Pfingst-Harz-Tour Tag 2

Nachricht
Autor
Benutzeravatar
JamboF
Beiträge: 202
Registriert: Mittwoch 15. Mai 2013, 07:52
Wohnort: Berlin

Pfingst-Harz-Tour Tag 2

#1 Ungelesener Beitrag von JamboF »

-Tag 2-

Der Morgen fängt gut an, die Sonne scheint durch das Fenster in mein Gesicht und weckt mich. Meine Frau schläft noch und ich will sie nicht wecken. Als ich das Fenster aufmache um den strahlenden Himmel und die Silhouette von Wernigerode zu bewundern, höre ich hinter mir ein leises »Guten Morgen Schatz«. »Hey, guten Morgen, ich hoffe du hast inzwischen warme Füsse?«

Zur Antwort bekomme ich nur ein langgezogenes wohliges Gähnen, als sie sich noch mal so richtig unter der Decke streckt und reckt. »Los komm, wir wollen frühstücken und dann auch los«, versuche ich sie zum verlassen des Bettes zu überreden. Noch ein bisschen! Ich muss lachen, sonst ist es immer umgekehrt, meine Frau ist normalerweise die erste die aufsteht und uns Jungs aus dem Bett schmeisst. Ich gönne ihr die paar Minuten und mache mich schon mal frisch.

Als ich aus dem Bad komme ist Edyta nun auch schon aktiv und kramt aus ihrer „kleinen“ Tasche nun doch eine ganze menge Cremes-Döschen raus die Frau so braucht, um sich zu revitalisieren. Ich beschließe runter zu gehen um schon einen Kaffee zu trinken und eine zu rauchen. Im Restaurant bzw. Frühstücksraum ist schon richtig was los. Die Erfurter sitzen schon beim Frühstück und grüßen. Ich suche unterdessen die Kaffeemaschine. Als ich sie nicht finde frage ich die ein bisschen überfordert wirkende Bedienung nach einem Pott Kaffee den ich mit in den Biergarten nehmen kann. Sie guckt mich an und reagiert so gar nicht. Also erkläre ich nochmals meinen Wunsch nach einem Pott heissen Kaffee. Jetzt kommt sie langsam und protestierend in Gang und verschwindet in die Küche. Also so etwas aber auch, was für ein ausgefallener Wunsch!? Fräulein Tausendschön kommt zurück und drückt mir das gewünschte in die Hand. Ich bedanke mich artig und gehe raus.

Bild

Die Sonne scheint und es wäre nach dem gestrigen Tag eine Schande nicht morgens die Sonne zu begrüßen. Das Wetter macht mir Mut und ich hoffe auf einen schönen Tag mit dem Moped und meiner Frau. Würde mich wundern wenn Mausi heute ins frieren kommt. Das Problem könnten heute eher die Massen an Menschen werden, die den Harz stürmen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit erscheint meine gut gelaunte und fantastisch gecremte Frau. Wir Frühstücken und versuchen aus der geringen Auswahl, noch das frischeste zu ergattern. Schade ich finde bei der Sauberkeit und beim Frühstück entscheidet sich wie gut ein Hotel ist. Für das Frühstück gibt es hier ein paar Punkte abgezogen.

Auf dem Rückweg ins Zimmer organisieren wir noch die Stiefel meiner Frau aus dem Trockenraum. Und die sind, wie zu erwarten, auch wieder trocken. Wir packen, satteln auf und verlassen das Hotel. Heute geht es schon zurück. War halt nur ein kurzer Ausflug. Nach kurzer telefonischer Nachfrage zu Hause hat Max geschworen das alles noch an seinem Platz steht. So werden wir solche gemeinsamen Ausflüge wohl wiederholen und dann auch mal verlängern.

Wir wollen heute über Schierke, Elend, Sorge und Braunlage den Harz erkunden, bevor wir uns auf die Rückfahrt machen. Diesmal ohne Autobahn. Der Plan ist gegen 20:00 Uhr wieder zu Hause einzulaufen. Mal sehen was der Tag bringt. Die Tour habe ich schon zuvor auf „MotoPlaner“ vorgeplant und auf mein TomTom runter geladen. Ich hoffe das, dass Navi sich heute nicht so anstellt. Wir verlassen Wernigerode über Hasserode, Richtung Schierke. Die Strassen die wir in Hasserode befahren weckt wieder Kindheitserinnerungen in mir. In der „Quergasse“ haben wir damals immer Quatier bezogen. Ein kurzer Seitenblick beim vorbeifahren zeigt mir das sich hier nichts verändert hat. Toll! Als wir Hasserode verlassen und hinauf Richtung Drei Annen Hohne fahren haben wir schon das erste Pack Biker vor uns. Die gelben Nummernschilder bekunden, das unsere Freunde aus den Niederlanden also aus Holland sind. Ich dachte das die sich eher in der Eifel und im Sauerland rum treiben. Aber gut, ist wohl Zufall. Der Fahrstile allerdings lässt Böses erahnen. Wenn das so weiter geht dann gute Nacht. Dazu kommt das sich auf der Strasse hinauf nach Drei Annen Hohne auch noch Fahrrad fahrende Ausdauersportler, Familien-Vans und Kleinwagen voller Silberpudel sammeln. Diese Mischung drückt die Höchstgeschwindigkeit auf zirka 25 km/h. Es wird dann irgendwie so nervend, das ich beschließe kurz rechts ranzufahren und eine größere Lücke abzuwarten. Sollte sich eine solche überhaupt ergeben.

Bild

Als wir so im Wald stehen und warten fällt auf, das ständig Motorräder vorbei ziehen. Das nimmt kein Ende. Eigentlich ist das genau das, was ich erwartet und befürchtet hatte. Gut eine Hälfte der Biker sind Holländer in Großrudeln. War also kein Zufall. Die Holländer erkennt man nicht nur an den gelben Nummernschildern, sondern auch daran das alle gelbe Warnwesten tragen. Alle! Ich weiß nicht ob das in den Niederlanden so sein muss oder ob die einfach nur auf die Farbe stehen. Auf jeden Fall nenne ich die ab jetzt nicht mehr „Oranjes“ sondern „Jelbes“. Nach einer Weile nähert sich weiter oben im Wald die „Harzquerbahn“. Laut tutend und schnaufend zieht sie ihre Bahn hinter den Bäumen. Da ich weiß, das vor Drei Annen Hohne die Strecke zweimal die Strasse kreuzt mache ich meine Helmkamera klar und dränge zum Aufbruch. Und wir haben es richtig abgepasst. Wir holen die „Tuh-Tuh-Bahn“ ein, als die neben der Bundestrasse wild dampfend und tutend bergauf schnauft. Toll so will ich das.

