Bevor es losgeht, der Hinweis, dass der Bericht etwas länger ausfällt, als vielleicht üblicherweise. Wen also Ansammlungen von Buchstaben zu sehr überfordern, der klicke einfach auf das Video und lasse sich forttragen...
Für alle andern, Viel Spaß beim Lesen!
Island in zwei Akten - Fünf Wochen blanker Wahnsinn auf der vielleicht schönsten Insel der Welt (Juni bis August, so ungefähr)
Vier Jahre elendes Warten hatten endlich ein Ende. Es ging wieder los in Richtung meiner Traumdestination Island. Ursprünglich für 2021 geplant, dann aber wegen Corona um ein Jahr verschoben, buchte ich bereits Anfang Dezember mein Ticket für die Fähre, um mit genug Vorfreude durch den tristen Winter zu kommen. Eine knappe Woche vor Abfahrt daheim war das Mopped gepackt und das Gepäck verzurrt.
Am 20. Juni sprang ich nach unruhiger Nacht und wenig Schlaf mit einem guten Frühstück aufs Bike, startete den Motor und zuckelte die 800km nach Hirtshals (Dänemark), von wo am nächsten Tag die Norröna starten würde. Bei gemischten Wetterverhältnissen erreichte ich gegen 18Uhr einen schnuckeligen Campground, nur wenige Kilometer vom Fähranleger entfernt. Zelt aufgebaut, Kocher angeworfen, noch etwas in den Magen befördert und nach einem Verdauungsspaziergang selig in den Schlafsack gekuschelt, nicht, ohne vorher zwei Alarme zu stellen. Man könnte ja die Fähre verschlafen! Ja, ne, is´ klar:-)
Es kam natürlich nicht so. Ich erwachte zeitig bei sonnigem, aber windigen Wetter. Mir gegenüber standen zwei Typen mit VW Bus und Dachzelt.

Ich kam mit ihnen ins Gespräch mit der Frage, ob denn das Dachzelt schon Sturmerprobt sei. Noch nicht, war die Antwort. Dem Gespräch folgte eine Einladung ihrerseits zu einem gemeinsamen Bierchen an Bord, um die zwei Tage Überfahrt totzuschlagen. Das klappte dann auch ganz gut für diesen und den darauffolgenden Tag.

Naja, dann wurde es zum Abend hin hinter den Färöern etwas stürmischer und nachts tat ich dann kaum noch ein Auge zu, weil es mich mehrmals fast aus der Koje haute. An Nahrungsaufnahme war auch nicht mehr zu denken. Es galt zu verhindern, die aufgenommene Nahrung wieder abzugeben. Das gelang dann auch ganz knapp, auch weil ich mich die letzten 2h nur noch an Deck aufhielt und dafür betete, dass die Fähre schnellstmöglich von der offenen See in den Fjord hineinfahre.

Was für eine Erlösung, endlich in ruhigen Gewässern zu verkehren. Seydisfjördur kam dann auch bald in Sicht und es ging aufs Fahrzeugdeck. Ich verabschiedete mich von Robert und Thomas. Wir vereinbarten, dass, wenn es möglich sei, wir uns einen Abend mal zum Essen auf einem der unzähligen Campingplätze Islands treffen würden. Die beiden hatten leider nur zwei Wochen zur Verfügung. Sehr bedauernswert:-)
Es ging recht zügig hinunter vom Schiff. Ich studierte kurz die Wetterkarte und entschied, auf der Ringstraße erstmal Richtung Reykjavik abzubiegen. Auf der Passstraße hoch Richtung Egilsstadir merkte ich dann recht schnell, dass es doch verdammt frisch ist, was die Temperaturen angeht. Im nächsten Ort erstmal an der Tanke einen Burger mit Fritten (oh, hatte ich die vermisst!) einverleibt,

dann mein Regenzeug drübergezogen, um dem arktischen Wind zu trotzen, und fortan entspannt auf der Ringstraße entlang getuckelt. Irgendwann schaltete ich die Griffheizung ein. Junge, Junge, so kalt hatte ich das Inselchen gar nicht mehr in Erinnerung! Es sollte sich später herausstellen, dass ich den kältesten Sommer seit 30 Jahren erwischen werde. Gut, dass ich das zu diesem Zeitpunkt nicht wusste

An diesem Tag fuhr ich 190km bis auf einen niedlichen Campground (Berunes) , etwa 25km vor Breidalsvik.

