Alaska - The last frontier (Teil 1)

Reiseberichte aus Nord, Mittel und Südamerika
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Orifahrer
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Alaska - The last frontier (Teil 1)

#1 Ungelesener Beitrag von Orifahrer »

Ich bin diese Woche krank geschrieben (massive Rüsselpest). Zeit, auf dem Sofa eine weitere Reise Revue passieren zu lassen. Der Winter ist ja prädestiniert für sowas. Trübes Wetter. Moped fahren ist (für uns) nicht. Winter Blues. Beamen wir uns also zurück ins Jahr 1995 und starten das Kopfkino...

Nach unseren ersten beiden Wohnmobilurlauben nach Neuseeland und in die USA hatten wir Blut geleckt. Wollten mehr – mehr von der Welt da draussen sehen. Nach 14 Jahren 'wilder Ehe' hatten wir beschlossen zu heiraten. Die Hochzeitsreise sollte etwas ganz besonderes werden. Wurde sie auch. Nicht ganz so, wie wir es geplant hatten – aber das wussten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht.

Die Tour begann wie geplant. Nach schlechten Erfahrungen mit Flughafenzubringerdiensten hatten wir meinen Vater gebeten, uns nach Hannover zu bringen. Wir sassen pünktlich im Flieger, nur ging es nicht los. Irgendein technisches Problem. Alle Mann wieder raus. Warten. Nach eine gefühlten Ewigkeit dann Entwarnung, Problem war gelöst. Alle Mann wieder rein, Abflug. Und was wird aus dem Anschlussflug in Amsterdam? Im Tiefflug durch den Airport, den Flieger nach Vancouver auf den letzten Drücker noch gekriegt. Ob unser Gepäck... ? Nö, wir standen in Vancouver ohne Koffer da. Zwei Übernachtungen, Sightseeing, dann ging es wie geplant weiter in den hohen Norden. Kurz vorm Abflug nach Whitehorse konnten wir zum Glück unser Gepäck in Empfang nehmen und gleich wieder aufgeben. War's das jetzt und alles wird gut? Immerhin hatten wir in Whitehorse unser Gepäck. Aber wo war denn den Transferfahrer zur Mietwagenstation? Angerufen, oops, wir kommen gleich. In der Vermietstation dann der Schock: Nein eine Buchung für uns (wir hatten für die Hochzeitsreise ein geräumiges Motorhome gemietet) lag nicht vor. Und weil grade Saison war, stand natürlich auch kein Fahrzeug auf dem Hof. Also wurden wir erstmal in der Honeymoonsuite (wie passend) des örtlichen Hotels untergebracht und die Telefondrähte nach Deutschland wurden zum Glühen gebracht (Internet, Email etc. gab es damals ja noch nicht). Am nächsten Tag war dann klar, dass unsere Buchung verklüngelt worden war (die Vermietfirma war inzwischen von einer anderen Firma übernommen worden) und man konnte uns zumindest einen anderen Wagen anbieten: einen Ford F-250, Truck and Camper, 4x4. 4X4? Hmmm. Das eröffnete ja ganz neue Möglichkeiten...
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Auf dem Weg zum Chilkoot Trailhead
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Gold Rush Cemetery, Skagway
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Zunächst ging es aber Richtung Süden: Skagway. Wieder eines dieser Bilder, die man im Kopf hat. Die 'golden Stairs'. Zur Zeit des Goldrausches am Klondike war der Chilkoot Pass quasi der einzige Weg und das Fussvolk musste jedes Kilo per Pedes hier rauf schleppen. Wer nicht mehr konnte, blieb liegen. Unvorstellbar. Die Eisenbahn (White Pass & Yukon Route Railroad) wurde erst viel später gebaut. Als alter Eisenbahnfan musste ich da natürlich mitfahren.
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White Pass & Yukon Route Railroad
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Das nächste Ziel war Dawson City. Alleine der Name klingt schon nach Abenteuer. Sightseeing, Show in 'Diamond Tooth Gertie's'. Nett gemacht. Wir stehen mit unseren Camper auf dem Campground und erleben eine Begegnung der dritten Art: Ein Rotel aus Deutschland kommt an. 25 Leute in einem Bus, übernachtet wird in winzigen Schlafkabinen. Auf dem Campground stehen auch amerikanische A-Type Motorhomes. Format großer Reisebus, ausfahrbare Seitenwände, aller Luxus – für 2 Personen. Kulturschock. Oh my god...
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Diamond Tooth Gerties
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Dawson und das ganze Gebiet drumherum gleicht einer Mondlandschaft. Alles wurde hier mehrfach durchgesiebt. Zunächst von den Diggern, später von den Dredges. Das sind riesige Schwimmbagger, die auf eigens für sie angelegten Stauseen gebaggert und automatisch das Gold herausgewaschen haben. Dregde #4 konnten wir besichtigen.
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Dredge #4
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Orifahrer
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Alaska - The last frontier (Teil 2)