Bild

Bild

Bild

Ich bin total fasziniert und freue mich wie ein kleines Kind. Als ebbend ein solches habe ich damals Fahrten mit der Harzquerbahn immer draussen auf der Plattform stehend verbracht. Ich fand das toll. Die Geräusche, der Qalm, die Gerüche. Meiner Mutter war immer eine bisschen schlecht wegen dem Qualm, vor allem in den Tunneln. Hammer, das ist schon so lange her. Als nächstes steuern wir Schierke an. Zu Ostzeiten war hier schon Sperrgebiet. Hier stiegen immer nur einhundertprozentigen Harztouristen ab. Schließlich gab es hier ein Ferienheim des MfS und der NVA. “Ottonormal-DDR-Tourist” hatte hier nichts verloren. Die Harzquerbahn hielt auch erst wieder in Beneckenstein und ließ die Stationen in Elend und Sorge, so heißen die Orte wirklich, aus. Auf dem Weg nach Benneckenstein fuhr man dann durch das Grenzgebiet und konnte die Sperrzäune und Wachtürme sehen. Das war für mich, obwohl eine Ostberliner Kind, immer faszinierend. Gut, die Zeiten sind vorbei. Schierke ist heute der Ausgangspunkt für Wanderungen auf den Brocken. Als wir nach Schierke reinfahren entscheiden wir eine Flasche original „Schierker Feuerstein“ käuflich zu erwerben. Mein Navi führt mich allerdings nicht die Hauptstrasse entlang runter in den Ort, sondern nach oben auf den großen Parkplatz Richtung Brocken. Ich fluche und wende wieder. Die Autos stehen an wie bei einer Ikea-Eröffnung. Hier wollen wir schnell wieder weg. Also zurück Richtung „Ort Schierke“.

Wir erreichen eine Abbiegung die spitz rechts runter in den Ort führt. Ich muss die Vorfahrt gewähren, bremse und lasse die BMW rollen. Ich schaue nach links oben. Da kommt schon mal kein Auto. Alles was kommt will gerade hoch auf den großen Parkplatz. Gut ich löse die Bremse und will die Spitzkehre runter fahren. Im selben Moment bemerke ich ein Auto das von rechts kommt. Anstatt den Bogen, der sogar extra auf die Strasse gemalt worden ist, auszufahren schneidet es unsere Bahn. Ich muss bremsen, die BMW steht. Als ich den Fuss runternehme, um die Maschine abzufangen, trete ich ins Leere. Die Strassen ist einfach zu weit weg, da diese rechts runter führt und ziemlich steil ist. Kennt ihr das? Ihr wisst in dem Augenblick einfach was passieren wird. PENG wir liegen auf der rechten Seite.

Ich lande auf der rechten Schulter und drehe mich, das Bein noch unter der BMW, nach links um zu sehen wie meine Frau gelandet ist und wie es ihr geht. In mir hämmert es, “NEIN! NEIN! Bitte nicht! Bitte lass sie nicht ihr Bein unterm Moped haben!”. »SCHATZ, SCHATZ, EDYTA alles ok?« brülle ich.

Mann, ich kann euch sagen, Moped? Egal! Ich? Egal! Meiner Frau darf einfach nichts passiert sein. In dem Augenblick sind auch schon vier Hände da! Zwei Männer! Die sind einfach da. Einer betätigt den Not-Aus am Lenker, einer zieht am Heck die Maschine hoch, ist ums Moped rumgelaufen und zieht meine Frau zu sich auf die Beine. In nullkommanichts haben die meine Maschine aufgestellt. Ich liege immer noch auf dem Rücken und schaue meine Frau an, die inzwischen auf den Beinen steht. Der Typ der sie aufgehoben hat hält sie mit beiden Händen an den Schultern und versucht ihr mit gesengten Kopf in die Augen zu schauen. Sie versucht den Helm hoch zu klappen und dreht sich zu mir. Der Helm geht auf und sie befreit sich aus dem Griff des Mannes. Und sie lächelt! Sie hebt die Hände und winkt ab. »Alles ok!« »Nichts passiert! Ich bin ok!« Sie legt ihrem Helfer jetzt eine Hand auf die Schulter und sagt zu ihm: »Danke es ist alles in Ordnung, wirklich!« Sie guckt mich an und fragt: »Ist alles ok mit dir?« Ich liege immer noch auf dem Rücken. Ich mache eine kurze Selbstdiagnose und schaue an mir runter. Ne alles an seinem Platz. Alles da, nichts tut weh. Hatte ich zwar schon mal gedacht und dann beim stehen erst gemerkt das mein Fuss gebrochen war, aber dieses mal ist wirklich alles in Ordnung. Einer der Helfer hält mir die Hand hin und hilft mir hoch. Ich brummel noch beim aufstehen »Danke, alles gut.« Mir ist das ehrlich gesagt auch unendlich peinlich. Als ich stehe merke ich das der ganze Verkehr hoch zum Parkplatz steht und uns die Leute angucken. Ich bemerke sogar ein paar auf uns gerichtete Smartphones. Scheiße wie peinlich. Ich fahre seit dreizig Jahren Moped, aber das sind so die Momente in denen dir deine komplette Männlichkeit abhanden kommt. Ich nehme aber nichtsdestotrotz erstmal meine Frau in den Arm. Ich streichle ihr den Rücken drücke sie an mich – »Ist wirklich nichts passiert! Geht es dir gut? Es tut mir echt leid.« Ich drücke sie ein Stück weg und gucke runter auf ihre Beine. Sie bewegt wie zum Beweis erst das rechte und das linke Bein. »Lass uns hier mal weg. Wir stehen irgendwie beschissen hier!« sagt sie und zeigt auf die Autokolonne. Ich drehe mich zu unseren Helfern und bedanke mich für die Hilfe! »Echt Hammer!« Die winken ab. »Ist doch selbstverständlich!« So selbstverständlich finde ich das nicht! Echt vielen Dank, Vorbildlich Freunde! Das ganze hat vielleicht nicht mal zwei Minuten gedauert und ich versuche immer noch auf die Reihe zu bekommen was eigentlich gerade geschehen ist. Ich kann gar nicht den Blick von meiner Frau wenden und bin irgendwie so richtig durch den Wind. Meine Frau fragt mich – »Ist mit dem Moped alles in Ordnung, irgendwas kaputt?« Richtig das Moped. Ich untersuche die BMW. Der rechte Koffer ist aus der Verankerung gesprungen, der Kofferdeckel ist zerkratzt und eine bisschen eingedrückt, der Zylinderschutz hat ein paar Kratzer und der rechte Spiegel ist hochgedreht aber das Spiegelglas ist in Ordnung. Sonst ist nichts zu entdecken. »Ich hatte echt Schwein das die Koffer dran waren.« Ich gucke meine Frau an. »Ja ich denke auch, sonst hättest du dir richtig weh getan.« »Ich konnte mir sogar noch aussuchen auf welchen Protektor ich fallen möchte« – sie grinst. Es hupt und ich schaue auf. Ein Opa im silbernen Nissan Micra fühlt sich von uns gestört. Während ich noch versuche den losen Spiegel mit der Hand zu befestigen, fährt er an uns wild gestikulierend vorbei und seine Oma vom Beifahrersitz zeigt uns einen Vogel. Mann Freunde, kann doch nicht wahr sein. Ich winke ihm zu und lächle beide an, hebe den rechten Daumen. »Ja danke, nichts passiert, uns geht es gut!« Er winkt ab und fährt weiter.

