Norge 2013

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JamboF
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Norge 2013

#1 Ungelesener Beitrag von JamboF »

Jetzt endlich komme ich dazu ein paar Zeilen über unsere Norwegen-Tour rauszulassen. Wer mich kennt weiß das Kurzfassungen nicht so mein Ding sind, deshalb entscheidet selbst ob ihr das lesen wollt oder auf die Video´s wartet, die ich aber noch bearbeiten muss. :lol:

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- Vorwort -

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Nach dem ich meine dicken Chopper gegen eine BMW GS eingetauscht hatte, kam in mir der unwiderstehliche Drang auf, die Vorteile eines solchen vermeintlichen Abenteuermotorrades zu nutzen und Richtung „Norden“ zu ballern. Norwegen, Schweden und Dänemark, also Skandinavien im Allgemeinen, übt auf mich eine starke Anziehungskraft aus. Meine Frau fand das auch eine gute Idee, auch wenn Edyta grundsätzlich ängstlich ist wenn ich alleine mit dem Motorrad unterweGS bin. So schlug Sie mir vor meine Freunde Torsten und oder Horst zu fragen ob die mich begleiten wollten. Zur Motivation wandte Sie auch immer wieder Sprüche an, wie: »Bist du für so etwas nicht schon zu alt?« oder »Hast du schon mal auf deine Torte geguckt? Bei den ganzen Kerzen sieht man die vom Weltraum aus!« Also echt wenn so mancher wüsste wie sehr ich unter dieser Frau leiden muss. Auch möchte ich wissen, von wem sie diesen sarkastischen Humor hat. Vor 20 Jahren war sie noch ganz anders.

Da ich sowie so keine Lust hatte allein dieses Abenteuer zu erleben, fragte ich meinen Freunde Torsten und Horst ob sie mich begleiten wollten. Torsten ist ein erfahrener Norwegenfahrer und hat mit seinen diversen Motorrädern schon mehr als 100.000 km auf diversen Touren abgerissen. Außerdem schätze ich an ihm, das er ein ruhiger und überlegter Fischkopp ist. Als der liebe Gott auf Rügen die Kommunikationsfähigkeit verteilte, war Torsten angeln. Wenn er im Jahr mehr als tausend Worte benutzt, würde mich das wundern. Auch Horst ist ein alter Eisenarsch, er brettert mit seiner Rocket III eigentlich jedem hinterher, ohne je den Anschluss zu verlieren oder ein Wort des Klagens zu äußern. Horst ist von der alten Schule, er hat einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und man kann sich zu eintausend Prozent auf ihn verlassen. Mit mir, einem extrovertierten und verhaltensauffälligen Typen mit „Nichts ist zu peinlich-Tourette-Syndrom“, sind wir eine gute Kombination.

Also gesagt getan und im letzten Jahr zusammen den Entschluss gefasst, das Ding durch zu ziehen. Eigentlich wollten wir zu Mittsommer los fahren. Problem dabei, war allerdings, dass die Ferien in Berlin relativ früh begannen und die Pause zwischen meinem Familienurlaub und der Norwegenfahrt nicht zu kurz sein konnte, da ich das mit meiner Arbeit nicht überein bringen konnte. Also verschoben wir die Fahrt auf Anfang August.

Im Dezember letzten Jahres begann ich mit der Vorplanungen und schaute nach der besten Möglichkeit um in 8 - 10 Tagen so viel wie möglich zu sehen. Das wir es nicht zum Nordkap schaffen würden war klar, so dass ich Fjordnorwegen und den Geiranger als Ziel auserkor. Die Tour nahm schnell Formen an. Damit wir nicht zwei Tage zur Anfahrt verschwenden mussten, fiel die Wahl auf die Fährverbindung von Hirtshals(DK) nach Stavanger(N). Diese fährt über Nacht, so das man um sechs Uhr morgens entspannt in Norwegen von der Fähre fällt und eigentlich schon mitten drin ist und nicht erst durch Südnorwegen ballern muss. Auch wirtschaftlich macht das absolut Sinn, zumal wenn man zu dritt fährt lohnen sich die knapp 120€ pro Person. Billiger bekommt man das, mit einer zusätzlichen Übernachtung und Sprit für die ersten 500 Kilometer von Kristiansand nach Stavanger nicht hin.

Unsere grundsätzliche Wahl bei den Übernachtungen fiel auch schnell auf das Mieten von „Hytten“ und nicht auf das Zelten. Eigentlich sollte es kein Problem darstellen in Norwegen abends eine „Hytte“ zu mieten. Das einzige Fragezeichen war die Verfügbarkeit dieser Art des Übernachtens in Schweden, das wir auf dem Rückweg durchfahren würden. Ob es hier auch so viele Möglichkeiten zur Miete von „Hytten“ geben würde wie in Norwegen, war uns nicht klar. Da ich zehn Tage als Ziel der Fahrt angesetzt hatte und sich Geiranger als Zielpunkt und für einen Waschtag anbot, beschloss ich dort zwei Nächte zu bleiben. Nach diversen Recherchen im Internet fand ich eine Hytte die von Geiranger aus gesehen am linken oberen Ende des Fjordes lag und von der man einen fantastischen Blick auf den Geiranger und die in den Fjord einlaufenden Schiffe haben sollte. „Homlong-Camping“ war auch schnell im Internet als Anbieter dieser Hytte ausgemacht.

Die Homepage ließ zu wünschen übrig, aber immer hin fand sich eine Telefonnummer, so dass ich im Januar dort anrief und besagte Hytte für zwei Nächte buchen konnte. Auf meine Nachfrage ob ich noch mal im Sommer anrufen oder eine E-Mail mit meinen Daten senden sollte, beantwortete der etwas staubig klingende Herr am anderen Ende mit: »Nein das merke ich mir, ist in Ordnung«. Na ob das so passt, daran hatte ich meine Zweifel. Also rief ich zwei Wochen vor Abfahrt, dort noch einmal an: »Guten Tag, ich wollte mal nachfragen..., ähm ich hatte im Januar schon mal angerufen..., ähm ob...« »Ja, ja, ich weiß zwei Nächte, die große Hytte vom 06. bis 08. August, ich hatte doch gesagt das geht in Ordnung.« kam es ein bisschen trocken und keinen Deut freundlicher als das letzte Mal über das Telefon.