#2 Ungelesener Beitrag von Orifahrer »

Nicht weit von Dawson beginnt der Dempster Highway. Mit dem ursprünglich gebuchten Motorhome wäre das nicht machbar gewesen. Aber wir haben ja jetzt einen Truck. Mit 4x4. Da geht doch was. Also nicht lange zögern und rein in unsere bis heute längste 'unpaved road'. 750Km, one way, Sackgasse. Quasi Hamburg – München und zurück ohne Asphalt. Wir brauchen hin und zurück vier Tage. Übernachten unterwegs am Campground 'Rock Creek'. Der Bulldozer hat hier eine einfache Schleife durch den Wald geschoben – fertig ist der Campground. Wir sind völlig alleine hier, vermutlich auf hunderte Kilometer keine Menschenseele. Die hinteren Fenster des Camper sind verdreckt vom Dempster Mud, wir können morgens also nur vorsichtig die Tür des Campers öffnen und nach Bären Ausschau halten – eine Verbindung zum Führerhaus haben die Truck and Camper nicht.
Wer sowas für verrückt hält: wir haben kurz vor Inuvik Fahrradfahrer überholt. Die müssen unterwegs mehr als einmal zelten...
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Dempster Highway
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Rock Creek Campground
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Leichter Schneefall hatte die Berge über Nacht gezuckert
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Das nächste Ziel war der Denali Nationalpark. Der Weg dahin war der Denali Highway. Die Jagdsaison stand an und die Jäger erwarteten eine große Kariboo Herde, welche den Highway überqueren würde. Jede Menge Pickups, Quads etc. am Straßenrand. Martialisch aussehende Jäger mit jeder Menge Waffen. Für uns nicht nur befremdlich, sondern auch etwas angsteinflößend.

Als wir im Denali ankommen, schneit es. Wir unternehmen einen Ranger-guided Walk. Auf der Busfahrt dahin sehen wir mehrere Grizzlies, einer kreuzt direkt vor dem Bus die Strasse. Es gelingen tolle Fotos aus dem Bus heraus, aussteigen ist natürlich nicht. Die Bären sind wegen des nahenden Winters im Fressfieber. Kalorien-Rotalarm!
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"A very cooperative bear", sagte der Ranger
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Wintereinbruch im Denali NP
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Orifahrer
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Alaska - The last frontier (Teil 3)

#3 Ungelesener Beitrag von Orifahrer »