Bild

Bild

Nach kurzer Orientierung fahre ich die BMW ein Stück weiter runter, auf den verlassenen Parkplatz vor ein verfallenes, wohl ehemaliges Ferienheim. Ich muss erst mal eine rauchen und mich beruhigen. Edyta ist völlig entspannt, »Hey beruhige dich, es ist alles in Ordnung.« Ich begutachte den Koffer. Es ist der rechte Variokoffer und damit der große. Er ist nur aus den beiden oberen Verankerungen gerutscht und der Schappverschluss ist verrutscht. Mit zwei Handgriffen ist das korrigiert. Der Deckel ist zerkratzt und an ein paar Stellen eingedrückt. Sonst ist alles im Lot. Jetzt weiß ich wenigstens auch, das die Variokoffer die bessere Wahl waren, als die Aluminiumkisten. Ich hatte schon mal einen Alukoffer gesehen nach einem ähnlichen Umfaller. Die Kiste war aufgeplatzt und die Halterungen waren abgerissen. Eine gute Argumentation sollte ich jemals wieder ein BMW-GS-Forum besuchen und mich an einer solchen immer wiederkehrenden Diskussion beteiligen wollen. Der Touratech-Zylinderschutz hat auch seinen Job getan und der Zylinder ist unbeschädigt. Lediglich hat der schwarze Schutz ein paar Kratzer, ebenso wie der Handschutz und der Spiegel. Dieser ist auch lose und muss erst einmal gerichtet werden damit wir weiterfahren können. Ich hole das Bordwerkzeug und den passenden Maulschlüssel raus, um das schnell zu erledigen. Während dessen schüttle ich wohl die ganze Zeit den Kopf. “Wie blöd von mir”, denke ich. Hättest du wissen müssen. Alleine fahrend hatte ich solche Situationen schon ein paar mal. Dann habe ich mich immer hingestellt und mit dem Popo und langsamen Rollen das Gewicht ausbalanciert. Wenn Not am Mann war habe ich das Moped dann Richtung bergauf gekippt und mich sicher hinstellen können. Dieses mal ging das irgendwie nicht. Ich habe mich überraschen lassen. Das passt nicht in mein Weltbild. Zumal mit Edyta hinten drauf, darf ich mich nicht überraschen lassen, schließlich habe ich die Verantwortung. Die habe ich zwar auch wenn ich alleine unterweGS bin, nur möchte ich meiner Frau nicht weh tun. Also echt das ganze hat mich völlig aus der Bahn geworfen. Das war zwar nur ein Umfaller und alles ist gut, es beschäftigt mich aber ungemein.

Das bemerkt auch meine Frau. Ihr sonst so geschwätziger Mann ist gerade ein stiller, Kopf schüttelnder Grübler. »Jetzt hör auf dir einen Kopf zu machen!« »Es ist alles in Ordnung, wie oft soll ich dir das noch sagen!?« Sie sucht Augenkontakt. »Und der Koffer bleibt auch so wie er ist! Wenn du den Deckel austauschst, werde ich sauer!« Sie wedelt drohend mit dem Finger. »Sei stolz, so ein Motorrad wie deines braucht ein paar Kampfspuren.« »Du sagst doch immer du willst kein so ein Lutscher sein, der sein Moped jede Woche putzt.« Ja irgendwie hat sie recht. Ich hasse nichts mehr als solche Möchtegern-GS-Fahrer die ständig ihr Maschine waschen und polieren. Und trotz allem Zubehör, das Touratech für die Wüstenfahrer und Abenteurer diese Welt anbietet und die an ihre Mopeds montiert haben, sie jemals mehr als eine 150 km Runde rund um Berlin geschafft haben. Solche Typen sollten sich lieber eine Harley kaufen. »Hast ja recht!« – bescheinige ich ihr. Aber mit dir hinten drauf, darf sowas nicht passieren. Sie gibt mir einen Kuss – »Hey ich sage es zum letzten mal, es ist alles in Ordnung.«

Ich bin langsam ruhiger und bringe den Spiegel wieder in die korrekte Stellung. Während dessen überlege ich, ob ich mir einen Aufkleber besorge, einen Pfeil mit der Aufschrift “Paris-Dakar 2012/2013″ und den dann auf den Koffer, Richtung Dellen klebe. Wir rauchen noch eine, satteln auf und fahren weiter. Während ich schon Richtung Braunlage abbiege fällt mir ein das ich den “Schierker-Feuerstein” vergessen habe. Scheiß drauf, denke ich. Trinke ich nie wieder das Zeug, kann ich in Zukunft drauf verzichten. Wir fahren nach Braunlage. 2002 hatte ich hier eine Motorradtour für meine damalige Firma organisiert. Mit Kunden aus ganz Deutschland waren wir damals das Herrentags-Wochenende im “Maritim Berghotel”. Luxus pur. War nett. Jetzt gefällt mir das ganze, allein mit meiner Frau aber wesentlich besser. Was auffällt ist, hier im Westharz hat man verstanden was Touristen wollen. Es ist eine Menge Betrieb und vor allem sind die Läden alle offen, trotz Pfingstsonntag. In Wernigerode war gestern schon ab 16:00 Uhr alles zu. Und laut Öffnungszeiten war auch nicht geplant, vor Dienstag nach Pfingsten, wieder zu öffnen. Ist halt immer noch alles ein bisschen unterschiedlich. Braunlage ist voll, es geht nur in Schrittgeschwindigkeit voran. Wir machen das wir hier raus kommen, auf Jubel und Trubel können wir verzichten.