Drei Wochen vor Abfahrt trafen wir uns noch mal bei Horst zu einem Geburtstags-Grillen und um zu besprechen wer was besorgen sollte. Bei der Gelegenheit eröffnete mir Horst, das er spätestens am Sonntag wieder in Berlin sein müsste. Er hätte einen Großauftrag und kann nicht länger der Arbeit fern bleiben. Also blieben jetzt noch acht Tage für die Tour. Da wir bis Donnerstag früh die Hytte am Geiranger gebucht hatten, blieben dann noch vier Tage um vom Geiranger ca. 1.500 km nach Berlin zurückkommen, mehr als ausreichend. Also verständigten wir uns auf die Einkaufsliste und vereinbarten das wir uns einen Tag vor der Abfahrt bei Horst treffen würden um die Nahrungsmittel gleichmäßig zu verteilen. Ich übernahm noch die Aufgabe im Vorfeld schon mal ein paar Norwegische Kronen zu besorgen und auf der Reise die Kasse zu führen. Das ist so herrlich unkompliziert. Es wird eine Reisekasse aufgemacht und jeder zahlt seinen Teil ein und gut ist es.

Am Freitag vor der Abfahrt verließ ich um 13:00 Uhr das Büro, packte mein Moped und fuhr zu Horst um das Essen zu verteilen und einige andere Dinge noch durchzusehen. In Berlin hatte es 32° und wir freuten uns so garnicht auf die morgige Fahrt, die uns über Flensburg und quer durch Dänemark bringen sollte. Knapp 800 Kilometer bei den Temperaturen, war doch schon etwas Respekt einflößendes.

- Tag 01 -

»Hast du alles? Auch deine Tabletten?« Meine Frau hetzt ein bisschen ab genervt durch die Bude. Da ich meine Sachen schon am Vorabend gepackt und bei Horst gelassen habe, bin ich mir sicher dass ich alles was ich benötige eingepackt habe. Nachschauen könnte ich jetzt sowieso nicht mehr. »Ja Tabletten habe ich, sogar mehr als ich eigentlich brauchen werde!« Ich bin gerade am packen meines Topcase, hier bringe ich die Fotokamera, Macbook und diverse Kabel unter. Ich versuche immer noch zu optimieren, damit das Ganze nicht zu schwer wird. Weiter habe ich meine Gepäckrolle schon gepackt und Salami, ein paar Packungen Spagetti und diverse Packungen mit “Nissin-Instantnuddeln”, die ich für eine tolle Erfindung halte, ebenfalls bei Horst gelassen. Diese vorgekochten, gebratene Weizennudeln sind quadratisch verpackt und in null Komma nichts mit heißen Wasser aufgekocht. Ist was warmes und macht satt. In Kombination mit meinem neuem Kocher “Jetboil PCS” ist das unschlagbar.

Für Norwegen haben wir uns echt den Kopf gemacht wie und was wir zu essen mitnehmen sollten. Aus eigener Erfahrung wissen wir, das ein labbriges Sandwich oder ein Hotdog an Norwegens Tankstellen auch schon mal um die 13€ kosten kann. Die Preise dort sind dem Lebensstandard angepasst. Und der ist in Norwegen bekannter maßen recht hoch. War Norwegen nach der Auflösung der Union mit Schweden 1905 noch eines der ärmsten Länder in Europa, so belegt es heute einen der oberen Plätze weltweit, Eisenerz, Erdöl und Erdgas sei dank. Auf diversen Urlaubs- und Angeltouren hatten wir zu meist das Auto mit den wichtigsten Dingen des täglichen Lebens voll bepackt, mit dem Motorrad begrenzen sich allerdings diese Möglichkeiten radikal.

Es ist 07.00 und ich muss los. Wir wollen um 08.00 abfahren, denn wir müssen um 19.30 in Hirtshals eingecheckt haben, da die Fähre um 21.30 ablegt. Ich nehme meine Frau in den Arm, sie umarmt mich und erdrückt mich fast, aber nur fast, »Pass auf dich auf, bitte!« »Und melde dich ab und zu, ein kurzes “Es geht mir gut” am Abend reicht mir schon!« Ich guck sie von oben an, sie legt ihren Kopf seitlich auf meine Brust. »Mensch mach dir keine Sorgen, ist doch nicht das erste Mal, das ich eine Weile weg bin«. Von unten kommt ein gepresster Seufzer, »Ja aber ich mag das nicht«. Ich nehme sie an den Schultern und guck ihr in die Augen, »Schatz alles ist in Ordnung, ich passe schon auf«. Ich mag diese Abschiede nicht und mache das ich raus komme.

Als ich bei Horst einlaufe kommt mir Torsten, der bei Horst übernachtet hat, nur in schwarzer Funktionsunterwäsche und einem T-Shirt bekleidet entgegen. An den Anblick muss ich für die nächsten Tage wohl gewöhnen. Er lässt ein kurzes »Moin, Moin« hören, das wird für heute auch schon alles an Worten von ihm gewesen sein. Ich lasse einen kurzen, anerkennenden Pfiff hören. Helga, Horst seine Frau. drückt mir einen Kaffee in die Hand und wir beginnen zu packen. Die Jungs haben abends noch die Fressalien gleichmäßig auf die vorhandenen Möglichkeiten verteilt.

