de.wikipedia.org/wiki/Neuendorf-Sachsenbande" onclick="window.open(this.href);return false; )
Trotzdem schön.
Zweispurpiste. Da fährste bei Seitenwind schon mal `n bisschen konzentrierter.

Meine Polly...
Etliche Kilometer Feldwegstrassen weiter erreiche ich Glückstadt. Hier gibt`s Kaffee.
Der kleine Hafen lockt Touris und Sonnenhungrige. Scheint aber auch schön heute. Ich muss schon sagen.
Wirklich hübsch.
Die auch.
Es gibt hier eine richtige Slipanlage, wo man auf einer Art Bahnschienen ganze Boote aus dem Wasser ziehen kann.
Seit Januar liegt da nun der Krabbenkutter Wiking von 1938. `n paar Reparaturen sind noch dran zu machen.
Einerseits.
Andererseits.
Genau so kam immer die Rohware in die Werkstatt, als ich noch als Tischler Vollholzmöbel gebaut hab. Wie das duftete!
Auch diese Bretter für die Wiking riechen noch typisch säuerlich nach frischer Eiche.
Stegdetails.
Alt und neu.
Ich bin nicht der einzige, der heute bei immerhin 7,5°C eine Motorradrunde dreht.
Hier stehen noch ein paar mehr Maschinen. Eine fällt mir dabei ganz besonders ins Auge.
Yamaha XJ 900. Pinneberger Saisonkennzeichen. Wem die wohl gehört?
Ehrlich, ich geb dem Typen ganz schön viel Zeit, mich anzusprechen.
Der muss mich doch sehen. Könnte doch sein, dass wir uns beide im XJ-Forum rumtreiben, oder?
Aber noch umständlicher und noch langsamer kann ich mich direkt neben Polly gar nicht wieder fahrbereit machen.
Da würden mir ja die Arme mit dem Helm über`m Kopf einschlafen!
Echt jetzt…
Will wohl nicht.
Auf dem Heimweg komm ich noch hier vorbei. Hatte jemand Humor, denk ich mir.
Hier wurde vielleicht `n bisschen übertrieben.
Aber okay, war kreativ.
Wenn Dein eigener Schatten sich direkt vor Dir soo lang macht, dann kann die Gegenrichtung Dich erst recht mal nicht gut sehen.
Doppelte Achtung vor Überholern und Linksabbiegern aus dem Gegenverkehr!
Erst jetzt merke ich, dass ich auf dem Hinweg wohl Rückenwind gehabt haben muss. War mir gar nicht so aufgefallen.
Jetzt kommt`s jedenfalls ganz schön frisch von vorn. Da freu ich schon mal auf die heiße Dusche Zuhause.
Irgendwie schon auch doch ganz schön, mal wieder Richtung Nordsee gefahren zu sein heute.
Ach ja und die „neue“ Sitzbank, die is ja wohl mal saubequem!
