Tag 3: Tarrenz bis Ponte di Legno . "Gacher Blick", Samnaun, Reschenpass, Umbrail, Stilfser Joch, Gavia
Vorwort: ich setze mich jetzt mal frech vor Herberts Bericht. Ich musste ihn laut vorlesen, es ist auch für mich immer neu und überraschend, was da komme. Heute ist er zur Höchstform aufgelaufen, wir haben beim Lesen und Zuhören viel gelacht. Es macht einfach Spaß das Erlebte noch einmal aufleben und revue passieren zu lassen. Eure Kommentare machen Spass, inspirieren und die Rollenspiele, egal ob Prinzessin, Meckerliese (das beherrsche ich auch in Echt, echt!) oder Großklappe - immer ein Zwinkern dabei - aber wie im echten Leben - auch ein winzig bisschen Wahrheit
"wäre schön wenn wir heute so ungefähr bis nach dem Gavia kommen. Oder bis hinter das Stilfser Joch. Je nach Wetter fahren wir einfach die kurze, schnelle Route ohne Kurven" sagte ich am Morgen zu Tanja. (Genauso meinte ich das auch - so ungefähr )
39,7 Prozent!!?? basst
Leider versprach nur der Blick auf das Regenradar besseres Wetter (südlich des Stilfser Jochs). Der Blick aus dem Fenster ließ uns gleich die Regenkleidung anziehen. Mit so ca 10°C war es ja auch nicht übermäßig warm. Um 11:30 ging es also gleich mit eingeschalteter Griffheizung los. "Das erstes Ziel ist der Reschenpass sagte ich zu Tanja und fuhr voraus. Nach 3km in Imst musste eine Entscheidung getroffen werden. Rechts die Bundesstraße Richtung Landeck oder gerade aus Richtung Ötztal um dann über den "Gachen Blick" (Piller Höhe) ein paar schöne Kurven mitnehmen und einige Ortsdurchfahrten vermeiden. Da man so kurz nach dem Losfahren nicht wieder stehen bleibt
(sagt wer? Ich persönlich finde stehen bleiben toll) und wir auf Tanjas Wunsch keine Gegensprechanlage haben, nahm ich einfach an dass Tanja keine Orte durchfahren will und so fuhr ich gerade aus ins Ötztal. Dass die Piller Höhe auch schon auf 1500m (also ca 750m höher als Tarrenz) gelegen ist hab ich bis gerade eben (hab in Basecamp auf den Track geschaut) nicht so genau gewusst. Der Höhenunterschied erklärt aber dass da oben die Temperaturanzeige so komische Sternchen angezeigt hat. Es begann auch gleich mal leicht zu regnen. Auf dem Display war immer MAX dabei. Heizgriffe Stufe MAX !
Komische Sternchen, aha. Noch ein Gläschen Wein für Dich?
Am "Gachen Blick" (für die deutschen Österreichtouristen: gach bedeutet kurz/schnell ) parkten wir die Mopeds und gingen auf die Aussichtsplattform:
Den Kaugummi entferne ich künftig vor dem Fotografieren, versprochen
um einen gachen Blick ins darunter liegende "Obere Gericht" der oberste Teil des Inntales zu wagen. (Da haut er aber einen auf Klugscheisser, raus. Der einheimische Schluchtensch...