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Ich schnalle den Packsack auf den Platz der eigentlich für den Sozia-Sitz vorgesehen ist. Den habe ich entfernt und somit, den Entwicklern der GS sei dank, einen idealen Platz dafür. Das liebe ich an der GS, hier ist alles überlegt und für die große Tour eingerichtet. Außer dem Packsack habe ich zwei Koffer und ein Topcase montiert. Das Topcase habe ich mir erst vor ein paar Wochen gekauft. Meine Canon und das Macbook musste einen Platz finden und der Tankrucksack erwies sich als ungeeignet. Im linken kleineren Koffer habe ich die Küche, Kocher, Teller, Besteck, Schneidebrett und diverse andere Sachen die man beim Kochen und beim Abwaschen so benötigt. Rechts im größeren Koffer habe ich meine Klamotten. Alles für drei bis vier Tage, sowie eine Cargohose und mein Waschzeug inkl. Microfaserhandtuch zum trocken legen. Eine Flasche “Stroh 80″ für die gelegentliche abendliche Belustigung, hat hier auch ihren Platz gefunden. Im Packsack ist mein Hüttenschlafsack und diverse Nahrungsmittel. So ausgestattet sollte alles funktionieren. Als wir fertig sind, bin ich auch schon durchgeschwitzt. Es ist kurz vor acht und es hat jetzt schon 25°. Na das wird ein Spass. Mit dem packen ging es heute ein bisschen langsam. Das kennt man ja, am ersten Tag wird alles noch drei, vier mal kontrolliert. Da wird sich im laufe der Zeit eine gewisse Routine einspielen.

Punkt acht Uhr rollen wir vom Hof. Ich muss mich an das Gewicht gewöhnen und lasse es langsam angehen. Mein ESA-Fahrwerk habe ich auf „Enduro-Hart“ eingestellt, so das der Federweg gewohnt hoch ist. Mir läuft der Schweiß unter dem Helm. Ich habe trotz der hohen Temperaturen meine Funktionsunterwäsche und das volle Ornat an. Wir müssen schauen das wir so schnell wie möglich auf die Bahn kommen, um ein bisschen Fahrtwind unter die Arme zu bekommen. Trotzdem grinse ich die ganze Zeit, es gibt nichts schöneres als morgens los zu fahren und nicht wirklich zu wissen wo man abends ankommt. Auf jeden Fall nicht da wo man losgefahren ist! Das ist es, für mich! Ich freue mich wie Bolle. Ein kurzer Blick in den Rückspiegel zeigt mir, das Horst und Torsten versetzt folgen. Auch der Anblick wird sich für die nächsten Tage nicht ändern, nur der Hintergrund. Bei den beiden weiß ich auch, das ich mir um das was hinter mir passiert keine Sorgen machen muss. Das ist bei uns schon eingespielt. Wir verlassen zügig Berlin und machen es uns auf der A24 – Richtung Hamburg bequem. 130-140 km/h, mehr geht heute an einem Ferien-Reise-Samstag eh nicht Richtung Küste.

Ich bin immer noch voller Euphorie, den auf diese Tour habe ich mich schon lange gefreut. Im letzten Jahr habe ich ein paar Probleme mit der Pumpe bekommen, oder besser gesagt hatte ich die schon vorher. Nur habe ich die konsequent ignoriert, bis mich meine Ärztin aus dem Rennen genommen. Meine Frau hat mich regelrecht zum Arzt prügeln müssen, da sie es nicht mehr mit ansehen konnte, wie ich mich jeden Tag fertig gemacht habe. Das war auch echt nötig, den selber merkt man es nicht, sondern gewöhnt sich an gewisse Einschränkungen und so komische Dinge, wie latente Brustschmerzen, bis einem die Ärztin sagt, das man die Praxis nur noch Richtung Krankenhaus verlässt und die Termine für die nächsten Wochen erst mal ausfallen werden. Danach kamen etliche Wochen Untersuchungen, Herz-MRT’s und andere durchaus beängstige Dinge, bis ich zum Schluss im Herzkatheter-Labor lag und spüren konnte wie Frau Professor mit dem Katheter in meinen Venen und in der Herzkammer rumfuhr. In dieser Zeit habe ich viel, der selbigen, genutzt um über ein paar Dinge nachzudenken. Unter anderem habe ich gemerkt das meine Familie und durchaus auch ich, neben der ganzen Arbeit zu kurz kommen. Arbeit ist nicht alles, auch wenn man diese mit Leidenschaft tut. In der Zeit kam mir auch der Gedanke sich mal ab und zu wieder abzuseilen. Jetzt ist es soweit und ich kann es eigentlich nicht fassen, jetzt mal Zeit nur für mich zu haben.

Was jetzt kommt ist eigentlich nur ein nötiges Übel. Rund 800 Kilometer Langeweile, stures Gas geben und den Hintern ignorieren. Knapp eineinhalb Stunden später legen wir den ersten Tankstopp ein. Ich habe im Vorfeld die Tour so getaktet, das wir vor der Fähre viermal die Zapfsäule anfahren werden. Irgendwo vor Flensburg würde dazu noch ein kurzer Imbiss genommen. Jetzt eineinhalb Stunden nach Abfahrt, sind wir in Mecklenburg auf der A24 und nehmen zum ersten Kraftstoff noch einen Kaffee. Alles läuft und ist eigentlich nicht der Rede wert. Torsten hält sich konsequent an diesen Grundsatz und trinkt ruhig seinen Kaffee. Unser Prinz Valium, wirkt aber nur abseits seines Motorrades so phlegmatisch, wenn er sich auf seine BMW setzt und ihn der Hafer sticht dann geht der Junge ab wie ein Zäpfchen, quasi wie ein Rhinozeros auf Speed. Nur Reden ist halt nicht sein Ding. Bei Horst ist eh alles in Ordnung, er und seine 2300 ccm Rocket III strahlen eine natürliche Unaufgeregtheit aus. Mit soviel Hubraum und Drehmoment muss man sich, so glaube ich, auch eh wenig Sorgen machen. Mann kennt ja den Spruch: “Hubraum ist durch nichts zu ersetzen, als durch noch mehr Hubraum”. Wir rauchen und trinken Kaffee und tauschen nur die nötigsten Informationen aus. Als plötzlich mein Handy piept und mir den Eingang einer neuen Mail verkündet: “Werte Reisende…, müssen wir Ihnen leider mitteilen…, Last Check-In ist 21.15 Uhr…, …neue Abfahrtszeit ist 22.45, Ankunft in Stavanger 08.00 Uhr…, …Ihre Fjordline Reederei.” Na gut, wenigstens fährt die Fähre überhaupt ab. Diese Information wirft uns nun nicht aus der Bahn. Horst meint nur trocken: »Dann können wir in Ruhe machen, wir haben Zeit.« Torsten nickt nur zustimmend.