Da das Wetter auch weiterhin sehr stürmisch vorhergesagt war und ich einen Monat Zeit hatte, blieb ich hier vier Nächte und genoss die Ruhe und wunderschöne, sich ständig im Licht verändernde Natur der Gegend in vollen Zügen. Einen Tag lang lief ich mit Kamera und Stativ einfach durch die Gegend und fotografierte alles, was mir vor die Linse kam. Ich hatte fast vergessen, wie beeindruckend die hiesige Vogelwelt doch ist.



Mein Rastplatz füllte sich nur abends leicht mit Durchreisenden, die dann meist spätestens um neun wieder verschwunden waren. Ansonsten hatte ich ihn für mich allein.

An Tag drei, es stürmte immer noch ordentlich, wagte ich mich wieder auf die BMW. Leicht bepackt ging es an die Erkundung der Umgebung. Ich wurde in einem langgezogenen, nicht enden wollenden Tal fündig. Über die 964 ging es das erste Mal auf Schotter auf meist bequem befahrbaren Pisten zum Flögufoss, einem beeindruckenden Wasserfall, der oben durch ein Felsauge hinab in die Tiefe fällt. Dort traf ich auf Jaqueline und Marcel, ein supernettes Schweizer Pärchen mit geländegängigem Jeep.

Ein Jahr zuvor waren beide auf Motorrädern hier unterwegs und von ihnen bekam ich dann auch den Tip, dem Tal weiter zu folgen. Sie betreiben für Interessierte einen sehr schönen Reiseblog https://www.rtwheeled.com mit tollen Bildern und Infos.
Ich wurde nicht enttäuscht und befuhr im Folgenden einen der steilsten Pässe Islands, den Öxi, mit 17% Steigung. Erschwerend kam hinzu, dass das Wetter sich rapide verschlechterte und der Regen in Böen fast waagerecht von links immer wieder versuchte, mich umzuwerfen. Zweimal hätte ich fast gelegen. Oben am Gipfel hörte es auf zu stürmen und Nebel, oder auch Wolken, erschwerten mir die Sicht. Kurz noch eine Rettungshütte inspiziert. Oh, die scheint für mich zu sein.

Stefansbud steht dran. Heißt Stefans Hütte. Also meins:-)

Die steht hier bei den sich schnell ändernden Bedingungen nicht grundlos in der Gegend herum. Ich musste nicht hier nächtigen und fuhr auf der 966 langsam bergab Richtung 1. Es klarte recht schnell wieder auf und ich erreichte bei windigem Sonnenschein Berunes. Nachts stürmte es dann weiter.
Boaah, war das anstrengend. Nur 5h mit 80km Schotter und nochmal soviel Asphalt unterwegs und komplett im Eimer. Das konnte ja heiter werden:-(
Am nächsten Morgen fuhr ich nach Breidalsvik, um die Maschine zu betanken und zu Mittag zu essen. Unterwegs entdeckte ich am Wegesrand mehrere Rentierherden, die hier wild leben. Man konnte sich auf gut 100m heranschleichen und das Tele erledigte den Rest.

Nachmittags fuhr ich nochmal den Öxi, diesmal bei schönem Wetter ohne viel Wind. Weiter ging es bis zum Hagafjall, einem wunderschönen See, eingebettet in der bergigen Landschaft.

Zum Abend hin wurde es windstill, aber für den morgigen Tag war Regen angesagt. Da sich das hier für die folgenden Tage nicht ändern sollte, entschied ich mich, weiterzufahren. Es regnete morgens in Strömen, ich zog dicke Sachen und mein Regenzeug über, baute das Zelt ab und packte es in meinen Packsack. Die ersten 35km waren dann so kalt, dass ich nochmal im Restaurant in Breidalsvik einkehrte, mich zwei Stunden aufwärmte und Kohlenhydrate tankte. Als ich gerade aufbrechen wollte, gesellten sich drei Biker zu mir, die ziemlich durchnässt und verfroren schienen. Sie kamen aus der Richtung, die ich nehmen wollte. Keine guten Aussichten also:-( Aber egal. Mein Regenzeug tat, was es soll. Das war die Hauptsache. Weiter ging es. Kurzzeitig kam sogar mal die Sonne heraus. Aber meist regnete es. Nach 120km suchte ich mir einen recht eintönigen Campground (Myllulakur), baute mein nasses Zelt auf, trocknete den Innenbereich, so gut es ging, und packte Isomatte und Schlafsack hinein. Danach erstmal heiß duschen und schon ging es wieder. Etwas auf dem Kocher heiß gemacht

