Tag 3, 09. Juli 2017
Es ist Sonntag und wir packen unseren Kram um das Hotel zu wechseln. Das Hotel Bellavista ist guter Standard. Der morgendliche Kaffee aus dem Automaten hingegen ist etwas für hartgesottene Naturen, und offensichtlich herrscht in Italien noch Sonntagsbackverbot. Die ohnehin schon trockenen italienischen Brötchen zerstäuben heute schon beim Ansehen. Aber irgendwas ist halt immer ...
Nachdem wir uns entschlossen haben in Ravascletto zu bleiben hatten wir gestern bereits im benachbarten Hotel La Perla (
http://www.hotellaperla-carnia.it/de/) vorgesprochen und für die nächsten Tage gebucht. Im Bellavista konnten wir nicht verlängern. Außerdem hatte Andreas Wagner in seinem Bericht so von diesem Hotel geschwärmt.
Wir geben nur kurz unser Gepäck ab und machen uns auf Tagestour. Da es in den Bergen durchwachsen werden soll ist das Ziel des heutigen Tages der südlicher gelegene Passo San Ubaldo oder San Boldo, je nach Gusto.
Von Ravascletto geht es westwärts in Val Pesarina, dann über die Sella Ciampigotto hinunter ins Tal de Piave. Auf der stark befahrenen Strada Statale Nr. 51 "di Allemagna" schlagen wir uns durch bis kurz hinter Pieve di Cadore. Nachdem wir Stadt passiert haben zweigen wir ab auf die alte Trasse der S.S. 51. Zwar offiziell gesperrt für alle außer Anlieger, aber wir haben ja das konkrete Anliegen der endlosen Kolonne von Sonntagsfahrern und Rollheimern zu entkommen.
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Kaum sind wir auf die alte Trasse abgebogen geht der Verkehr gegen Null und die Kurvenradien werden spaßig. Zusammen mit einem italienischen Großrollerfahrer haben wir die bestens erhaltene alte Straße für uns alleine, bis hinunter nach Longarone. Dort legen wir eine Pause ein, trinken einen ordentlichen Cappuchino und angesichts der steigenden Temperaturen auch gleich ein Fläschchen Mineralwasser.
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Kurz vor Belluno beginnt die A27 und dementsprechend ebbt auch der Verkehr auf der S.S. 51 wieder ab. Vor Vittorio Veneto biegen wir nach Westen auf die SP35 ab und 10km später erreichen wir mit der SP 635 den Abzweig zum Passo San Boldo.
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Es ist mittlerweile 13 Uhr und offenbar sind außer eines kleinen Radl-Rudels alle Sonntagsfahrer beim Mittagessen, denn wir freuen uns über die fast leere Straße und nur drei Dosen, die wir überholen müssen bis wir an der ersten Ampel in Pole Position gehen.
Als die Ampel umschaltet passiert etwas absolut ungewöhnliches: die Kupplung rupft und der Kürbis stirbt ab.
Das nutzen die beiden italienischen Tourenfahrer hinter mir und fahren vorbei. Ich starte erneut und fahre gemütlich hinterher. Nachdem der augenscheinlich nachtblinde Kamerad vor mir seine Guzz-Guzz-California im ersten Kehrtunnel fast gegen die Wand gesetzt hätte vergrößere ich den Abstand weiter.... Vielleicht lag es auch einfach nur an seiner extrem coolen nachtschwarzen Sonnenbrille
Ein kurzer Exkurs in die Geschichte: wie viele Straßen in der Gegend „verdankt“ auch die abenteuerliche Straße über den Passo di San Boldo ihre Entstehung den Kämpfen im WK1. Die Trasse wurde als Nachschubweg für die Piave-Front in – für heutige Straßenbauprojekte – unglaublichen 100 Tagen als dem Boden bzw. in die Felsen gestampft.
Wer es noch ausführlicher haben möchte, der kann es u. A. hier nachlesen:
http://herbert-thiess.de/SantUbaldo/
Aber bevor ich mir bzw. uns Kriegsrecht und Zwangsarbeit zurückwünsche ärgere ich mich lieber über Dauerbaustellen und unendliche Genehmigungs- und Einspruchsverfahren im heutigen Straßenbau.
Oben angekommen halten wir gleich am Restaurant „Laris“ (
http://www.ristorantelaris.it/) und gönnen uns einen sehr leckeren Teller gemischte hausgemachte Pasta. Dazu ein Gläschen Traubensaft, zwei Flaschen Minerale und zum Abschluss der Café Doppio.
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Das noch vor den Tunnels überholte Radl-Rudl hat es auch geschafft…
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Wieder unten im Piave Tal steigt das Thermometer wieder auf über 30 Grad, wir fahren mit der SP2 auf die deutlich kühlere Route entlang des Lago di Mis zum Canale di Mis. Alle Badeplätze am See sind belegt und wir bedauern unsere Badesachen im Hotel gelassen zu haben. Die anschließende enge Schlucht erinnert an Südfrankreich.
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Die Straße führt hinauf zum Colle Franche auf knapp 1000 Meter ü.d.M., hier ist es temperaturtechnisch wieder erträglich.
Nur dumm das nach jedem Pass ein Tal kommt bzw. in diesem Fall das heiße Städtchen Agordo. Immerhin bekommt dort der Kürbis die notwendig gewordene Portion frischen Sprit. Über die SP 347 mit dem kaum befahrenen Passo Duran

…
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setzt sich unsere Route fort zum Passo Cibiana

. Dort hat jemand viele Vögel (-häuser zum Verkauf)
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Es staut sich kurz am Scheitel mit vielen Ausflüglern, aber sicher kein Vergleich zu den Pässen der Sella-Runde. Viele zieht es zum Messner-Museum auf dem Monte Rite.
http://www.messner-mountain-museum.it/dolomites/museum/
Da war ich seinerzeit (vor über 20 Jahren) bevor es Herr Messner für seine Zwecke entdeckte und es noch "nur" eine aussichtsreiche alte Festungsruine war. Aber auch das fertige Museum ist durchaus einen Abstecher wert, nur darf man leider die Zufahrt erst recht nicht mehr selber bewältigen sondern muss entweder zu Fuß gehen oder einen kostenpflichtigen Shuttle-Bus benützen. Wir fahren weiter hinunter ins Valle d'Ampezzo.
Als wir wieder auf die S.S. 51 treffen muss ich an alle Warnungen vor den Sommermonaten in den Dolomiten denken. Denn ab sofort ist Kolonne

angesagt, und die zieht sich leider komplett durch bis wir hinter Cima Gogna in den leider nicht umfahrbaren öden Tunnel der S.S. 52 "Carnica" nach San Stefano abbiegen. Die alte Straße durch die Schlucht ist wie bereits erwähnt für Motorräder unüberwindbar verrammelt.
Wieder über den flüssig und weitestgehend verkehrsarm zu fahrenden Sattel von Sappada und flugs hinauf zu unserer neuen Unterkunft. 330km in knapp 7 Stunden lassen uns den Spritz doppelt genießen.