Nach der Umfahrung der bei “Trittau” teilweise gesperrten B404, erreichen wir mit einen Schwenk über die A1, die A21 Richtung Kiel. Es ist immer noch heiß, aber es fängt kurz an zu tröpfeln. Wir machen eine kurze Pause und ich checke meinen Posteingang, hier ist nun der Eingang einer SMS der Fjordline zu verzeichnen: “Departure from Hirtshals – Stavanger today 03.08.2013 is unfortunately delayed. New departure 02.15. Check-In from 22.00. We will start to let passengers onboard from 23.00 O’clock. Regards Fjord Line.” Ja wie jetzt. Abfahrt 02.15, wir lassen die Passagiere ab 23.00 an Board!? Wenn wir erst um 02.15 losfahren dann kommen wir aber auch erst um 10.00 oder 11.00 in Stavanger an. Das wirft den Zeitplan für den morgigen Tag ein bisschen durch einander. Na warten wir es ab, kommt Zeit kommt Rat.

Weiter geht es Richtung Flensburg. Als wir uns dem Kreuz A7/A210 nähern, empfängt uns der erste Stau. Ich hatte im Vorfeld gehört das die “Rader-Hochbrücke” über den Nord-Ostsee-Kanal wohl kaputt ist und der Verkehr hier nur einspurig sein soll, aber die müsste noch 15 bis 20 Kilometer entfernt sein. Ich versuche langsam mit Warnblicke durch die Rettungsgasse meinen Weg nach vorne zu finden. Aber schon nach kurzem durchkreuzt ein SUV aus der bayrischen Landeshauptstadt meinen kühnen Plan. Der Sturkopp zieht in die Mitte und macht für uns die Gasse dicht. Ich verstehe so etwas immer nicht, aber gut, so ist das eben. Ich gucke nach einer Alternative, als ich Horst rechts auf der Standspur vorbei fahren sehe. Hinter mir ist nur noch Torsten. Ich schaue ihn im Spiegel an, wir ziehen beide nur kurz die Schultern hoch, dann halt so. Rechts macht sich eine Lücke auf und wir folgen Horst und seiner ruhig blubbernden Rocket über den Standstreifen. Wir passieren das Autobahnkreuz A7/A210 und weichen ruhig und langsam, den auf dem Standstreifen gestrandeten Autos aus. So geht das knapp eine viertel Stunde. Das müssen fast 20 Kilometer Stau sein. Vor allem es rollt fast nichts auf der Bahn. Die Luft flimmert und die niedrige Geschwindigkeit lässt meinen Boxer heiß werden. Mir läuft die Sauce inzwischen den Rücken runter. Kurz vor der Brücke erblicken wir blaue Lichter auf dem Standstreifen. Die Brücke ist für Fahrzeuge über 7,5 Tonnen gesperrt und rüber geht es nur mit Tempo 40. Damit sich kein schwerer LKW über die Brücke schmuggelt, führt die Polizei den Verkehr über die Abfahrt vor der Brücke. Wir ordnen uns wieder ein. Dies aber garantiert nicht unbemerkt von der Polizistin die weiter vorne den Verkehr regelt. Oh das gibt wohl Stress, so glaube ich. Sie zwinkert uns aber nur zu und winkt weiter ruhig die Autos durch. OK, ich denke die haben hier auch zur Zeit andere Sorgen. Es geht langsam über die Brücke und ich überleg wie die wohl das Problem mit diesem beeindruckenden, aber kaputten Bauwerk regeln wollen. Wenn das mal nicht über Jahre eine Problemstelle bleibt.

Nach der Engstelle läuft der Verkehr wieder. Zwar langsam, aber immerhin es rollt. Die A7 ist ja der Weg den man nehmen muss, möchte man nach Sylt, den friesischen Inseln oder nach Dänemark. Hier ist generell schon viel los, aber an einem Bettenwechsel-Samstag um so mehr. Gegen 13.00 Uhr steuern wir unseren letzten Tankstopp in Deutschland an, den Rastplatz “Hüttener-Berge”. Hier müssen wir für Sprit anstehen. Da ich sowas schon kenne, steuere ich soweit links wie möglich die Tank-Säulen an. Ihr müsst mal darauf achten, die meisten haben einen Rechtsdrall. Es wird sich grundsätzlich immer zuerst rechts angestellt. Links geht es meist schneller. Oder guckt mal an einer Tankstelle, meist sind die rechten Säulen belegt, links tankt kaum jemand. Warum das so ist, weiß ich nicht, klappt aber immer wieder. So bin ich auch dieses Mal schnell an der Reihe und befülle meine BMW. An der Kasse ist die Hölle los. Schreiende Kinder, verwirrte Touristen, genervte Trucker. Reisezeit ebbend.

Nach dem Tanken suchen wir die örtliche Würstchenbude auf. Hier bedienen vier Damen. Es ist heiß und die vier vom Grill sind genervt. Es riecht nach Bratfett und premenstrualen Achselschweiß. Mhm, es ist Mittagszeit auf ner Raststätte. Horst ist zuerst dran, »Zwei Bratwürste mit Kartoffelsalat, bitte!« Die Dame hinter dem Tresen schaut ihn völlig ausdruckslos an, die Haare kleben ihr an der Stirn. Vor sich hin murmelnd tippt sie Horst seine Bestellung in die Kasse. Was ich schon erahne, aber Horst noch nicht, ist, das Prinzessin Frittenfett verstanden hat, das Horst zwei Portionen Bratwurst mit Kartoffelsalat möchte. Horst geht aber immer noch davon aus, das er zwei Bratwürste mit einer Portion Kartoffelsalat bekommt. Das wird ein Spass. Horst bezahlt seinen Obolus und muss warten bis die beiden Grazien die, die die Würste brät und portioniert und die, die die Fritten und Salate zusammenstellt, soweit sind das bestellte auszuliefern. Während dessen gibt Torsten seine Bestellung auf. Ja es spricht! Für die Nahrungsaufnahme lässt Torsten regelmäßig sein Schweigegelübbte fallen und kann reden. »Zwei Currywürste mit Pommes!« Auch hier unterliegt die Würstchenverkäuferin wieder dem verbalen “Missverständnis”.