und bald darauf in die Falle. Bei dem Wetter ging hier in der Gegend sowieso nix, auch wenn ich kurz von weitem einen mächtigen Gletscher zu Gesicht bekam.
An Tag 6 packte ich im Nieselregen wieder mein Zelt zusammen. Nasser Sack war die treffende Beschreibung für das Päckchen. Langsam machte ich mir Gedanken, wie das weitergehen soll, wenn der Regen nicht bald mal aufhört, um meine Klamotten trocken zu bekommen:-(
Ich biss auf die Lippen und fuhr weiter. Es wurde zwischendurch mal trocken, aber Sachen wie die berühmte Gletscherlagune versanken in Regenschleiern und ich motivierte mich nicht mal, kurz von der Maschine zu steigen, geschweige denn, sie auszumachen. Unterwegs wärmte ich mich im Cafe Vatnajökull bei zwei Stück leckerem Kuchen und zwei Tassen Kaffee eine Stunde lang auf, tankte nochmal auf und fuhr dann weiter bis nach Vik. Mit Regen kam ich dort an und erkundigte mich auf dem Campground nach einer Hütte mit Heizung, um meine Klamotten und das Zelt mal zu trocknen. Es gab welche für umme 250€ die Nacht. Ich verkniff es mir, baute mein Zelt für 12€ die Nacht unter einem mit nervenden, nistenden Möven drappierten Vogelfelsen auf. Irgendwie ist so ein Zelt ja doch recht kuschelig, wenn die Tropfen aufs Zeltdach plattern:-) Und nach einer heißen Dusche sieht die Welt sowieso immer etwas optimistischer aus. Auf selber kochen hatte ich keine Lust. Also suchte ich im Ort nach etwas Essbarem. Ein kleines Thai-Restaurant war die Rettung. Gegen elf erwischte mich der Schlaf der Gerechten.
Am kommenden Morgen blinzelte helles Sonnenlicht seitlich durch meine Schlafmaske

(Kein Scherz! Wichtiges Utensil für Islandreisende während der Sommermonate! Bedenke! Die Sonne geht nicht wirklich unter.) und ich schwitzte das erste Mal in meinem 600gr Daunenschlafsack. Was ist denn nun los? Ist der Sommer endlich da? Ich raus aus dem Zelt, alle nassen Sachen im Gras und auf dem Zelt (das war bereits trocken) ausgebreitet und erstmal entspannt einen Tee gekocht. Keine 90min. Später war alles wie von Zauberhand trocken. Welch ein Segen. Noch ein Tag länger so nass und es wäre grenzwertig geworden.

Da ich alle Zeit der Welt hatte und sowieso ein paar Tage in der Gegend bleiben wollte, schnappte ich mir nach einem Kaffee, frisch beim School Beans Cafe geholt, einem ehemaligen amerikanischen Schoolbus, der auf dem Campground steht,

meine Fotoausrüstung und wanderte zum Black Beach, den ich vor vier Jahren nur mal kurz zu Gesicht bekam, als wir damals zwei Tage vor Ablegen der Fähre hier durchhetzten. Das Wetter war herrlich, der Strand wenig besucht und so genoss ich die Sonnenstrahlen in vollen Zügen.

Zu meiner Überraschung entdeckte ich in den Felsen knapp über dem Strand nicht wenige Puffins. Mein Herz machte einen Riesensatz! Die drolligen kleinen Viecher hatte ich vier Jahre zuvor nur aus größerer Distanz mal ganz kurz zu Gesicht bekommen. Hier saßen sie vielleicht 20m über mir in den grasbedeckten Felsen.

Es wurde nicht langweilig und so verbrachte ich etliche Stunden damit, sie zu beobachten und möglichst tolle Fotos zu machen. Leider kam ich nicht dicht genug heran und auch mit Sandaalen im Schnabel einen abzulichten klappte nicht so richtig. Aber hey, dazu hatte ich ja noch drei Wochen Zeit:-)
Nachts und am Morgen regnete es dann mal wieder, aber ab zehn war es trocken und der ständige Wind trocknete das Zelt recht schnell. Ich knipste nochmal drei Stunden lang bei der Puffin-Kolonie herum. Es waren deutlich mehr als am Vortag zu sehen.

Nachmittags dann in einem tollen Restaurant mit Blick auf den Strand sehr deliziöse Fish & Chips verdrückt. Mann, da können sich die Engländer aber mal mehr als eine Scheibe von abschneiden.

Gegen 19Uhr setzte wieder starker Regen ein. Ich verdrückte mich in mein Zelt, begutachtete die Bilder des Tages auf meinem Laptop und machte ein Backup auf der mitgeführten externen Festplatte.
Am nächsten Tag, mittlerweile acht Tage vorüber, packte ich meine sieben Sachen bei bestem Wetter zusammen und fuhr, mit einem Abstecher über den Reynisfjara Black Sand Beach mit Lavahöhle, zum Anleger der Fähren hinüber auf die Vestmanna Inseln.