Wir verlassen den Ort Richtung Südwest und finden nach ein wiederholten Navi-Aussetzern auch wirklich schöne Strecken. Ich suche die L600 und die L601 Richtung “Wieda” und “Zorge”. Dieses mal Zorge mit “Z”. Mir sind Landstrassen mit dreistelligen Nummern die liebsten. Da ist immer wenig los und zu meist sind es die interessanteren Strecken. Seit die meisten Auto-Navi’s auf der Routenoption “schnellste Route” laufen, lohnt sich das wirklich. Wir finden tolle Ausblicke und sind begeistert. Oft sehe ich den erhobenen Daumen meiner Frau neben mir. Ich versuche in den Flow zu kommen. Dafür ist die Strecke heute zwar schon fast zu kurz, aber ich liebe es mich ausschließlich auf das fahren und die Eindrücke konzentrieren zu können. Einfach laufen lassen und gucken was hinter der nächsten Kurve kommt. Das beste ist wenn man nicht dort ankommt, wo man los gefahren ist. Deshalb finde ich Tagesrunden auch nicht wirklich spannend, da kommt man am selben Platz wieder an, an dem man ein paar Stunden vorher losgefahren ist. Das ist mir immer zu wenig und so unbefriedigend. Ein Klopfen auf die Schulter und eine kurze Geste bestätigen mir das nicht nur ich Kaffeedurst verspüre.

Als wir durch Hohegeiß fahren, finden wir einen großen Parkplatz mit Imbiss. Wie wir schnell lernen befinden wir uns an exponierter Stelle. Der jetzige Parkplatz befand sich früher auf der Westseite. Direkt daneben befand sich die ehemalige Staatsgrenze. Früher war der Platz, der offiziell “Parkplatz am Grenzübersichtspunkt” genannt wurde, der Anlaufpunkt für die Busse und Autos der westlichen Grenztouristen. Hinter dem Imbiss befindet sich ein Kontrollturm, der so wird versichert, auch genau da gestanden haben soll. Heute guckt hier lediglich eine schlecht gekleidete Schaufensterpuppe auf die Anwesenden. Früher muss das wirklich eine gespenstige Atmosphäre gewesen sein. Keine zehn Meter weiter befindet sich ein Gedenkstein. Am 1. August 1963 kam genau hier bei einem Fluchtversuch der 23-jährige Helmut Kleinert durch Schüsse der Grenztruppen der DDR ums Leben. Erschütternd genau hier, wo man jetzt ungehindert hin und her laufen kann, entschieden Menschen aus politischen Beweggründen darüber das jemand sterben muss, weil er eine gedachte, in eine Karte gemalte Linie überschreiten und selbst über sein Leben bestimmen wollte. Vermutlich nicht viel älter als sein Opfer, hat hier ein junger Deutscher einen anderen jungen Deutschen einfach erschossen. Wie lebt man mit solch einer Tat, vor allem jetzt nach dem dieses ganze verlogene System ad absurdum geführt wurde. Ein schrecklicher Gedanke.

Bild

Bild

Davon los zu kommen fällt etwas schwer, aber ich bestelle am Imbisshäuschen ein Latte und einen Cappuccino, schließlich ist es ja noch Vormittags. Eigentlich erwarte ich, das der Ladenbesitzer sich umdreht um nach hinten zu rufen: “Inge, mach mal zwei Pott Kaffee fertig” aber ich werde eines besseren belehrt. Nach kurzer Wartezeit bekomme ich die gewünschten Heißgetränke in ansprechender Aufmachung und Qualität tatsächlich vorgesetzt. Toll mein Vormittag ist gerettet.

Bild

Wir setzen uns auf eine Bank und beobachten das Treiben um uns herum. Eine Frauengruppe macht sich und ihre Mopeds fertig um weiter zu fahren. Die Damen und die Maschinen sind schon älteren Baujahrs, was aber nichts zur Sache tut. Frauengruppen auf Motorrädern sind auch immer toll zu beobachten. Die unterscheiden sich in allem zu ihren männlichen Pendants. Keine unnötigen Gesten, keine Selbstdarstellung, keine überzogenen Posen. Alles ein bisschen langsamer, ruhiger und überlegter. Auch die Motorräder und die Klamotten sind eher auf Funktion, als aufs Posen ausgelegt. Man hat den Eindruck, das es ihnen eher peinlich wäre aufzufallen. Finde ich toll!

Ein Stück weiter haben sich ein paar Silberpudel eingerichtet. Natürlich haben die alles dabei. Brot, eine ganze harte Wurst und Kaffee aus der Thermoskanne. Opi zaubert ein Taschenmesser aus der Kordhose und schneidet Omi einen Kanten Brot und ein Stück Wurst ab. Der Kaffee ist schwarz und ohne Schnickschnack. Die Generation ist vorbereitet. Wer schon mal aus Pommern vertrieben wurde, der überlässt nichts dem Zufall.

Ich hatte mal eine interessante Begegnung mit einem älteren Herren auf einem deutschen Autobahnrastplatz. Zu meist umrunden ja alte Männer mit Stulle in der einen und Kaffeebecher in der anderen Hand dein Moped und schauen sich kauend die Auswüchse moderner Technik an. Ebbend dieser Opi damals auch. Ich dachte, na pass auf gleich kommt’s! Zumeist kommt: »Ich hatte ja damals eine – da kommen dann die regionalen Unterschiede, EMW, BMW, Kreidler, Zündapp, AWO oder was auch immer, das war ja damals alles noch ein bisschen anders!« Klar der Russe war hinter dir her und hast gemacht das du weg kommst. Denke ich zumindest, antworte aber meist: »Ja, Ja, das waren noch andere Zeit, nicht!« Diesmal nicht! Grauer Star umrundet meine GS und fragt kauend: »Das ist ne BMW, nicht wahr?« Schlaumeier – denk ich. »Müsstest du doch kennen, schließlich bist du doch mit einem Boxer bis kurz vor Moskau oder El Alamein gerollt« antworte ich. »Nein ich fuhr eine Zündapp, eine KS750, Gespann, die mochte ich lieber als die BMW, war zuverlässiger!« Ja, leck mich doch einer!!!