Der Begriff “Missverständnis” bezeichnet in der menschlichen Kommunikation den Unterschied zwischen dem, was auf der einen Seite der Sender gemeint und auf der anderen Seite der Empfänger verstanden hat. Der Empfänger versteht in diesem Fall etwas anderes, als der Sender gemeint hat. Kennzeichnend für Missverständnisse ist, dass sie erst dann bemerkt werden, wenn sie schon geschehen sind. Dies ergibt sich aus der Abfolge von Senden, Empfangen und Interpretieren. Doch wird nicht jedes Missverständnis bemerkt; ein Mensch wird nie in der Lage sein, die Intention eines jeden Satzes vollständig zu verstehen, da Terme für unterschiedliche Sprecher unterschiedliche Bedeutungen haben. Den Terminus zu erfassen, das auch in diesem Fall Torstens Intention zwei Currywürste mit einer Portion Pommes sind, kann der leicht überfordert schwitzende Empfänger nicht verstehen.

Während dessen kommt es bei Horst zum Schowdown. Er bekommt ein Schälchen mit einer Bratwurst und ein Schälchen, mit einer Portion Kartoffelsalat überreicht. Während sich die vierte Dame, die, die das bestellte von der Würstchen- und der Pommes-Salat-Frau anreicht, sich umdreht um das nächste Schälchen Wurst und Kartoffelsalat zu holen, bemerkt Horst freundlich aber bestimmend: »Ick wollte aber zwei Bratwürste und nur einmal Kartoffelsalat!« Alles stoppt! Es wird still, man hört nur noch das Fett in der Fritteuse spritzen. Das Imbiss- Quartett schaut sich verwundert an. Dieses gut geölte Getriebe der urdeutschen Imbissindustrie hackt.

Torsten bricht nun auch wieder sein Schweigegelübbte: »Ick wollte auch zwei Curry mit einmal Pommes.« Die Salat-Pommes-Frau schaut verzweifelt von der Schale mit der zweiten Portion Kartoffelsalat, auf die zwei Portionen Pommes die in der Fritteuse sieden. Die Würstchen-Frau grinst sich einen, sie hat ja alles richtig gemacht. Hinter mir wird es unruhig. Dort stehen ca. 150 hungrige Urlauber, die alle so um die vier Stunden im Stau verbracht haben und kurz davor sind zu töten um ihren aufgekratzten und hungrigen Bälgern die versprochene Portion Pommes zu besorgen. In diesem Augenblick erscheint “Susanne”, so steht es zumindest auf ihrem Namensschild. Susanne hat sich die ganze Zeit hinter einer Wand versteckt und war wohl mit anderen Dingen beschäftigt. Im mittleren Management muss man auch nicht mehr selber arbeiten. Hier muss man führen können. Als erstes wechselt Susanne mal die Bestellabteilung aus. »Geh mal lieber abwaschen« ist ihre kurze aber präzise Anweisung an die Dame an der Kasse. Dann dreht sie sich um und nimmt der Salat-Pommes-Frau die zweite Schale Kartoffelsalat ab und stellt diese zur Seite. Dann nimmt sie der Würstchen-Frau die zweite Bratwurst ab und übergibt sie Horst. »Rechts so?« fragt sie Horst und wendet sich der Fritteuse zu. Horst ist von der plötzlichen Wendung und der resoluten Susanne verwirrt und zieht mit seinen Schälchen von Dannen. Währenddessen verteilt Susanne eine Portion Pommes aus dem heißen Sieb auf eine kleine Schale nimmt die beiden Currywürste und überreicht Torsten das bestellte. Danach dreht sie sich um und schaut zu ihrer Produktionsabteilung. Der Blick sitzt, zumal diese sofort anfängt weiter zu machen. Susi, Susi dein Chef weiß schon warum er dich befördert hat. Ich bin dran mit bestellen. Ich beuge mich ein bisschen weiter zu diesem Prachtstück von COO, schau ihr in die Augen und sage: »Susanne hör mir jetzt mal genau zu. Ich möchte einmal, zwei Currywürste und einmal Kartoffelsalat.« Sie entgegnet nur lapidare: »Was so einen großen Hunger« Schnell bekomme ich meine Bestellung korrekt überreicht und suche meine beiden Freunde. Als ich mich zu ihnen setzte sag ich: »Ja, Ja immer schön auf den Terminus achten«, aber das geht irgendwie unter. »Die müssten mal mittags bei “Konopke”, der Ur-Berliner Currywurstbude, arbeiten. Das wäre ein Spass«, wir lachen alle drei bei der Vorstellung von mittäglichen Tumulten in der Schönhauser Allee in Berlin.

Nach ungefähr einer Stunde machen wir uns wieder auf den Weg und steuern auf der A7 weiter Richtung Dänemark. Als wir die Grenze überfahren, wird die Geschwindigkeit auf Dänemark übliche 110 km/h begrenzt. Es wird langweilig, so richtig langweilig. Ich aktiviere mein Bluetooth im Helm und starte die Musikwiedergabe auf dem iPhone. Blues, Eric Clapton scheint das richtige für diese komische Autobahnstimmung zu sein. Meine Augen werden schwer und die Schultern fangen an weh zu tun. Ich entspanne den Körper, versuche nicht zu verkrampfen. Locker machen und nicht ans Moped krallen ist hier das richtige Konzept. Mein rechtes Handgelenk fängt an weh zu tun. Ich lege die Hand auf den Gasgriff und halte so die erlaubte Höchstgeschwindigkeit. Jetzt wäre ein Tempomat nicht schlecht. Sonst lacht man ja immer über diese elektronisch aufgemotzten Mopeds. Jetzt hätte ich gegen solch eine Spielerei nichts einzuwenden. Dänemarks Autobahnen bieten aber auch so nichts für das Auge oder zur Ablenkung. So ziehen die Minuten an uns vorbei und die Kilometer. Mir fällt ein Spruch ein den ich irgendwo mal gehört habe: “Mann soll auf weiten Wegen, nicht über den Weg klagen”. Im Kopf bin ich noch zu Hause und auf Arbeit. Dieses Kopfgeficke hört hoffentlich irgendwann auf dieser Reise auf.