Die Überfahrt dauerte knapp 40min. Und das Wetter war traumhaft gut, mal abgesehen von den weiterhin recht niedrigen Temperaturen. Aber dagegen kann man ja mehr anziehen:-)
Drüben einen Campingplatz gefunden, der aber recht seltsam anmutete und einem Stellplatz für Einheimische ähnelte. Egal. Ich fuhr etwas herum und entdeckte spektakuläre Landschaften!


Das Highlight neben einer fischenden Robbe war dann eine riesige Puffin-Kolonie, die größte Islands, wie ich später erfuhr. Und man kam mit etwas Geduld recht nah an die witzigen kleinen Viecher heran. Für den kommenden Tag, vorausgesetzt das Wetter hielt, war der Plan glasklar, denn viele Straßen zum Befahren gibt es auf der Hauptinsel nicht.
Abends entdeckte ich dann den richtigen Zeltplatz in einer unfassbar geilen Lage!!! Das ganze Gelände ist in einen scheinbar ehemaligen, halb offenen Vulkankraterkegel eingebettet.

Zumindest sieht es so aus. Direkt daneben befindet sich ein gut besuchter Golfplatz. Für einen Golfer muss das der Golferhimmel sein:-)
Naja, heut nochmal umziehen war Quatsch. Ich hatte die Zeche für die Nacht auch bereits bezahlt. Also entschied ich mich, gleich am nächsten Morgen den Platz zu wechseln. War dann auch besser so. Abends wurde es hier ziemlich laut, da die Nachbarn eine Party starteten. Hey, und ich habe einen Sonnenbrand bekommen!
Nachdem alles umgeladen, aufgebaut und verstaut war, ging es mit leichtem Gepäck über die wenigen Straßen zu den beiden ehemalige Vulkanen nahe der Stadt.
Im Jahre 1973 erschütterte der Ausbruch des Eldfell die Insel Heimaey. Glücklicherweise befand sich die gesamte Fischereiflotte wegen eines vorangegangenen Sturmes im Hafen, sodass die Bevölkerung innerhalb weniger Stunden evakuiert werden konnte. Niemand kam zu Schaden. In den folgenden Monaten kämpften zurückgebliebene Helfer um die Stadt. Etwa 100 Gebäude fraß die Lava und große Teile des Ortes wurden teilweise bis zu 8m unter herabfallender Asche begraben. Ein Großteil der Gebäude wurde in den folgenden Monaten nach Beendigung des Ausbruchs von vielen Helfern wieder ausgegraben und der zum Hafen fließende Lavastrom mithilfe von Wasserkanonen zum Stillstand gebracht, bevor er ihn komplett verschließen konnte. Das wäre das Aus für die Flotte gewesen, da Heimaey nur über diesen windgeschützten Bereich verfügt. Die Lavareste und viele neu entstandene Teile der Insel sind auch heut noch zu bestaunen und man hat das Gefühl, es sei erst wenige Jahre her.
Mehr Infos findet ihr hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Heimaey
Gegen 16Uhr machte ich mich auf den Weg Richtung Puffin-Kolonie, denn die drolligen Meisterflieger und Fischer kommen gegen Abend zurück, um ihren üppigen Fang stolz dem Nachwuchs zu präsentieren.
Ich hatte mich trotz blauem, wolkenfreien Himmel dick eingepackt und die Motorradjacke und dicke Wollsturmhaube blieben auch beim Fotografieren und Ausharren an, denn der Wind setzte mir hier am Hang mächtig zu.

Aber es lohnte sich absolut, was die Bilder und Szenen anging.


Nach drei Stunden hatte mich der Wind dann mürbe gemacht. Kurz vor einer Unterkühlung schwang ich mich auf mein Gefährt und fuhr hinunter in die Stadt, um etwas Essbares zu finden und mich aufzuwärmen. In einem unscheinbaren Laden genoss ich dann die besten Fish & Chips ever!!!
Über Nacht pfiff der Wind mörderisch durch den Campingkessel, sodass ich immer wieder davon wach wurde. Leicht gerädert ging es am darauffolgenden Tag per Fähre zurück auf die Hauptinsel. Diese lag fast geheimnisvoll in leichten Nebel gehüllt vor mir.
Zurück auf dem Festland (hmm, ist doch auch eine Insel?!) treffe ich am Plane Wreck Parkplatz auf Robert und Thomas, mit denen ich in den verstrichenen Tagen immer in regem Austausch stand. Wir verabreden uns für den Abend in Vik. Robert will uns sein Spezialrezept, Schichtfleisch in Dutch Overall, präsentieren.



