Irland Juni 2015

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Linus
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Registriert: Sonntag 18. Dezember 2011, 15:32
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Re: Irland Juni 2015

#41 Ungelesener Beitrag von Linus »

Auf dem Weg hierher berühren wir bereits das dritte Mal in zwei Tagen Belfast, deshalb umfahren wir das Zentrum auf dem Outer Ring und halten uns westlich in Richtung Millisle.
Wir wollen noch für den Abend einkaufen und den örtlichen Campingplatz nutzen, haben aber das komische Gefühl, nicht willkommen zu sein. Überall hängen Plakate, die an die
"Troubles" erinnern und viele Wände sind vollgeschmiert mit Sprüchen wie "we don't forget". Eine innere Stimme empfiehlt uns weiterzufahren, was wir schlußendlich auch tun.
Auf den nächsten 40 Kilometern fahren wir etwa 15 Caravanparks an, die uns alle mit dem Spruch "No tents allowed" abweisen, bis wir in Cloughey einen Platz finden, der sich auch
noch mit der Urform des Campens arrangieren kann.

Heute müssen wir eine Entscheidung über den weiteren Verlauf der Reise treffen. Wir hatten uns eigentlich vorgenommen, die Städte Belfast und Dublin zu besichtigen. Andererseits
hat uns der irische Motorradfahrer den wir am zweiten Abend kennenlernen durften so von seiner Heimat vorgeschwärmt, dass wir die Wicklow Mountains auch gerne besuchen wollen.
Kurzentschlossen streichen wir Belfast und machen uns auf den Weg in Richtung Dublin. Durch die gestrige Suche nach einer Bleibe für die Nacht sind wir ohnehin schon weit nach Süden
abgekommen und können mit der Fähre von Portaferry

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nach Strangford den Weg drastisch verkürzen (5,30 Pfund für 10 Minuten Fährzeit).

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Wir passieren mit Newcastle und Kilkeel Seebäder nach englischem Vorbild, die mit Casino und bunten Kirmesbuden Bleibende anlocken wollen. Wir aber sind Reisende und suchen schnell
das Weite. Bei Dundalk sind wir bereits wieder auf dem Boden der Republik Irland. Da sich hier die Geschwindigkeits- und Entfernungsangaben wieder von Meilen in Kilometer ändern und
das britische Pfund wieder vom Euro abgelöst wird ist man fast versucht, von Links- auf Rechtsverkehr umzustellen.
Dublin umfahren wir auf dem Autobahnring M50 der bezüglich Mautpflicht und -abrechnung einige Besonderheiten bietet. Hier wird barrierefrei das Kennzeichen erfasst und die Abrechnung
kann bis zum nächsten Tag per Internet erfolgen. Die Kennzeicheneingabe abends per Smartphone ergab, dass Motorräder nicht erfasst werden und somit mautfrei unterwegs sind.
Wir verlassen die Autobahn an der Abfahrt 12 und können direkt aus dem Großstadtgewimmel in die Kurvenorgie der R115 eintauchen. Über Sally Gap finden wir den Einstieg in die empfohlene
"old military road" am Glenmacnass Waterfall vorbei und gelangen bei Rathdrum in das Herz der Wicklow Mountains und quartieren uns für zwei Nächte auf dem Campingplatz Hidden Valley ein.

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Jetzt besuchen wir Dublin, dass spätestens seit dem Film "Once" ganz oben auf unserer Wunschliste steht. An James Joyce's prosaischem
Frühwerk kann es nicht liegen, da mich dieses zu Schulzeiten eher gequält als unterhalten hat. Entlang der Küstenstraße nähern wir uns der Großstadt und schleichen uns on Osten her hinein. Dank
der auch hier verfügbaren freien Parkplätze für Motorräder können wir direkt im Zentrum mit unserer Besichtigungstour starten. Den ganzen Tag erkunden wir die Stadt, nutzen sogar einen der offenen
Doppelstockbusse für Sightseeingtouren und sind abends regelrecht erschöpft von den Eindrücken, aber auch begeistert.

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Die Erwartungen an die Stadt wurden voll erfüllt. Die Szene der Straßenmusiker ist derart vielfältig und man könnte an jeder zweiten Ecke hängen bleiben, um den unbekannten Künstlern zuzuhören und
das Drumherum zu beobachten - einfach klasse!

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Am nächsten Morgen verlassen wir unsere einsame Zeltwiese zu einer Runde in die Wicklow Mountains. Das Wetter bleibt uns treu und wir biegen schon bald ab in das Vale of Avoca das wegen seiner
Wollmühlen bekannt sein soll. Das Tal selber wird von einer kleinen Straße in herrlicher Umgebung durchzogen und wir besuchen sogar eine Wollmühle, wo ich schon bald den Spruch hören muss, dass
"shipping is no problem" ;) . Das Paket war auch tatsächlich schon vor uns zuhause.

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Der weitere Weg führt uns in die Gletscherwanne des Glenmalur und über die kargen Höhen des Wicklow Gap nach Glendalough, wo im Tal der zwei Seen eine mittelaterliche Klosteranlage mit angeschlossenem
Gasthaus zu einer Pause einlädt.