)
Weiter ging es dann Richtung Kaunertal und in Prutz auf die Bundesstraße Richtung Reschenpass. (Wir wolten ja die kürzere schnelle Route nehmen, wenn es regnet). Ein paar km weiter in Pfunds, es hatte gerade aufgehört zu regnen, kam mir ja die Idee, dass es benzinpreismäßig ja ein sehr teurer Urlaub wird (Bin schon seit 30 Jahren im Schwabenland und das prägt sogar den härtesten Tiroler) und das muss unbedingt noch mit billigem Benzin in Samnaun kompensiert werden. Bei einem 30l Tank ist das ja ein entscheidendes Argument. Außerdem ist es trocken und dann dürfen es ja auch ein paar Kurven mehr sein. Wegen der anspruchsvolleren Trainingseinheit nahm ich natürlich den deutlich schwierigeren Weg über die schweizer Auffahrt durch die unbeleuchteten, einspurigen Tunnels. (Autsch das gibt sicher Haue wenn Tanja das jetzt dann gleich liest, oder mindestens ein "gehts noch ?? ")
...wahrscheinlich könnte ich inzwischen an der Moto GP und Sea-to-Sky als Top-Favorit teilnehmen und weiss garnix davon. Millionen, die da möglicherweise verlustiert gehen.
Nach dem Tanken, gab's natürlich einen guten Cappucino. Dieser und der Kuchen haben aber den Tankvorteil rein finanziell wieder relativiert, aber die absolvierte Trainingseinheit: "Einspurige, unbeleuchtete Tunnel im steilen Gelände und auf nasser Straße" war sicher unbezahlbar.
Die Grundausbildung für die GSG 9 ist wahrscheinlich nichts dagegen!
Einige Kehren waren so zum aufwärmen auf die folgende Strecke ja auch schon mal dabei.
Runter also und Richtung Schweiz, um über Martina die 12-15 Kehren hoch nach Nauders und weiter zum Reschenpass zu fahren.
Oben angekommen und Richtung Südtirol geblickt sah es dann etwas freundlicher aus. Am Reschensee machten wir nach bisher 4,5h schon die dritte Pause. (Viele folgten dann nicht mehr

)
Schnellster Weg bis hinter den Gavia. Der Blick Richtung Süden: "Schau das sind ganz viele: "
"Wolken!!?" " ... nein Löcher in den Wolken" sagte ich und dachte zumindest über den Umbrail müsste schon noch klappen heute. Los ging's. Über den inzwischen komplett asphaltierten Umbrail ging es dann hoch. Hatte gar nicht mehr in Erinnerung dass das auch ein hervorragendes Kehrentraining für Tanja ist. Da braucht man die 46 Kehren auf der Südseite des Stelvios nicht missen. An der Grenze zur Schweiz sagte ich mir: "Wenn wir schon da sind, muss ich Tanja doch den Blick vom Stilfser Joch zeigen" und bog nach kurzer Nachfrage ob noch alles ok ist
So kurz, dass ich mich an die Kürze garnicht erinnern kann., links ab - hinauf auf den Stelvio. Es war kalt - saukalt da oben. 3-4°C so ungefähr. Da half nicht mal mehr MAX.
MAX glaube ich, kann irgendwie immer helfen. Ich bin mir da sogar relativ sicher
Tanjas Blick dort oben, sprach Bände:

Kann das schlimm gewesen sein ?
Es war toll, ein unglaubliches Erlebnis!
Die Aussicht: Zumindest Tanja erkennt man ungefähr:
Mich auch so ungefähr:
Der Blick runter auf die Südseite: Schaut euch ein weißes Blatt Papier an, das brauch ich hier nicht reinstellen.
Wieder schnell runter zur Abzweigung Richtung Bormio. Was ein paar m Höhenunterschied ausmachen:

Ganz klein im Bild: Tanja beim kehren üben. Nein Kehren meinte ich natürlich
jetzt hört sich ja alles auf
In Bormio angekommen, es war zwischenzeitlich schon 18:00 Uhr, wollte ich ein Zimmer suchen. Irgendwie haben wir aber keines entdeckt, das uns angesprungen hätte, und so entschlossen wir uns - es hatte da unten ja wieder warme 12°C oder so ähnlich, doch noch unser (na ja war mein) Tagesziel "bis hinter den Gavia sollten wir kommen" - zu erreichen.
Mir fällt grad die Geschichte vom Watzmann ein: "Groß und mächtig, schicksalsträchtig. Um seinen Gipfel jagen - Nebelschwaden. In einer neuen Interpretation würde der "Bua" mit dem Motorrad bei diesem Wetter auf den Gavia fahren und dort erfrieren.
Witzig, haben vorhin passend dazu Tickets für die "Watzmann-Tour" gebucht.
Immer höher, immer kälter. Ich schaute in den Rückspiegel und dachte, heute Nacht gibt es Liebesentzug für das was ich da mit Tanja auf ihrer ersten großen Pässetour in den Alpen mache. (Man möge mich des edlen Rittergewissens nun loben)
Oben angekommen:

Tanja wollte keine Cappuccinopause !!!!
Kurz hinter der Passhöhe:

Die Natur bereitete den Gavia für die herrlichen Fotos von MIMOTO am nächsten Tag vor.
Nun kommt ein weiteres Highlight des Tages:
Nur wenige Meter weiter stand ein junger Mann in Wanderkleidung (ich glaub Kniehose und eine dünne undichte Regenjacke trug er) am Straßenrand, lächelte mir verlegen entgegen und hob (ich dachte zuerst der macht einen Spaß) den Daumen in die Anhalterposition. Ein Blick in den Rückspiegel, nein nur Tanja war hinter mir. Ich kombinierte. Fast 19:00 Uhr, Schneeregen, bei 2-3°C, und noch 15km bis zur nächsten Ortschaft, kaum Verkehr, durchnässt. Wenn ich den jetzt nicht mitnehme, überlebt er das nicht hier oben. Also blieb ich stehen und fragte ob er mit runterfahren will. Es war ein Rumäne der schon lang in Italien wohnt und gutes Englisch spricht. Auch ein paar Worte deutsch konnte er. So klappte die Verständigung, weil mein italienisch ist nicht der Rede wert. Er sagte mir dass er noch nie auf einem Motorrad saß. Ich antwortete er muss keine Angst haben, weil ich eh nur ganz langsam fahren kann wegen der Nässe und Kälte. Also kam es so, dass der Kerl auf den Sozius Sitz kletterte. Ich hatte alle Hände voll zu tun um nicht gemeinsam umzufallen, weil dass auch der Hinterbänkler beim Aufsteigen ein bissle fürs Gleichgewicht mitsorgen muss, war ihm natürlich fremd.
Ich hab ihm vorher die Fussrasten rausgeklappt. Irgendwie hat er wohl beim Aufsteigen dann die linke hochgeklappt. Hat aber nichts gesagt und ich dachte die ganze Strecke dann: "Warum lässt der den Fuss runterhängen?". Sehr zaghaft saß er natürlich auf dem Sozius. Er klammerte sich mit den Händen an meiner Jacke fest. Na er nahm den Stoff der Jacke zischen die Finger und versuchte nur die Jacke zu berühren. Ich fühlte die ganzen 15k ein starkes Vibrieren in der Taille. Das Vibrieren war begleitet von einem fürchterlichen Kälte-Geklapper von den Zähnen des Hinterbänklers. Die Taillenvibratoren waren seine Hände an meiner Jacke. (Das mit den Zähnen konnte ich real nicht hören, weil ich Ohrenstöpsel drinn hatte, aber das Zittern/Schlottern war realer wie das wirkliche Leben.) Der Kerl tat mir echt sehr leid. Es war am Morgen bei gutem Wetter 6h hoch auf den Gavia gelaufen und vom Wetter überrascht worden.
Unten angekommen fiel er erst mal wie ein Maikäfer auf den Rücken, als er vom Motorrad runterstieg. Ich schaffte es grad so, nicht auch noch mitzukippen. Er versuchte uns noch ein Hotel zu organisieren, was aber nicht gleich klappte.
Der Arme war wirklich nicht zu beneiden. Ich durfte/musste die Szenerie von hinten beobachten. Er hat echt geschlottert, so dass es meterweit zu sehen war.Wir machten uns selbst auf die Suche und nahmen das erst Beste, was natürlich nicht das Beste war. Es war in der Zwischenzeit ca 20:30 geworden. Das Hotel war ganz ok dann. Trocken, sauber und warm war es.
Obwohl Tanja (verwunderlicherweise) überhaupt nicht verstimmt
ich bin nie verstimmt. Ich passe meine Stimmung nur regelmässig den Gegebenheiten an. war, sie war sogar sehr glücklich weil sie das alles "derpackt" hat, dachte ich mir, dass wir uns jetzt mal was besonders leckeres gönnen könnten. Ein Feinschmeckerrestaurant war in nächster Nähe zum Hotel. Das gönnen wir uns heute und von mir aus 5 Cappucinos. Wir waren uns einig. Aber - alternativ zum 100€ Essen mit (nur) einer Flasche mittelprächtigem Rotwein wäre ein MCDonalds Maximenü lukullisch deutlich besser gewesen. Wir nahmen es mit Humor und verzogen uns unter die warme Kuscheldecke.
Fortsetzung folgt....
Gute N8 Mimotos.
213 km , 8h inkl Pausen, 10900 Höhenmeter, vieeeeeeele Kehren![/quote]