Es wird dann ein sehr gemütlicher, wenn auch windiger, Abend, weil fast die Markise wegfliegt. Und am nächsten Morgen bekomme ich auch noch ein tolles Frühstück obendrauf.

Mir fällt es immer schwerer, mich von den Beiden zu verabschieden, aber leider müssen sie nun weiter, da ihre Fähre in zwei Tagen Island verlässt. Aber wir bleiben in Verbindung und werden uns sicher wieder über den Weg laufen! Ich hab leider auch nur noch 17 Tage:-)
Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht...
Bevor wir Lebewohl sagen, statte ich der Lögreglan noch schnell zusammen mit Thomas einen Besuch ab.

Thomas´ Schwiegervater war Beamter und sammelt Polizei-Patches aus aller Herren Länder. Wir machen einen Deal und Thomas verabschiedet sich mit einem breiten Grinsen von seinem Aushilfs-Dolmetscher.
Ich nutze das gute Wetter und fahre 130km weiter bis zum geschichtsträchtigen Pingvellir, dem Ort, an welchem die erste Verfassung eines europäischen Landes entstand und ausgerufen wurde. Toller Ort mit nice ´em Campingplatz.

Leider attackierten mich immer, wenn der Wind nachließ, sofort Dutzende von Kriebelmücken, die zwar nicht stechen, aber rigoros versuchen, in Mund, Nase, Ohren oder Augen zu gelangen. Da hilft nur die Flucht ins Zelt oder ein Moskitonetz, welches es häufig an Tankstellen zu kaufen gibt.
Die Silfra-Spalte besuche ich an diesem Tag auch. Die spaltenförmige, kilometerlange Verwerfung entstand durch das Auseinanderdriften der Nordamerikanischen und der Eurasischen Kontinentalplatte. Sie steht voll Wasser, welches vom Schmelzwasser des 50km entfernt gelegenen Langjökull gespeist wird. Das Wasser ist extrem klar und zieht über das ganze Jahr Taucher aus aller Welt an, um einmal im Leben zwischen zwei Kontinentalplatten zu tauchen. Jährlich driften die Platten um 5cm auseinander.

Am nächsten Morgen begleiche ich noch meine Schulden der letzten Nacht und verdrücke einen Muffin, bevor es mich nach Mosfellsbær zieht, wo ich als Fan handgemachter Messer den einzigen Messerschmied Islands aufsuche. Palli Kristiansson führt ein kleines Geschäft in einem der angrenzenden Vororte Reykjaviks. Seine Messer sind jedes für sich ein Kunstwerk aus Materialien, die nur auf der Insel zu finden sind. Und dementsprechend ist jedes ein Einzelstück. Das hat natürlich auch seinen Preis.
Hier gibt es mehr Infos zu ihm und seiner Frau, die hochwertige Küchenmesser herstellt: https://knifemaker.is/about-us/




Ich entdecke nach längerer Suche ein kleines Neck Knive (hängt man sich um den Hals) und verliebe mich sofort darin. Der Griff besteht aus einem Walzahn. Es soll mein Talisman auf zukünftigen Reisen werden.

Nach einem Plausch verlasse ich gut zwei Stunden später die kleine Werkstatt und bewege mich langsam auf die Halbinsel Snaefellsnes zu. Die Landschaft verändert sich stetig. Vorbei an erkalteten Lavaströmen

und erloschenen Vulkanen

sehe ich irgendwann schon von weitem den erloschenen Snaefellsjökull.

Mit 1446m Höhe überragt er schneebedeckt die um ihn liegende Landschaft. Auf einer kleinen Küstenstraße umkurve ich ihn und finde im beschaulischen kleinen Örtchen Hellissandur einen fantastischen Campground inmitten eines Lavafeldes. Hier gibt es viele kleine Nischen, in denen man ungestört von anderen Campern sein Zelt aufbauen kann. Gleichzeitig bieten die Plätze guten Schutz gegen einfallende Winde.
Hellissandur hat für seine Größe erstaunlich viel zu bieten! Der Ort bezeichnet sich selbst als Islands Streetart Hauptstadt und das nicht unbegründet.