Vorbei an Anchorage sind wir weiter nach Seward gefahren. Seit Tagen war das Wetter saumässig. Auch kurze Wanderungen endeten mit klatschnassen Klamotten. Wir haben bei dem Wetter eine Whale Watching Tour unternommen. Wale haben wir keine gesehen, aber Orcas. Normalerweise macht mir das Geschaukel auf Schiffen nichts aus, aber auf der Tour fehlte nicht mehr viel und ich hätte die Fische gefüttert...
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Orcas
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Da wir wegen des Sauwetters eh nichts mehr unternehmen konnten, haben wir die Fähre nach Valdez genommen. Das riesige Ölterminal lag gespenstisch im Nebel.
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Die Handseilbahn nach McCarthy
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In irgendeinem Buch hatte ich ein Foto von einer Handseilbahn über einen Fluss gesehen. Diese lag am Ende des Edgerton Highways (auch McCarthy Road genannt). Wieder eine Gravel Road, au ja! Der Edgerton Highway entpuppte sich als ehemalige Eisenbahntrasse. Die Trasse war für den Kupfererztransport angelegt worden. Schienen und Schwellen hatte man entfernt, aber nicht alle Nägel. Wir hatten diesmal Glück und konnten kein unfreiwilligen Andenken mitnehmen. Die Trasse an sich ist eben, weite Radien. Die riesigen, heute rund 100 Jahre alten Holzbrücken sind natürlich nicht mehr zu befahren. So ging es also vor jeder alten Brücke runter vom der Trasse, durch den Bach durch und auf der anderen Seite wieder rauf auf die Trasse. Spannend. Eher Unspannend war das 'Wellblech' (Auswaschungen der Piste). Hier galt es, genug Tempo aufzubauen, um das Gerappel halbwegs erträglich zu machen. Natürlich kam als nächstes wieder ein großes Schlagloch für das wir dann natürlich viel zu schnell waren. Heutzutage schließen viele Mietwagenfirmen diese Piste aus (was uns im Nachhinein nicht mehr wundert).
Die Handseilbahn stellte (neben dem Flugzeug) im Sommer die einzige Möglichkeit, nach McCarthy zu kommen. Viel interessanter als dieses verschlafene Nest war für uns aber Kennicott, die Reste der Kupfererzverabeitungsanlage. Nachdem der Holzbau lange Zeit vor sich hin gammelte, hatte man inzwischen begonnen, die Dächer zu flicken und den Verfall zumindest zu verzögern. Die Führung lohnte sich.
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Die McCarthy Road - eine ehemalige Bahntrasse...
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... deren Brücken langsam vor sich hin gammeln.
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Abends in McCarthy bestätigte sich dann wieder mein erprobtes Vorurteil: je weiter weg man von Italien ist, desto dicker sind die Pizzen. In USA sind die ja schon dick – aber hier erst! Wir haben eine in M und eine in S geordert. Eine alleine hätte locker für uns beide gereicht. Ich erinnere mich noch genau, wie der Käse in die Lücken floss, wenn wir ein Stück aus der Pizza entnahmen. Na ja, die hatten den letzten Tag der Saison und wohl noch etwas zu viel Käse übrig...
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Angler am Silver Lake
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Zurück ging es denselben Schotterweg und dann auf größeren Pisten zurück nach Whitehorse. Unser Honeymoon Trip war wirklich besonderes geworden. Nicht ganz nach Plan, aber wenn alles immer genau wie geplant eintritt, wäre es doch langweilig, oder?
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BITZER
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Re: Alaska - The last frontier (Teil 1)

#4 Ungelesener Beitrag von BITZER »

Hi Peter,

sehr schön, danke für's mitnehmen :L

Ingo
Ich bedenk‘, was ein jeder zu sagen hat und schweig fein still,
Ich setz mich auf mein achtel Lorbeerblatt, und mache was ICH will.
( Reinhard Mey )

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maxmoto
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Re: Alaska - The last frontier (Teil 1)

#5 Ungelesener Beitrag von maxmoto »

Orifahrer hat geschrieben:Ich bin diese Woche krank geschrieben (massive Rüsselpest).

Gute Besserung. Wenns nicht hilft, einfach mal nach Rüsselsheim fahren und die Rüsselpest dort lassen.

Nach 14 Jahren 'wilder Ehe' hatten wir beschlossen zu heiraten.

14 Jahre wilde Ehe hat schon was. Da lernt man sich kennen.
Ich kann's beurteilen, habe nach 25 jahren wilder Ehe geheiratet. :P

Servus Orifahrer,

Nun aber zu Deinem Reisebericht. Unheimlich authentisch geschrieben. :L
Bin quasi mitgefahren. War ein echtes Abenteuer. Nicht das Mitfahren, das war spannend, aber das was ihr erlebt habt.... nimmt Euch keiner mehr weg.
Auf jeden Fall bin ich ganz begeistert und freu mich schon auf die Fortsetzung.
max
maxmoto
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Ulrich
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Re: Alaska - The last frontier (Teil 1)

#6 Ungelesener Beitrag von Ulrich »

Hallo,
gute Besserung! Bielefeld kränkelt wohl etwas. Bin seit gestern auch platt und zuhause.

Aber zum Bericht.
Mir gefällt es, wenn ich sehe , was hier so geschrieben wird.
Man muss einfach mehr "raus aus der heimischen Hütte" . Jahre später hat man noch schöne Erinnerungen, wie Du sie hier eindrucksvoll in Bild und Schrift darlegst.

Danke dafür. Habe ich gern gelesen.
DLZG,
Ulrich :Ju:

“Das Leben kann nur rückwärts verstanden werden, aber es muss vorwärts gelebt werden “ Søeren Kiekegaard

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Stromer
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Re: Alaska - The last frontier (Teil 1)

#7 Ungelesener Beitrag von Stromer »

Schön geschrieben, danke.
Weil´s immer mehr Spaß macht

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jojo
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Re: Alaska - The last frontier (Teil 1)

#8 Ungelesener Beitrag von jojo »

Danke für den prima Bericht.
Gut geschrieben und die Fotos machen auch was her.

Ich glaube, da könnte es mir auch gefallen !
Alaska - nicht Bielefeld ;)

Grüssle
Jojo

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