Laut Navi nähern wir uns der ersten Tanke in Dänemark. Noch 90 km, noch 50, 30, man das geht hier nicht wirklich vorwärts. Als ich schon bald die Nase voll habe, erreichen wir endlich die Tanke. Ich habe noch ein paar Dänische Kronen, so das ich für mich und die Jungs Kaffe holen kann. Wir setzen uns draußen an völlig unter dimensionierte Imbisstische. Die sind für Kinderhintern gemacht. Einmal zwischen Bank und Tisch geklemmt kann man nur noch nach vorne auf den Tisch fallen. Es ist kurz vor 5 Uhr abends und ich hätte jetzt eher Lust auf ein kühles Bier und ein Steak. Torsten und Horst geht es wohl ähnlich, so das wir nur Blödsinn quatschen und aus unerfindlichen Gründen auch noch darüber lachen. Das ist die pure Verzweiflung.

Wir machen uns auf die letzten 200 km in Angriff zu nehmen. Und das zieht sich. Dänemark ist hier so ziemlich laaaaang und weilig. Nach einer Stunde machen wir noch ne Pinkelpause und erleben hüpfende Rentner auf dem Parkplatz. Sieht lustig aus wie ein Haufen Silberpudel, alle aus einem deutschen Reisebus, hüpfend und tanzend über den leeren Parkplatz toben. Der Bus startet den Motor, die tanzende Rentergang stürmt die Sitzplätze und schon ist wieder Ruhe in der dänischen Pampa. Mann, mann, mann Dinge gibts. Kurz vor 19.00 Uhr erreichen wir endlich Hirtshals. Hier wird auch ein letztes Mal in Dänemark der Tank gefüllt bevor wir Richtung des Check-Inn der Fjordline rollen. Die freundliche junge Dame am Schalter teilt mir als erstes mit das die Fähre erst um 02.15 abfährt. Weiß ich schon! Warum wir so spät abfahren erfahre ich auch. »Wir warten noch auf Gäste, wegen der Brückensperrung in Deutschland« Aha, also wirkt sich die Sperrung der Rader-Hochbrücke bis hier an den letzten Zipfel von Dänemark aus. »Wollt ihr noch mal ne Biege drehen bevor ihr euch anstellt« Nein, wir wollen rein. Sie übergibt mir die obligatorischen bunten Schildchen auf denen unsere Destination und das Parkdeck steht auf das wir rollen werden und die Bordkarten und die Gutscheine fürs Frühstück. »Spur 1« teilt sie mir noch mit und schon rollen wir auf der Spur 1 bis vorn an das noch geschlossene Tor.

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Es ist schon relativ voll. Vor allem Norweger stehen auf Autospuren und harren der Dinge die da kommen mögen. Wir sind erst einmal froh hier angekommen zu sein. Im Gegensatz zu anderen Fährhäfen die relativ freiläufig angelegt sind, wirkt dieses Gelände der Fjordline wie der Innenhof von einem Knast. Ich bin schon mit der Scandline von Hirtshals gefahren und hatte den Fährhafen als weitläufiges Gelände in Erinnerung. Wir beschließen etwas zu essen. Eine Salami wird aus den Koffern gefischt und ich mache meine Jetboil klar zum Wasser kochen. Da Tische und oder Bänke nicht zum Repetitor dieser spartanischen Fährterminaleinrichtung gehört, kochen wir auf meinem Topcase. Also ich muss schon sagen ich habe mich ja immer gegen die Nutzung eines Topcase gewährt. Allerding erweist sich das Ding immer mehr als praktisch. Die „Nissin-Instant-Nudeln“ schmecken und sind zumindest was Warmes im Bauch. Nach dem wir diniert haben und alles wieder verstaut haben, kommen ein paar neue Motorradfahrer an.

Es ist eine vierer Gruppe, zwei Pärchen. Alle auf Yamaha Diversion, für mich ja das Fahrschulmotorrad schlechthin. Ich schaue interessiert und wir grüßen freundlich. Was mir sofort auffällt ist, das die Damen und Herren Kutten über ihren Goretex-Klamotten tragen. „Blue Knights“, blaue Ritter prangt als dreiteiliges Patch auf den Kutten. Na super, ich kenne mich in der Motorradklubszene in Deutschland sehr gut aus und weiß sofort das diese Kuttenträger nicht den 1%-Clubs zuzuordnen sind, sondern ganz im Gegenteil der Exekutive angehören. Bei den Blue Knights können nur Landes- und Bundespolizeibeamte oder Zoll- und Justizbeamte Mitglied werden. Gegründet wurden die Blue Knights in den USA, wo auch sonst, und spielen mit Ihrem Namen auf die in den USA gängigen blauen Uniformen an. Es gibt kaum ein Motorradclub, der in der Szene unbeliebter ist, als die „blauen Ritter“. Ich für meinen Teil halte eine Menge von Werten wie Brüderlichkeit und Respekt, kann aber mit der Umsetzung in Form von dreiteiligen Rückenpatches nichts anfangen. Zumal ich die meisten MC, also Motorcycle-Club als Taubenzüchtervereine auf Motorrädern kennen gelernt habe, bei denen es immer weniger um das Motorradfahren geht. Von rühmliche Ausnahmen ganz abgesehen, Grüße an den „MFG Bunter Haufen Berlin“ und „Die Gurken 1999 Spreewald“. Der Sinn, neben dem tragen von dienstlichen Uniformen, sich auch in der Freizeit uniformieren zu müssen, geht mir allerdings überhaupt nicht auf. Wahrscheinlich weiß man nicht wem man hinterher fahren soll, wenn vor einem kein blaues Logo prangt.