Wer sich etwas Zeit nimmt, findet bald beeindruckende Grafittikunstwerke an alten Gebäuden. Daneben kann ich auch jedem den Besuch des Fischereimuseums nahe des Campingplatzes empfehlen! Im Innern findet sich eine liebevoll zusammengestellte Sammlung alter Utensilien, mit denen die Bewohner des Ortes in früheren Zeiten auf Nahrungssuche gingen und mit denen sie sich auch gegen die Naturgewalten zu schützen versuchten. Auf dem Gelände steht auch eine sogenannte Torfhütte aus früheren Zeiten, die begehbar ist und ebenfalls mit interessanten alten Dingen ausgestattet ist, die zeigen, wie Isländer damals den Widrigkeiten der Insel trotzten. Sehr interessant anzuschauen.

Fährt man aus dem Ort Richtung Olafsvik, so kann es sein, dass dort Warnschilder für Autofahrer aufgestellt sind, denn dort brüten im Sommer entlang der Straße Seeschwalben. Und das ist wirklich sehenswert. Allerdings sollte man sich vor den aggressiven Eltern in Acht nehmen! Geht man zu dicht an den Nachwuchs heran, kommt es zu Attacken gegen den höchsten Punkt des Körpers. Also dem Kopf. Am besten Schirm oder Stock über dem Kopf bewegen, dann kann man sie sich einigermaßen vom Leibe halten.
Am nächsten Tag fahre ich weiter nach Olafsvik, wo ich in der Bucht vor dem Ort eine Gruppe Wale entdecke. Ich beobachte sie ein Weilchen und düse dann weiter Richtung Westfjorde. Unterwegs komme ich zufällig am Shark-Museum vorbei.

Ein guter Freund hatte mir davon erzählt. Vielleicht hat ja der oder andere schon was von der isländischen Spezialität Harkarl (Gammelhai) gehört. Der fermentierte Hai wird nur hier hergestellt. Zudem kann man sich im Museum mit kleiner Filmvorführung einen Eindruck von der Fermentierung machen. Kleine Anmerkung für Haifreunde wie mich: Die verarbeiteten Haie sind ausschließlich Tiere, die versehentlich in Fischereinetze gerieten.



Das Museum hat auch ein Restaurant. Ich empfehle den Burger. Hammer!!!

Überhaupt muss ich mal anmerken, dass es kein Land gibt, in dem so qualitativ hochwertige Burger, Pizzen oder Fish & Chips zu bekommen sind! Alles stets frisch serviert.
Etwa 2h später, es nieselt mal wieder, breche ich auf und rolle langsam weiter durch die unbeschreiblich schöne Vulkanlandschaft. Ziel für den heutigen Tag soll Holmavik sein. Ich verfahre mich aber und lande auf einer abenteuerlichen Schotterpiste, die streckenweise gerade ausgebessert wird.

Dementsprechend weich ist stellenweise der Untergrund. Auf genannter 643 (jemand hat das F vergessen) kämpfe ich mich immer später werdend am Ufer entlang.

Zweifelsohne eine beeindruckende Kulisse, jedoch mache ich mir langsam Gedanken, wo ich diese Nacht mein Zelt aufschlage:-(
Nach schier endlosem Gefahre komme ich endlich in ein kleines Örtchen namens Djupavik. Mittlerweile ist es 22Uhr. Ich frage einen Isländer, der mit seinen zwei kleinen Kindern gerade auf einem Quad vorbei kommt, ob es hier einen Campground gäbe. Er lacht kurz und meint, er zeige mir einen guten Platz. Ich folge ihm einen steilen Weg hinauf auf eine Wiese nahe eines beeindruckenden Wasserfalls, des Djupavikurfoss, und bedanke mich für die Hilfe. Wild campen auf Island? Ja wo gibt’s das denn noch? Genau hier:-) Ich baue mein Zelt auf, hole mir etwas Wasser aus einem Bach und koche mir ein Fertiggericht. Danach falle ich beseelt in einen tiefen, friedlichen Schlaf.

Am nächsten Morgen packe ich meinen Kram ein und folge der 643 weiter der Küste entlang bis nach Gjögur,