Über eine Stunde hat er mir dann erzählt wie er von Berlin Spandau aus mit seinem Gespann bis in die heutige Ukraine gefahren ist. Wie die neben den laufenden Maschinen geschlafen haben im russische Winter und wohl noch viel schlimmer, sich durch die russische Schlammperiode gekämpft haben. Er erzählt von dem MG-Schützen, der neben ihm im Beiwagen saß, die ganze Zeit, seit Berlin, bis ihm der Schädel weggeflogen ist, irgendwo in einem russischen Wald. Und wie das ist, wenn die den hinter dir vom Sitz knallen und du nicht zurück kannst, weil du unter Feuer bist und dir in die Hosen scheißt vor Angst. Ach du meine Fresse, der alte Mann hat was mitgemacht. Jetzt mit bestimmt ende Achtzig steht er hier auf einem deutschen Rastplatz und erzählt so einem jungen Schnösel aus seinem Leben im Krieg. Danach habe ich noch eine ganze Weile gebraucht um das erzählte zu verarbeiten. Seit dem weiß ich auch, das man die Alten nicht unterschätzen darf. Hier in Hohegeiß droht aber heute kein Kriegstrauma. Die beiden Alten sind mich sich selbst beschäftigt und konzentrieren sich auf ihre Brotzeit.

Ständig ballern Motorräder am Parkplatz vorbei, den Berg rauf Richtung Beneckenstein. Viele ohne DB-Killer. Wenn ich hier wohnen würde, bekäme ich auch einen dicken Hals wenn den ganzen Tag die Scheiben und oder die Kaffeetassen wackeln würden. Es dauert nicht lange und eine Hamburger Truppe entert den Parkplatz. Alle so unser Alter und mit Frauchen auf dem Rücksitz. Wie liebevoll sich einer von ihnen nach dem absteigen um das, ach du Gott, oh Gott oh Gott, arg zerdrückte Ohr seiner Frau kümmert nach dem sie sich laut jammernd den Helm vom Kopf gezogen hat, finde ich zwar ein bisschen unmännlich, aber ich wäre wahrscheinlich genau so besorgt um das Öhrchen meiner Frau. Wer erträgt schon den ganzen Tag das Gejammer, zumal beide Helme mit einem Bluetooth-Headset ausgestattet sind und er das somit auch während der Fahrt ertragen muss. Wir grüßen kurz und ich freue mich mal wieder, das auf dem Moped alle gleich sind.

Dann wird es laut und hektisch. Eine Rudel “Jelbes” kommt die Strasse aus Richtung Beneckenstein runter, biegt auf den Parkplatz ein und ballert über den selbigen wieder zurück auf die Strasse den Berg hoch. Das sind nicht nur 10, 15 Holländer sondern so zwischen 40 und 50, alle in die selbe gelben Westen gehüllt und völlig ausser Rand und Band. Wir und die Hamburger können das gar nicht fassen. Ich höre von der ohrgeschädigten Sozia einen Satz »die haben ja alle einen Vollschuss!« und staune wie man auf 100 Meter Parkplatz auf ungefähr 120 km/h beschleunigen kann, ohne Rücksicht auf Dackel, Kinder und Rentner zu nehmen. Ich komme mir vor wie in der Boxengasse der MotoGP. Omi und Opi stehen immer noch mit Stulle in der Hand hinter ihrem Auto und beobachten wie vor und hinter ihnen der verrückten gelbe Mob tobt. Nach ein paar Minute ist das Getöse vorbei und wir alle gucken uns total perplex an. Hatten wir gerade eine Erscheinung, was war das denn? Kopfschütteln allenthalben. Wir beschließen aufzubrechen, machen uns gerade fertig, da kündigt ein fernes Grollen an, das dass selbe Schauspiel von vorne beginnt. Die Luft fängt an zu vibrieren. Wieder kommt das jelbe Geschwader den Ortseingang reingeballert. Ein paar unentwegte Holländische Vollhonks wenden über den Parkplatz und ballern die wieder Strasse rauf. Ein paar haben aber dieses mal entweder die Schnauze voll oder erinnern sich ob ihrer guten Manieren und scheren aus der Stampede aus, um eine Pause zu machen. In wenigen Minuten ist der Parkplatz voll mit Holländern. Überall stehen plötzlich vornehmlich Japanische Sportler mit den dazu gehörigen, in Lederkostümchen gehüllten Fahrern. Neben uns hält eine Hayabusa, der Fahrer zieht sich den S1 vom Kopf und lacht laut und herzlich. Er kommentiert über den ganzen Parkplatz hinweg wohl seine unbändige Freude über die zu letzt erschreckten “Duitse”. Allgemeines Gelächter seiner jelben Freunde bestätigen wohl seine Feststellungen. Ich habe Holländer bisher immer als aufgeschlossene und freundliche Menschen kennen gelernt. Deshalb spreche ich ihn an: »how often will you drive this way?« er grinst mich an und antwortet in diesem unnachahmlichen Holland-Deutsch »weißt du wir haben in Holland überall “Drempels” und nicht solche Kurven.« er grinst über beide Ohren und hebt belustigt beide Arme, er macht eine entschuldigende Geste. Ich sage zu ihm – »oppassen, take care« – er winkt ab und lacht.

Bild

Bild

Bild

Wir machen uns auf eben den selben Weg hinauf Richtung Benneckenstein. Unterwegs begegnet uns immer wieder was Jelbes im Hangoff in der Kurve und in mir regt sich so eine Art Fluchtreflex. Irgendwie ist mir der Harz zu voll, zu laut und zu hektisch. Wir suchen uns einen Weg auf kleinen Landstrasse Richtung Harz Vorland. Und finden auch abseits der großen Strassen die kleinen Täler und Wege die wir gesucht haben. Teilweise kommt das Gefühl auf im Alpenvorland zu sein. Sobald wir aber wieder auf große Strassen einbiegen sind da “Himmel und Menschen”. Das Grüßen von entgegen kommenden Mopedfahrern geht mir auch so langsam auf den Geist, das wirkt langsam echt albern. Die linke Hand kann man auch gleich oben lassen. Ich erinnere mich an den Tipp auf mikemoto.de – „schalten ohne kuppeln“ und überlege wo und wie diese Idee wohl entstanden ist.