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Zurück auf dem Campinplatz erwartet uns eine Überraschung: nachdem wir uns in der Nacht vorher die riesige Zeltwiese mit einem weiteren Zelt geteilt haben, erinnert das Gelände jetzt an ein Rockfestival.
Vor lauter Zelten ist kaum noch Gras zu erkennen und unser "Nachbar" erklärt uns, dass heute der Beginn der dreimonatigen Sommerferien ist. Jetzt wird mir auch klar, warum es so schwierig war, eine
Fährüberfahrt für die Rückreise zu buchen, da es viele Iren aufgrund der Wettersituation nach Frankreich oder weiter in den Süden zieht.

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Den letzten Tag in Irland nutzen wir noch für eine ruhige Küstenbummelei und eine ausgedehnte Sonnenpause an einem Strand in der Wexford Bay, bevor wir auf dieselbe Fähre wie vor drei Wochen fahren,
die aber diesmal Roscoff ganz im Westen Frankreichs zum Ziel hat.

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Einen Tag bummeln wir noch mehr oder weniger gemütlich über Landstraßen durch Bretagne und Normandie, die sich durchaus als eigenständige Urlaubsziele entpuppen, bevor wir östlich von Le Havre zum
letzten Mal für diesen Urlaub das Zelt festnageln. Da ich am nächsten Tag im Dienst erwartet werde, ist für die letzten 400 Kilometer Autobahn angesagt, die nur von einer ausgedehnten Pause im belgischen
Mons unterbrochen wird, bevor wir nach 6.098 km wieder zuhause sind und die irische Sonne direkt mitgebracht haben.
Fremde sind Freunde, die wir noch nicht kennenlernen durften

Gigl
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Re: Irland Juni 2015

#42 Ungelesener Beitrag von Gigl »

Mit großem Vergnügen habe ich deinen aufschlussreichen Bericht gelesen und
die wunderschönen Fotos angesehen! :L

Ist direkt schade, dass ihr schon wieder zu Hause seid, ich hätte noch
mehr "vertragen"! :D

LG
Gigl

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Doris
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Re: Irland Juni 2015

#43 Ungelesener Beitrag von Doris »

Was für ein Glück, dass Ihr das "versteckte Tal" gefunden habt!

Schade eigentlich, dass Eure Reise schon zu Ende ist.
Irland ist ziemlich weit nach oben auf meine Wunschliste gerutscht - danke dafür!

Lieben Gruß
Doris, Lady of Roscommon :D
Liebe Grüße
von einer, die auszog, die Welt zu entdecken...


Doris


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G-li
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Re: Irland Juni 2015

#44 Ungelesener Beitrag von G-li »

Ein supertoller Bericht, Linus. Hat mir Spaß gemacht zu lesen und die schönen Bilder zu gucken :L

Mit dem Wetter habt Ihr ja wohl relativ viel Glück gehabt. Obwohl mir die Bilder von der wolkenverhangenen irischen Landschaft fast noch besser gefallen. Das hat irgendwas Mystisches und gehört doch irgendwie zu Irland dazu. Auch wenn's nicht so angenehm ist, wenn man mit dem Motorrad oder gar Zelt mittendrin hockt. Hut ab, da wart Ihr echt tough, was das Zelten angeht.

Auf der Rope-Bridge waren wir damals auch. Habe glaube ich noch irgendwo eine Urkunde mit "Over The Bridge Expert" rumfliegen. Ich weiß nur, ich hatte da plötzlich ganz schön Schiss, als ich genau in der Mitte stand, und der Wind so stark wehte, dass ich kaum noch an den Handlauf ran kam :o

Gruß,
Inge
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Mimoto
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Re: Irland Juni 2015

#45 Ungelesener Beitrag von Mimoto »

Hallo Rainer,

ich bin positiv platt, über ne Stunde lese und schau ich nun schon, mehrmals spring ich zurück, schau mir die Route an, Deine Friedhofsbilder welche ich ja auch über Whats.app schon Zeitnah bestaunen durfte. Wie soll man das beschreiben, wunderschön, mystisch, karg, friedlich, bedrohlich, einsam, warm, kalt, ...es sind diese Gegensätze, selbst Palmen, danke dem Golfstrom gibt es so "nah" am Polarkreis.

Ich hab Irland 2x bereist, vor ca. 10 Jahren mit dem Flieger nach Dublin wo Corinna und ich 4 Tage von der Jameson Whiskeybrennerei, über die Guinnssbrauerei, zum Hunderennen, viele Gasthäuser besuchten, wir waren eine Stunde nach dem Eintreffen bereits hackedicht und wurden 4 Tage später in Frankfurt aM langsam wieder nüchtern - es war so herrlich :mrgreen: ...ja und letztes Jahr im Herbst zum Golf spielen, da hab ich zum Erstenmal erlebt das Regen nicht zwangsläufig vom Himmel fällt sondern auch von vorne nach hinten fliegen kann ohne zu fallen, ergo, man steht da und wird nur von einer Seite batsch nass. :lol:

Eure Reise, 3 Wochen am Stück, das stellt in einem sicher was um, bei euren Reisen sicher nichts neues mehr, so eine Erfahrung, beneidenswert finde ich das Ihr euch auch austauschen könnt, meine Fremdsprachenfähigkeiten reichen nur bis in die deutschsprachige Schweiz, Östereich, Deutschland mit Ausnahme von manchen Landesteilen im Oden- und Schwarzwald. ;) Menschen ihren Geschichten zuzuhören liebe ich, beschäftigt mich, mag ich so lustig & traurig sie auch sein mögen. Die Bilder sind beeindruckend, wie fantastisch muss es erst vor Ort sein und mit dem Wetter habt Ihr wohl ein Traumlos gezogen, ganz ohne Regen würde man sicher nicht glauben wo ihr wart. :lol:

Klasse Rainer und bessere Hälfte. :L :L :L

Viele Grüße
Michael /mimoto

Sterbe mit Erinnerungen, nicht mit Träumen.


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Savethefreaks
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Re: Irland Juni 2015

#46 Ungelesener Beitrag von Savethefreaks »

I'm totally entzückt!

Traumhaft schöne Bilder, und da sind die Steinbrücken noch nicht mal das Highlight :lol:

Eine Landschaft, so richtig zum Abtauchen. Und mit Deinen Beschreibungen der schmalen und kurvigen Straßen machst du mir echt den Mund wässrig!

Tolle Tour, von mir aus darfst du gleich wieder los :L

Ich hab übrigens noch keine Seekühe live und in Farbe gesehen ;) :lol: :L
It's hard to be a Rock 'n Roller!

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Linus
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Re: Irland Juni 2015

#47 Ungelesener Beitrag von Linus »

Vielen Dank für eure Kommentare und die lobenden Worte. Es freut uns, wenn wir dem ein oder anderen Irland als Reiseziel näher bringen konnten

Jetzt bleibt uns nur noch das Fazit:

In den letzten Jahren haben wir sehr unterschiedliche Länder und Menschen kennengelernt. Waren die Menschen in Marokko noch aufdringlich neugierig im positiven Sinne
und die Schotten höflich interessiert, so hat uns die herzliche Offenheit der Iren (bis auf die Ausnahme im nordirischen Ulster) vollkommen überrascht, fast schon überwältigt.
Wir wurden wirklich überall und ständig angesprochen und man freute sich, dass wir uns drei Wochen Zeit für ihre Heimat nehmen. Und immer hörten wir: "You're welcome" und
"Enjoy your stay".
Meine Erwartungen habe ich ja bereits im Vorfeld der Reise einem zufällig gefundenen Text von Olaf Tarmas entnommen, der all meine Erwartungen und Sehnsüchte an diese Insel
ausdrückt.

Zitat: "Ach, Irland! Wo sonst nehmen einen die Elemente auf diese unverkennbare Weise in Empfang? Ein bisschen unbeholfen und kumpelig umarmt mich der Wind, ein kleiner
Regenschauer klopft mir freundlich auf Schultern und Mütze, die Brandung am Kliff kläfft mich begeistert an."

Haben wir alles gefunden; und noch so viel mehr. Natürlich hatten wir Glück mit dem Wetter, dass sich völlig untypisch zeigte. Irland und seine Menschen sind unbedingt eine Reise wert!

Praktisches:
- Linksverkehr: erfordert nur eine kurze Eingewöhnungszeit
- Verkehr: die Verkehrsdichte ist abgesehen von den wenigen Ballungszentren sehr überschaubar
- Tanken: Tankstellendichte vergleichbar mit Deutschland und auch über Land kein Problem. Der Liter Super lag im Juni 2015 bei etwa 1,40 €
- Einkaufen: an 7 Tagen die Woche von 8:00 bis 22:00 möglich. Auch auf dem Land in den Supermärkten der Tankstellen, die zu normalen Preisen verkaufen
- Alkohol: nur erhältlich in Läden mit dem Hinweis "Off Licence"
- Motorrad: eine Besonderheit stellt der irische Asphalt dar, der auch bei Nässe extrem griffig ist. Da es in Irland quasi keinen Schnee oder Frost gibt, ist die Fahrbahndecke sehr grobporig,
sodass das Wasser schnell ablaufen kann. Motorradfahrer grüßen sich durch merkwürdige Kopfverrenkungen oder mit erhobenem rechten Fuß.

Wer zu faul ist zum Lesen: bitteschön

Fremde sind Freunde, die wir noch nicht kennenlernen durften

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maxmoto
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Re: Irland Juni 2015

#48 Ungelesener Beitrag von maxmoto »

Oh Linus,
ich weiß nicht, ob ich meine Empfindungen zu Deinem Film nachvollziehbar in Worte fassen kann.
Er wirkt auf mich angenehm, positiv, berührend melancholisch.
Er strahlt eine so intensiv empfundene positive Einsamkeit aus, dass es ein Leichtes ist, dort zu sich selbst zu finden. - wenn man es mag.
Mich beeindruckt er nachdrücklich.
Herzlichen Dank für diese nochmals komprimierte Zusammenfassung.
Max
maxmoto
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