entschließe mich dann aber nach dem Studieren meiner Karte und dem Wetterbericht, umzukehren. Es sind für den Abend Sturm und Regen angesagt und das soll ein paar Tage so bleiben. Ich benötige mehrere Stunden, um zurück auf eine Asphaltstraße zu gelangen. Mittlerweile hat es stark zu stürmen begonnen. Regen darf da natürlich auch nicht fehlen. Ich fahre bis Holmavik und suche dann schleunigst den Campingplatz auf, weil es mich kurz vor dem Ort mehrfach fast auf die Seite legt. Viel zu gefährlich, bei diesen Bedingungen weiterzufahren! Ich errichte mein Zelt, spanne es doppelt gegen den Sturm ab und stelle auf der windankommenden Seite noch das Motorrad davor. Sinnlos, da der Wind immer wieder die Richtung ändert. Na egal. Mit meinem sturmerprobten Zelt mache ich mir da sowieso recht wenig Gedanken:-)
Ich suche nach einer Dusche, finde aber keine. Schon wieder keine Dusche? Langsam wird’s gefährlich! Für meine Nase.
Am folgenden Tag, wir schreiben Tag 16, ist es zwar immer noch recht windig, der Regen hat sich bis auf etwas Niesel aber fast verzogen. Ich entscheide mich, zurück nach Hellissandur zu fahren. Das vorhergesagte gute Wetter tritt auch ein. Die Sonne kommt raus. Ich baue das Zelt an meinem angestammten Platz auf und steige gleich wieder aufs Bike, um das schöne Wetter zu nutzen. Bei Olafsvik entdecke ich eine Schotterpiste, die F570. Ich folge ihr den Berg hinauf Richtung Gipfel des Snaefellsjökull.

An einigen Steigungen hab ich gut zu tun. Loses Gestein fliegt nach hinten weg, aber die Stollen finden immer rechtzeitig etwas zum Zupacken. Die Gegend wird immer skurriler und raubt mir nicht nur wegen der Anstrengungen, das Bike zu halten, den Atem. Der Himmel ist mittlerweile wolkenlos und die Sonne strahlt in ihren hellsten Farben. Ich folge der Piste bis kurz vor Beginn des schneebedeckten Gletschers, der den Gipfel auf einer Gesamtfläche von gut 10 Quadratkilometern bedeckt und bin allein. Was für eine unglaubliche Kulisse!


Oben über der Spitze hängt eine kleine Wolke.


Nach einer Genießerweile wende ich und fahre ein Stück bergab bis zu einem Abzweig. Dort beginnt die F575 und führt über 20km zurück nach Hellissandur. Klar will ich die Piste fahren. Wozu bin ich denn sonst hier! Nach 1km ist aber schon Schluss mit der Herrlichkeit.

Ein langes Schneebrett liegt über dem Weg und die Spuren zeigen, dass mehrere Fahrzeuge bereits erfolglos versuchten, hier durchzukommen. Auf zwei Rädern sowieso unmöglich. Normalerweise würde das hier um die Jahreszeit nicht liegen, aber wie Eingangs schon erzählt, erwischte ich leider den kältesten Sommer seit...

Am nächsten Tag will ich nochmal hoch zum Gipfel, um noch ein paar Aufnahmen für mein Video zu machen. Leider regnet es. Ich hoffe, dass es oben vielleicht besser wird?? Weit gefehlt! Sturmböen werfen mich mehrmals fast um und ich breche am Abzweig zur F575 ab. Zu heftig. Kaum zu glauben, wie entspannt das hier gestern noch gewesen ist. Mit Hängen und Würgen erreiche ich mein Zelt, ziehe mich um und besuche das Fischereimuseum. Da scheint gerade irgendwas los zu sein. Vor dem Gebäude stehen viele kleine alte Traktoren in bestem Zustand. Scheint ein Treffen der Oldtimertraktorliebhaber Islands zu sein. Keine Ahnung. Abends dann noch einen Regenbogen gesehen.

Nachts regnet es wieder, aber ab acht kommt die Sonne langsam raus. Ich erwache, klettere aus meinem Zelt und werde von einem weiteren Regenbogen direkt hinter meinem Zelt überrascht.

Er bleibt dort gut zwei Stunden. Überhaupt! Was Regenbögen angeht, hat Island mich echt umgehauen! Ich habe Regenbögen über Lavafeldern gesehen und vor Wasserfällen. Der Abgefahrenste aber war ein auf einem See liegender Regenbogen. So, als hätte jemand die Wasseroberfläche bemalt. Total absurd

Ich breche auf und will ins Hochland nach Hveravellir. Irgendwann bin ich wieder auf der 1 und folge ihr bis Blönduos. Hier beginnt die berühmte F35, welche sich von Norden nach Süden quer durch die Insel schneidet und seine Befahrer vorbei an riesigen Gletschern führt.

Es ist schon recht spät und ich zweifle etwas daran, heut noch anzukommen, da mir die Piste aus der Vergangenheit recht anstrengend in Erinnerung geblieben ist. Aber anscheinend wurde der Weg ausgebaut. Stellenweise fast wie auf Asphalt jage ich durch die stetig flache Gegend. Das Wetter bleibt meist trocken und ich erreiche gegen 19Uhr den Campground mit Hotpot im Geothermalgebiet. Nur die letzten 5-6km sind recht anstrengend mit viel losem Schotter und einer kleinen Furt. Zelt aufgebaut und rein in den Hotpot.