Bild

Der Weg runter nach Thale ist fahrtechnisch noch mal interessant. Als problematisch zeigt sich allerdings, man weiß nicht was einem nach der nächsten engen Kurve entgegenkommt. Das kann alles sein! Reisebusse die, die ganze Breite der Strasse einnehmen, überforderte Autofahrer und vor allem übermotivierte Möchtegern Motorradrennfahrer. Die fahren auf den engen Strasse die Kurven zu schnell an und kommen dir auf deiner Seite entgegen. Ein paar mal muss ich heftig bremsen und so einem Hobby-Rossi ausweichen. Sollten sich mal zwei dieser Spezies in einer Kurve begegnen, kommt es garantiert zur Katastrophe. Ich habe langsam echt die Nase voll und streiche innerlich den Harz von meiner Liste für lohnende Motorradgebiete. Hier komme ich erst wieder im Herbst her, wenn unbeständiges Wetter die meisten Motorradfahrer und Fahrrad fahrenden Ausdauersportler von den Strassen vertrieben haben.

Wir fahren wieder die „Tamoil“ in Egeln-Nord an, um voll zu tanken und für 12,00 Euro etwas zu essen. Im Gegensatz zu gestern muss sich heute keiner trocken legen. Es ist relativ leer. Immer wieder kommen Motorräder aus Richtung Magdeburg um zu tanken und sich ins Harzgetümmel zu werfen. Ich kontrolliere noch einmal die Route auf meinem TomTom um sicher zu gehen, das er sich nicht wieder ständig verschluckt. Alles super!? Ich ziehe die wasserdichte Unterjacke meiner neuen Rukka aus, da es inzwischen recht warm geworden ist. Ich bin inzwischen überzeugt von dem Konzept der getrennten Funktionen zwischen Coretex-Membran und Jacke. Jetzt habe ich eine luftige Sommerjacke und kann die Fahrt geniessen. Wir machen uns fertig und fahren die B81 Richtung Magdeburg. So schnell wie möglich verlassen wir die Schnellstrasse und suchen den Weg Richtung Börde, Elbe und Brandenburg. Schon nach kurzer Zeit bin ich mit meinem Navi geplatzt. Die Strasse die wir nehmen wollten ist mit einer Sperrung belegt und trotz Auswahl der Funktion “Umfahrung”, führt uns dieses Mistding nur noch im Kreis.

Ich mache das Drecksteil aus und suche mir selbst einen Weg. Ich finde einen Verbindungs- und Landwirtschaftsweg und weiß aus Erfahrung das diese Wege zu meist wieder irgendwo auf eine Landstrasse treffen. Dieser Weg ist sogar relativ gut ausgebaut. Statt wie üblichen ein mit Betonplatten belegter Panzerweg, ist dieser mit Feldsteinen gepflastert. Normaler weise würde ich jetzt mein Fahrwerk in den Enduromodus bringen und diese Strecke ganz easy im stehen hinter mich bringen. Heute leider nicht. Erstens habe ich meine Geliebte hinten drauf und zweitens hindert mich der Tankrucksack daran vernünftig stehen zu können. Der ist einfach zu groß. Das mit dem Tankrucksack muss ich echt noch mal überdenken. Ich habe ihn im letzten Jahr gekauft und hielt das für eine tolle Idee. Inzwischen habe ich so meine Zweifel. Ich fahre sehr gern im stehen, vor allem bei Ortsdurchfahrten auf längeren Strecken stelle ich mich gern hin. Einmal um den Pötter zu entlasten und zum anderen weil es mir einfach Spass macht. Ich halte das für eine natürliche Stellung zum Motorrad fahren. Ich denke das Gelingen der diesjährigen Norwegentour hängt stark von der Masse des Gepäcks und der vernünftigen Verteilung des selbigen auf der Maschine ab. Ich habe keine Lust die Vorteile der BMW durch zu viele, damit einhergehenden Einschränkungen zu verlieren. Früher war mir das egal. Ich habe auf meine damaligen Chopper einen riesigen Seesack geschnallt, Zelt und Schalfsack oben drauf und bin die Touren stur abgeritten. Damals bin ich auch ausschließlich mit Braincap gefahren. Mein aktueller Schuberth C3 ist der erste richtige Helm nach etlichen Jahren. Mit der Fuhre von damals wäre ein solcher Weg, wie dieser hier, undenkbar gewesen. Danach hätte ich erstmal mein Gepäck und diverse Teile wieder einsammeln müssen.

Ich stemme mich so gut es geht in die Halbhocke, gegen das gerüttelt und lasse die BMW unter mir arbeiten. Lange werde ich das nicht durchhalten. Ich bin ja kein Artist. Meine Frau bekundet mir, das sie gerade richtig Spass hat. Na toll!? Mir läuft, ob der Anstrengung der Schweiß den Nacken runter. Gut das ich auch heute, nicht auf meine Funktionsunterwäsche verzichtet habe. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichen wir eine Hauptstrasse. Ich schalte das Navi wieder ein und stelle fest, das wir wieder auf Kurs sind. Der jetzt kommende Teil der Strecke führt durch die Magdeburger Börde. So was von langweilig, das ich richtig schlechte Laune bekomme.

Das geht die ganze Zeit ungefähr so: eine viertel Stunde stur gerade aus Stoff geben, dann kommt ein kleines Nest, immer rechts rum rein in den Ort, die Hauptstrasse lang und links rum wieder raus. Dann beginnt das Spiel wieder von vorn, stur gerade aus, der nächste kleine Ort und der nächste und so weiter. Rechts rum rein und links rum wieder raus. Keine Hügel, keine nennenswerten Kurven, kein Wald, nichts außer Felder und Windkraftanlagen bis zum Horizont.

Nach eineinhalb Stunden Langeweile erreichen wir endlich den Ort Reuden. Hier befindet sich auf halber Stecke zwischen Berlin und Magdeburg ein Motorradtreffpunkt: „Tequila Drive“. Ich steuere diesen Ort an weil wir auf diversen Touren aus Richtung Magdeburg kommend, hier immer angehalten haben um einen Kaffee an der Kuchenbar zu ziehen und weil es mich drängt ein wenig Flüssigkeit los zu werden.