Eine der, Achtung neue Wortschöpfung: „Ritterinnen“ stellt sich auch schnell als ADHS geschädigt heraus. Nach dem Sie ihr Motorrad abgestellt hat, rückt sie ihre Kutte gerade und fängt direkt an uns voll zu labbern. »Na wo wollt ihr denn hin?« Na wo wollen wir wohl hin, wenn wir in einem abgesperrten Hafengelände, in einer Fahrspur stehen über der ein Hinweisschild mit der Aufschrift „Stavanger“ prangt? »nach Norwegen« erwidere ich kurz. Während ich mein „labbre-mich-nicht-voll“ Gesicht aufsetze, ignoriert sie mich und meinen Kommentar und macht munter weiter: »Na und auch im Stau gestanden«? Horst schnallt nicht wen er vor sich hat und antwortet: »Ne wir sind auf der Standspur dran vorbei«. Jetzt zieht das blaue Mausebärchen scharf die Luft durch die Nase. »Oh Mann, Standspur benutzt zum Zweck des eigenen schnelleren Vorwärtskommens, das macht 50 EUR und 2 Punkte«, zischelt sie und schaut warnend von oben durch ihre alberne „KiK“-Sonnenbrille, »wir haben ja den Stau umfahren«. Ganz toll Pupe! Horst hat irgendwie gerade gar keinen Bock mehr auf diese komische Braut. »Ja, schön« entgegnet er kurz. Bevor Madame weiter labbern kann versuche ich sie abzuwimmeln: »Naja, eure Kollegen die da rum standen, hat das mal gar nicht interessiert«. »Ja, aber das kann teuer werden«, antwortet sie und lehnt sich so an den Zaun als wenn sie es sich bequem machen will und gleich noch ein Vortrag zur Verkehrssicherheit kommt. Ich gebe einen Spruch zum besten: »Ja, ja, überall Polizei, man fühlt sich so unsicher. Ich habe in meinem Leben gelernt mich so weit wie möglich von der Polizei fernzuhalten«, zisch ab Puppe denke ich und gucke sie nachdrücklich unfreundlich an. Das wirkt, sie wendet sich ab und gesellt sich zu ihren blauen Freunden. Ich kläre Torsten und Horst auf wen wir hier vor uns haben und das ich keinen Bock auf solche Clowns habe. Da stimmen wir überein und ignorieren ab sofort diese Truppe.

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Langsam füllt sich der Bereich und es kommen nach und nach Wohnmobile und weitere Motorradfahrer an. Ich entdecke ein paar Holländer, einer von Ihnen fährt exakt das gleiche Motorrad wie ich. Da es sich um ein Sondermodell aus 2009 handelt, das relativ selten auf den Straßen anzutreffen ist schlendere ich dort hin, um zu schauen was hier alles an Zubehör verbaut ist. Wir kommen ins Plaudern und so vergeht die Zeit relativ schnell bis wir unsere Fähre die „MS Stavangerfjord“ entdecken die den Hafen ansteuert. Die Fähre ist nagelneu, erst im Juni in Danzig vom Stapel gelaufen und das sieht man auch. Nach dem ihr Bauch entladen ist, dauert es noch eine ganze Weile bis ein hektischer Einweiser erscheint um das Tor, Richtung Fähre zu öffnen. Es ist kurz vor 23.00 Uhr und schon dunkel. Entgegen der üblichen Vorgehensweise kommen wir als Motorradfahrer als letzte dran, nach dem die meisten Autos bereits in die Fähre eingefahren sind. Wir werden in Richtung LKW-Deck geleitet und müssen nochmals warten. Wir werden auf dem LKW-Deck in Richtung eines Abteils geleitet, das den Motorräder vorbehalten ist. Hier findet sich alles was wir benötigen um die Maschinen fest zu verzurren. Bei der Einfahrt hatte ich noch mit dem Einweiser gesprochen und mich versucht zu erkundigen wann wir morgen nun in Stavanger einlaufen werden. Er meinte das wir schlechtes Wetter hätten und wir deshalb nicht vor 11.00 Uhr einlaufen können. Um so wichtiger ist es, nun alles richtig fest zu machen. Ich nehme mein Topcase ab, das ich vorher extra für eine Nacht auf der Fähre gepackt habe und verzurre die BMW mit nagelneuen Spanngurten. Wir suchen den Aufzug und fahren auf Deck „sieben“. Wir haben bereits beim einchecken unsere Bordkarten erhalten und kennen unsere Kabinennummer. Nach ein paar Irrwegen finden wir diese dann auch. Interessanter Weise fungiert die Bordkarte auch als Zugangskarte für die Tür, obwohl diese aus Papier ist. Die Kabine ist recht beengt. Drei von unserer Statur füllen den zur Verfügung stehenden Raum vollständig aus. Wir haben eine drei Mann-Innenkabine gebucht. Anstatt des Bullauges prangt an der Wand das Bild, einer imaginären See. Alles ist neu und sauber.