Am folgenden Morgen scheint früh die Sonne. Ich gehe nochmal in den Pool und bin nach zwei Minuten komplett allein. Der ist normalerweise häufig recht stark frequentiert. Ein Hochgenuss! Den Rest des Tages wandere ich durch die Gegend im Lavafeld mit krassen, aufgebrochenen Erdkrusten und dampfenden Stellen, aus denen heißer Dampf emporsteigt.



Im Restaurant genieße ich Kartoffelgratin und Apple Pie. Delicious! Nachmittags treffen zwei Italiener auf Vespa Rollern ein. Verrückt:-)
Gegen Abend setzt starker Wind ein und es beginnt zu regnen. Das setzt sich die ganze Nacht fort. Etwa 100m von mir ist eine Art Zeltdorf aufgebaut. Mehrere Zelte brechen in sich zusammen und die Anwesenden sind gut zwei Stunden beschäftigt, die Zelte wieder aufzubauen bzw. defekte Gestänge zu fixen.
Ich erfahre, dass die Piste zum naheliegenden Gletscher noch immer unbefahrbar sei. Schade:-(
An Tag 20 regnet und stürmt es weiter bis zum Mittag. Dann wird es trockener und die Sonne blickt kurz mal durch. Viele Ankommende sehen sehr verfroren aus.
Ich verbringe viel Zeit im Café bei Kaffee, Tee und Apple Pie. Unbedingt mal probieren! Ich könnt mich reinlegen! Sieht zwar aus wie ein feuchtes Stück Brot, aber absolut köstlich! Könnte schlimmer sein:-)

Abends will ich nochmal in den Hot Pot, wenn es etwas ruhiger geworden ist.
Einen Tag später, wir schreiben den letzten Tag der dritten Woche, wird das Wetter wie vorhergesagt besser und ich breche auf in Richtung Selfoss. Volker und Bernard, zwei Motorradreisende aus D und F, die ich am Vorabend im Hotpot kennengelernt hatte, fahren gleichzeitig los und so fahren wir ein Stück zusammen bis zum Abzweig nach Kerlingarfjöll. Dort verabschiede ich mich und fahre allein weiter. Der Campingplatz ein paar km weiter ist leider eine einzige Baustelle. Enttäuschung macht sich breit. Ich will gerade umdrehen, da kommt ein gewisser Jöran aus Neuss angefahren. Wir quatschen kurz, er meint, er versuche mal die weitere Strecke bergauf und so folge ich ihm. Und das lohnt sich dann ungemein! Wir kommen an ein riesiges Geothermalgebiet, dem eigentlichen Kerlingarfjöll. Der Blick zieht sich über unzählige Hügel, Berge und Hänge in unterschiedlichsten Farben und Formen und überall dampft es mal mehr und mal weniger. Unbeschreiblicher Anblick!

Fast zeitgleich packen wir eine Drohne aus. Hmm, noch so´n Verrückter.
Zurück fahren wir gemeinsam bis kurz vor die F35 und filmen uns gegenseitig ab, um das Material später untereinander tauschen zu können. Feiner Kerl

Dann geht’s allein weiter. Ich halte an einem Café mit Blick auf den riesigen Langjökull Gletscher und genieße ein paar Stück Kuchen nebst Kaffee.


Einige Kilometer weiter biege ich ab auf eine Piste nach rechts an den Gletscher und treffe einen weiteren Deutschen, Peter, auf zwei Rädern. Die Station ist verlassen, da anscheinend ein Sturm hier schwere Schäden verursacht hat. Ein Großteil der Fensterfassade ist eingedrückt.

Da möchte man nicht dabei gewesen sein:-( Ich fliege etwas mit der Drohne über dem Gletscher


und fahre dann zurück zur 35. Es ist kalt geworden. Weiter geht es mit Abstecher an den Gullfoss. Genau in dem Moment bildet sich ein Regenbogen über dem Wasserfall. Toll. Das Thema hatten wir ja gerade erst. Weiter zum Geysir Strokkur.

Zwei Eruptionen später bin ich schon wieder unterwegs und fahre bis Vik. Gegen halb neun abends komme ich an, baue das Zelt auf und gehe noch für einen Burger in den


Das erste richtige Essen heute. Langsam merke ich, dass die Zeit mir im Nacken hängt. Es geht auf das Ende meiner Reise zu. Aber noch liegt eine Woche mit vielen Abenteuern vor mir.