Massen an in glänzendes Leder gehüllten und mit Fransen behangenen Chopperfahrern tummeln sich im, vor allem bei Berliner Kurz- und Sonntagsfahrern, beliebten Motorradtreff. Meine Frau bekundet mir ihren Unmut. Sie möchte sich nicht unter diese Menschen mischen und verzichtet lieber auf den Kaffee und ein Stück Kuchen. Ich kann das verstehen, will aber trotzdem hier noch schnell was los werden. Also satteln wir ab und ich pelle mich aus der Rukka um ungehindert die Toilette besuchen zu können. Es ist voll und zwar so richtig. Früher war ich des öfteren hier. Zum posen und böse gucken. Mein selbst umgebauter, komplett schwarzer Chopper erregte auch immer genügend Aufmerksamkeit. Angequatscht hat mich damals kaum jemand, weil es sich die meisten ob des 1,95 großen und 150 Kilo schweren, bösen Jungen nicht getraut haben.

Ein perfekter Ausflug folgte immer dem selben Muster. Mit infernalischen Gebrüll der offenen Tüten in den Ort einreiten. Mit lauten Gasstößen den Hobel rückwärts einparken, das Braincap an die Sissybar baumeln, die schwarze „Ray Ban“ gerade rücken, an der Kuchenbar einen Kaffee, natürlich schwarz und ohne Milch ziehen. Währenddessen böse in die Runde gucken und nach einer viertel Stunde, laut böllernd, wieder das Weite suchen. War damals für mich ok, heute will ich was anderes.

Meine jetzige GS wird an solchen Orten zumeist ignoriert und mir macht man zwar noch immer Platz wenn ich komme, aber keiner verlässt mehr das Klo wenn ich dort auftauche. Nach genügender Flüssigkeits Ab- und Zufuhr verlassen wir diesen Ort der übertriebenen Selbstdarstellungen.

Die Strecke wird interessanter, wir erreichen den Hohe Fläming. Dieser bietet tolle Strecken. Das blöde ist nur, ich kenne aus Ermangelung interessanter Alternativen rund um Berlin hier jede Kurve. Wir fahren über Wiesenburg und Bad Belzig Richtung der Brandenburger Spagelhochburg Beelitz. In Bad Belzig befindet sich übrigens der Hagelberg, mit 200 m Höhe eine der höchsten Erhebungen des norddeutschen Tieflands. Für Süddeutsche lächerlich, zieht Bad Belzig und der Hagelberg, im Sommer Massen an Berliner und Potsdamer Ausflügler an. Es wird also wieder voller. Bei Beelitz passieren wir Reihen an Spargelfeldern. Auch heute am Pfingstsonntag, wird hier das beliebte Gemüse gestochen.

Die Stecke von Beelitz nach Trebbin ist gut ausgebaut, so mache ich also wieder ein bisschen mehr das Gas auf. Ich kenne hier jede Ecke, flüssig schwingend geht es Richtung Berlin. Wir treffen auf einen Opel Corsa mit einem davor fahrenden Trabbi. Ich bremse mich an den Corsa heran und bleibe kurz dahinter, zeige mich links in seinem Spiegel um meine Absicht zu bekunden, gleich zu überholen. Das tue ich dann auch. Kaum sind wir aber auf Höhe des Fahrers, zieht der Corsa zum überholen raus. Ich hupe und weiche nach links aus. Der ergraute Fahrer guckt uns direkt an, zieht aber völlig konstatiert weiter nach links. Der hat nicht in den Spiegel geguckt, für ihn sind wir einfach plötzlich da. Anstatt seinen Überholvorgang abzubrechen lässt er sich nicht beirren. Gut das ich immer mit solchen Reaktionen rechne. Für uns ist immer noch genug Platz. Mit dem internationalen Zeichen für “schön das ich dich kennenlernen durfte, aber ich bin mit deinem Fahrverhalten nicht einverstanden”, verabschieden wir uns beide von der Blindpese. Hat meine Frau ihm ebnend den Finger gezeigt. Ich sag ja, ich liebe das kleine Monster.

Nach einer letzten Softeispause reihen wir uns wenig später in den abendlichen Berliner Verkehr ein und erreichen kurz vor Acht unser zu Hause. Ein bisschen fertig zwar aber glücklich, dass wir in einem Stück zurück gekommen sind. Ein kurzes wackeln der Gardinen sagt mir, auch unsere Rentner haben registriert das wir wieder da sind. Ich bringe die BMW in die Garage. Ich gucke nach dem Öl und schaue mir die Reifen noch an bevor ich mich für dieses mal von der Dicken verabschiede. Beim gehen streiche ich noch mal mit der Hand über die jetzt ein wenig unebene Oberfläche des rechten Koffers.

-Ende-

Video folgt

Benutzeravatar
Andre
Beiträge: 2943
Registriert: Samstag 20. August 2011, 21:12
Wohnort: noerdl. von Hamburg

Re: Pfingst-Harz-Tour Tag 2

#2 Ungelesener Beitrag von Andre »

Hi Frank,

macht wirklich Laune zu lesen. Sympathisch finde ich weniger den Umfaller, dafür umso mehr, dass Du ihn mit reinbringst. Deine Reaktion kann ich gut nachempfinden. Deine kleine scheint ja nicht oft mitzufahren, da kann so ein Erlebnis schon ma, schnell im GAU enden. Klasse das sie das so locker abgeschüttelt hat und noch mehr, das nichts passiert ist.

Ich hab in früheren Jahren eine Freundin mal mehr oder minder zum Mopedfahren "überredet" und nach bestandenem Führerschein ihrerseits wurden im Urlaub auch gleich 2 Enduros gemietet. Vom Vermieter weg hat sie sich nach knapp 10 km auf einem Feldweg in einer Kurve direkt auf den Appel gelegt :( auch da ist glücklicherweise nichts passiert, aber das Thema Moped war zumindest für den restlichen Urlaub abgehakt und ich konnte die Enduro's beim Vermieter direkt in einen Fiat Panda eintauschen :lol:
Geblieben ist seinerzeit jedoch ein Gefühl das es doch etwas verantwortungslos von mir war - wurde trotz allem noch ein schöner Urlaub ;-)

Gruß
André
meine Momentaufnahmen

Glück ist wie pupsen, wenn man es erzwingt wird's Scheisse ;-)

Benutzeravatar
JamboF
Beiträge: 202
Registriert: Mittwoch 15. Mai 2013, 07:52
Wohnort: Berlin