»Ich brauche ein Bier«, Horst will gleich an die Bar. »Ich gehe erst duschen…« verkünde ich, »…und dann treffen wir uns dort!?« »Alles klar!«, Horst und Torsten verlassen die Kabine um die Bierbar zu entern. Ich brauche erst noch meine Ordnung! Bevor nicht alles seinen Platz gefunden hat, für morgen bereit liegt und ich endlich aus den Motorradklamotten raus bin, finde ich keine Ruhe für ein Bierchen. Zumal, ob der Enge in der Kabine sich immer nur einer aus den Klamotten pellen könnte. Ich gehe dusche und räume alles an seinen Platz. Als ich gerade fertig bin, kommen Torsten und Horst zurück. »Das ging aber schnell!?« Horst schüttelt den Kopf »Ja Scheiße ist, die Bar öffnet erst, wenn wir die offene See erreicht haben«. Na toll, da wir erst in zirka zwei bis drei Stunden auslaufen, wird das heute wohl nichts mehr dem Bierchen. »Wir müssen noch mal an die Mopeds, Rum, Cola und Becher holen«, verkündet Horst. Solange wir nicht auslaufen ist auch das Fahrzeugdeck nicht geschlossen, hoffen wir. Wir entern unbehelligt das Fahrzeugdeck und kramen zwei Flaschen Cola, den Rum und jeder seinen Becher aus den Tiefen der Packtaschen. Um ungestört einen Schlummertrunk zu nehmen, gehen wir raus auf das Aussendeck. Wir sind auf der Steuerbordseite und damit Richtung Kai. Bevor wir es uns auch nur ein wenig gemütlich machen können, werden wir freundlich aber bestimmend vom Aussendeck vertrieben. »Sorry, wir tanken gerade und da darf keiner hier draußen sein!«, eine resolute Dame in Uniform treibt uns vor sich her. »Bitte gehen Sie auf die andere Seite, dort können sie draußen stehen.« Wir tanken gerade? Also das habe ich auch so noch nie gehört! Ich spreche die „Stewardteska“ an: »Seit wann tankt man denn Schweröl im Hafen?« »Oh nein, wir fahren mit Flüßiggas, das ist ein neues Konzept«. Ich gucke nach unten auf den Kai, da steht tatsächlich ein Tanklaster von dem ein dicker Schlauch in die Bordwand der Fähre führt. Um den Schlauch herum dampft es weiß. Es sieht ein bisschen so aus wie bei „Kampfstern Galactica“ wenn Sie die Raumgleiter wieder aufgetankt haben.

Später in Deutschland habe ich mitbekommen, dass Fjordline ein paar Probleme mit diesem Konzept bekommen hat. Nicht nur die Sperrung der Brücke in Deutschland war wohl der Grund für unsere späte Abfahrt. Die „MS-Stavanger fährt ausschließlich mit Gas (LNG). Die Fähre kann nur in Dänemark betankt werden. In Norwegen dürfen lt. Norwegischen Sicherheitsbestimmungen beim Betanken keine Passagiere an Bord sein. Die Vorschrift gibt es weder in Dänemark noch in Schweden. Jetzt werden in Stavanger rund 20 LKW’s mit Gas gefüllt, die dann über Schweden nach Hirtshals fahren, um dort das Schiff zu betanken. Kommt es zu Verspätungen auf der Straße, ist auch die Abfahrt der Fähre nicht mehr pünktlich. Diese Situation wird sich noch verschlimmern, wenn auch die zweite neue Fähre in Betrieb geht. Fjordline hofft auf eine Ausnahmegenehmigung für ihre beiden neuen Schiffe in Norwegen. Naja als Vorreiter hat man es halt immer am schwersten.

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Wie nehmen die Backbord-Seite in Beschlag und eröffnen die Bar. Es ist dunkel, der Hafen liegt still und nichts rührt sich. Ein paar Fjordline Angestellte die uns da stehen sehen, grinsen sich einen und wir drei stoßen auf den heutigen vollbrachten ersten Tag an und freuen uns auf morgen, wenn wir dann endlich das Norwegen und das Fjordland erreichen. Da ich fix und fertig bin dauert es unter zu Hilfenahme des Rums nicht lange und ich gehe als erster in die Kabine. Ich habe die richtige Bettschwere, nutze aber trotzdem die vorsorglich mitgebrachten Ohropax, denn ich kenne ja meinen Torsten und weiß was er Nachts zu zersägen vermag.

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Lahmekuh
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Re: Norge 2013

#2 Ungelesener Beitrag von Lahmekuh »

Wow, du gibst ja echt alles beim Niederschreiben der Erlebnisse. :L

Das Lesen macht großen Spaß, bitte mehr davon.... :D
___________________________
Gruß aus dem niederen Sachsen
Michael

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Linus
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Re: Norge 2013

#3 Ungelesener Beitrag von Linus »

Für einen Deiner Urlaubstage benötige ich meine komplette Mittagspause. Wenn Du mal drei Wochen weg fährst,
melde ich vorsorglich Urlaub an :D
Herrlich geschrieben und kein bißchen langatmig trotz der Länge. Jetzt will ich aber auch endlich Norwegen sehen;
da war ich nämlich noch nie

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Mimoto
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Re: Norge 2013

#4 Ungelesener Beitrag von Mimoto »

..lesen tue ich es nach meinem Urlaub, ich hab schließlich Urlaub.

Lesen tue ich es aber auch ganz sicher weil die Statisten mich echt neugierig machen. :lol: :L

Grüße
Michael /mimoto

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Idefix
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Re: Norge 2013

#5 Ungelesener Beitrag von Idefix »

Ich bin jetzt schon neidisch,
Bis jetzt nur auf die Fähigkeit, 800 km Autobahnreise so zu erzählen,
als würde man einen spannenden Krimi lesen. Echt Hammer...

lass mich bitte auf Norwegen auch neidisch werden, ich möchte den Krimi gerne zu Ende lesen!
Bilder dürfen gerne zur Untermalung des langen Schriftstückes verwendet werden!

Gruß Tom

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MoniK
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Re: Norge 2013

#6 Ungelesener Beitrag von MoniK »

Herrliche Schreibe! Wenn Du weiterhin so viel persönliches Gedankengut einbaust, wird das mehr als nur ein(en) Abend füllender Roman! :D

Unsere Abfahrtzeit der Fähre wurde auch nach hinten verschoben, jetzt versteh ich weshalb.

Freu mich auf mehr!

Grüssle
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JamboF
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Re: Norge 2013

#7 Ungelesener Beitrag von JamboF »

Danke für euer Interesse und das Lob. Ich versuche gerade den Rest + Fotos + Videos fertig zu machen. Leider bin ich z.Zt. derart eingebunden das ich nur langsam voran komme. Aber es geht bald weiter, versprochen.

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Mimoto
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Re: Norge 2013

#8 Ungelesener Beitrag von Mimoto »

JamboF hat geschrieben:Danke für euer Interesse und das Lob. ...

...gilt immer noch, werde es lesen - zuhause! :mrgreen:

Grüße
Michael /mimoto

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