Re: Pfingst-Harz-Tour Tag 2

#3 Ungelesener Beitrag von JamboF »

Das Video zum Bericht


Benutzeravatar
Mimoto
Administrator
Beiträge: 16508
Registriert: Mittwoch 16. Juni 2010, 09:11
Wohnort: Idar-Oberstein
Kontaktdaten:

Re: Pfingst-Harz-Tour Tag 2

#4 Ungelesener Beitrag von Mimoto »

Hallo Frank,

das ist schon eine Aufgabe Deine Reiseberichte, was passiert eigentlich wenn Du mal ne große Tour machst - ich wäre für eine Hörbuchausgabe. :lol:

Tja, auch die kleine Reisen sind Abenteuer und so daneben wie sich die jelben benehmen machen es nicht weniger unserer Landsleute leider auch, vorallem da wo sie Gäste sind, sicherlich nicht die Mehrheit aber dieser kleine Teil prägt nun auch unsere und der anderen Vorurteile. Der Umfaller so ärgerlich auch immer er ist, sowas gehört dazu und wenn es dann so gut ausgeht macht einen haken dran.
Beeindrucken finde ich Deine Erlebnis mit dem Zeitzeugen, leider gibt es von ihnen nicht mehr so viele. Schon lächerlich über was wir so alles graue Haare bekommen wenn man diese Geschichten hört. Das Zündapp damals besser war als heute die BMWs ist jetzt aber auch nix neues. 8-) :mrgreen:
Die vollgestopften Straßen - genau das ist der Grund warum ich so ungerne in der Heimat unterwegs bin, ich wohne da wirklich viel besser als Du und André, eine Stunde und ich bin in Frankreich und mal abgesehen von verlängerten Wochenenden findet man da immer Straßen wo man am Tag vielleicht 20 Fahrzeuge sieht.

Viele Grüße auch an die Frau!
Michael /mimoto

Sterbe mit Erinnerungen, nicht mit Träumen.


|| >>Meine Reiseberichte<< || >>YouTube Kanal<< || >>Vimeo Kanal<< || >>Flickr<< ||

Benutzeravatar
Mimoto
Administrator
Beiträge: 16508
Registriert: Mittwoch 16. Juni 2010, 09:11
Wohnort: Idar-Oberstein
Kontaktdaten:

Re: Pfingst-Harz-Tour Tag 2

#5 Ungelesener Beitrag von Mimoto »

JamboF hat geschrieben:Das Video zum Bericht


..in Deutschland nicht verfügbar! :roll:
Michael /mimoto

Sterbe mit Erinnerungen, nicht mit Träumen.


|| >>Meine Reiseberichte<< || >>YouTube Kanal<< || >>Vimeo Kanal<< || >>Flickr<< ||

Benutzeravatar
JamboF
Beiträge: 202
Registriert: Mittwoch 15. Mai 2013, 07:52
Wohnort: Berlin

Re: Pfingst-Harz-Tour Tag 2

#6 Ungelesener Beitrag von JamboF »

Mimoto hat geschrieben:
JamboF hat geschrieben:Das Video zum Bericht


..in Deutschland nicht verfügbar! :roll:
Komisch!? Bei mir funktioniert es. Laut YouTube ist alles in Ordnung? :L Scheint aber in ein paar App´s unter iOS Probleme zu geben!? :oops: Ich stelle das gleich noch mal rein!

Alternativ: www.fettundnett.de
Zuletzt geändert von JamboF am Montag 27. Mai 2013, 15:38, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar
JamboF
Beiträge: 202
Registriert: Mittwoch 15. Mai 2013, 07:52
Wohnort: Berlin

Re: Pfingst-Harz-Tour Tag 2

#7 Ungelesener Beitrag von JamboF »

Andre hat geschrieben: macht wirklich Laune zu lesen. Sympathisch finde ich weniger den Umfaller, dafür umso mehr, dass Du ihn mit reinbringst. Deine Reaktion kann ich gut nachempfinden. Deine kleine scheint ja nicht oft mitzufahren, da kann so ein Erlebnis schon ma, schnell im GAU enden. Klasse das sie das so locker abgeschüttelt hat und noch mehr, das nichts passiert ist.
Danke, ich hoffe das ihr soviel Spass beim lesen habt, wie ich beim erleben und beim schreiben.
Mimoto hat geschrieben:Hallo Frank,

das ist schon eine Aufgabe Deine Reiseberichte, was passiert eigentlich wenn Du mal ne große Tour machst - ich wäre für eine Hörbuchausgabe. :lol:
Tja dann wartet mal auf Ende August wenn ich aus Norwegen wieder da bin. Ich will ja keinem drohen, aber... :lol:
Mimoto hat geschrieben:Tja, auch die kleine Reisen sind Abenteuer und so daneben wie sich die jelben benehmen machen es nicht weniger unserer Landsleute leider auch, vorallem da wo sie Gäste sind, sicherlich nicht die Mehrheit aber dieser kleine Teil prägt nun auch unsere und der anderen Vorurteile. Der Umfaller so ärgerlich auch immer er ist, sowas gehört dazu und wenn es dann so gut ausgeht macht einen haken dran.
Beeindrucken finde ich Deine Erlebnis mit dem Zeitzeugen, leider gibt es von ihnen nicht mehr so viele. Schon lächerlich über was wir so alles graue Haare bekommen wenn man diese Geschichten hört. Das Zündapp damals besser war als heute die BMWs ist jetzt aber auch nix neues. 8-) :mrgreen:
Die vollgestopften Straßen - genau das ist der Grund warum ich so ungerne in der Heimat unterwegs bin, ich wohne da wirklich viel besser als Du und André, eine Stunde und ich bin in Frankreich und mal abgesehen von verlängerten Wochenenden findet man da immer Straßen wo man am Tag vielleicht 20 Fahrzeuge sieht.

Viele Grüße auch an die Frau!
Meine Frau kanns kaum erwarten das wir wieder los fahren!? :shock: Mist! Der Plan ist wohl nach hinten los gegangen. :roll:

Benutzeravatar
JamboF
Beiträge: 202
Registriert: Mittwoch 15. Mai 2013, 07:52
Wohnort: Berlin

Re: Pfingst-Harz-Tour Tag 2

#8 Ungelesener Beitrag von JamboF »

So jetzt aber:


Antworten

Zurück zu „Deutschland, Benelux“